A ride

Die Haustüre ist hinter Lydia, Malia und Scott zugefallen. Seit Minuten haben wir nichts mehr von ihnen gehört und ein mulmiges Gefühl hat sich in mir breit gemacht. Stiles ist mit uns draußen geblieben. Anfangs habe ich gedacht, er tut es nur, weil Malia ihn darum gebeten hat. Immerhin hat sie sich kurz bevor sie mit den anderen im Haus verschwunden ist, noch einmal zu ihm gedreht und ihm etwas zugeflüstert. Doch schon seit Minuten fällt mir auf, dass er uns immer wieder misstrauische Blicke zuwirft, als würde er sich versichern wollen, dass wir nicht doch vorhaben ihn hinterhältig zu ermorden. Ich glaube, er vertraut mir noch immer nicht. Theo sowieso nicht. Er scheint draußen geblieben zu sein, um uns im Auge behalten zu können. Na toll. Soviel zum Thema, die Jungs würden mir nach meiner Selbstmordaktion vertrauen.

„Du hast gesagt ich soll dir danken," ich werfe Theo einen kurzen Seitenblick zu, um herauszufinden ob er meine plötzliche Andeutung bereits versteht und sich vielleicht schon jetzt dazu äußern möchte. Doch der Junge läuft gleichmäßig weiter, schaut sich weiterhin aufmerksam in der Gegend um und selbst wenn er mir zuhört, lässt er es sich nicht anmerken. Trotzdem nehme ich meinen Mut zusammen und spreche weiter: „Woher weißt du, was da drin passieren wird?"

Theos Blick landet jetzt ruckartig auf mir. Er zieht die Augenbrauen hoch und erwidert mit lockeren Ton: „Ich weiß, wie es aussieht wenn die Ghostrider eine Stadt auslöschen," sein Ton wird ernster, „Ich weiß, was mit den Menschen passiert die sie zurücklassen." „Sie lassen Menschen zurück?" Meine Stimme klingt fassungslos und meine gerade noch undurchschaubare Miene zerfällt in einen verwunderten Ausdruck. Bisher hatten die Jugendlichen nur davon gesprochen, dass die Ghostrider eine ganze Stadt auslöschen und mit ihr jeden einzelnen Bewohnern. Einen nach dem Anderen.
„Nicht immer," Theo wirft einen kurzen Blick in Richtung Stiles. Ich kann nicht verhindern, diese Bewegung zu imitieren und meine Augen ebenfalls für wenige Sekunden auf meinen braunhaarigen Jungen zu richten. Er schlendert betont desinteressiert auf der gegenüberliegenden Straßenseite, doch ich weiß, dass er seinen Blick immer wieder zu uns schweifen lässt und uns mit aufmerksamen Augen beobachtet. Er kann unser Gespräch nicht hören - auf diese Distanz selbst in der Stille der Stadt unmöglich - trotzdem scheint Theo sich überzeugen zu wollen, dass Stiles nicht etwa unauffällig näher schlendert. Theo ergreift in diesem Moment erneut sein Satz und spricht weiter: „Die Ghostrider verschonen bestimmte Menschen, weil sie Angst vor ihnen haben."

Mein Blick fährt sofort zurück zu dem Teenager, der jedoch so locker und desinteressiert wie immer aussieht. Von außen sieht es sicherlich nicht so aus, als hätte Theo mir gerade einen wichtigen Tipp im Kampf gegen die Ghostrider verraten. Ich habe zwar keine Ahnung wie mir dieses neue Wissen bei meinem eigentlichen Problem weiterhelfen kann, aber es könnte eine wichtige Information für Scott und Stiles sein...und eine weitere Eintrittskarte in Richtung Vertrauensstadt. Doch dafür brauche ich noch ein paar genauere Informationen. Ich versuche mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen und richte meinen Blick zurück auf den Teenager, der ein heruntergekommenes Haus mit roter Haustüre ansteuert. Ich passe mich seinen Schritten an und frage forschend nach: „Die Ghostrider haben Angst?" Ich kann nicht ganz verhindern, dass meine Stimme zum Satzende hin immer ungläubiger klingt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die unheimlichen Reiter Angst vor überhaupt irgendetwas haben und dass Scott und Stiles diese Information noch nicht herausgefunden haben. Vielleicht kann dieses Wissen verhindern, dass noch mehr Menschen aus den Erinnerungen der Stadtbewohner gelöscht werden. Vielleicht hätte dieses Wissen verhindern können, dass ich aus dem Gedächtnis meiner Freunde gelöscht wurde.

„Es ist nur eine Theorie," Theo zuckt die Schulter und schlägt einen kleinen Trampelpfad nach rechts ein. Im ersten Moment möchte ich ihm folgen, doch in dieser Sekunde ertönt ein lauter Knall und erschrocken zucke ich zusammen. Mein Blick fährt herum und landet automatisch auf dem alten Einfamilienhaus, indem zuerst der kleine Junge, dann Scott und seine zwei Freunde verschwunden sind. Ich sehe, wie Stiles auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls unter dem lauten Geräusch zusammenzuckt, sich jedoch ziemlich schnell in Bewegung setzt und rennend auf das Haus zustürmt. Ich möchte ihm folgen. Doch zuerst schweift mein Blick überprüfend zu Theo, der den Knall zwar bemerkt zu haben scheint, ihn jedoch nicht interessant genug findet. Stattdessen hat er den Kopf leicht schräg gelegt, als würde er in die Stille der Stadt lauschen. Seine Schritte sind leise und vorsichtig und selbst aus dieser Entfernung kann ich sehen, dass seine Muskeln kampfbereit angespannt sind. Er verschwindet hinter der Hausecke und somit auch aus meinem Blickfeld.

Meine Augen schweifen zurück zu Stiles. Er hämmert in diesem Moment verzweifelt an die Eingangstüre, die sich selbst unter seinen Fäusten nicht öffnen lässt. Er ruft etwas gegen das Holz, wahrscheinlich um mit seinen Freunden im Haus zu kommunizieren. Ich weiß nicht, was gerade passiert, spüre jedoch den panischen Ausschlag meines Herzens. Ich setze mich in Bewegung und steuere Stiles an, um ihm zu helfen.
Doch gerade als ich die leere Straße überqueren möchte, nehme ich eine flüchtige Bewegung im Augenwinkel wahr. Schlitternd komme ich zum Stehen und richte meinen Blick ruckartig zurück zu dem Haus, hinter dem auch Theo verschwunden ist. Im letzten Moment glaube ich noch einen schlanken Jungen im dunkelrotem Beacon Hills Trikot hinter der Hausecke verschwinden zu sehen.

„Clay."
Der Name meines Zwillingsbruders kommt nahezu lautlos über meine Lippen und auf einmal ist alles andere vergessen. Lydia. Stiles. Scott. In dieser Sekunde zählt nur noch mein Bruder, den ich glaube hinter dem Haus verschwinden zu sehen. Ich drehe mich noch nicht einmal mehr zu Stiles um. Stattdessen setze ich mich in Bewegung und stolpere mit schnellen Schritten dem Jungen nach. Dieser ist bereits hinter der Hausecke verschwunden und ich bezweifele bereits ihn tatsächlich gesehen zu haben. Die Energie hier verursacht Halluzinationen. Das hatte Lydia mit einer solchen Überzeugung gesagt, dass ich es keine Sekunde angezweifelt hatte und auch Scotts geschockter Blick, als er glaubte seine Mutter gesehen zu haben, lässt mich nichts anderes glauben.

Clay ist tot.
Clay war tot.
Ich erinnere mich an seine Stimme. Erst gestern Abend hatte ich mit ihm gesprochen. Er war da. Er war am Leben. Und das nur, weil es mich nicht mehr gibt.

Dieser Gedanke bestärkt mich in dem instinktiven Gefühl, meinen Bruder tatsächlich gesehen zu haben. Er lebt. Dieses Wissen ist in diesem Moment genug für mich. Ich beschleunige meine Schritte und biege um die Hausecke. Meine linke Hand bleibt auf der bröckelnden Fassade liegen, während mein Blick bereits suchend durch den Hintergarten schweift. Dieser sieht genauso heruntergekommen und ungepflegt aus, wie der Rest der Stadt. Die teils vertrockneten, teils wild wuchernden Pflanzen sind Beweis genug, dass sich hier schon lange niemand die Mühe gemacht hat die Schönheit des Gartens bewahren zu wollen. Clay kann ich nirgends sehen. Mein Blick schweift verwundert über den Garten und die Fassade des Nachbarhauses und fast übersehe ich Theo. Er kniet überraschenderweise auf dem trockenen Boden, der wohl einzigen Stelle im Garten, die nicht bewachsen sondern mit dunkler Erde bedeckt ist. Er hat seine Hände im Schoß liegen und ich glaube seine Finger zittern zu sehen. Sein Kopf ist gesenkt, von mir abgewendet und ich sehe seine breite Schulter, die sich mit zittrigen Bewegungen heben und senken. Zögerlich mache ich einen Schritt auf ihn zu und nehme plötzlich seine leise Stimme war.

„Es ist okay Tara," es ist nur ein Flüstern, dass ich im ersten Moment für eine Illusion meiner Fantasie halte. Doch dann spricht der Jugendliche weiter und mit einem unsicheren Rumoren in meinem Magen, halte ich in meiner Bewegung inne und lausche seinen nächsten Worten, „Du musst nicht aufhören." Langsam hebt er den Kopf, atmet tief durch. Ich möchte etwas sagen, mich bemerkbar machen, diese intime Situation jedoch nicht zerstören. Doch bevor ich eine Entscheidung treffen kann, dreht sich der Teenager bereits um und sein Blick richtet sich schlagartig auf mich. Ich zucke zusammen und stolpere überrascht wenige Schritte zurück. Ich glaube einen wässrigen Schimmer in seinen Augen sehen zu können, schiebe es jedoch ungläubig auf den Einfall der Sonne.

„Char...," er räuspert sich und steht mit einer ruhigen Bewegung auf, „Charley." Er wirkt überrascht mich zu sehen, jedoch nicht so, als hätte ich ihn in einem intimem Moment erwischt. Stattdessen klopft er sich lässig den Dreck von den Klamotten und ein eisiger Schauer läuft über meinen Rücken als mich der Junge mit meinem Spitznamen anspricht und und mich gleichzeitig mit einem ruhigen Blick mustert. Ich schlucke schwer und überlege, ihn auf den Moment anzusprechen. Noch immer hallen mir seine flüsternden Worte im Kopf nach. Es ist okay Tara - du musst nicht aufhören. Ich frage mich was dieser Name für ihn bedeutet. Was diese Person für ihn bedeutet. Ohne es kontrollieren zu können, spüre ich ein unruhiges Kribbeln in meinem Bauch und beiße mir nervös auf die Unterlippe. Theo ist in der Zwischenzeit näher zu mir getreten und fährt sich mit einer lockeren Bewegung durch die Haare. Erst dann fängt er erneut an zu sprechen: „Wir sollten zu Stiles zurückgehen." Er lächelt mich nicht an. Er schaut mich nicht an. Er geht einfach mit schnellen Schritten an mir vorbei und verwundert beobachte ich ihn dabei, wie er hinter dem Haus und dadurch zurück auf die verlassene Straße verschwindet.

Auch ich setze mich jetzt langsam in Bewegung und folge dem Teenager zurück zu unseren gemeinsamen Freunden. „Tara," murmele ich dabei jedoch leise vor mich, aus Angst den Mädchennamen frühzeitig zu vergessen.

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Am Montag fängt mein Studium an und ich bin verdammt nervös deswegen. Schreibe seit Tagen, vergesse aber jedes Mal aufs neue zu updaten. Hoffe die Updates kommen wieder regelmäßiger wenn ich studiere. Trotzdem danke für euren Support - dass sage ich in letzter Zeit viel zu selten <3 ihr seid die besten

Lg CoolerBenutzername
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