You give

Mit quietschenden Bremsen hält Stiles seinen Jeep am Straßenrand an und gespannt lehne ich mich nach vorne. Der schwarze Gurt spannt über meiner Brust und schneidet sich bereits durch mein Oberteil in meine Haut. Doch in diesem Moment habe ich nur Augen für die graue Stadt, die sich mir vor der gläsernen Windschutzscheibe offenbart.

Die Häuser sind sichtbar veraltet, als hätte sich seit Jahren niemand mehr darum gekümmert. Gefärbtes Laub liegt auf der verlassenen Straße und der Wind kämpft sachte mit den Baumkronen. Autos parken am Straßenrand und mir großen Augen lehne ich mich in meinem Sitz noch etwas weiter nach vorne. Dadurch erhasche ich einen Blick auf die verlassene Hauptstraße vor uns, an dessen Rand morsches Holz liegt. Ich glaube sogar ein rotes Festzelt in einiger Entfernung erkennen zu können. Es liegt in sich zusammen gefallen auf der Bordsteinkante und trotzt dort dem leichten Herbstwind. Der einst bunte Hängeschmuck kämpft derweilen in den Baumkronen gegen den Wind und ein beiges Stoffschild, dass mithilfe bunter Fähnchen über die Straße gespannt ist, wirkt trostlos in sich zusammengefallen. Nässe und Wind haben dem Stofftuch zugesetzt und selbst aus dieser Entfernung erkenne ich den Schaden, den es in den letzten Wochen - wenn nicht sogar - Monaten genommen hat. Generell sieht die Straße, die ganze Stadt, aus, als wäre seit Jahren niemand mehr hier gewesen.

Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter und überrascht zucke ich zusammen. „Los geht's," fordert Theo mich auf. Er steht bereits in der geöffneten Autotüre und nach einem kurzen verwunderten Blick durch das Auto stelle ich fest, dass die anderen Jugendlichen ebenfalls schon längst ausgestiegen sind. Sie stehen neben dem Auto und schauen sich aufmerksam in der verlassenen Straße um. Scott hat sein Motorrad inzwischen neben dem Jeep geparkt und stülpt sich in diesem Moment den Helm vom Kopf. Ich beeile mich Theos Aufforderung zu folgen und hektisch aus dem Auto zu steigen. Dabei entgeht mir nicht der beobachtende Blick des Jugendlichen.

Stiles, Lydia und Malia stehen mit dem Rücken zu mir. Scott tritt in diesem Moment neben sie und gemeinsam werfen sie einen beobachtenden Blick durch die Umgebung, die nun vor uns liegt. Trockene Blätter rascheln unter meinen Schuhen und hinter mir höre ich die Autotüre ins Schloss fallen. Ich trete schweigend neben Scott und werfe ebenfalls einen Blick durch die verlassene Straße. Ich bemerke im Augenwinkel, dass Theo etwas Abstand zu uns hält und sich stattdessen locker gegen Stiles Jeep lehnt.
In diesem Moment kommt ein kühler Wind auf und ich schlinge meine Arme um meinen zitternden Oberkörper, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob dieses Zittern an der aufgekommenen Kälte oder dem verlassenen Ort liegt. „Das ist es," Lydias ruhige Stimme meldet sich als Erstes zu Wort und aus Angst, ihre nächsten Worte verpassen zu können, drehe ich meinen Kopf in ihre Richtung, „Canaan ist eine Geisterstadt."

Stille.
Wir scheinen alle dasselbe zu denken und die Tatsache, dass niemand etwas auf Lydias Worte erwidert ist Antwort genug. „Wir sollten uns umschauen," wirft Theo in diesem Moment ein und seine Stimme klingt gelangweilt, fast schon genervt. Ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu und bemerke, dass er von unserer schweigenden Tatenlosigkeit scheinbar tatsächlich enttäuscht ist. Er setzt sich in Bewegung und schlendert die breite Straße entlang. Seine Haltung drückt Selbstvertrauen aus. Jedoch erkenne ich ziemlich schnell, dass seine Muskeln trotzdem angespannt sind. Sein Blick wandert aufmerksam über seine Umgebung und obwohl ich keine übernatürlichen Fähigkeiten habe, bin ich mir sicher, dass der Jugendliche mit allem rechnet.

„Komm," Scott macht eine auffordernde Handbewegung in meine Richtung und erst jetzt bemerke ich, dass sich auch schon die anderen Jugendlichen im Bewegung gesetzt haben und Theos Aufforderung gefolgt sind. Scott ist die wenigen Schritte mit mir zurück geblieben, woraufhin ich ihm ein kleines Lächeln schenke. Wir beide laufen los und ich bemerke wie ich mich unterbewusst seinen lockeren Schritten anpasse. Schon bald haben wir Lydia und Stiles eingeholt. Theo führt die Gruppe weiterhin an, während Malia mit uns auf einer Höhe läuft, jedoch absichtlich einigen Abstand zu uns hält. Ich lasse meine Augen aufmerksam über die Umgebung schweifen und stelle das fest, was auch Lydia bereits bemerkt hat.

Canaan ist eine Geisterstadt.
Die Häuser sind alt.
Man sieht ihnen an, dass sich seit Jahren niemand mehr um sie gekümmert hat. Zäune fallen in sich zusammen und die Autos am Straßenrand trotzen nun schon seit Jahren dem Wetter. Dreck und Staub haben sich in der Stadt ausgebreitet und was einst wohl eine hübsche Kleinstadt war, ist nun nur noch der Rest einer zerfallenen Erinnerung.

„Ich höre keinen einzigen Herzschlag," wendet Scott jetzt nachdenklich ein und mein Blick schweift sekundenlang zu ihm. Er hat den Kopf leicht schräg gelegt und scheint in die verlassene Stadt reinzuhören. „Ich nehme keinen Geruch wahr." Auch Malia hat ihren Kopf leicht schräg gelegt, während sie mit aufmerksamen Blick weiter durch die Straße schlendert.
Ich beiße mir nervös auf die Unterlippe und frage mich, ob es tatsächlich eine gute Idee ist, sich weiter umzuschauen. Scott und Malia haben ja bereits festgestellt, dass niemand hier ist, der uns weiterhelfen kann - dass uns niemand erzählen kann, was genau hier passiert ist.

Links von mir ertönt plötzlich ein Rauschen. Mein Blick fährt herum und visiert von selbst die schwarze Straßenlaterne an. Elektrisches Knistern dringt von ihr herüber und für wenige Sekunden schaltete sie sich an. Kurz strahlt das künstliche Licht auf, bevor es sich ausschaltet und das Knistern verstummt. Ich lasse meine Augen zu den Jugendlichen wandern, die das kleine Phänomen ebenfalls bemerkt haben. Ich möchte nachfragen, was es zu bedeuten hat. Doch in diesem Moment sehe ich wie Scott leicht mit den Schultern zuckt, Lydias Blick bereits weiter durch die Gegend wandert und Theo sich mit Malia bereits schon wieder in Bewegung gesetzt hat. Scheinbar möchte keiner genauer Nachfragen, also verbeiße auch ich mir meine Frage und passe mich den Schritten der Jugendlichen an.

Wir erreichen ein dunkelrotes Auto, dass am Straßenrand parkt. Der Lack ist an manchen stellen abgekratzt und dunkelgrüne Ranken haben das Innere des Autos ergriffen. Eine Straßenlaterne ist umgefallen und hat die Sitze zertrümmert. Getrocknetes Laub liegt auf der Motorhaube und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, als ich ich mir überlege, wie lange Canaan wohl schon eine Geisterstadt ist. Mein Blick schweift weiter durch meine Umgebung und verfängt sich wie von selbst in dem beigen Banner, dass wenige Meter von uns entfernt über der Straße hängt. Löcher haben sich in das Stofftuch gefressen und die Schrift ist in den letzten Monaten - wenn nicht sogar Jahren - leicht verblasst. Trotzdem kann ich die dunkelroten Worte darauf mit zusammengekniffenen Augen entziffern. Canaan Day. Ein weiterer Satz steht darunter. Er ist in grauer Schriftfarbe und bereis soweit verblasst, dass ich nicht mehr erkennen kann als das erste Wort. Samstag. Danach scheint ein Datum zu stehen oder eine Uhrzeit. Ich beiße mir auf die Unterlippe und lasse meinen Blick von dem Banner zu der Straße darunter wandern.

Umgefallene Tische. Stühle. Ein dunkelrotes Festzelt ist in sich zusammen gefallen und die Pfosten, die es eigentlich aufrecht erhalten sollten, liegen zerbrochen daneben. Auf der Straße liegt ein verlassenes Skateboard und hinter ein paar Bäumen glaube ich sogar ein altes Karussell zu sehen. Mir wird schlagartig bewusst, dass Canaan nicht etwa das Opfer einer Massenauswanderung geworden ist. Das Straßenfest scheint zurückgelassen, als wäre etwas unvorhergesehenes mit den Einwohnern passiert. Als hätten die Ghostrider jeden Bewohner während dem Fest ausgelöscht. Als hätten sie eine ganze Stadt ausgelöscht.

„Das ist der Ort, den ich im Spiegel gesehen habe."
Lydias ruhige Stimme hallt durch die leere Straße und ein unangenehmer Schauer läuft mir über den Rücken. Ich habe keine Ahnung was sie mit ihren Worten meint doch ich vermute, dass es etwas mit ihren Banshee Fähigkeiten zu tun hat. Ich erzittere unter dem kalten Luftzug und schlinge meine Arme schützend um meinen frierenden Körper. Malia und Scott setzten sich in Bewegung. Sie umrunden Lydia und schauen sich weiter in der Stadt um. Auch Theo trennt sich von der Gruppe und durchforstet mit leichtfüßigen Schritten die Gegend. Ich beobachte ihn kurz dabei, bleibe jedoch stehen. Gleichzeitig bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass Lydia noch immer gedankenverloren auf das Banner starrt, während Stiles mit seinem Blick aufmerksam den Bewegungen seiner Freunde folgt.

Malia und Scott sind in einen kleinen Vorgarten getreten und verharren dort vor einer morschen Sitzbank. Selbst von hier kann ich die liegengelassenen Dinge erkennen, die auf dem hölzernen Tisch und den Bänken davor liegen. Scott greift nach einem silbernen etwas. Malia nach einem weißen Zettel. Sie scheint ihn aufzufalten, während Scott nach einer alten Zeitung greift. Mein Blick fährt zu Theo herum, der in diesem Moment mit dem Ärmel über das schmutzige Glas eines Fenster wünscht und sich anschließend dagegen lehnt um einen Blick in das Innere des Hauses werfen zu können.
Das schaurige Krächzen von Raben ertönt und ich zucke erschrocken darunter zusammen. Lydia scheint aus ihrer Starre gerissen zu werden und mit einem kurzen Kopfschütteln scheint sie sich selbst zu besinnen. Sie wirft Stiles einen kurzen Blick zu, bevor sie sich in Bewegung setzt. Ich halte es für eine gute Idee in ihrer Nähe zu bleiben und passe mich deshalb ihren schnellen Schritten an.

Lydia und Stiles steuern Scott und Malia an. Doch noch bevor wir den Vorgarten erreichen können, ertönt ein metallisches Kratzen. Scott und Malias Blicke zucken hoch und selbst Theo dreht sich mit aufmerksamen Blick zu uns herum.
„Dort," Lydia's flüsternde Stimme wird nahezu von dem metallischen Kratzen übertönt, doch ihre zeigende Handbewegung spricht für sich. Ich folge ihrer Bewegung und erblicke das alte Karussell, das mir schon zuvor aufgefallen ist. Es ist in keiner besseren Verfassung als der Rest der Stadt. Staub und Dreck haben sich auf das einst wunderschöne Karussell gelegt, dass mit seinen weißen und schwarzen Pferdefiguren der Traum jedes Kindes sein dürfte. Dunkelgrüne Ranken wuchern von dem Zeltdach des Karussells über die weißen Elfenbeinstangen und legen sich wie eine zweite Mähne über den Kopf einiger Pferdefiguren.

Wir kommen dem Karussell näher und mit schleichenden Schritten fangen wir gemeinsam an es zu umrunden. Doch bevor wir auch nur all zu weit kommen können, entdecken wir nahezu gleichzeitig die dunkelrote Farbe auf der schwarzen Mähne einer Figur. Ich ziehe scharf die Luft ein als ich die Farbe als getrocknetes Blut erkenne und zucke unter dem Anblick leicht zurück. Auch die anderen Jugendlichen haben das Blut bereits entdeckt, scheinen jedoch wesentlich gefasster als ich. Scott macht einen Schritt nach vorne.
Sein rechter Fuß stellt sich auf das Karussell, als würde er es wirklich in Erwähnung ziehen, aufzusteigen. Malia ist dicht hinter ihm. Seine Hand greift nach einer der efeuumrankten Stange, um sich auf die erhöhte Platform zu ziehen. Doch bevor sich seine Finger überhaupt um die Stange legen können ertönt ein leises Klicken und das Karussell setzt sich in Bewegung.

Scott schreckt zurück.
Lydia und Malia zucken gleichzeitig zusammen, während ich Stiles vor Schreck leise fluchen hören. Ich selbst stolpere erschrocken ein paar Schritte zurück und stoße dabei gegen Theo, der hinter mir steht.

Das Karussell kommt in Bewegung und fängt an sich mit einem gemächlichen Tempo um sich selbst zu drehen. Das metallische Fahrgeräusch wird von einer unheimlichen Musik übertönt, die mich an einen Zirkus oder einen Jahrmarkt erinnert. Die Pferdefiguren bewegen sich im Takt der Musik rauf und runter und ich bemerke wie sich mein Herzschlag langsam wieder beruhigt. Mein Blick wandert zu Lydia und Scott, die in diesem Moment unsichere Blicke tauschen.
Ich schlinge meine Arme fester um meinen zitternden Oberkörper und fange an zu bereuen, überhaupt erst mitgekommen zu sein.

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Hey Leute, heute kommt ein Kapitel, dass auf Staffel 6 basiert. Hoffe es gefällt euch. Wie immer freue ich mich über Kommentare und Votes.

Lg CoolerBenutzername
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