⇝Kapitel Eins

Ashton POV

"In wenigen Minuten erreichen wir die Haltestelle 'Sydney Medical School'. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts''.

Ich seufzte leise und nahm die Kopfhörer aus meinen Ohren.
Mittlerweile konnte ich die Durchsage der letzten fünf Stationen mitsprechen, da ich sie zwei Mal die Woche hören musste und das seit genau 53 Tagen, also siebeneinhalb Wochen.

Wieder einmal hielt ich ein flauschiges Kuscheltier, in Form eines riesigen Hundes in meiner Hand, welcher ein pink-glitzerndes Herz, mit der krakeligen Aufschrift  'Lauren', geschrieben von meinem kleinen Bruder Harry, um seinen Hals trug.
Sie liebte Kuscheltiere, auch wenn sie mittlerweile schon 16 Stück davon besaß. Jeder einzelne besaß einen Namen, die sie stolz taufte und danach jedem einen Ehrenplatz, in ihrem Krankenzimmer gab.

Meine Füße bewegten sich schon mechanisch dazu, aufzustehen, sodass ich nur Sekunden später, mit einem Rucksack auf den Schultern und dem Teddy in der Hand, fest umklammert, aus der Straßenbahn austreten konnte und somit die Klinik vor mir hatte. 

Mit müden und traurigen Augen betrachtete ich also den Slogan des Krankenhauses, welches meiner Schwester das Leben retten sollte. Wie immer, lag mir eine sechsstündige Zugfahrt in den Knochen, aber die Anstrengung war es mir wert, wenn ich dafür meine kleine fünfzehnjährige Schwester, unterstützen und ihr beistehen konnte.

Ursprünglich kam unsere ganze Familie aus Melbourne, aber diese Universitäts Klinik in Sydney war auf Seltene und unentdeckte Krankheiten spezialisiert, weshalb Lauren dort einfach am Besten aufgehoben war.
Ich würde mir gerne selbst erklären, was sie speziell hat, um ihnen mit Recherchen zu helfen, aber bis vor drei Tagen wusste nicht einmal das Ärzte-Team, was für eine Krankheit sie hatte und ich verstand sie immer noch nicht, obwohl meine Mum es mir fünf mal Versucht hatte, zu erklären.
Ich glaube, so richtig verstanden, hat sie es allerdings auch noch nicht. Wieso war diese scheiße denn auch so kompliziert?! Hätte sie nicht Krebs haben können? Etwas was man schon erforscht hat und behandeln kann!?

Ein Hupen ließ mich aus meinen Gedanken schrecken.
Ich stand immer noch mitten auf der Straße des Parkhauses, welches mit der Kinder-Klinik und der Intensivstation für Verbrennungen, verbunden war. Ich musste zur Zweiteren. Station 71.
Es war 4PM am Freitag als ich meiner Mum schrieb, dass ich nun da wäre, woraufhin sie mich anrief.

''Hey Ash'', ihre Stimme klang gebrochen und rau. Ich wusste genau, dass sie mir schlechte Nachrichten überbringen würde. So lief es immer ab.

"Was ist los Mum? Muss sie wieder Operiert werden?'', besorgt um meine kleine Schwester drückte ich eilig immer wieder den Aufzug, in der Hoffnung, er würde somit schneller ankommen. Sie schluchzte leise.

"Ich erklär es dir gleich. Aber komm zur Lobby, die OP dauert drei bis vier Stunden."

Wieder einmal nickte ich nur, obwohl sie es nicht sehen konnte und ließ meine Hand, welche den Knopf wieder und wieder betätigte, nun seufzend fallen. Ein leises ''Ich komme'', entkam aus meiner Kehle, ehe ich aus dem Gebäude heraustrat und meinen Weg zum Haupteingang entlang ging. Es war traurig wie gut ich mich hier bereits auskannte, als ob ich in diesem Krankenhaus, so groß wie eine Kleinstadt mit zweiundsiebzigtausend Patienten, groß geworden wäre.

Bereits als ich durch die Drehtür lief, konnte ich eine weinende, zierliche Gestalt, auf einem der Bänke ausmachen und wusste sofort, dass es meine Mutter sein würde. Sofort bewegten meine Beine sich in Schnellschritt auf sie zu, um sie direkt in den Arm zu nehmen. Ich strich ihr beruhigend über den Rücken, als auch mir Tränen in die Augen schlichen.

"Was ist denn los, Mum?'', flüsterte ich in ihr Ohr und strich ihr eine Locke hinters Ohr.

"Laurens Zehen sind schwarz geworden. Die Bakterien haben ihren Knochen angegriffen. Sie müssen bis zum Mittelfußknochen amputiert werden."

Ich schluckte hart und riss meine Augen weit auf, damit mir ja keine Träne runterlief. Ich musste für Mom stark bleiben.
Was für eine scheiß Krankheit würde meiner Schwester dies antun? Sie hatte bereits keine Haut mehr an den Unterschenkeln und Hüften, sie konnte nicht einmal mehr laufen, oder vernünftig essen. Sie konnte ja nicht einmal mehr aufs Klo! Dafür wurde ihr ein Darmausgang ausgelegt und wenn sie weiterhin nicht aß, würde sie eine Magensonde gelegt bekommen. Sie war doch erst fünfzehn! Sie hatte gerade einen Jungen kennengelernt, den sie toll fand und nun? Was kommt als Nächstes?

Ich schluckte meine Angst und Besorgnis tief hinunter und küsste Mums Stirn.

"Es wird alles gut. Sie ist stark Mum. Sie schafft das."

Ohja, das hoffte ich so sehr.


Luke POV

"Ich bin so verdammt Müde. Hätte mir jemand vorher gesagt, dass ich in diesem Beruf so wenig Schlaf bekomme, hätte ich mir bestimmt etwas anderes ausgesucht", seufzte Thomas und vergrub seine Braunen Locken unter dem blauen Kittel, den er sich über den Kopf stülpte.

Während die gesamte Umkleide jedoch anfing zu lachen, schüttelte ich nur mit einem leichten grinsen den Kopf und band meine Hose zu. Obwohl Thomas unser Stimmungsmacher war, konnte ich nicht behaupten, dass die letzte Nachtschicht nicht an mir nagen würde. Ich hatte vielleicht drei Stunden Schlaf bekommen, da die Ärzte uns wirklich alles zeigen wollten. Oder vielleicht wollten sie uns auch einfach nur quälen. Egal was es war, ich konnte es gar nicht abwarten, heute am Ende des Tages in unsere kleine Wohnung zu gehen und mich einfach nur in mein Bett zu hauen. Tyler, Wyatt und ich, teilten uns eine Wohnung, da wir es uns einfach nicht leisten konnten, eine eigene zu besitzen. Außerdem war es ganz cool und man konnte sich über viel Stoff zum lernen oder auch die einzelnen Visiten austauschen, denn jeder von uns, arbeitete in einem anderen Bereich.
Während Wyatt hauptsächlich in der Krebsstation tätig war, wollte sich Tyler auf die Hebammen spezialisieren. Ich strebte an, tatkräftiger Chirurg zu werden und Krankheiten zu behandeln, die auf dieser Welt verdammt selten sind. Außerdem, wollte ich das Wissen aus mehreren Abteilungen bekommen, nachdem ich mich auf eins spezialisiert habe, da ich einfach gerne viel neues lernte und es schon immer mein Traumberuf gewesen war, Arzt zu werden.

"Wo ist denn dein schönes lächeln hin? Nicht, dass du die ganzen kleinen Kinder noch verschreckst", meinte Wyatt, als er auf mich zu kam und seine Hand knapp unter meinen Rücken legte. Anderen wäre die Nähe vielleicht etwas unangenehm gewesen, aber ich denke, wir beide hatten so etwas wie eine Freundschaft-Plus und die anderen, schienen dies auch zu wissen. Es kam, außerhalb der Arbeit, eben mal öfter vor, dass wir die Nähe zueinander suchten, aber dies war alles auf rein körperliche Anziehung zurückzuführen.

"Das wird bestimmt gleich wieder da sein. Ich muss nur noch einmal meine Notizen nachsehen, die ich für die heutige Visite herausgearbeitet hatte."

"Gott, neben dir fühle ich mich ja wie ein schlechter Schüler. Aber ich hatte zwischendurch auch echt keine Nerven mehr dafür gehabt. Zum Glück meinte Dr. Wilson, dass es freiwillig ist", murmelte Jim neben mir und verdrehte die Augen, woraufhin ich nun wirklich lachen musste.

"Ich wette mit dir, wenn ihm meine kleine Recherche gefällt und er sie durch bekommt, dass ich bei der OP zusehen darf. Außerdem habe ich es gerne gemacht. Ich hatte mich gestern, kurz bevor sie die Operation hatte, schon einmal mit ihr zusammen gesetzt, da sie echt verdammt fertig gewesen ist. Sie konnte ihre Familie vor dem Eingriff nicht nochmal sehen und sie hatte große Angst, dass etwas schief gehen könnte."

Bei dem Gedanken an Lauren, sank meine Laune fast noch tiefer. Die Kleine tat mir so verdammt Leid und man wusste einfach nicht, wie man ihr helfen könnte. Ich wusste genau, wie viel unser Oberarzt bereits herumtelefoniert hatte, aber es ging ihr einfach immer schlechter, als besser. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass es sich hier eher um Lebensverlängernde, als um Lebensrettende Maßnahmen handelte, die man hier vornahm.
Trotzdem hatten wir die Aufgabe bekommen, uns etwas mit dem 'offenen Bein' der Patienten auseinander zu setzen, worauf eben häufig diese Druckgeschwüre, oder eben auch 'Dekubitus' folgen.
Durch das bereits sehr lange liegen von Lauren, da sie auch nicht aufstehen konnte, hatten sich solche gebildet und wollten auch einfach nicht so verheilen, wie es solche normalerweise taten. Ich hatte mich aber, da wir uns gestern Nacht auch sehr viel darüber unterhalten haben, da es sehr schmerzhaft für sie ist, darüber informiert und eine Wundheilung gefunden, von der ich meinem Oberarzt unbedingt berichten wollte. Denn dieser hatte auch einfach nicht alle Zeit der Welt, sich nur um diese eine Patientin zu kümmern. Aber gerade da sie noch so Jung ist, geht es mir selbst an mein zweiundzwanzigjähriges Herz und ich wollte unbedingt, dass sie, wie jedes andere Mädchen auch, zur Schule gehen und Jungs kennenlernen könnte. Sie meinte sogar, dass sie sich, kurz vor Ausbruch der Krankheit, mit einem getroffen hätte. Ich habe genau gemerkt, wie gut es ihr getan hatte, sich mal wieder mit jemandem über etwas anderes, als nur ihre Krankheit, zu unterhalten.

"Luke? Komm, wir müssen los zur Visite. Wenn wir schon wieder zu spät kommen, können wir uns bald wirklich einen anderen Job suchen", witzelte Jim und deutete damit auf das, was Thomas eben gesagt hatte, weswegen ich mir nun noch meinen Pieper schnappte und dann hinter den anderen Grünkitteln hinterher lief.

Es war zehn Minuten bevor die Visite begann und ich musste mich mit meiner Lösung noch ein klein wenig zurückhalten, da vor Lauren Dawkins noch fünf andere Patienten dran waren, über die wir sprechen würden. Da ich diese aber nicht sonderlich interessant fand und diese meistens auch schon bereits einem Assistenzarzt zugewiesen wurden, werde ich deren Krankheiten jetzt nicht weiter erläutern. Ich weiß, obwohl mein großes Ziel war, viele Krankheiten besonders gut zu kennen, hatten diese momentan einfach nicht meine höchste Priorität und ich ging in meinem Kopf noch einmal alle Punkte und die genaue Reihenfolge durch, ehe wir vor dem Raum von Lauren standen.
Da Jim eben mitbekommen hatte, was mein Plan war, ging er einen Schritt zurück und schob mich unauffällig nach vorne neben den Oberarzt. Dieser schien das tatsächlich nicht mitbekommen zu haben und öffnete einfach die Tür.

Sofort fiel mein Blick auf Lauren, welche mich einmal anlächelte, ehe wir uns in einem kleinen Kreis um ihr Bett stellten. Ich bekam nur im Hintergrund mit, wie Dr. Wilson jemanden begrüßte, wobei ich stark von der Mutter ausging und schaltete erst wieder an, als er über die vorherige Operation berichtete.

"Lauren Dawkins, 15 Jahre Alt. Bei der Patientin wurde vor kurzem die Krankheit Purpura Fulminanz diagnostiziert. In der Operation mussten ihr die Zehen bis auf den Mittelfußknochen amputiert werden, da die Bakterien den Knochen angegriffen haben. Die OP ist sehr gut verlaufen. Wie geht es denn der Patientin?"

Es schien Lauren ziemlich unangenehm zu sein, dass sie plötzlich von knapp sieben Augenpaaren beobachtet wurde, weswegen ich ihr zuversichtlich zulächelte und sie dann einmal tief Luft holte.

"Den Umständen entsprechend, schätze ich. Nur tun die blauen Flecken an meiner Hüfte ziemlich weh.. sie sind auch größer und rot geworden. Außerdem sind meine Unterschenkel, nach Öffnung der Blasen, schwarz geworden und die Wunden schließen sich auch immer noch nicht. Sie kleben an der Liege und jede Bewegung tut einfach nur weh."

Dr. Wilson nickte verständlich und schaute kurz einmal in die Runde, als wollte er sehen, ob sich jemand dazu äußern möchte und seine Hausaufgaben gemacht hat.

"Ich habe mich nach einigen Heilungsmethoden umgesehen und bin sogar tatsächlich auf einige gestoßen, die der Patientin helfen könnten. Bei der Wundtherapie zum Beispiel, würde ein 'Wundpfropf' die Wunde vorerst verschließen. In dem darauf folgenden Entzündungsprozess, entfernen spezialisierte Immunzellen die Fremdkörper, Krankheitserreger und abgestorbenes Gewebe. Danach würden neue Zellen die Wunde wieder auffüllen und die Wundränder sich zusammen ziehen, wodurch die Wunde geschlossen wird. Der Körper übernimmt dann die Feinarbeit und verbessert das Gewebe vollständig. Dies passiert durch die Botenstoffe im Körper", erklärte ich meine Recherchen so sachlich wie nur irgendwie möglich und bemerkte den anerkennenden Blick vom Arzt schnell, welcher mich gleich besser fühlen ließ.

"Sehr gut. Und eine weitere Methode?"

"Eine weitere Methode ist die Zelltherapie, bei welcher die Haut aus dem Rückenmark genommen wird und per Sprühhaut auf die offenen Wunden gesprüht wird. Dadurch können sich dann neue Zellen bilden. Die dunkle Haut und das Gewebe würde entfernt werden, damit die Wunde feucht bleibt und sich neues, gesundes Gewebe, bilden kann."

"Ich möchte sie wirklich nicht unterbrechen, Doktor, aber das hört sich beides nicht sonderlich einfach an", sagte eine Frauenstimme, sobald ich meine zweite Erklärung beendet hatte und ich wand meinen Blick der Mutter von Lauren zu, welche total fertig aussah. Auch sie, tat mir Leid. Ich konnte es mir nicht vorstellen, wie es war, wenn das eigene Kind in einem so jungen Alter mit einer solchen Krankheit erkrankt ist und niemand wirklich helfen kann.

"Einfach, sind solche Eingriffe nie, Miss Irwin. Im Vordergrund steht das Wohl der Patienten und es ist nunmal so, dass Ihre Tochter Beschwerden hat, um die wir uns kümmern wollen.
Wir sehen uns dann bei der nächsten Visite?"

Die Frau nickte und verzog ihr Gesicht, was schwer danach aussah, als würde sie gleich zu weinen anfangen. Damit ich dies nicht sehen musste, wand ich mich noch einmal an Lauren, als alle anderen den Raum bereits Verließen.

"Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, versprochen." Ich musste darauf aufpassen, was ich sagte, aber dies war nur die Wahrheit. Selbst wenn ich Nächte durchmachen müsste, ich würde alles tun, damit es ihr besser geht.

"Das weiß ich doch, Luke." Sie lächelte mich beruhigend an und fasste nach meiner Hand. "Kannst du später nach schichtende noch einmal vorbeikommen? Ich möchte dich gerne meiner Mutter und meinem Bruder vernünftig vorstellen."

"Natürlich. Wir sehen uns später." Ich lächelte sie ebenfalls kurz an, drückte ihre Hand sanft und verließ dann, mitsamt meines Chefarztes, den Raum von Lauren.

Dieser sah mich skeptisch an und ich wusste, was nun folgen würde, doch dies konnte ich nicht an mich heran lassen.

"Achten Sie darauf, dass sie der Patientin keine Versprechungen machen. Und auch auf den Umgang, sie sind nur Patienten. Nicht mehr und nicht weniger."

"Ja, Sir."

xx

Obwohl ich nach schichtende eigentlich sofort nach Hause wollte, ging ich also doch noch bei Lauren vorbei und traf auf ihre Familie.

Und noch auf jemanden ganz anders, den ich bereits kannte. Und plötzlich schien alles gar nicht mehr so einfach, wie ich mir das gedacht hatte..

[...]

So, das erste Kapitel. Meinungen? Erwartungen? Einfach in die Kommentare xx

Much Love c:

-Michelle & Andra ❤️

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