On you
"Wir sollen hier bleiben? Denkst du das?"
Hayden hat ihren Blick unruhig auf die gläserne Eingangstüre gerichtet, dreht sich bei ihrer Frage jedoch fassungslos zu uns um. Sie wirkt unruhig, verunsichert und damit ist sie nicht die Einzige. Ich sitze neben Liam auf der Bank. Er hat seinen Blick gedankenverloren auf den Boden gerichtet, hält das lange Katana, dass er schon einmal dabei gehabt hatte, in seinen Händen und wippt gleichzeitig unruhig mit den Füßen. Neben ihm sitzt Mason, der bedrückt schweigt und im Sekundentakt einen unruhigen Blick auf sein Handy wirft.
„Es ist egal wo wir sind," erwidert Liam nun schulterzuckend und richtet seinen Blick von dem silbernen Schwert auf seine Freundin. Diese atmet in diesem Moment hörbar laut aus, bevor sie sich zwischen mir und Liam auf der Bank niederlässt. „Wir müssen herausfinden, wie man sie bekämpf," klärt der braunhaarige Junge uns jetzt auf und ich kann sehen, wie Masons Blick kurz zu seinem Freund schweift. Er mustert Liam kurz, bevor er die Lippen zusammenpresst und seine Augen wieder auf seinen Schoß richtet. Obwohl Hayden und Liam zwischen uns sitzen habe ich einen recht guten Blick auf den Teenager und selbst die Entfernung kann nicht über seine Trauer hinwegtäuschen. Ich sehe ihm an, dass er sich unendliche Sorgen um Corey macht und bei dem Schmerz in seinen Augen muss ich an das überwältigende Gefühl denken, als ich Clay verloren habe.
„Niemand kann sie bekämpfen," erwidert Hayden in diesem Moment mit einem ernüchterndem Unterton reist mich aus meinen Gedanken. Meine Augen lösen sich langsam von Mason und landen stattdessen auf Hayden, die unruhig auf ihrer Unterlippe herum kaut und dabei nachdenklich auf den Boden starrt.
„Douglas kann."
Die tiefe Stimme von Theo mischt sich in das Gespräche ein und ruckartig landen alle unsere Augen auf der verschlossenen Polizeizelle. Die Jugendlichen hatten darauf bestanden den Jugendlichen einzusperren und mit meinem neuen Wissenstands hatte ich nicht widersprochen. Noch bin ich mir unsicher, wie ich dem Jugendlichen weiterhin gegenüber treten soll. Selbst Theo hatte sich überraschend schweigsam gefügt und den drei Freunden mit nur wenig Widerstand erlaubt, ihn in der Zelle einzusperren. Jetzt steht er nur wenige Zentimeter von den stabilen Eisengittern entfernt und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Ich glaube, dass er von Anfang an gewusst hat, dass die Jugendlichen ihn und sein Wissen später brauchen - vielleicht hat er deshalb nur wenig Widerworte übrig gehabt, als Liam den Vorschlag gebracht hatte, eine der Gefängniszellen für ihn zu benutzen.
Liam und Hayden sind in der Zwischenzeit aufgestanden. Gemeinsam bewegen sie sich in Richtung Gefängniszelle. Ich kann sehen, wie Theo näher an das Gitter tritt und seine Hände um die stabilen Eisenstäbe legt. Kurz überlege ich, ob er mit seinen Werwolfkräften nicht eigentlich dazu in der Lage sein sollte, sie zu verbiegen. Doch bevor ich diesen Gedanken vertiefen kann, schweift mein Blick zu Mason, der noch immer unbeteiligt auf der Bank sitzt und das Geschehen in dem Polizeirevier nur durch einen dicken Schleier wahrzunehmen scheint. Hayden steigert sich eine Diskussion mit Liam rein und Theo scheint hin und wieder etwas einzuwenden. Jedoch nehme ich ihre Worte kaum wahr. Stattdessen bleibt mein Blick auf dem schreienden Teenager liegen, der in diesem Moment erneut einen Blick auf sein Handy wirft und dem Display anschließend wieder mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck sperrt. Ich schlucke schwer und nehme meinen Mut zusammen. Ich rutsche auf der Bank zu ihm und bleibe schweigend neben ihm sitzen. Er reagiert nicht auf mein Näherkommen. Stattdessen hat er seinen Blick nachdenklich auf seine Hände gerichtet, die das Handy umschlungen halten und unruhig auf und ab wippen.
„Wie fühlst du dich?" frage ich mit einer zögerlichen Stimme und kaue mir nervös auf der Unterlippe. Ich weiß, dass meine Frage vielleicht nicht der beste Anfang für ein Gespräch ist, doch in diesem Moment sehe ich in Mason mich selbst und ich verspüre den Drang wenigstens irgendetwas zu sagen. Auch wenn meine Worte fast in den diskutierenden Worten der anderen Jugendlichen untergeht.
„Naja," der dunkelhäutige Junge hat mich gehört und reagiert mit einem hilflosen Schulterzucken auf meine Frage, „Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung wie ich mich in diesem Moment fühlen sollte." Ich nicke leicht. Nach Clays Tod hatte ich einen Gefühlseinschlag nach dem Anderen. Wut. Reue. Trauer. Zorn. Selbsthass. Im Nachhinein kann ich mir noch nicht einmal mehr erklären wie ich diese Zeit durchgestanden habe und noch weniger kann ich sagen, wie es den Menschen um mich herum gegangen sein muss. Das einzige, an das ich mich erinnere ist, dass ich ständig das Gefühl hatte, die Einzige zu sein, die um Clay trauert. „Wir werden ihn finden," versuche ich Mason gut zuzureden, sehe jedoch die berechtigten Zweifel in seinem Gesicht. Bisher konnten wir, soweit ich weiß, nur Peter von den Ghostrider retten und wir glauben auch nur zu wissen, dass Corey bei ihnen ist. Es ist eine Vermutung, basierend auf seinem plötzlichen Verschwinden und den Geschehnissen mit Mr. Douglas. Was, wenn dem Jugendlichen etwas ganz anderes passiert ist?
Ich sehe wie Mason erneut sein Handy zur Hand nimmt und den Bildschirm überprüft. Er hat keine neuen Nachrichten und automatisch bleibt mein Blick auf dem Hintergrundfoto hängen. Es zeigt ihn und Corey, wie sie vertraut nebeneinander stehen und gemeinsam in die Kamera grinsen. Die beiden sehen glücklich aus und ich muss schwer schlucken als ich Masons schmerzverzogenes Gesicht sehe. Mit einem Lächeln sieht er so viel besser aus.
„Du weißt, dass er sich melden wird wenn er kann," murmele ich leise vor mich hin, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob meine Worte helfen werden. „Das...," Mason hält das Handy leicht hoch und atmet tief durch, „Das ist sein Handy. Wir haben es gestern Nacht gefunden." „Das ist ein gutes Zeichen," versuche ich mich weiter dabei dem Jungen Hoffnung zu machen und ignoriere dabei weiterhin die lauten Stimmen von Hayden und Liam, die noch immer mit Theo diskutieren. „Ich weiß nicht," Masons zuckt etwas hilflos mit den Schultern, „Aber wir müssen ihn finden." Ich nicke zustimmend und spiele kurz mit dem Gedanken, nach seiner Hand zu greifen, um ihn mit der Berührung Trost zu spenden. Doch ich kenne den Jungen kaum und habe das Gefühl, dass eine solch' vertraute Geste unangebracht wäre.
„Ich hätte ihn nicht alleine lassen sollen," Ich kann spüren, dass Masons anfängt sich in etwas zu verrennen, dass nicht gut für seine Gefühle ist. Schuld ist das Schlimmste, dass man in diesem Moment fühlen kann. „Du konntest nicht wissen, dass Douglas...," ich lasse den Rest meines Satzes in der Luft hängen und schüttele leicht den Kopf. „Ich konnte ihm nicht mal sagen, dass ich ihn liebe." Es ist nur ein niedergeschlagenes Flüstern und überrascht schaue ich auf. Bisher dachte ich die beiden Jungen sind Freunde, doch Masons Aussage lässt mich etwas ganz anderes erwartet. „Du bist...?" frage ich überrascht nach, bevor ein leises Oh folgt. Gleichzeitig breitet sich auf meinen Lippen ein unsicheres Lächeln aus, mit dem ich Mason mustere. Plötzlich macht es Sinn, dass er den Verlust seines Freundes so sehr umtrauert und sich selbst die Schuld dafür gibt. Selbst das Foto auf dem Handydisplay macht Sinn: die Beiden sind ein Paar.
„Wenn ich eine Sache weiß, dann, dass Scott und Stiles alles tun werden um Corey zu finden."
Die Worte fließen plötzlich selbstbewusst über meine Lippen und ich spüre selbst das Vertrauen, dass ich in den Satz lege. Die beiden Jungen würden alles tun um den Jungen - um ganz Beacon Hills - zu retten und an Mason's kleinem Nicken erkenne ich, dass er dasselbe Vertrauen in die Freunde hat. Trotzdem kann selbst dieses Wissen nicht ganz die Sorge um seinen Freund verschwinden lassen.
„Charlotte? Mason?"
Die Stimme von Hayden reist und aus unserem Gespräch und überrascht schauen wir auf. Hayden und Liam stehen immer noch vor der Zelle, in der sich Theo in der Zwischenzeit auf der harten Bank niedergelassen hat. Er hat die Hände im Schoß verschränkt und mustert die Jugendlichen mit einem selbstbewussten Blick. „Wir brauchen eure Meinung." Der zweite Satz von Hayden kommt wenige Sekunden später und ohne zu Zögern stehe ich von der Bank auf. Mason tut dasselbe und nachdem er das Handy seines Freundes weggepackt hat, treten wir gemeinsam neben Liam, der Theo mit einem nachdenklichen Blick mustert, und dabei das Katana leicht hin und her dreht.
„Zerbrecht das Schwert," fordert Theo nun mit einer ruhigen Stimme und lässt seinen Blick über uns schweifen. Dabei habe ich das Gefühl, dass seine Augen für wenige Sekunden bei mir hängen bleiben, bevor sie weiter zu Mason schweifen. Ich glaube, er erhofft sich in diesem Moment, dass ich seine Partei ergreife. Doch in meinem Kopf tauchen immer wieder die warnenden Worte von Stiles auf und ich bekomme mein Wort über die Lippen. „Ich zerbreche es. Ich breche es direkt...," Hayden steigert sich wütend in ihren Satz und während Liam sie mit einem warnenden Hayden unterbricht, setzt genau in diesem Moment der Klingelton meines Handys ein. Alle Blicke landen überrascht auf mir und mit einem entschuldigend Lächeln auf den Lippen, ziehe es hervor. Ich werfe einen flüchtigen Blick auf das Handy und lasse es vor Aufregung fast fallen, als ich auf dem Display die Vorwahl von Florida erkenne.
Clay.
„Äh...," meine Finger zittern und ich spüre den nervösen Herzschlag in meiner Brust, „Da muss ich ran." Ich drehe mich übereilt von der Gefängniszelle weg und stolpere dabei fast über meine eigenen Füße. „Charlotte wir sind hier gerade bei einer wichtigen Sache," wirft Liam in diesem Moment leicht überrascht ein und mustert mich mit einem unverständlichen Blick. Ich erinnere mich daran, dass Theo gefordert hat, das Schwert in Liam's Händen zu zerstören und obwohl ich keine Ahnung habe, wie es zu dieser Forderung gekommen ist, glaube ich, dass die Jugendliche mich und Mason in die Entscheidung miteinbeziehen wollen. Jetzt jedoch ruft mein toter Zwillingsbruder an und alles andere ist vergessen.
„Äh...," ich drehe mich beim Laufen noch ein mal kurz zu den Jugendlichen um und stolpere dabei wieder über meine eigenen Füße, „Tut einfach das, was ihr für richtig haltet." Ein nervöses Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich stolpere vor Aufregung ein weiteres Mal. Dann jedoch erreiche ich die Eingangstüre und stoße mit einer hektischen Bewegung auf. Ich eile nach draußen und überhöre dabei sogar die empörten Rufe von Hayden und Theo selbst.
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