Beschwerde mal andersrum

Hier war der Anlass ein Gespräch in einem Chat, ob man sich auch  bei Kleinigkeiten beschweren sollte. Jemand meinte, bei günstigen Produkten sei es kleinlich, sich beim Hersteller zu melden, wenn sie nicht funktionieren. Ich bin anderer Meinung, denn etliche Zehntausend Produkte machen eben auch eine Menge aus. Und kein seriöser Hersteller oder Vertreiber wünscht sich einen schlechten Ruf. Wie recht ich damit habe, kann ich sogar beweisen - denn vor so einigen Jahren widerfuhr mir genau das hier.

Auch eine berechtigte Beschwerde muß nicht in Beschimpfungen ausarten. Ich hatte ein kleines, billiges Teil (3 Euro) gekauft, welches nicht wie vorgesehen funktionierte. Meine Mail an die Firma faßte ich jedoch in freundlichem Ton ab - das kostete mich nicht mehr als wütende Meckerei. Aber für die Firma war diese Kleinigkeit dann doch wesentlich, wie der folgende Mailwechsel zeigt. Aber mal von Anfang an:

Mein Mann hielt meinen Kauf für Geldverschwendung. Und nach dem ersten Test zu Hause war ich geneigt, ihm recht zu geben. Zunächst mal die Versprechen des Herstellers - danach hatte ich nämlich mehr erwartet:

"Spezial-Pinzette mit heller LED-Lampe, die genau dorthin leuchtet, wo Sie es brauchen! Z.B. zum Augenbrauen-Zupfen oder für Präzisionsarbeiten. Inkl. 3 AG3 Knopfzellen, sofort betriebsbereit. Lampe verfügt über Druckknopf. Zum Wechseln der Batterien das Ende der Lampe mit Schraubenzieher öffnen."

Das hört sich doch gut an, oder? Ich will zwar keine Augenbrauen zupfen, aber Holz- und Glassplitter, Dornen oder Zecken aus zuckenden Kinderhänden oder Katzenpfoten zu entfernen ist meiner Meinung nach durchaus eine Präzisionsarbeit. Die Pinzette hatte jedoch ein entscheidendes Problem und das wollte ich dem Hersteller auch schildern. Nun, der war natürlich nicht aufgeführt. Dafür aber der Vertreiber. Und dem beschrieb ich meine Enttäuschung in folgender Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren Tintenfische,

soeben habe ich eine Led-Pinzette mit Lupe von Ihnen gekauft. Ich hielt das für eine sehr gute Idee, denn ich habe einen handwerkelnden Ehemann und zwei kleine Kinder sowie drei Katzen und muss fast jede Woche einen fast unsichtbaren Splitter aus einer Hand oder Pfote ziehen. Das Hantieren mit Taschenlampe und Pinzette ist zu umständlich, vor allem, da nur einer meiner Patienten dabei stillhält.

Die Idee, die Lampe gleich mit der Pinzette mitzuliefern, hat mir daher sehr gut gefallen. Natürlich habe ich die Pinzette gleich ausgepackt und ausprobiert. Dabei habe ich festgestellt, dass ich entweder die LED-Lampe leuchten lassen kann oder die Pinzette verwenden. Beides zugleich geht nicht, da die LED nur brennt, wenn ich den Daumen mit einem ganz bestimmten Druck und einer ganz bestimmten Position auf dem Druckknopf lasse. Bewege ich dabei den Daumen auch nur ganz schwach, ist das Licht sofort weg.

Ich habe also die Wahl: Ich kann die Pinzette beidhändig benutzen und meinen jeweiligen Patienten dabei mit den Füßen festhalten, da ich leider nur zwei Hände habe. Oder ich nutze die Pinzette wie eine ganz normale Pinzette (oder eine bessere, denn das Konzept mit den breiten Griffflächen ist ebenfalls sehr gut durchdacht) und wie bisher mit der Taschenlampe im Mund als Lichtquelle.

Ich komme zu dem Schluss, dass Ihre LED-Pinzette für Tintenfische gedacht ist. Für Menschen sollte die LED nach dem Drücken des Knopfes permament leuchten, bis der Knopf erneut gedrückt wird. Könnten Sie vielleicht eine für menschliche Bedürfnisse geeignete Pinzette entwickeln und darauf achtgeben, dass Ihre für Tintenfische gedachte Pinzette nicht mehr in Supermärkten über Wasser verkauft wird?

Über diese Mail muss man sich beim Händler köstlich amüsiert haben. Die Antwort ließ jedenfalls darauf schließen. Der Geschäftsführer höchstpersönlich antwortete mir und bewies dabei, dass man auch in dieser Position noch Sinn für Humor haben darf:

Sehr geehrte Frau XXX - die mit Mann, Kindern und Katzen !

Vielen Dank für die detaillierte und literarisch anspruchsvolle Beschreibung des Mangels an der von Ihnen erworbenen Pinzette! Wir haben das "Teil" neu im Sortiment und noch keine Erfahrung, was der Hersteller alles falsch machen kann. Wir vermuten, dass da eher in der Fabrik gepfuscht wurde als dass man an Tintenfische gedacht hätte. Wir wollen auch gar nicht erst fragen, nachher wird das noch als Ausrede benutzt.

Inzwischen haben wir eine größere Stichprobe gezogen und geprüft. Leider haben wir 5 % Tintenfischmodelle dabei - was natürlich sehr schlecht ist.

Wenn Sie uns Ihre Postanschrift mailen, schicken wir Ihnen gern ein Einhand-Modell - also eine einwandfreie - plus ein kleines Trostpflaster.

Übrigens: wenn wir einmal - wie von Ihnen - eine Reklamation direkt bekommen, holen die Kunden meist zum großen Rundumschlag auf uns, die Kaufmannschaft im Allgemeinen und das Wirtschaftssystem im besonderen aus. Ihr Schreiben dagegen ist wirklich nett und wohlwollend und motiviert umsomehr zur schnellen Problembehebung.

Mit freundlichen Grüßen !

XXXX GmbH

Yyyyy Yyyyy

(Geschäftsführer)

Sowas ist doch nett, oder? Sogar der Betreff lautete "Tintenfisch-Pinzette" - ich hatte meinen Betreff "LED-Pinzette" genannt.

Das Trostpflaster bestand übrigens aus Kühlschrankmagneten-Smilies, dreidimensionalen Schmetterlingsstickern (die damit verzierten Ostereier haben wir noch), Pflasterstreifen und Glitzerstickern. Für die Firma nur Kleinigkeiten, aber wir haben uns sehr darüber gefreut.

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