Make him understand

"Was gibt's?" frage Stiles mit einem abwartenden Lächeln, jedoch kann ich seinen unruhigen Seitenblick erkennen, den er in Richtung Eingangstüre wirft. Es zeigt mir, dass ich nicht sonderlich viel Zeit habe, bevor Stiles seiner Nervosität nachgibt und den Jugendlichen nach draußen folgen wird. Also entscheide ich mich dazu, direkt zur Sache zu kommen.

„Die Dinge, die du mir gestern über Theo erzählt hast," ich halte kurz inne und kaue nachdenklich auf meiner Unterlippe, „Ich möchte mehr darüber wissen." Stiles Blick landet nach diesen Worten ruckartige auf mir und ich kann die Überraschung in seinen Augen sehen. Nachdem ich seine gestrige Warnung so entschieden zurückgewiesen habe, scheint es ihn zu verwundert, nun nach Details zu fragen. Doch das kurze Gespräch mit Theo vor meiner Haustüre hat heute Morgen Zweifel in mir geweckt und plötzlich kann ich Stiles nachvollziehen. Ich sollte zumindest wissen, worauf ich mich einlasse.

„Dann solltest du ihn selbst fragen," schlägt Stiles in diesem Moment meine Bitte aus und ich bin so überrascht, dass mir sein unruhiger Blick entgeht, den er erneut in Richtung Eingangstüre wirft. „Bitte Stiles," ich versuche in meinem überarbeiteten Kopf einen sinnvollen Satz zu Stande zu bringen, „Wir beide wissen doch, dass er mir nie alles erzählen würde," ich beiße mir nervös auf die Unterlippe, „Zumindest nicht die Wahrheit." Mit dieser Feststellung scheine ich Stiles zu überzeugen. Ich kann sehen wie sich ein Nicken anbahnt, dass er jedoch nur im Ansatz ausführt. Dann kratzt er sich nervös im Nacken, macht ein paar unruhige Schritte durch den Raum, bevor er erneut vor mir stehen bleiben. „Na gut," gibt er schlussendlich nach und macht eine demonstrative Handbewegung, „Was willst du wissen?"

„Woher kennt ihr ihn?"
„Er war mit uns in der Grundschule," Stiles versenkt seine rechte Hand immer wieder in der Linken, was er immer dann tut, wenn er nervös ist oder nachdenkt. In diesem Moment wohl Beides. Doch während ich problemlos die Nervosität meines Freundes erkennen kann, höre ich auch seine Worte und die Bedeutung dahinter. Theo hatte bei unserer ersten, alleinigen, Begegnung dieselbe Erklärung gehabt. Wir waren zusammen in der Grundschule. Ich war damals mit Scott und Stiles befreundet. Und mit deinem großen Bruder. Ich atme tief durch und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich Stiles Antwort schon einmal gehört habe. Noch mehr versuche ich mir jedoch nicht einzureden, dass Theo vielleicht von Anfang an die Wahrheit gesagt hat und seine harte Fassade nur das ist: eine Fassade.

„Nach dem," Stiles Zögern reist mich aus meinen Gedanken und ich versuche mich wieder auf seine Worte zu konzentrieren, „Tod seiner Schwester, sind er und seine Familie weggezogen. Wiedergesehen haben wir ihn dann vor gut einem Jahr." Das würde erklären, warum ich den braunhaarigen Jungen nicht wiedererkannt habe. Zu dieser Zeit habe ich noch immer Clay nachgetrauert und die plötzliche Offenbarung meiner Freunde, übernatürlich zu sein, hat mich noch weiter auf Abstand getrieben. Ich habe Scott und Stiles gemieden. Lydias Anrufe vehement abgelehnt und jeden, auch noch so kleinen, Annäherungsversuch der Freunde abgeblockt. Damals war ich so auf mich und meine Trauer fixiert, dass ich alles, was um mich herum geschehen ist, wie durch einen dicken Schleier vor mir verborgen hat. Also bin ich nicht weiter überrascht als sich Stiles Aussagen passend in mein Vorwissen einfügen.

„Und dann?"
ich ziehe die Augenbrauen hoch und werfe meinem Freund einen herausfordernden Blick zu. Seine gestrigen Worte haben mich nachdenklich zurückgelassen und seine bisherige Erklärung gibt mir keinen Grund, sein offenkundiges Misstrauen nachvollziehen zu können. „Er hat gesagt er wolle uns helfen. Teil des Rudels sein. Stattdessen hat er mit den Dread Doctors zusammengearbeitet," Stiles wirft mir einen kurzen Blick zu, als würde er auf ein verstehendes Nicken warten und auch wenn mir der Begriff Dread Doctors nichts sagt, gebe ich meinem Freund dieses verstehende Zeichen, woraufhin er weiterspricht, „Und sich ein Rudel aus mehrere Jugendlichen, darunter Corey und Hayden, aufgebaut."

„Du hast mir erzählt, er hätte versucht sie zu töten."
„Sie waren Tod," er zuckt mit den Schultern und ich spüre die Ahnungslosigkeit, die mich bei diesen Worten erklimmt. „Er hat sie und ein paar Andere nur gerettet, um sie zu einem Teil seines Rudels zu machen." „Und wo ist sein Rudel jetzt?" frage ich nach und versuche meine Gedanken von den fehlenden Details auf die wichtigen Antworten zu konzentrieren. Ich möchte wissen, ob ich Theo trauen kann. Dafür brauche ich nicht zu wissen wer die Dread Doctors sind oder wie er zur Hölle tote Jugendliche wiederauferstehen lassen kann. Ich glaube, dass ist so eine übernatürliche Sache, die ich mit meinem groben Vorwissen wohl kaum verstehen werde. Immerhin besteht dieses aus einem zweistündigen, sehr verwirrenden Gespräch mit Scott und Stiles - dass ich danach sofort verleugnet und versucht habe zu vergessen. „Die meisten aus seinem Rudel sind Tod. Er hat sie umgebracht, um ihre übernatürlichen Kräfte auf sich selbst zu übertragen."

„Er...," ich hole tief Luft und versuche die Unsicherheit in meiner zitternde Stimme zu vertuschen, „Er hat sie umgebracht?" Ein schweigsames Nicken von Stiles ist Antwort genug und ich spüre ein kalten Schauer über meinen Rücken rennen. Ich stütze mich fassungslos auf dem Schreibtisch ab und hole tief Luft. Stiles hatte bereits gestern davon gesprochen, dass Theo getötet hat. Doch bisher habe ich nie in Erwägung gezogen, dass er tatsächlich töten meint. Immerhin ist Theo gerade mal so alt wie ich und egal wie bedrohlich er manchmal auf mich wirkt, ich kann mir nicht vorstellen, dass man in diesem Alter schon Blut an den Händen haben könnte.

„Er hat das Vertrauen von Malia missbraucht. Liam dazu gebracht, dass er Scott für Hayden's Tod die Schuld gibt und hat ihm eingeredet, dass er ihn töten muss," ich schlucke bei dieser Information und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass mir Stiles Erklärungen langsam Angst machen, „Nachdem Mason dass aber im letzten Moment verhindern konnte," Stiles scheint für wenige Sekunden in seinen Erinnerungen zu schwelgen, bevor er mit einer ungewohnten Ernsthaftigkeit weiterspricht: „Hat er selbst eingegriffen. Er hat mit Scott gekämpft und ihn schlussendlich...," „umgebracht," beende ich langsam nickend seinen Satz und beiße mir auf die Unterlippe. Stiles Ausführung klingt ehrlich und ich glaube meinen besten Freund gut genug zu kennen, um mit Sicherheit sagen zu können, dass er die Wahrheit sagt.

„Er hat das Rudel auseinander gebracht und unsere Freundschaft gefährdet," er wirft mir einen durchdringenden Blick zu und ich atme tief durch. Seine Erklärung klingt alles andere als gut und langsam zweifele ich an meiner Entscheidung, mit Theo einen Deal geschlossen zu haben. „Du solltest auf dich aufpassen," diese Warnung kommt nicht überraschend, doch dieses Mal möchte ich Sie hören, „Theo ist gefährlich."

„Du," ich zögere kurz und überlege, ob ich dieses Thema tatsächlich ansprechen soll, entscheide mich schlussendlich jedoch dafür. Zwar breche ich damit wahrscheinlich in die Privatsphäre von Theo ein, doch in diesem Moment geht es um meine Sicherheit und der Entscheidung, ob ich ihm weiterhin vertrauen kann. „Du hast gestern von einer Schwester gesprochen." Stiles nickt verstehend und kratzt sich anschließend unruhig um Nacken. Er scheint ebenfalls zu überlegen, ob er mir die Antwort auf die unausgesprochene Frage tatsächlich erzählen kann. Doch schlussendlich scheint er zu derselben Schlussfolgerung zu kommen, wie ich. „Ja," er nickt langsam, „Theo hatte eine ältere Schwester. Ihr Name war Tara," bei dem Klang des Mädchennamens zucke ich kaum merklich zusammen. Ich werde von Erinnerungen übermannt und sehe plötzlich Theo vor mir, wie er zusammengekauert im Dreck kniet, den Kopf gesenkt hält und mit leiser Stimme mit sich selbst redet. Es ist okay Tara. Du musst nicht aufhören. Selbst seine Worte spuken mir plötzlich wieder im Kopf herum und ich muss schwer schlucken als ich verstehe, mit wem Theo in Canaan geredet hat. Es ist okay Tara. Du musst nicht aufhören.

„Wie?" frage ich und spüre ein unangenehmes Brennen in meiner Nase. Es zieht sich über meinen Nasenrücken bis zu meinen Augen und ich habe Mühe den wässrigen Schimmer tapfer weg zu blinzeln. Stiles soll nicht ahnen können, wie sehr mich seine Worte aus dem Konzept bringen. Allen voran soll er nicht wissen, dass mich seine Informationen zurück nach Canaan katapultieren und ich immer wieder Theo vor mir sehe.
Ein Theo, der zerbrechlich, verletzlich und einfach nur müde klingt.

„Laut dem offiziellen Polizeibericht hat sie sich nachts im Wald verirrt, ist gestolpert und in einem Fluss gelandet," bisher klingen Stiles Worte wie ein unglückliches Missgeschickt, aber nicht nach dem grausamen Mord, den er Theo anfangs zugeschoben hat. „Sie war verletzt, konnte sich nicht selbst retten. Das Wasser zu dieser Zeit war eiskalt," er hält erneut in seiner Erklärung inne und leckt sich flüchtig über die trockneten Lippen, „Sie ist erfroren." „Und Theo? Was hatte er damit zu tun?" „Er war dabei," er nickt vor sich hin und geschockt fällt mein Kinnladen herunter, „Doch er hat nichts getan um sie zu retten. Er muss ihr einfach dabei zugeschaut haben, wie sie gestorben ist."

„Er hat ihr beim Sterben zugesehen?" wiederhole ich fassungslos die Worte von Stiles und starre ungläubig an ihm vorbei. Vor meinem Inneren Auge wechselt das Bild von dem zerbrochenen Theo zu meinem sterbenden Bruder. Nach seinem Tod habe ich mir oft versucht vorzustellen, wie der letzte Moment in seinem Leben war. Ich habe mir Schuldgefühle eingeredet, versucht die unendlichen Möglichkeiten, wie ich seinen Tod hätte verhindern können, außer Acht zu lassen. Ich habe mir überlegt, wieso gerade er sterben musste. Doch niemals hätte ich auch nur in Erwägung gezogen, ihm beim Sterben zuzusehen - stattdessen wäre ich lieber selbst gestorben.

„Weist du über die Dread Doctors Bescheid?" Stiles Frage reist mich aus meinen Gedanken und langsam schüttele ich den Kopf. Ich bin noch immer so überwältigt von Stiles Geständnis, dass sich mein paralysierter Körper weigert meine Antwort laut auszusprechen. „Sie waren," er zögert kurz und schon jetzt weiß ich, dass das nächste Wort die angesprochenen Gegner nicht annähernd beschreibt: „Ärzte. Sie haben Jugendliche entführt und aus ihnen übernatürliche Chimäre gemacht." Ich nicke zustimmend, auch wenn ich mir nicht mal sicher bin, ob ich seine Worte tatsächlich verstehe. Jedoch sieht Stiles meine wortloses Nicken als Zustimmung und mit einer ruhigen Stimme erklärt er weiter: „Soweit wir wissen, war Theo ihr erstes, erfolgreiches, Experiment. Durch sie wurde er zum aller ersten Chimäre." Langsam ergibt alles Sinn und ich glaube zu verstehen, warum Stiles mir das alles erzählt.

„Weist du was ein Chimäre ist?"
Ich schüttele nachdenklich mit dem Kopf und lasse Stiles nicht aus den Augen. Dieser scheint in der Zwischenzeit die anfängliche Unruhe abgelegt, und vergessen zu haben, dass die anderen Jugendlichen wahrscheinlich noch immer unruhig vor dem Polizeirevier auf uns warten. Stattdessen hat sein Ton etwas professionelles angenommen und seine Haltung spiegelt nicht länger Unsicherheit wieder. Er hat während seiner Erzählung Selbstvertrauen gefasst und ich glaube sehen zu können, wie oft er diese Informationen schon durchgekaut haben muss. Sie laufen ihm problemlos über die Lippen und er muss noch nicht einmal über seine nächsten Worte nachdenken.

„Chimäre sind eine Kreation der Dread Doctors, aus mindestens zwei verschiedenen, nicht zusammenpassenden, DNA's."

„Wie bei einer Hauttransplantation?" frage ich verwundert nach und versuche hinter Stiles Worten noch immer einen tieferen Sinn zu sehen. Warum erzählt er mir das alles? „Genau," er nickt bestätigend und fängt wieder damit an, seine unruhige Handbewegung auszuführen, „Oder wie bei einer Organtransplantation." Ich lege den Kopf leicht schräg und mustere den Jungen nachdenklich. Ich weiß nicht, was ich auf diese Aussage antworten soll und schweige deshalb. Stiles hat in der Zwischenzeit schon wieder das Wort ergriffen und spricht selbstbewusst weiter: „Anfangs hatte Theo nur seine eigene DNA. Trotzdem wurden die Dread Doctors aufmerksam auf ihn," er leckt sich kurz über seine trockenen Lippen, bevor er zu dem Punkt kommt, auf den er das Gespräch schon minutenlang vorbereitet, „Und deshalb musste seine Schwester sterben."

„Er hat sie sterben lassen für...," ich versuche meine kreisenden Gedanken zu ordnen, „Eines ihrer Organe?" Ein kurzes Nicken von Stiles, dann schiebt er eine erklärende Antwort nach: „Nicht nur für irgendeins ihrer Organe," er macht eine dramatische Sprechpause, „Er hat sie getötet, damit die Dread Doctors ihm das Herz seiner Schwester einsetzten und ihn zu einem Chimären machen können." Ein kalter Schauer läuft mir bei dieser Erkenntnis über den Rücken und um wenigstens etwas Sicherheit zurückzugewinnen, schlinge ich mir meine Arme fest um den Körper. „Und...und jetzt?" frage ich mit leiser Stimme und starre fassungslos auf eine Stelle neben Stiles Hüfte. Mir fallen meine Haare störend ins Gesicht, doch in diesem Moment spüre ich die kitzelnden Strähnen gar nicht auf meiner Haut. Stattdessen kreisen meine Gedanken um Theo und seine Entscheidung, seine Schwester für seinen eigenen Vorteil sterben zu lassen.

„Solltest du dich von ihm fern halten."
Es ist ein gut gemeinter Rat, den mir Stiles in diesem Moment mit einem sachten Schulterklopfen ans Herz legt. Gleichzeitig drückt er sich an mir vorbei und steuert den Ausgang des Polizeireviers an. Ich starre ihm wenige Sekunden lang nach, bevor ich ein letztes Mal meine Stimme erhebe: „Woher wisst ihr das alles, Stiles?" Der angesprochene Junge bleibt stehen, dreht sich jedoch nicht noch einmal zu mir um. Stattdessen beobachte ich, wie sich seine Schultern beim Einatmen leicht angeben und kurz darauf wieder in sich zusammenfallen. Ich glaube für wenige Sekunden, dass mir der Junge die letzte Antwort verweigern wird. Doch dann überrascht mich Stiles. Er dreht sich mit dem Oberkörper noch ein letztes Mal zu mir und fixiert mich mit einem durchdringenden Blick: „Erfahrung,"  zuckt bei seinen Worten leicht mit den Schultern, „Mache nicht denselben Fehler wir wir."

Mit diesem Rat, dreht er sich vollständig von mir weg und verlässt mit schnellen Schritten das Gebäude. Hinter ihm fällt die gläserne Eingangstüre ins Schloss und lässt mich in dem stillen Raum mit meinen explodierend lauten Gedanken zurück.

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Etwas Bestie-Zeit zwischen Charlotte und Stiles. Denkt ihr Stiles bekommt schon so ein feeling, dass Charlotte mehr als nur eine Fremde ist? Und glaubt ihr seine Worte dringen zu ihr durch und sie hört auf mit Theo zusammen zuarbeiten?

Falls ihr Lust habt schaut doch mal bei meiner Kurzgeschichtensammlung Gedankenchaos vorbei. Würde mich über ein paar Votes und Kommentare freuen. <3

Lg CoolerBenutzername
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