Fröhliche Weihnachten!
Das hier habe ich vor Jahren geschrieben, als mir wieder einmal bewusst wurde, dass wir uns zwar fröhliche Weihnachten wünschen, aber damit eigentlich besinnliche Weihnachten meinen. Wobei wohl kaum jemand eine klare Vorstellung davon hat, was mit besinnlich gemeint ist - aber jeder sehr genau weiß, wie Weihnachten abzulaufen hat.
Es beginnt schon bei der Auswahl des Krippenspiels. Die Gruppe kann sich nicht einigen, soll man das sehr besinnliche Stück vortragen oder mal neue Wege gehen mit einem heiteren Spiel? In welchem Melchior verdutzt fragt, ob das Kind denn ein Kaninchen hat, weil er ihm doch Möhren mitbringen soll? Achso, Myrrhe war gemeint. Mehr als einer der jugendlichen Chorsänger kichert an dieser Stelle und wird zur Ruhe gemahnt. Weihnachten ist schließlich nichts, worüber gelacht wird. Aus diesem Grund wird auch schließlich das heitere Spiel verworfen. Den Kirchenbesuchern würde das sicher nicht gefallen; die erwarten einen nachdenklichen, tiefgründigen Gottesdienst.
„Weißt du, warum der Weihnachtsmann so einen großen Sack hat?" fragt der Große den Kleinen, als sie die Geschenke unter den Baum legen. So klein ist der Kleine nicht mehr, er weiß es: „Weil er nur einmal im Jahr kommt!"
„Aber doch nicht an Weihnachten", ruft Opa entsetzt. „Sowas könnt ihr euch an normalen Tagen in der Schule erzählen, aber nicht an den Festtagen!"
Andächtig lauscht Mama den Weihnachtsliedern aus dem Radio, während sie die Glasuren anrührt. Einige Lieder singt sie sogar mit. Vor allem die Weihnachtsbäckerei. „Sind die Hände rein? Du Schwein!" Sie kichert, die Oma dreht das Radio ab. „Sowas ist doch kein Weihnachtslied, das ist mir zu vulgär!"
Papa und die Kleine malen Tannenbäume grün, Engel weiß und Weihnachtsmänner rot. Plötzlich hat Papa eine Idee, er malt dem Weihnachtsmann eine rote Säufernase, dem Engel grünen Lidschatten und rote Lippen und verpaßt einem Rentier ein blaues Fell. Bevor er sich weiter auslassen kann, hindert ihn die Kleine daran: „Du kannst doch nicht so einen Quatsch machen, über Weihnachten macht man sich nicht lustig."
Vor der Bescherung liest Papa aus dem Lukas-Evangelium vor. „Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in einer Krippe liegen."
„Was, die lagen alle drei in der Krippe?" fragt die Große. Die Brüder kichern, Opa ist verärgert. „Wenigstens an Weihnachten könntest du mal etwas Anstand und Respekt beweisen!"
„Wow, ist die cool!" brüllt der Kleine. „Absolut Hammer! Danke, Opa!" Die Nerf noch immer in den Händen, fällt er dem Geber um den Hals. Der Große tadelt ihn: „Zu Weihnachten redet man nicht so und vor allem nicht so laut!" Währenddessen fragt Mama den Opa: „Mußt du ausgerechnet am Christfest Waffen verschenken?"
Es klingelt, die beste Freundin der Großen steht vor der Tür. Papa runzelt die Stirn. „An Weihnachten bleibt die Familie eigentlich unter sich. Na schön, aber nur zehn Minuten!"
Die Große wetzt mit Freundin in ihr Zimmer, beide Brüder hinterher. Es werden Geschenke ausgetauscht, sich freudig bedankt und viel gekichert. Oma lauscht unangenehm berührt, das Glucksen und Tuscheln stört ihre Andacht. Plötzlich ertönt ein lauter Rap, die neue CD ist offenbar gleich eingelegt worden. „Jetzt aber ..." Oma reißt die Tür auf und findet vier Teenager in seltsamen Verrenkungen vor. „Zum Christfest tanzen, da hört sich aber alles auf! Los, ins Wohnzimmer und du nach Hause! Wir singen jetzt Weihnachtslieder!"
Die Freundin trollt sich, murmelt aber noch: „In England tanzen die Leute zu Weihnachten, die machen da ne große Party. Immerhin heißt es ja Merry Christmas, fröhliche Weihnachten!" Oma knallt die Tür hinter ihr zu: "Fröhlich, wenn ich das schon höre! Fröhlich könnt ihr ein andernmal sein. Heute ist Weihnachten!"
Das habe ich noch nie verstanden. Wir wünschen uns tagelang fröhliche Weihnachten, gleichzeitig hadern wir mit jedem, der es wagt, diesen Wunsch wörtlich zu nehmen. Weihnachten ist ein ernstes, ein besinnliches, fast ein trauriges Fest. Aber warum? Wir feiern die Geburt eines Kindes! Das ist zumindest in meinen Augen etwas Schönes – und ein Tag, an dem man lachen darf, feiern und auch tanzen kann vor Freude.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine Adventszeit voll Lachen und Freude sowie fröhliche Weihnachten. Wortwörtlich. Seid fröhlich und feiert!
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