Without a bone

Rattern.
Rattern.
Der Motor springt an.

Ich kann nicht anders als erleichtert aufzukreischen als der Motor des Jeeps unter mir ertönt und ich das Pulsieren im Lenkrad spüren kann. Dieses Mal habe ich nur drei Versuche gebraucht um das Auto starten zu können und ich war niemals erfreuter, das Rattern des alten Motors hören zu können. „Es tut mir so Leid, Stiles," murmele ich leise vor mich hin, während ich in den Rückwärtsgang schalte und mit ruckartigen Bewegungen versuche aus der Parklücke zu fahren. Zu meinem Glück stehen hier kaum Fahrzeuge und die, die doch noch hier stehen sind höchstwahrscheinlich verlassen. Aus dem Radio tönt ein irritierendes Rauschen. Das elektrische Knacken lässt mich zusammen zucken und erst als ich meinen Blick auf das Armaturenbrett richte, erkenne ich den Grund für das stationäre Knirschen. Anstelle des Radios hat mein Freund natürlich den Polizeifunk an, den er und Scott so gerne belauschen. Doch dank den Ghostrider gibt es keine Officiers mehr in der Stadt und der Funk ist unheimlich still. Während ich im Schritttempo vom Parkplatz fahre, schalte ich den Polizeifunk mit tastenden Fingern aus. Somit wird das unruhige Knacken von einer noch gruseligeren Stille ausgetauscht. Meine Finger legen sich fester um das schwarze Lenkrad und leise versuche ich mich selbst zu beruhigen.

„Alles wird gut. Du kannst das."

Mein Fuß drückt etwas stärker auf das Gaspedal und der Jeep macht einen ruckartigen Satz nach vorne. Ich biege in die nächste Seitenstraße ab und stelle erleichtert fest, dass momentan kein anderes Auto auf der Straße unterwegs ist. Im selben Moment ertönt ein lautes Klingeln und erschrocken zucke ich zusammen. Dabei verliere ich für wenige Sekunden die Kontrolle über das Auto und mit einem Schlenker streife ich die Gegenfahrbahn. In der selben Sekunde realisiere ich, dass das Klingeln von meinem Handy stammen muss. Sofort bremse ich den Wagen ab und in diesem Moment interessiert es mich noch nicht einmal, dass ich inmitten der Straße halte. Stattdessen drehe ich mich auf dem Fahrersitz um und versuche mein klingelndes Handy zu finden. Schlussendlich entdecke ich es im Fußraum und nachdem ich den Sicherheitsgurt bis zum Anschlag rausgezogen habe, schaffe ich es auch mich soweit nach hinten zu lehnen, um es in die Finger zu bekommen.

Clay.
Der Name pragt strahlend hell auf dem Display und wie erstarrt starre ich den Schriftzug an. Scheiße. Ich zögere kurz, bevor ich den Anruf mit zitternden Fingern annehme. „Clay?" Ich presse mir das Handy fest gegen das Ohr, aus Angst eines seiner Wörter zu überhören. „Charlotte," seine Stimme klingt kühl und distanziert. Doch es ist überhaupt ein Fortschritt, dass er mit mir reden. Immerhin lief unser letztes Gespräch nicht gerade optimal. "Clay," ich atme erleichtert aus, während ich mir das Handy zwischen Schulter und Ohr klemme und erneut versuche den Motor starte. Dieses Mal brauche ich sogar nur zwei versuche, bevor sich die gleißenden Scheinwerfer des Jeeps anschalten und der Motor ratternd darauf wartet angetrieben zu werden. Ich gebe Gas und bemerke erst in diesem Moment die Stille zwischen mir und meinem Zwillingsbruder.

„Clay?"
Ich habe Angst, dass er bereits aufgelegt hat. Jedoch habe ich beide Hände am Lenkrad und zu viel Angst um eine davon zu lösen und einen Blick auf mein Handy zu werfen. Stattdessen drücke ich meine Schulter weiter nach oben, sodass sich mein Handy fester gegen mein Ohr drückt. Obwohl das Rattern der Motoren laut in meinen Ohren wiederhallt, kann ich nun die ruhigen Atemzüge auf der anderen Leitung hören. „Wir müssen reden," die Stimme meines Bruders klingt in meinen Ohren nach und ich weiß nicht, ob ich auf die Aufforderung erleichtert oder gestresst reagieren soll. Ich möchte mit ihm reden - ich muss mit ihm reden. Doch meine Gedanken kehren immer wieder zurück zu Theo. Zu Liam. Zu Scott. Zu Stiles. Jede Minute die ich hier mit Clay verbringe, könnte bedeuten, dass ein weiterer meiner Freunde in einem grünlichen Rauch verschwindet...und wenn sie alle weg sind, dann hat Beacon Hills verloren. Dann hätte ich auch nichts davon, wenn ich mich mit Clay ausspreche. Denn wenn es Beacon Hills nicht mehr gibt, gibt es niemanden mehr von uns.

„Ich weiß," ich lenke den Jeep in eine Seitenstraße, wobei das Handy fast den Halt an meiner Schulter verliert, „Ich weiß Clay und ich würde ja auch gerne mit dir reden, aber gerade ist ein etwas schlechter Zeitpunkt." Ich versuche mein Handy noch fester gegen mein Kinn pressen zu können, um auch keins seiner Worte zu verpassen. Gleichzeitig lehne ich mich im Fahrersitz minimal nach vorne und werfe einen besorgten Blick aus der Frontscheibe. Der Himmel ist dunkel und wolkenverhangen. Die Nacht ist sternenlos und ich kann noch nicht einmal den Vollmond am Himmelszelt erkennen. Stattdessen sehe ich die grellen Blitze, die in der Entfernung aufblitzen und spüre den Wind, der sich gegen das Auto stemmt. Ich bemerke wie sich der Jeep immer wieder ungewollt zur Fahrbahnmitte richtet und ich habe Schwierigkeiten ihn auf der geraden Spur zu halten. Der eiskalte Wind zischt und scheint immer wieder einen Weg in den Wagen zu finden.
Ich zittere.

„Du hast gesagt du wärst meine Schwester," Clay redet weiter, als hätte er meinen Einwand nicht gehört. Ich möchte ihm ins Wort fallen, muss in dieser Sekunde jedoch einem Ast ausweichen, der auf der Fahrbahn liegt. Aus dem Ausweichmanöver wird ein ruckartiger Schlenker und ich kann hören wieder Motor protestierend aufröchelt. Stiles wird mich umbringen. „Aber das macht kein Sinn, weil ich keine Schwester habe." „Clay," ich muss erneut abbiegen und wo ich bei den letzten Abzweigungen noch vorbildlich den Blinker gesetzt habe, reise ich nun einfach das Lenkrad herum. Dabei fällt mein Blick auf meine Hände, die sich fest um das Lenkrad krallen. Meine Finger sind mit schwarzem Narbengewebe überzogen und schwer schlucke ich. „Es ist kompliziert und ich würde dir gerne alles ausführlich erklären aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt." Ich kann selbst hören, wie meine Stimme an Spannung zunimmt und ich hoffe, mein Bruder nimmt meine zurückweisenden Worte nicht persönlich. Denn ich möchte ihm tatsächlich alles erklären aber meine Freunde brauchen mich.

„Wieso soll ich dir glauben?"
Im ersten Moment bin ich von deiner Frage verwirrt. Ich möchte ihm antworten, dass er gerne nach Beacon Hills kommen und selbst sehen kann warum in dieser Sekunde ein schlechter Zeitpunkt ist. Doch dann realisiere ich, dass er mir gar nicht richtig zuhört. Er scheint in seinen eigenen Gedanken gefangen zu sein und ein Selbstgespräch zu führen. Er möchte herausfinden, wieso er mir vertrauen sollte und in dieser Sekunde habe ich nicht die Nerven ihm auf diese Frage zu antworten. „Wenn du wirklich meine Schwester sein solltest, kannst du es beweisen." Ich kann meinen Bruder nahezu vor mir sehen. Wie er bei seinen eigenen Worten bestätigend vor sich hin nickt. Wie er sich erst über die Unterlippe leckt und dann gedankenverloren drauf beißt. „Clay," über mir zuckt ein greller Blitz über das Himmelszelt und panisch drücke ich das Gaspedal fester durch, „Schlechter.Zeitpunkt!" Ich versuche die beiden Wörter möglichst deutlich zu betonen und meinen Bruder dabei aus seinen Gedanken zu reisen. Doch noch immer scheint er mir nur mit einem Ohr zuzuhören. Ich überlege aufzulegen. Doch meine Hände krallen sich noch immer in das Lenkrad und mein Herz schlägt fest gegen meine Brust. Ich kann nicht auflegen. Nicht bei ihm.

„Was ist meine Lieblingsfarbe?"
„Clay," ich stöhne leise auf und verdrehe die Augen. In nicht allzu weiter Ferne kann ich bereits das verlassene Gebäude sehen, in dem sich Scott, Lydia und Malia aufhalten sollten. Theo hatte mir davon erzählt und von irgendwelchen Tunneln, die darunter liegen sollen. Ich habe das alles nicht weiter hinterfragt und nun bin ich jedoch froh, überhaupt zu wissen, wo sich die drei Freunde aufhalten sollten. Hoffentlich bin ich noch nicht zu spät. Die Blitze zucken schon heftig über den Himmel und lautes Donnerrollen lässt mich immer wieder zusammen zucken.

„Was ist meine Lieblingsfarbe?"
Die Stimme meines Bruders taucht erneut in meinem Ohr auf und während ich beim Fahren einen Gang höher schalte, antworte ich genervt, „Grün, Clay. Deine verdammte Lieblingsfarbe ist Grün." Ich drücke das Gaspedal noch weiter durch und plötzlich kommt das Gebäude ziemlich schnell näher. Ich kann die eingeschlagenen Fenster sehen und die provisorische Türe. Die Straßenlaternen auf dem Parkplatz sind alle erloschen und doch reichen die Scheinwerfer des Jeeps weit genug, um ihn notdürftig zu erhellen. „Und mein Lieblingsessen?" Er scheint noch nicht einmal zu bemerken, dass ich fluche oder genervt klinge. Ich verdrehe die Augen. Atme tief durch. „Moms spezielle French Toasts." Ich kann hören wie mein Zwillingsbruder zustimmend nickt. Wahrscheinlich ist er überrascht. Vielleicht auch nicht. Ich weiß nicht was ich tun würde, wenn eine meiner Antworten falsch wäre.

„Woher habe ich die Narbe an meiner rechten Augenbraue?"
Er klingt nachdenklich. Ich stocke. Realisiere, dass er keine Narbe an der rechten Augenbraue hat. Zu mindestens nicht, als er noch mein Zwilling und am Leben war. Scheiße. In dieser Sekunde tritt eine dunkle Person aus dem verlassenen Gebäude und geistesgegenwärtig realisiere ich, wie nah ich dem Parkplatz schon gekommen bin. Ruckartig trete ich auf die Bremse. Knirschen. Knarren. Der Jeep schlittert über den feuchten Asphalt und panisch reise ich das Lenkrad herum, sodass sich das Auto zu drehen beginnt. Ich werde in meinem Sitz nach vorne gerissen und spüre den haltenden Druck des Sicherheitsgurtes auf meiner Brust. Ich kreische vor Schreck leise auf und verliere dabei mein Handy, dass auf den Boden fällt und erneut im Fußraum des Autos verloren geht.

Die Beifahrertüre wird aufgerissen.
Scott streckt seinen Kopf herein und mustert mich mit einer Mischung aus Verwunderung und Sorge. „Alles okay?" Ich muss ihn fast umgefahren haben. Der Schock steht selbst ihm ins Gesicht geschrieben und langsam nicke ich. „Alles okay." „Wo ist Stiles?" „Sie haben ihn erwischt," ich fahre mir leicht erschöpft durch die Haare, „Ihn und Theo." „Liam?" Ich zucke etwas ratlos mit den Schultern. „Er wollte zur High School. Keine Ahnung wieso." Ich versuche mich wieder an seine Worte zu erinnern. „Er hat gesagt ich soll dich und die Anderen finden und euch sagen, dass irgendwelche Welten kollidieren. Und dass wir zu irgendeiner Weiche müssen." Ich zucke etwas hilflos mit den Schultern.

„Malia und Lydia sind auch auf dem Weg zur High School," er nickt leicht gedankenverloren vor sich hin. „Oke," er beißt sich auf die Unterlippe, „Ich hole kurz was. Dann fahren wir los." Er lässt die Autotüre ins Schloss fallen und ich kann sehen, wie er in Richtung Gebäude verschwindet. Ich starre ihm nach bis er durch die Türe verschwunden und eins mit der Dunkelheit geworden ist. In dieser Sekunde fällt mir mein Handy und das Gespräch mit Clay wieder ein. Hektisch lehne ich mich nach vorne und suche im Fußraum tastend nach meinem Handy. Als ich es finde, ziehe ich es erleichtert hervor. „Es tut mir Leid Clay ich hatte hier gerade...," noch während ich spreche realisiere ich das Tuten, dass sich in die Leitung mischt. Ich nehme das Handy von meinem Ohr und werfe einen Blick auf das leuchtende Display.

Er hat aufgelegt.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top