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Chenle:

Ich kann sehen, wie mein Gegenüber kurz zögert, bevor er zu einer Antwort ansetzt.
"Normalerweise wirklich gerne...
Aber eigentlich wollte ich nur fragen, ob wir unser Treffen vielleicht... auf morgen verschieben können?", er blickt mich unsicher an und nestelt am Saum seines Shirts herum.

"Achso..."
Ich kann nicht verhindern, dass die Worte des Jungen vor mir mich enttäuschen.
Den ganzen Vormittag habe ich mich auf das Treffen gefreut und ich bin schon sehr traurig gewesen, nachdem ich festgestellt habe, dass bei unseren Nachbarn niemand zuhause war.

Dank meiner Familie und dem sozialen Status, den ich aufgrund unseres Reichtums besitze, habe ich nicht viele Freunde, und neue Leute lerne ich auch so gut wie nie kennen.
Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, als ich Jisung am Vortag in unserem Garten getroffen habe.

Wahrscheinlich ist das übertrieben, da ich ihn ja quasi überhaupt nicht kenne, und vermutlich ist es auch nicht gerade schlau, wenn man die Dinge bedenkt, die vor kurzem erst passiert sind. Aber er wirkt wirklich nett und ich kann garnichts gegen den Wunsch in mir tun, diesen Jungen besser kennen zu lernen, mich vielleicht sogar richtig mit ihm anzufreunden...
Das wäre schön, denn mein Leben ist schon ziemlich einsam.

Klar, ich habe Jeno und er ist wirklich der beste Freund, den man sich vorstellen kann, aber er arbeitet und das so gut wie rund um die Uhr. Renjun ist doch auch immer eher nur sein Freund gewesen und wenn wir mal zu dritt etwas gemacht haben, bin ich meistens das berühmte überflüssige Rad am Wagen gewesen, was auf Dauer doch ziemlich nervig ist.

Aber wie gesagt, groß die Möglichkeit neue Leute kennen zu lernen und Freundschaften zu schließen habe ich nunmal einfach nicht.
Selbst zur Uni wurde ich immer von einem Bodyguard begleitet, was es mir natürlich auch erschwert hat, Kontakt zu meinen Kommilitonen aufzubauen.

Da blieb mir eben nurnoch das Internet, aber die Freundschaften die ich dort schloss, haben alle nie lange gehalten. Eigentlich kenne ich nur einen Jungen, mit dem ich dauerhaft Kontakt halte und den ich wirklich als Internetfreund bezeichnen würde, aber er wohnt leider viel zu weit weg, um mich mal im realen Leben mit ihm treffen zu können.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, könnte ich mich eigentlich wieder bei ihm melden, immerhin ist es jetzt bald Mittag in Europa, da sollte er schon auf den Beinen sein. Vielleicht hat er ja Zeit, mit mir zu telefonieren oder sogar eine neue Serie anzufangen, dann hätte ich wenigstens eine Beschäftigung für den heutigen Abend, jetzt da Jisung mir auch abgesagt hat...

Ja genau Jisung...
Jetzt ist da also dieser Junge von nebenan, in meinem Alter und sozusagen der perfekte Freund. Er hat von Anfang an super lieb gewirkt und da ist irgendwie etwas zwischen uns, weshalb ich mich direkt mit ihm verstanden habe.
Nur deshalb habe ich mich überhaupt getraut, ihn nach einem Treffen zu fragen. Was ja jetzt sowieso abgesagt ist, also von daher eigentlich auch egal.

Aber naja, so ist das Leben.

"Kein Problem, wirklich! Morgen habe ich auch Zeit."
So wie eigentlich jeden Tag im Moment...
Oh man, das wird wieder ein einsamer Abend, nur ich mit meinen Chicken und einer neuen Serie. Yangyang geht schließlich zur Schule und hat unter der Woche vermutlich keine Zeit, um ausgiebige Telefonate mit mir zu führen.
Immerhin ist unser Sofa schon fertig zur Benutzung, also muss ich den Abend wenigstens nicht auf meiner unbequemen Matratze verbringen.

"Echt? Okay also... Tut mir echt leid, auch dass ich erst so spät hier bin.", reißt Jisung mich wieder aus meinen Gedanken.
"Aber mein bester Freund hatte heute einen Kreislaufzusammenbruch, wir waren eben beim Arzt und das hat alles ein bisschen länger gedauert als geplant...
Auf jeden Fall will ich ihn jetzt ungern alleine lassen, weißt du?"

Bei der Erwähnung seines besten Freundes reiße ich erschrocken die Augen auf, dann nicke ich verstehend und antworte:"Klar, das verstehe ich total. Ich hoffe, deinem Freund geht es einigermaßen gut?"

Er nickt und schenkt mir eines seiner wunderschönen Lächeln.
"Den Umständen entsprechend, aber er jammert die ganze Zeit rum, dass es doch garnicht so schlimm ist und er genauso gut zur Arbeit gehen könnte. Das ist einfach typisch Jaemin."

"Haha, das könnte mein bester Freund sein. Er arbeitet wirklich die ganze Zeit, auch wenn er krank ist.
Das ist manchmal so, als müsste ich mich um ein kleines Kind kümmern, das nicht einsehen will dass man zuhause bleibt, wenn es einem schlecht geht. Und dabei ist Jeno der Ältere von uns beiden.", erwidere ich und beobachte, wie meine Erzählung Jisung zum lachen bringt.

"Diese Beschreibung passt eins zu eins auf Jaemin.
Er ist eigentlich wirklich der vernünftigste und fürsorglichste Mensch, den ich kenne, aber wenn es um ihn und seine Gesundheit geht... Das ist echt schlimm manchmal.", erzählt er und verzieht das Gesicht zu einer leichten Grimasse.

Es ist schön zu beobachten, wie liebevoll er von seinem besten Freund spricht. Es bestätigt mir nur erneut, was für ein toller Mensch dieser Junge ist und ich freue mich jetzt schon auf den morgigen Tag, an dem ich ihn endlich ein wenig besser kennenlernen werde.
Ich bin gespannt darauf und alleine diese Aussicht lässt den ereignisslosen Abend ein bisschen weniger schlimm erscheinen.

Dieses Mal ist es nicht Jisung, der mich aus meinen Gedanken reißt, sondern das Geräusch eines näher kommenden Fahrzeuges, das sich als Roller des Lieferdienstes entpuppt.

"Wie gut, dass wir da sind um auf unsere Opas aufzupassen.", spiele ich auf meinen Kommentar vom Vorabend an, was Jisung zum lachen bringt. Anscheinend erinnert er sich sogar daran oder er findet es einfach so lustig... Obwohl lustig ist das eigentlich nicht wirklich, vermutlich will er nur höflich sein. Mensch, warum bin ich eigentlich so unfähig, was menschliche Interaktionen anging?

Ich ignoriere meine Gedanken so gut es geht und deute auf den Roller, der soeben vor unserem Haus parke.
"Ich glaube da kommt mein Essen."

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