03

Genys POV:

Der Unterricht war gerade der reinste Horror. Chemie, Leute. Chemie. Ich saß da, starrte auf mein Blatt und versuchte irgendwie, nicht von den Dämpfen der anwesenden, giftigen Chemikalien umzuhauen – oder vielleicht war es einfach nur meine eigene Verzweiflung, die mich beinahe in Ohnmacht fallen ließ.

Obanai, unser geliebter Chemielehrer, hatte schon seit einer halben Stunde ein Auge auf mich geworfen. Ich wusste genau, dass er nur auf den Moment wartete, in dem ich etwas Dummes sagen würde, damit er mich mit seinem verdammten Schlagstock auf den Kopf klatschen konnte. Der Typ liebte es, seine Schüler zu quälen. Und nein, das war nicht übertrieben. Zenitsu war an diesem Tag am Boden fixiert, mit einem Schweißband um den Mund, und Inosuke war mit einem Knebel gestraft – die beiden waren also nicht gerade eine Hilfe, um den Unterricht lebendig zu halten. Aber hey, es war trotzdem lustig, das ganze Drama zu beobachten. Sie mochten sich anscheinend richtig gut – Obanai und mein Bruder Sanemi, die zwei besten Freunde, die sich gegenseitig in ihren Foltermethoden unterhielten.

„Genya," hörte ich plötzlich Obanai's kratzige Stimme. „Kannst du mir bitte die chemische Formel für...", er hielt kurz inne, als würde er nach etwas besonders Exotischem suchen, „für Ammoniak sagen?"

Ich starrte ihn an, als würde er gerade ein Flugzeug aus seiner Nase ziehen. Was zur Hölle? Ammoniak? Natürlich wusste ich das nicht! Mein Gehirn war in eine Art Schockzustand gefallen, der mir jegliches Wissen über Chemie geraubt hatte.

„Hmmm... Ammoniak... ja, die Formel ist... HDF," sagte ich einfach, mein Blick starr auf das Papier gerichtet, während ich mir versuchte, möglichst cool dabei zu fühlen. Ich konnte den Blick von Obanai förmlich spüren, wie er durch mich hindurch bohrte. Wenn Augen töten könnten, dann wäre ich jetzt schon in der Hölle. Aber das war mir in dem Moment egal.

Es war still im Raum. Zu still. Ich sah auf, und als ich das wütende, schnaubende Gesicht von Obanai bemerkte, wusste ich, dass das nicht so gut war. Scheiße.

„Was hast du gerade gesagt?" Obanai's Stimme war jetzt so scharf wie der Schnitt eines Schwertes. „Das ist keine Formel, Genya!"

„Doch, das ist es!", erwiderte ich, völlig ruhig. „HDF – Halt die Fresse. Klar, warum nicht? Es ist eine Formel, die man im Unterricht häufiger braucht!"

Die Klasse brach in Gelächter aus. Ich konnte die Blicke der anderen Schüler sehen, die sich vor Lachen fast in ihren Stühlen zerfetzten. Zenitsu, der normalerweise nicht mal in der Lage war, einen Witz zu verstehen, starrte mit einem breiten Grinsen an, das selbst mich überraschte.

Obanai war in einem Zustand der völligen Entgleisung. Ich konnte die Worte förmlich aus seinem Kopf herausspringen sehen, als er versuchte, sich zu fassen. Dann fiel es ihm wohl wie Schuppen von den Augen, und er zog seine Augenbrauen zusammen. „Das war nicht witzig, Genya."

Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. „Für dich vielleicht nicht, aber für uns schon. Und ist es nicht irgendwie eine Formel? Ich meine, jeder sollte wissen, wann es Zeit ist, einfach mal die Fresse zu halten, oder?" Ich versuchte, so unschuldig wie möglich zu klingen, aber in Wirklichkeit wusste ich genau, dass ich mich selbst und alle anderen gerade in ein großes Chaos gestürzt hatte.

Obanai starrte mich an, als hätte ich gerade das gesamte Periodensystem auf den Kopf gestellt. Er schüttelte nur den Kopf und schnaufte laut. „Das ist wirklich... das schlimmste, was ich jemals von einem Schüler gehört habe."

Ich zuckte mit den Schultern und grinste frech. „Tja, die Schule ist eben kein Zuckerschlecken, Obanai. Man muss mit den Methoden arbeiten, die man hat."

Die Klasse lachte noch lauter, und ich konnte den verkrampften Ausdruck in Obanai's Gesicht sehen. Ich dachte wirklich, dass er gleich seinen Schlagstock schwingen würde, aber stattdessen wandte er sich mit einem Ärger, der nur in einem saftigen Mordauftrag enden konnte, von mir ab.

„Setz dich einfach, Genya," brummte er und drehte sich zum Tafeln um, als wäre ich nicht mal der Grund seines bevorstehenden Nervenzusammenbruchs.

Ich fiel wieder auf meinen Stuhl zurück, und das Gelächter der anderen Schüler hallte noch eine Weile in meinen Ohren nach. Es war der beste Moment meines Tages. Vielleicht sogar meiner Woche.

Zenitsu hatte mittlerweile das Band um seinen Mund gekaut, und er blubberte vor sich hin. „Genya, du bist der Beste. HDF, das war echt episch!"

„Du bist echt ein Idiot," knurrte Inosuke, der immer noch mit diesem Knebel im Mund versuchte, seine Wut loszuwerden.

Aber hey, zumindest war der Unterricht jetzt für alle ein bisschen erträglicher. Ich hatte Obanai eine Lektion erteilt – oder zumindest den Rest der Klasse eine Ahnung davon, dass man auf keinen Fall erwarten sollte, dass ich bei dieser ganzen Chemie-Geschichte ernst bleibe.

Lachen war alles, was mir blieb. Und das war genug.

Muichiro POV:

Geschichte. Ich hasste Geschichte. Nicht, weil ich das Fach nicht mochte – ganz im Gegenteil. Aber unser Geschichtslehrer, Herr Kaibara, war... sagen wir mal, eine wandelnde Katastrophe. Der Typ hatte ein Talent dafür, Jahreszahlen durcheinanderzubringen und Ereignisse so zu verdrehen, dass man sich fragte, ob er nicht in einer alternativen Realität unterrichtete. Aber heute... heute hatte er den Bogen überspannt.

„1945 endete der Erste Weltkrieg," verkündete er mit einer Stimme, die förmlich danach schrie, verbessert zu werden. Ich saß da, mein Stift in der Hand, und starrte ihn an. Mein Gehirn begann sofort zu rauchen. 1945? ERSTER Weltkrieg? Soll das ein Witz sein?

Ich hob die Hand. „Ähm, Herr Kaibara? Das stimmt so nicht."

Er warf mir einen genervten Blick zu. „Tokito, was stimmt denn nicht?"

Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme. „1945 war das Ende des ZWEITEN Weltkriegs, nicht des Ersten. Der Erste Weltkrieg endete 1918, am 11. November, um genau zu sein, um 11 Uhr. Das ist ziemlich bekannt, eigentlich."

Die Klasse begann zu kichern, und ich spürte, wie die Aufmerksamkeit auf mich gelenkt wurde. Herr Kaibara zog die Augenbrauen zusammen. „Nun, Tokito, das ist doch irrelevant. Wir sprechen über die allgemeinen Ereignisse, nicht über Details."

Ich blinzelte ihn an. „Details? Das ist keine Kleinigkeit, Herr Kaibara. Wenn man den Unterschied zwischen den beiden Weltkriegen nicht kennt, wie sollen wir dann Geschichte richtig lernen? Das ist so, als würde man behaupten, Napoleon habe das römische Reich gegründet."

Das Kichern in der Klasse wurde lauter, und ich hörte jemanden murmeln: „Der Junge hat recht."

Herr Kaibara's Gesicht lief rot an. „Das reicht, Tokito. Vielleicht solltest du dich ein bisschen zurückhalten und nicht so überheblich sein."

Ich hob eine Augenbraue. „Überheblich? Es tut mir leid, wenn ich Fakten mag, Herr Kaibara. Aber wenn wir schon dabei sind – die Jahreszahl, die Sie für den D-Day genannt haben, war auch falsch. Das war der 6. Juni 1944, nicht 1943, wie Sie gesagt haben."

Das Lachen der Klasse war jetzt kaum noch zu bändigen, und ich sah, wie ein paar Schüler versuchten, sich hinter ihren Büchern zu verstecken, um nicht laut loszuprusten.

„Tokito!" Herr Kaibara schlug mit seiner Hand auf seinen Tisch. „Das reicht jetzt wirklich! Du bleibst heute nach dem Unterricht zum Nachsitzen!"

Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie meinen. Vielleicht kann ich Ihnen ja ein paar Daten beibringen, während ich da bin."

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „RAUS! Sofort raus auf den Gang!" schrie er, sein Gesicht jetzt so rot wie eine überreife Tomate.

Ich stand auf, sammelte mein Notizbuch und meinen Stift ein und ging ganz ruhig zur Tür. „Kein Problem, Herr Kaibara. Ich kann den Stoff draußen sicher besser lernen als hier drin."

Die Klasse explodierte in Gelächter, und ich hörte jemanden flüstern: „Muichiro hat mehr Ahnung als der Lehrer."

Als ich auf dem Gang stand, lehnte ich mich gegen die Wand und holte mein Notizbuch hervor. Vielleicht sollte ich mein eigenes Geschichtsbuch schreiben. Es würde definitiv weniger Fehler enthalten als das, was uns hier beigebracht wurde.

Nach ein paar Minuten kam Herr Kaibara heraus und sah mich mit einem Blick an, der Bände sprach. „Tokito, wenn du meinst, alles besser zu wissen, warum übernimmst du nicht gleich den Unterricht?"

Ich lächelte ihn unschuldig an. „Wenn Sie mich fragen – das wäre gar keine so schlechte Idee. Aber ich glaube, die Schulleitung würde etwas dagegen haben."

Er starrte mich an, atmete tief durch und ging zurück ins Klassenzimmer. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war nicht meine Schuld, dass ich die Fakten kannte. Wenn das ein Problem war, dann musste Herr Kaibara damit leben.

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