Riders
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Fun fact: auf diesem Bild/Zitat basiert eigentlich die ganze Story. Deshalb hatte ich einen unglaublichen Spaß dabei, dieses Kapitel zu schreiben. Hoffe es gefällt euch genauso gut wie es mir gefällt.
Lg CoolerBenutzername
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Die Dunkelheit hat die Stadt ergriffen und sie in dunkle Schatten getaucht. Die Straßenlaternen spenden nur spärlich Licht und dicke Regenwolken haben sich vor den Mond geschoben. Ein kühler Wind hat die Luft egriffen und zerrt nun an meinen dünnen Klamotten. Ich kann Theo erkennen, wie er auf den Stufen zur Veranda sitzt. Er hat mir den Rücken zugewendet und den Blick auf die andere Straßenseite gerichtet. Der Wind hat auch seine Klamotten ergriffen und spielt nun leicht mit seinen Haaren, die ihm noch immer strähnig ins Gesicht hängen. In diesem Moment wirkt der Junge so ruhig und entspannt, dass ich tief durchatme und mich ungefragt neben ihn auf den kalten Stufen niederlasse.
Theo reagiert nicht darauf. Er wirft mir noch nicht einmal einen kurzen Blick zu, woraus ich schließe, dass er schon längst weis, dass ich es bin. Er hält seine Augen weiterhin auf die dunkle Straßenseite gerichtet und schweigt. Ich schiebe meine kälteerklommenen Finger in die Bauchtasche meines Pullovers und richte meinen Blick ebenfalls auf die gegenüberliegende Straßenseite, auf der die Häuser in einer unheimlichen Dunkelheit liegen. Ich kann nirgends auch nur ein Licht hinter einem der Fenster entdecken und ich frage mich, ob der Grund dafür die späte Uhrzeit oder die Ghostrider sind. Wie viele haben sie schon erwischt? Wie viele sind noch hier und wie lange würde es noch dauern, bis Beacon Hills eine Geisterstadt wird, so wie Canaan viele Jahre zuvor? Mein Blick richtet sich gedankenverloren auf meine Hände und wie von selbst finden meine Augen das schwarze Narbengewebe auf meinem Unterarm. Ich weiß noch immer nicht, was es zu bedeuten hat. Doch es macht mir Angst. Nur kommt diese Angst noch nicht gegen die gemischten Gefühle gegenüber Theo und auch nicht gegen die Sorge um Scott und seinen Freunde an.
„Du hast da drinnen einen guten Job gemacht," erhebt Theo plötzlich die Stimme und überrascht werde ich aus meinen Gedanken gerissen. „Danke," murmele ich ihm etwas überrascht zu, woraufhin er seinen Blick auf mich richtet. „Ich habe noch nie gesehen, dass Scott auch nur für eine Sekunde die Hoffnung verliert." Er schüttelt langsam mit dem Kopf und obwohl ich ein leises Ich auch nicht murmele, spricht er ohne auf meine Erwiderung zu achten weiter, „Selbst dann nicht, als ich ihn...." Er lässt das Ende seines Satzes unvollendet in der Luft hängen und langsam lasse ich meinen Blick zu ihm schweifen. Ich weiß was er in diesem Moment andeutet und sein nachdenklicher Ausdruck bestätigt mir, dass er in diesem Moment das ansprechen möchte, von dem Stiles mir erst gestern erzählt hatte. Er hat mit Scott gekämpft und ihn schlussendlich...umgebracht. Ich erinnere mich noch gut an Stiles schmerzverzerrtem Ausdruck, als er mir mit Erinnerungen im Kopf davon erzählt hat und an meine ungläubige Wut dem Jungen gegenüber. Auch jetzt spüre ich ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch und langsam richte ich meine Augen auf ihn.
Er wirkt in sich zusammengesunken. Seine Schultern fallen nach vorne und er hat den Blick gedankenverloren auf seine Hände gerichtet, die er bewegungslos in seinem Schoß liegen hat. Seine Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht und trotz der Dunkelheit sehe ich den niedergeschlagenen Ausdruck in seinen Augen. Ich erkenne seinen angespannten Kiefer und sehe, wie er die Lippen fest zusammenpresst.
„Warum?"
Meine Stimme ist leise und obwohl ich gerade noch wütend auf den Jungen war, lässt mich seine zusammengesunkene Haltung sanfter werden. Ich glaube etwas in ihm zu erkennen, dass mich selbst an eine Situation erinnert. Jedoch kann ich diese nicht greifen und frage mich, warum ich Mitleid mit dem Jungen habe. Ich versuche mir erneut einzureden, dass er seine eigene Schwester getötet hat, doch in diesem Moment stoßen die innerlichen Einwände auf taube Ohren.
In dieser Sekunde zählt nur das was ich sehe - und das ist nunmal ein gebrochener Junge.
„Warum hast du Scott und Stiles hintergangen? Du hast erzählt ihr wart," ich schüttele leicht mit dem Kopf, „Freunde." Ich beiße mir auf die Unterlippe und lasse meine Augen auf dem Jungen hängen, der schwer ausatmet, seinen Blick jedoch auf seinen Händen ruhen lässt. Ich kann sehen, wie er sekundenlang die Augen schließt und dabei erneut tief durchatmet. Erst als er sie wieder öffnet, scheint er bereit dafür, auf meine Frage zu antworten: „Am Anfang ging es darum, meine Familie zu retten. Es war Tara oder meine Mom. Danach ging es nur noch darum zu überleben," er atmet zitternd aus und ich muss mich zurückhalten, nicht nach seinen Händen zu greifen, „Sie oder ich."
Ich suche in seinen Worten nach einer Erklärung.
Nach einer Entschuldigung, die es mir einfach macht, seinen Worten zu glauben und ihm zu vertrauen. Er hat seine Schwester getötet. Er hat versucht Scott umzubringen und in diesem Moment reichen mir die Worte Sie oder ich nicht aus. Er muss noch eine bessere Erklärung dafür geben. „Das kann nicht alles sein," erwidere ich kopfschüttelnd und bemerke selbst, wie ich wenige Zentimeter von dem Jungen wegrutsche. Schon allein der Gedanke, dass er seine Schwester und Scott ohne verständlichen Grund getötet haben kann, lässt mich innerlich erschaudern. In derselben Sekunde frage ich mich jedoch, ob es für Mord überhaupt eine Entschuldigung gibt.
„Alles was ihr immer hören wollt, sind Entschuldigungen," er lacht humorlos auf, bevor er mir einen schmerzverzerrten Blick zuwirft. Der niedergeschlagene Ausdruck in seinen Augen ist verschwunden. Stattdessen hat sich sein Gesicht wütend verzogen und ich erkenne den Zorn, der in diesem Moment in seinen Augen auflodert. Er hat seine Augenlieder leicht zusammengekniffen und die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen beweist, wie schwer es ihm in diesem Moment fällt, die Kontrolle über seine Wut zu behalten. Mir fällt auf, dass er seine Hände krampfthaft fest zu Fäusten geballt hat und sich seine Finger tief in seine Handflächen zu graben scheinen. Ich weiß nicht genau, was ich auf seine Aussage erwidern soll und schweige. Er dagegen steht von der Treppe auf und schüttelt enttäuscht mit dem Kopf. Ich bin mir sicher, dass er einfach gehen wird. Ohne ein weiteres Wort. Doch dann dreht sich der Junge überraschenderweise noch einmal zu mir um und mustert mich mit einem Blick voller Schmerz, Wut und Enttäuschung.
„Warum sollte ich mich für das Monster entschuldigen, dass ich geworden bin?" Die Frage hängt unbeantwortet in der Luft und ich traue mich nicht, sie zu beantworten. Diese Zeit gibt mir der Junge jedoch gar nicht. Er schüttelt leicht den Kopf, beißt sich auf die Unterlippe, bevor er mit einem wütenden Blick weiterspricht: „Niemand hat sich jemals dafür entschuldigt, mich dazu gemacht zu haben!" Mit diesen Worten dreht er sich von mir weg. Er setzt sich mit schnellen Schritten in Bewegung und fassungslos starre ich dem Jungen nach. Ein unruhiges Kribbeln macht sich in meiner Bauchgegend breit und sofort höre ich Scotts weisen Rat in meinen Ohren. Normalerweise höre ich einfach auf mein Bauchgefühl. Ich glaube, ich sollte jetzt dasselbe tun.
„Theo!"
Ich versuche den Teenager mit meinem Ruf davon abzuhalten, zu verschwinden. Denn in diesem Moment habe ich das Befürchtnis, ihn nie wieder zusehen, wenn ich ihn jetzt gehen lasse. Jedoch lässt sich der Junge nicht von einem Ruf beirren. Also springe ich hektisch von der Treppe auf und eile ihm rennend nach. Der Asphalt verschluckt das laute Aufprallen meiner Schuhe und ich spüre die Feuchtigkeit, die sich schon seit Stunden langsam durch meine Sohle frisst. Ich brauche einige Sekunden bis ich Theo's schnellen Schritte mit einem kurzen Sprint einhole.
„Theo!"
Meine rechte Hand legt sich selbstsicher auf seine Schulter und mit einem sanften Druck zwinge ich ihn dazu, stehen zu bleiben. Ich spüre wie sich seine Muskeln unter meinem Griff verkrampfen und er nur widerwillig meinem unausgesprochenen Wunsch nachgibt. „Du solltest wieder reingehen, Charlotte," erwidert Theo mit einem gefühlskalten Unterton ohne sich zu mir umzudrehen und irgendwo in meiner Brust kann ich ein leichtes Stechen spüren, als er mich anstelle meines Spitznamens mit meinem vollen Namen anspricht. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnnern, wann er mich das letzte Mal mit meinem vollen Namen angesprochen hat. Es muss erst wenige Tage her sein. Wenn nicht sogar Stunden und doch fühlt es sich in diesem Moment so ungewohnt - falsch - an.
„Nein," ich schüttele entschieden mit dem Kopf und spüre einen unangenehmen Druck hinter meinen Augen. Ein Brennen macht sich in meiner Nase breit und schon sekundenspäter spüre ich die Tränen, die sich einen Weg in meine Augen bahnen. Sie verwischen mein Sichtfeld und mit einem sanften Druck zwinge ich Theo dazu, sich zu mir umzudrehen. Dieser folgt meiner Bewegung widerstandslos, jedoch widerwillig. Noch immer sind seine Muskeln krampfhaft angespannt und mir entgeht nicht die kampfbereite Haltung seines Körpers. Er hält seinen Kopf gesenkt und meidet meinen Blick. Ich sehe ihm an, dass er nicht mehr mit mir reden möchte, weil er glaubt, verloren zu haben. Verloren zu sein. Doch in diesem Moment habe ich das dringende Bedürfnis ihn zu umarmen und ihm zu versichern, dass alles wieder okay wird. Dass er wieder okay wird.
„Du musst dich nicht entschuldigen," sage ich jetzt mit einem schwachen Nicken, woraufhin sich eine Träne aus meinem Augenwinkel löst. Sie rollt über meine Wange und versinkt in der kleinen Einkerbung an meiner Lippe. Ich schmecke das Salz auf meiner Zunge und atme zitternd aus. Meine Schultern beben und langsam hebe ich meine freie Hand und lege sie vorsichtig an Theos Kinn. Er zuckt unter meiner sanften Berührung leicht zusammen, weicht jedoch nicht zurück. Ich trete etwas näher zu ihm und kann dabei nahezu spüren, wie sich eine Gänsehaut über seinen Körper legt. Seine warme Haut pulsiert unter meinen Fingern und mit einem leichten Druck zwinge ich den Jungen dazu, zu mir aufzuschauen. In diesem Momet sehe ich den wässrigen Schimmer in seinen Augen, der der zornigen Wut gewichen ist.
„Ich vertraue dir," gebe ich nun mit leiser Stimme zu und fange damit an, kleine Kreise auf seine Wange zu zeichnen. Noch immer verkrampft er sich unter meiner Berührung, doch ich glaube bei meinen Worten ein kleines überraschtes Funkeln in seinen Augen zu sehen. „Und ich werde dir dabei helfen, dass dir auch Scott und Stiles wieder vertrauen." Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche dem Drang zu wiederstehen, ihn in eine tröstende Umarmung zu ziehen. Stattdessen fahre ich weiterhin mit kleinen Bewegungen über seine Wange und genieße die warme Haut unter meinen Fingern.
„Warum?"
Seine Stimme ist nur ein leises Flüstern und fast überhöre ich seine Frage. Ich kann sehen wie er zitternd ausatmet und die letzte Achtsamkeit von ihm fällt. Seine Muskeln entkrampfen sich und seine Schultern scheinen kraftlos in sich zusammenzusinken Ich spüre seine warme Atmung auf meiner Haut und eine einzelne Träne löst sich aus seinem Augenwinkel. „Warum hilfst du mir? Ich habe sie doch hintergangen?" Er schüttelt verständnislos mit dem Kopf, bevor er mit leiser Stimme weiterspricht, „Warum bist du ausgerechnet auf meiner Seite?"
„Du hast es selbst gesagt," vorsichtig fahre ich mit meinen Fingern über seine Wange und wische die einzelne Träne dabei weg, „Du hast sie hintergangen. Nicht mich!"
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