Never

„Das war knapp," murmelt Theo und fährt sich unruhig durch die dunklen Haare, die ihm verschwitzt ins Gesicht hängen. Der Mond wirft dunkle Schatten auf ihn und ich kann nicht glauben, wie schnell der Tag der nächsten Nacht gewichen ist. „Sie haben Mason und Hayden erwischt," wendet Liam aufgebracht ein und nur wenige Sekunden darauf trifft seine Hand wütend das Lenkrand. Er hat nicht viel erzählt, seit dem wir das Auto von Mason geklaut haben und damit vor dem Ghostrider geflohen sind. Somit hat er uns auch noch nicht erzählt was genau in dem Polizeirevier passiert ist, aber ich vermute, dass er und seine Freunde von den Ghostridern überrascht worden sind. Hayden und Mason haben den Kampf gegen sie verloren, Liam dagegen ist entkommen.

„Wir müssen mit Scott reden," sagt Liam zu sich selbst und reist das Lenkrad so ruckartig herum, dass ich gegen die Autotüre pralle. Ich habe mich auf die Rückbank gesetzt und den beiden Jungen die Vorderbank überlassen. Liam hat sich wie selbstverständlich auf den Fahrersitz niedergelassen. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt einen Führerschein hat. Bereits in diesem Moment fährt er eine Kurve in einem so halsbrecherischen Tempo, dass nur der enge Sicherheitsgurte verhindern kann, dass ich durch das Auto geschleudert werde. Ich bin froh, ihn in aller Eile eingerastet zu haben. Theo, der sich aus irgendeinem Grund ebenfalls auf die Rückbank gesetzt hat, hat das nicht getan. Er fängt die Schleuderkraft des Wagens notdürftig mit seinen Händen und seinen Schultern ab und ich kann sehen, wie genervt er von Liam's Fahrstil ist. In diesem Moment greift er selbst nach dem Anschnallgurt.

„Charley ich brauche dein Handy," ich weiß nicht, wieso Liam gerade mich anspricht, doch wortlos reiche ich ihm mein Handy. Es ist bereits entsperrt und ich beobachte den Jungen dabei, wie er während dem Fahren Scotts Nummer auswählt. Ich möchte etwas sagen, spüre jedoch das Zittern in meiner Stimme. Die Angst pulsiert noch immer in meinem Körper und ich presse meine Finger in den Stoff des leeren Mittelsitzes. Liam scheint die Nummer von Scott gefunden zu haben. Er klemmt sich das Handy zwischen Kopf und Schulter, bevor er wieder beide Hände ans Steuer nimmt. Doch im selben Moment scheint er in der Dunkelheit eine Ausfahrt zu verpassen. Er reist in der letzten Sekunde das Lenkrad herum und mit quietschenden Reifen macht das Auto eine schwungvolle Halbdrehung. Ich presse meine Finger noch fester in den Stoff, während mein Körper dumpf gegen die Türe knallt. Theo wird in meine Richtung geschleudert und dieses Mal ist es der schwarze Gurt, der den Jungen hält. Jedoch hat er seine Hand ebenfalls stützend auf den leeren Sitz in der Mitte abgelegt und die ruckartige Lenkbewegung von Liam sorgt dafür, dass unsere Finger näher zusammen rutschen.

Plötzlich kann ich die Wärme von Theos Haut spüren. Wir berühren uns nicht und doch ist seine Hand so nah an meiner, dass ich sie spüren kann.
Mein Blick fällt zu dem Jungen. Er hat seine Augen auf Liam gerichtet, lässt sie jedoch ruckartig zu mir schweifen, als er meinen starren Blick bemerkt. Die Haare hängen ihm umgemacht ins Gesicht und das Licht des Mondes landet auf seiner reinen Haut. Seine Augen haben ein merkwürdiges Glänzen angenommen und durch den Dreck auf seiner Kleidung wirkt der Stoff auf seinem Oberkörper noch dunkler. Ich bemerke seine unglaublich langen Wimpern und den kleinen Leberfleck auf seiner linken Wange. Ich realisiere selbst durch die Ladung an Adrenalin, dass er mir heute zum zweiten Mal das Leben gerettet hat. Dabei hätten er und Liam gemeinsam das Polizeirevier verlassen können, während ich noch immer vollständig paralysiert auf mein Schicksal gewartet hätte.

Danke.
Ich forme das Wort lautlos mit meinen Lippen und schenke Theo ein schwaches Lächeln. Ich sehe, wie er einen kurzen Seitenblick zu Liam riskiert. Dieser ist jedoch bereits wild am Telefonieren und dabei so aufgeregt, dass er uns auf der Rückbank nicht weiter beachtet. Stattdessen lenkt er das Auto weiterhin waghalsig durch die dunkle Nacht. Auch Theo scheint bemerkt zu haben, dass uns der Teenager vor mir nicht zuhört, weshalb er sich erneut zu mir dreht und mit leiser Stimme nachfragt: „Wofür?"

„Du hast mir heute zum zweiten Mal das Leben gerettet," erkläre ich flüsternd und werfe einen kurzen Blick zu Liam. Er hat den Blick noch immer konzentriert auf die Straße gerichtet, während er mit lauter Stimme in mein Handy spricht. Ich vermute, er telefoniert mit Scott, schaffe es jedoch nicht meine Aufmerksamkeit lange genug auf seine Worte zu richten, um den Anrufer damit identifizieren zu können. Stattdessen ergreift Theo erneut das Wort und mein Blick fällt zurück auf ihn. „Ich brauche dich," ich bin überrascht von dieser Aussage und noch mehr von seinem scheinbar ehrlichen Blick. Ich spüre wie mein Herz einen aufgeregten Zwischensprung macht und das nervöse Kribbeln in meinem Bauch schneller wird. Ich sehe dem Jungen in die Augen und frage mich, was er mit diesen Worten erreichen möchte. Liam nimmt erneut eine Kurve und jetzt rutschen Theos Hände endgültig zu mir. Unsere Finger berühren sich und ich widerstehe dem instinktiven Drang, meine Hand zurückzuziehen.

„Für unseren Deal schon vergessen?"
Theos schmunzelnde Aussage kommt einen kurzen Atemzug später. Seine Finger werden zurückgezogen und die Kälte der Nacht ist nun das einzige, dass ich auf meiner Haut spüre. Ich werfe dem Teenager einen kurzen Blick zu und bemerke, dass er seine Worte ernst meint. Trotzdem schüttele ich langsam den Kopf und nachdem ich mich versichert habe, dass Liam noch immer telefoniert, wende ich mich dem Jungen zu. In der Dunkelheit ist er nur schemenhaft zu erkennen und sobald unser Auto an leuchtenden Straßenlaternen vorbeirast, legen sich helle Schatten auf sein Gesicht. Ich sehe das Glänzen in seinen Augen und schüttele langsam mit dem Kopf. Theo hat mir von Anfang an erzählt, dass er Stiles und Scott als seine Freunde gewinnen möchte. Doch in diesem Moment glaube ich hinter seine Fassade schauen zu können. Ich schüttele bestimmt mit dem Kopf, „Das war aber nie dein Plan, richtig?" Ich sehe wie Theo überrascht von meiner zusammenhangslosen Frage die Augenbrauen hochzieht und mich gespannt mustert. jedoch erwidert er nichts und nach einem tiefen Atemzug spreche ich leise weiter: „Du wolltest ihr Vertrauen nur, damit sie dieses Schwert zerstören," ich sehe wie sich etwas in Theos Gesicht regt, kann aber nicht genau sagen, was es ist. Stattdessen schenke ich ihm erneut ein schmales Lächeln, bevor ich mit hochgezogenen Augenbrauen erwidere: „Und das hast du jetzt sogar ganz alleine geschafft. Das heißt, du brauchst mich nicht mehr."

Ich erinnere mich an Stiles Worte.
An seine Warnung, dass Theo mich in der Sekunde fallen lässt, in dem ich keinen Nutzen mehr für ihn habe. Doch in diesem Moment möchte ich nicht erkennen, warum er mir das Leben gerettet hat, wenn er mich doch offensichtlich nicht länger braucht. Das Schwert ist zerstört und auch wenn die Jugendlichen ihm nicht vertrauen, scheinen sie die Ghostrider als eine größere Gefahr einzustufen.

„Ich glaube du hast mich unter...," Liam drückt so fest auf die Bremse, dass Theo seine restlichen Worte verschluckt und wir beide nach vorne geschleudert werden. Nur die breiten Gurte über unserem Oberkörper verhindern, dass wir nicht gegen die Vordersitze knalle. Trotzdem verdrehe ich mir die Hand als ich sie schützend zwischen meinen Kopf und dem Fahrersitz stemme.

„Scott und die Anderen glauben das Riff gefunden zu haben," erklärt Liam sobald der Wagen zum Stehen gekommen ist und während er redet, schaue ich mich um. Er hat vor dem Haus der McCalls geparkt, dass in der Dunkelheit der Nacht liegt. Melissa scheint nicht Zuhause zu sein. Weder brennt Licht im Haus, noch kann ich ihr Auto in der dunklen Einfahrt erkennen.
„Ich fahre zu ihnen."
„Ich bleibe hier," erwidert Theo und ist bereits dabei sich abzuschnallen. Ich beobachte ihn kurz dabei bis ich Liam's Blick auf mir spüre. Er scheint unruhig auf meine Entscheidung zu warten und ich spüre das nervöse Kribbeln in meinem Bauch. Meine Augen fahren zu Theo, der die Autotüre geöffnet hat und in diesem Moment aussteigt. Die kalte Nachtluft dringt und Auto und streift über meine Haut. Liam hat seinen Blick noch immer auf mich gerichtet und die Augenbrauen abwartend hochgezogen.

„Ich...," ich zögere kurz und werfe dem Teenager vor dem Auto noch einmal einen kurzen Blick zu, „Ich bleibe auch." Meine Hand fährt zum Anschnallgurt und mit einem sanften Drücken löse ich ihn aus der Verankerung. Der Druck auf meiner Brust lockert sich und ich rutsche etwas Näher zur Türe um sie zu öffnen.
„Wir kommen hier her, sobald wir etwas herausgefunden haben," sagt Liam in diesem Moment in meine Richtung und langsam nicke ich. Ich öffne die Autotüre und bin bereits beim aussteigen, als ich in meiner Bewegung inne halte und mich noch einmal dem Teenager zudrehe. „Und was sollen wir solange tun?"

Liam dreht sich etwas weiter zu mir und wirft mir einen kurzen Blick zu. Seine Züge sind ernst und in seinem Gesicht erkenne ich nichts mehr von dem motivierten Lacrosse Spieler und dem verliebten Teenager, den ich am Anfang dieser Woche kennen gelernt habe. Stattdessen scheint er um Jahre gealtert und der Schmerz, seine drei Freunde verloren zu haben, sitzt tief.

„Überleben," er nickt mir leicht zu, „Versucht einfach am Leben zu bleiben, bis wir wieder da sind."

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Momentan passiert gefühlt zu viel in meinem Leben. Das Schreiben ist momentan das einzige was die Gedanken in meinem Kopf zum schweigen bringt. Also danke dass ihr hier seit und mich unterstützt. Die Story hat übrigens schon über 5K Read - das bedeutet mir die Welt. Danke

Lg CoolerBenutzername
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