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„Tut uns Leid. Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nicht vergeben. Bitte überprüfen Sie die Nummer oder wählen Sie erneut. Dies ist eine Aufzeichnung."
Scott sitzt schweigend an dem leeren Esstisch und wählt immer wieder die Nummer seiner Mutter. Immer wieder ertönt die mechanische Stimme einer Frau, die die Hoffnung des Jungen immer wieder aufs Neue zerquetscht. Melissa wurde von den Ghostridern ausgelöscht und ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass sich ihr Sohn noch immer an sie erinnern kann. Ich kann den Schmerz in seinen Augen sehen, die Trauer, seine Mutter verloren zu haben, und noch viel schlimmer die zerbrochene Hoffnungslosigkeit, die sich erneut in seine Gesichtszüge geschlichen hat. Er glaubt nicht länger an ein Happy End und langsam zweifele auch ich daran, die Ghostrider besiegen und mein altes Leben zurückbekommen zu können.
„Tut uns Leid," erneut ertönt die weibliche Stimme und ich muss schwer schlucken. Scott hört sich die Nachricht nun schon zum siebten Mal an und was ich anfangs für einen Verarbeitungsmechanismus gehalten habe, entpuppt sich langsam als eine tiefe Klinge, die sich Scott immer wieder selbst durchs Fleisch zieht. Ich kenne meinen Freund inzwischen lange genug um zu wissen, dass er sich für das Verschwinden seiner Mutter schuldig fühlt. „Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nicht vergeben." Ich werfe meinem besten Freund einen besorgten Blick zu und sehe seine gedankenverlorenen Augen, die wie in Trance in die Dunkelheit starren. Seine Finger schweben nur wenige Zentimeter über dem leuchtenden Handydisplay und ich kann schon jetzt sehen, dass er erneut versuchen wird die Nummer seiner Mutter zu wählen. „Bitte überprüfen Sie die Nummer oder wählen Sie erneut." Ich spüre einen schmerzhaften Stich in meiner Brust als ich meinen besten Freund so gebrochen erlebe und fieberhaft suche ich nach den richtigen Worten. Doch nach Clays Tod weiß ich, dass es diese in einem Moment wie jetzt nicht länger gibt. Scott glaubt seine Mutter für immer verloren zu haben und vielleicht hat er Recht. „Dies ist eine Aufzeichnung."
„Scott."
Es ist Stiles der sich traut die bedrückte Stille im Raum zu durchbrechen. Er tritt neben seinen besten Freund und entzieht ihm mit vorsichtigen Fingern das Handy. Scott reagiert noch nicht einmal darauf und starrt stattdessen weiter in die undurchdringliche Dunkelheit. „Deine Mom ist zwar verschwunden, aber sie lebt noch," redet Stiles nun sanft auf seinen Freund ein und stützt sich neben ihn auf dem Tisch ab. Ich kann sehen, wie auch ihm der Anblick unseres zerbrochenen Freundes zusetzt und schwer schlucke ich. Ich frage mich, wie ich überhaupt jemals denken konnte, dass die Beiden sich an mich erinnern würden. Sie haben zu viel Probleme, um meins überhaupt zu bemerken. Die Ghostrider sind ihre Feinde und in diesem Moment erkenne ich, dass die Jungen sich womöglich wohl nie an mich erinnern könnten. Vielleicht ist es zu spät.
Vielleicht ist es für alle zu spät.
„Und was tun wir jetzt?" fragt Liam und tritt vor. Bisher hatte er sich mit Theo schweigend im Schatten des Raumes aufgehalten, tritt jetzt jedoch selbstbewusst hervor. Er wirft Scott einen hilfesuchenden Blick zu und erneut muss ich daran denken, dass mein Freund wohl der Alpha von ihm sein muss. Scott ist der Anführer und in diesem Moment frage ich mich, was das Rudel wohl ohne einen Alpha macht. Gibt es ohne ihn überhaupt ein Rudel?
Während ich meinen Gedanken nachhänge, verfallen Stiles, Liam und Lydia in eine Diskussion, die ich nur am Rande meiner Aufmerksamkeit mitbekomme. Theo lehnt nachdenklich am Türrahmen und schweigt. Er scheint ebenfalls wenig Interesse an der Diskussion zu haben und sofort muss ich wieder an die Geschichte mit seiner Schwester denken. Er hat sie umgebracht. Bei diesem Gedanken schlucke ich schwer und atme tief durch. Dann schüttele ich langsam mit dem Kopf und zwinge mich selbst dazu, meine Aufmerksamkeit zurück auf Scott zu lenken. Er starrt noch immer teilnahmslos in die Dunkelheit und ich kann sehen, dass sich ein trüber Schleier über seine Augen gelegt hat.
„Hey," ich trete vorsichtig neben meinen Freund und hocke mich neben ihn auf dem Boden. Dadurch reicht mein Kinnn geradeso bis zur Tischkante und sanft greife ich nach der Hand von Scott. Auch darauf zeigt er keine Reaktion und langsam werden meine Sorgen größer. „Wir werden deine Mom finden, okay?" versuche ich ihm etwas Mut zuzurede und übe gleichzeitig etwas Druck auf seine Hand aus. Ich spüre seine warme Haut auf meiner und unsere Berührung fühlen sich so vertraut an, dass selbst ich aus ihnen Hoffnung schöpfe.
„Und was wenn nicht?"
Scotts Stimme klingt schwerfällig und ich glaube ein kleines Zittern in seinem Unterton zu hören. Seine Freunde sind noch immer in einer wilden Diskussion gefangen und scheinen unser Gespräch noch nicht einmal zu bemerken. Ich glaube sie alle wollen Scott auf ihre eigene Art helfen, vergessen in diesem Moment jedoch, dass wir ihm nicht helfen können. Die Ghostrider haben seine Mom ausgelöscht, wir haben gegen sie und gegen Douglas verloren. Solange wir keinen Weg finden, sie zu besiegen, können wir weder Scotts Mom, noch Hayden, noch Mason noch sonst jemanden von den Reitern befreien. In diesem Moment braucht Scott keine zweitrangigen Ideen, er braucht einen Freund, der genau das tut, was sonst immer seine Aufgabe ist.
Hoffen.
„Wir werden sie finden, okay. Wir werden sie und alle anderen aus Beacon Hills finden und sie retten," ich schenke dem Jungen ein schwaches Lächeln und dieses Mal richtet er seinen Blick sogar auf mich. Ich kann die Trauer in seinen Augen sehen und den Schmerz, der sich wie ein dunkler Schleier auf sein Gesicht gelegt hat. „Woher willst du das wissen?" stellt er mir nun eine Frage und das Gewicht auf seiner Brust scheint ihn auf den Boden der Tatsachen zu ziehen, „Douglas ist entkommen. Der Ghostrider ist Tod und wir haben noch immer keine Ahnung wie wir die Anderen retten können." „Weil irgendjemand," ich übe erneut einen sanften Druck auf seine Hand aus und spüre das leichte Brennen in meinen Augen. Ein schwacher Tränenschleier legt sich über meine Augen und meine Lippen ziehen sich leicht nach oben, „mir versprochen hat, meine Familie zu retten und diese Person wird das schaffen," ich sehe, dass Scott realisiert, dass ich ihn damit meine und verwundert ziehen sich seine Augenbrauen zusammen, „Das weiß ich. Denn diese Person hat schon so viel mehr geschafft, als nur ein paar blöde Cowboys zu besiegen."
Der Junge scheint kurz über meine Worte nachzudenken. Dabei hat er seinen Blick auf unsere Hände gerichtet, die ineinander verschlungen auf der harten Tischplatte liegen. Ich spüre die Wärme seines Körpers und glaube ihm ansehen zu können, wie er langsam die lähemende Trauer abwirft. Er blinzelt und der dunkle Schleier über seinen Augen scheint zu verschwinden. Sein Blick schweift von unseren Händen zu seinen Freunden, die noch immer miteinander diskutieren, und mein Herz macht einen erleichterten Zwischensprung, als Scott unsere Hände voneinander löst und entschlossen vom Tisch aufsteht.
„Wir werden alle retten," seine Stimme ist fest und laut genug, um das Gespräch seiner Freunde zu übertönen. Sie alle hören überrascht auf zu reden und drehen sich verwundert zu ihrem Freund um, von dem sie keine Erwiderung erwartet hatten. „Wir brauchen einfach nur etwas Zeit." Er nickt sich selbst zu und ich kann auf den Gesichtern seiner Freunde die Erleichterung sehen, ihren Alpha wieder zu haben. Das Lächeln auf meinem Gesicht wird größer und ich kann spüren wie mich eine Welle voller Stolz durchfährt. Nach all' den Wochen voller Schmerz und Trauer, konnte ich Scott endlich das zurückgeben, was er versuchte, mir nach Clays Tod zu geben.
Hoffnung.
„Liam?"
Scott richtet seinen Blick auf seinen jüngeren Freund, der seit den letzten Stunden älter wirkt. Auch er hat seine Freunde an die Ghostrider verloren und in seinen Augen glänzt eine gefährliche Motivation. Er ist bereit alles dafür zu tun, um seine Freunde zu retten und angesichts seiner Situation kann ich ihn verstehen. „Kannst du mit Stiles zu Deaton fahren? Vielleicht hat er...," Scott ist wieder in seinem Element. Er überlegt sich einen Plan und während ich versuche seinen Worten zu folgen, bemerke ich Theos Blick auf mir. Er muss mich schon seit Minuten schweigen beobachtend und verwundert lasse auch ich meine Augen zu ihm schweifen.
Er lehnt mit verschränkten Armen an dem Türrahmen und verschwindet dabei nahezu komplett im Schatten der Tür. Die Dunkelheit hat sich auf seine Klamotten gelegt und die Schatten verdecken seine Gesichtszüge. Nur das Glänzen in seinen Augen scheinen sie nicht ganz verschwinden lassen zu können. Ich glaube dem Jungen ansehen zu können, dass er mir etwas sagen möchte. Doch dann löst er sich plötzlich von dem Türrahmen und verlässt wortlos das Zimmer. Ich folge seinen Bewegungen und obwohl er im Gang verschwindet, kann ich sekundenspäter die Eingangstüre hören, die sich erst öffnet und dann wieder schließt. Er hat das Haus verlassen und verwundert starre ich die Stelle an, an der ich noch immer glaube seinen Schatten sehen zu können.
„Lydia du und...," Scotts Stimme nehme ich noch immer als Hintergrundgeräusch wahr, verstehe jedoch kaum seine Worte. Stattdessen setze auch ich mich wie in Trance in Bewegung und durchquere mit schnellen Schritten das Zimmer. Dabei spüre ich die Blicke der anderen Jugendlichen verwundert auf mir hängen. Scott hat für wenige Sekunden aufgehört zu sprechen und scheint auch meinen Bewegungen mit den Augen zu verfolgen. Doch in diesem Moment ignoriere ich die Jugendlichen. Ich trete in den Gang und sehe schon von hier, dass sich die Außenbeleuchtung angeschalten hat. Theo hat also tatsächlich das Haus verlassen und als ich seine dunkle Sihlouette draußen auf dem Asphalt über den Boden tanzen sehe, weiß ich auch, dass er wartet. Er scheint zu wissen, dass ich ihm in diesem Moment instiktiv nach draußen folgen werde. Also atme ich noch ein letztes Mal tief durch, bevor ich die Haustüre öffne und nach draußen in die kalte Nachtluft trete.
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Hallo Leute 👋🏻 was denkt ihr möchte Theo ihr sagen bzw. über was werden die beiden wohl im nächsten Kapitel reden? Würde mich über ein paar Kommentare mit (wilden) Theorien freuen...und jetzt noch kurz was persönliches: wie sieht dieses Jahr eurer Weihnachten aus?
Lg CoolerBenutzername
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