By the hand
Ich und Theo haben kein Wort mehr getauscht. Die Fahrt über haben wir geschwiegen und ich war noch nie erleichterter, aus einem Auto aussteigen zu können, als in diesem Moment. Jetzt stehen wir vor dem kleinen Polizeirevier, in dem auch Stiles Vater arbeitet. Ob er sich noch an mich erinnern kann, bezweifele ich. Doch Theos Aussage, hier auf die anderen Jugendlichen zu treffen, macht mir Hoffnung. Vielleicht haben sie bereits eine Lösung gefunden. Eine Lösung für Corey und vielleicht auch, unterbewusst, eine Lösung für mich.
„Nach dir," reist mich Theos Stimme aus meinen Gedanken und hält mir höflich die Eingangstüre auf. Ich mustere ihn kurz, unsicher ob ich seinem Angebot folgen sollte oder nicht. Doch dann versuche ich meine Vorsicht zu vergessen und drücke mich an ihm vorbei ins Polizeirevier. Dabei entgeht mir jedoch nicht sein amüsiertes Lächeln, dass meinem Selbstvertrauen einen kleinen Dämpfer verpasst. Jedoch vergesse ich das relativ schnell, als ich Scott entdecke. Er lehnt locker am Türrahmen zu dem Büro des Sheriffs und beobachtet Lydia, die nur wenige Schritte vor ihn steht und ihn fassungslos mustert. Malia, Stiles und Liam stehen um einen leeren Schreibtisch herum und ich erschrecke mich zu Tode, als ich direkt neben mir eine Bewegung wahrnehme. Es ist ein älterer Mann, den ich erst in der zweiten Sekunde als Peter Hale wieder erkenne.
„Hey Charlotte," werde ich freundlich von fast allen begrüßt, nur Peter Hale beachtet mich kein Stückchen. Theo schiebt sich nun ungeduldig an mir vorbei und schlendert langsam in das Innere der Polizeistation, die ausgesprochen leer wirkt. Ich kann noch nicht einmal Noah Stilinski, Stiles Vater, entdecken. „Wo sind alle?" rutscht mir die Frage ungewollt über die Lippen und sofort beantwortet Scott schulterzucked die Frage: „Unterwegs. Der Sheriff hat alle seine Männer losgeschickt um die vermissten Leute zu suchen." Ich erwische mich selbst dabei, wie ich aufgrund dieser Antwort erleichtert ausatme. Für wenige Sekunden habe ich tatsächlich geglaubt, die Ghostrider könnten in der Zwischenzeit auch die ganze Sheriff Station aufgelöscht haben. Ich nicke dem Teenager kurz zu, bevor ich die wenigen Meter zu Stiles, der sich mit seinen Freunden noch immer locker an den Schreibtisch lehnt, überbrücke. „Wie kann ich helfen?" frage ich noch bevor ich die kleine Gruppe erreiche und bewirke damit, dass sich auch Scott und Lydia in Bewegung setzten und wir uns alle um den Tisch zu versammeln. Nur Peter verharrt wie ein dunkler Schatten neben der Türe, während Theo sich neben mich drängelt.
„Corey ist verschwunden," klärt mich nun Liam auf und verstehend nicke ich. „Theo hat mich schon eingeweiht," gebe ich anschließend zu und werfe dem angesprochenen Jungen einen kurzen Seitenblick zu. Er wirkt entspannt, jedoch nicht sonderlich interessiert an dem Gespräch. Ich hege den Verdacht, dass er nicht wirklich vorhat zu helfen, sondern erneut von den Freunden dazu genötigt wurde. Jedoch fällt mir in diesem Moment auf, dass die Wunden des gestrigen Kampfes vollständig verheilt sind und ich bin so fasziniert davon, dass ich die ersten Worte von Scott verpasse und mich schlussendlich in einem Gespräch wiederfinde, dass ich nicht verstehen kann.
„Das ist der einzige Weg."
„Sieh dich um," Peter hat sich in der Zwischenzeit von der Wand gelöst und tigert unruhig neben uns hin und her, „Wir sind die Letzten hier." Ich schaue peinlich berührt zwischen den Jugendlichen hin und her und versuche den verlorenen Gesprächsfaden wieder auffangen zu können. Doch in diesem Moment bleibt Peter neben Malia stehen und spricht selbstbewusst weiter: „Wenn Sie uns holen wird Lydia und diese," er lässt seinen Blick kurz zu mir schwenken, „Charlotte, die Letzten hier sein." Ich habe keine Ahnung was Peter mit seiner Aussage erreichen möchte. Ich habe noch nicht einmal Ahnung worüber er in diesem Moment diskutiert. Doch er scheint überzeugt von seiner pessimistischen Meinung und ich in den Blicken der Anderen kann ich ebenfalls die Unsicherheit ablesen. Was auch immer Scott gerade vorgeschlagen hat, es scheint die Jugendlichen in zwei Gruppen zu teilen.
„Darum gehe ich alleine rein," erwidert Scott und wirft dem älteren Mann einen selbstbewussten Blick zu, „Liam und Hayden bleiben bei Mason. Solange jemand in Beacon Hills übrig ist, kann die Wilde Jagd nicht weiter."
„Mir gefällt dein Plan, Scott, wirklich," ergreift nun wieder Peter das Wort und ich bin überrascht wie engagiert der geborene Hale scheint. Stiles hatte mir mal erzählt, dass er zu den Bösen zählt. Dass er Scott verwandelt hat und an Lydias Bisswunde nach unserem Schulball schuld war. Dank ihm wäre sie fast gestorben. Dank ihm hatte sie die Fähigkeiten einer Banshee bekommen und dank ihm musste Stiles sie verletzt auf dem Feld zurücklassen. Umso mehr verwundert mich die Tatsache, dass er jetzt scheinbar so friedlich mit den Jugendlichen über ihren Plan diskutiert und sie auch noch nachdenklich auf seine Einwände einzugehen scheinen. Ich bin erneut so verwundert, dass ich vergesse das Gespräch zu verfolgen und somit ein weiteres Mal den Faden verliere.
„Aber es wird schief gehen," beendet Peter in diesem Moment seinen Satz und zuckt leicht mit den Schultern. Sofort reagiert Malia auf seinen Satz und fragt mit einer kurzzeitig aufbrausenden Energie: „Woher willst du das wissen?" „Logik," Peter zuckt erneut mit den Schultern, „Lebenserfahrung." Hohn dröhnt in seiner Stimme und doch glaube ich, dass er seine Warnung ernst meint. Er möchte die Jugendlichen nicht über das Ohr hauen und meint seinen Rat tatsächlich ernst, eine Entdeckung die mich nur noch mehr verwundert. In diesem Moment führt er seine Erklärung sogar noch weiter aus: „Sie werden ihn erwischen. Und was wenn Corey gar nicht da ist. Oder wenn es kein Beacon Hills mehr gibt, zu dem ihr zurückkommen könnt?"
„Hast du eine bessere Idee?" meldet sich nun Liam zu Wort und mein Blick schweift ruckartig zu ihm. Ich bemerke seine Hände, die zu Fäusten geballt sind und die kleinen Arterien die vor Wut anschwellen. Er scheint Peter nicht ausstehen zu können, was mich nicht wirklich verwundert. Wenn Stiles Erzählungen auch nur zur Hälfte stimmen kann ich verstehen, wenn jeder der Jugendlichen einen sichtbaren Hass gegenüber Peter hegt. Was mich dagegen mehr verwundert ist ihre scheinbar freiwillige Kooperation mit ihm.
„Ja," beantwortet Peter die Frage des Jugendlichen und stürzt sich auf dem Esstisch ab, „Nämlich: Renn' so schnell du kannst. So," er hält kurz inne, atmet tief durch und lässt seinen Blick anschließend fragend durch die Runde schweifen, „Aufbruch in fünf Minuten?"
„Du hast versprochen uns zu helfen," ich glaube es ist das erste Mal, dass sich auch Malia ins Gespräch einbringt, „Wir müssen den Riss finden." Sie tritt vor Peter und mustert ihn mit einem ernsten Blick. Ich habe das Gefühl, dass sie eine besondere Beziehung zu ihm hat, auch wenn ich den Grad der Vertrautheit nicht einzuschätzen vermag. Was mir jedoch auffällt ist, dass sich in diesem Moment keiner der anderen Jugendlichen einzumischen versucht, was mir bei Malias Temperament nachlässig erscheint. „Ich habe nicht versprochen Selbstmord zu begehen," erwidert Peter in diesem Moment und starrt das kurzhaarige Mädchen mit einem Ausdruck aus Bedauern und Selbstbewusstsein an. Er scheint ihr tatsächlich ein derartiges Versprechen gemacht zu haben, nun aber andere Aspekte darin zu sehen. Im selben Moment glaube ich in Malias Gesicht eine kleine Veränderung wahr zu nehmen und wenn mich nicht alles täuscht, handelt es sich dabei um Enttäuschung. Etwas, was mich angesichts meines groben Vorwissens über Peter Hale nur noch mehr verwundert.
„Wenn du uns nicht hilfst, finden wir ihn auch alleine," schaltet sich nun auch Scott wieder ein und tritt mit wenigen Schritten neben Malia. „Scott ich gebe zu, dass du oft Glück hattest aber," er hält kurz inne und visiert eine Stelle neben Malia an, die ich nicht nachvollziehen kann, „Das hier, davor läuft man nicht weg." Er setzt sich in Bewegung und kommt mit Rückwärtsschritten der Haupttüre des Polizeireviers näher, „Man rennt." Mit diesen Worten dreht er sich von uns weg, stößt mit einer kräftigen Handbewegung die gläserne Türe auf und verschwindet. Fassungslos starre ich ihm nach, unfähig, das gerade geführte Gespräch in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzten. Trotzdem bemerke ich wie Malia wenige Schritte nach vorne macht und andeutet dem Mann zu folgen. Dann jedoch bleibt sie bereits nach wenigen Metern stehen und schaut ihm ungläubig hinterher. Aus dem Augenwinkel kann ich sehen wie sie die Lippen fest aufeinander presst und einmal schwer schlucken muss. Ich schließe daraus, dass sie eine außergewöhnlich intime Beziehung zu Peter Hale führt, was vielleicht auch der Grund sein könnte, warum die Jugendlichen den Mann so protestlos in ihren Reihen akzeptiert haben.
„Und wie lautet jetzt der Plan, Sherlock?"
Theo bringt sich mit einem herablassenden Ton zurück ins Gespräch und während ich ihn fast vergessen hatte, tritt er nun mit einer undurchschaubaren Mimik vor. Er hat die Arme verschränkt und hat nicht mehr als einen abwartenden Blick für uns übrig. Auch die Blicke der anderen Jugendlichen landen überrascht auf ihm und ich kann sehen, wie sie alle nach einer guten Antwort suchen. Schlussendlich ist es Scott, der sich in der Erklärung eines Plans versucht: „Ich gehe mit Malia, Stiles und Lydia noch einmal in die Tunnel. Liam?" Er richtet den Blick fragend auf seinen jüngeren Freund, der als Antwort ein kurzes Nicken von sich gibt und den Worten seines Freundes anschließend aufmerksam lauscht, „Du nimmst Theo und Charlotte mit zu Hayden und Mason." Mehr Informationen scheint der braunhaarige Lacrosse Spieler nicht zu brauchen. Er gibt ein erneutes Nicken ab und ich kann sehen, wie er einen intensiven Blick mit Scott teilt. Ich glaube, sie kommunizieren dadurch und als Scott dann auch noch ein kaum merkliches Nicken von sich gibt, fühle ich mich in meiner Vermutung bestätigt. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, setzen sich die Jugendlichen bereits in Bewegung und ich sehe wie Malia mit schnellen Schritten das Polizeirevier verlässt. Liam und Theo folgen ihr nicht weniger schnell und als sich auch noch Scott und Stiles in Bewegung setzen, handle ich instinktiv.
„Stiles," meine Hand schließt sich wie von selbst um das Handgelenk des angesprochenen Jugendlichen, der sich bei meiner Stimme verwundert zu mir umdreht. Auch Scott bleibt kurz stehen und mustert mich mit einem überraschten Blick. „Könnte ich nochmal kurz mit dir reden?" Ich schenke meinem Freund ein nervöses Lächeln und spüre die Erleichterung meinen Körper durchfluten, als dieser sofort zustimmend nickt. „Scott," dieses Mal richte er sich an seinen besten Freund, der im Türrahmen noch immer auf uns wartet, „Eine Minute." Die Beiden nicken sich kurz zu, bevor Scott wortlos verschwindet und ich mit Stiles alleine bin. Ich atme tief durch und schenke dem Jungen ein unsicheres Lächeln.
Ich weiß, dass die Fragen, die ich zu stellen plane, wahrscheinlich nicht gerade die Antworten haben, die ich mir erhoffe. Trotzdem muss ich mir stellen und nach Stiles gestrigen Warnung kann ich mir niemand besseren als Ansprechpartner vorstellen.
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