56. One last time

A/N Seid ihr bereit für das quasi vorletzte Kapitel? Danach kommt noch der Epilog. Also los geht's meine Süßen. Noch ein kurzer Hinweis: Das Kapitel ist wie zu erwarten aus Jess' Sicht aber der letzte Absatz des Kapitels in kursiver Schrift, ist aus Nialls Sicht.


"One more taste of your lips just to bring me back

To the places we've been and the nights we've had

Because if this is it then at least we could end it right"

(One Direction - Love you goodbye)


Jess

Seit Tagen war mein Herz gebrochen und ich trauerte unendlich. Niall hatte mir sehr wehgetan, als er unsere Beziehung beendete und ich wusste nicht, wie ich darüber hinwegkommen sollte. Unsere Liebe war auf der Strecke geblieben, einfach so.

Ohne ein einziges Wort mit ihm zu reden, hatte ich nach unserem Streit meine Sachen gepackt und war heulend nach Hause gefahren, zu meinen Eltern. Noch auf dem Weg dorthin hatte ich Joey Hartman angerufen, um ihm mitzuteilen, dass ich sein Angebot annehmen wollte, denn es gab nichts mehr, was mich in London hielt. Und jetzt stand ich hier, auf einer der Bühnen des berühmten Broadways, so, wie ich es mir immer erträumte.

Als der Vorhang sich öffnete, begann mein Herz schneller zu schlagen. Das leichte Lampenfieber machte sich nun bemerkbar, doch es störte nicht, da es mich stets vorantrieb. Seit ich in New York angekommen war, hatte ich eifrig trainiert, und mich auf die Premiere gefreut. Trotzdem wurde dieses Ereignis durch meinen Herzenskummer überschattet. Aber daran durfte ich jetzt keinesfalls denken. Ich brauchte meine ganze Konzentration für diesen ersten Auftritt auf dem Broadway.

Wie durch ein Wunder schaffte ich es, alle negativen und traurigen Gedanken beiseite zu räumen, und mich nur dem Ballett hinzugeben. Die Vorstellung war so gut wie ausverkauft, was mich umso mehr anspornte, alles zu geben. Hier stand ich nun wartete auf den großen Moment.

Mein Lebenstraum erfüllte sich in den folgenden Minuten und Stunden. Obgleich ich nicht die Hauptrolle spielte, sondern nur eine der vier wichtigsten Nebenrollen, fühlte ich mich unsagbar glücklich. Mit Leichtigkeit schwebte ich über die Bühne, meisterte alle Sprünge, sowie das synchrone Miteinander, in welchem ich mit noch drei anderen jungen Frauen tanzte. Es klappte einfach perfekt und als der Vorhang sich nach zwei Stunden vor meinen Augen schloss, machte sich eine unglaubliche Erleichterung in mir breit.

Mein erster Auftritt war vollbracht. Nun musste ich nur noch den Applaus in Empfang nehmen, wenn wir gleich alle zum Abschluss vor das Publikum traten. Die vier wichtigsten Nebenrollen holten sich diesen sogar einzeln ab, was es für mich noch einmal spannend machte.

Als ich alleine vor der Menge stand, die nun wie wild zu klatschen begann, fühlte ich mich fast wie in London, als ich die Hauptrolle der Schwanenkönigin tanzen durfte. Die Tränen in meinen Augen zeugten von dem großen Glück, das sich konstant in mir aufbaute, wie eine Kurve, die steil nach oben ging.

Just in diesem Moment wurde mir bewusst, dass sich durch die Trennung eines geliebten Menschen eine neue Tür in meinem Leben öffnete. Und ich begriff plötzlich noch viel mehr. Niall wollte, dass ich glücklich war, dass ich meinen Traum lebte. Vor langer Zeit hatte ich ihm versprechen müssen, dies zu tun, und als ich mich weigerte, tat er das, was nötig war, um mich zu meinem Glück zu zwingen.

Er opferte unsere Liebe und schenkte mir die Freiheit, damit sich meine Bestimmung erfüllte. Dafür war ich ihm genau jetzt, in diesem Augenblick, unendlich dankbar. Wie sehr musste er mich lieben, um mich gehen zu lassen?

Eine Träne kullerte über meine Wange und weitere folgten. Ich hätte alles dafür gegeben, ihn jetzt bei mir haben zu können. Noch einmal seine zärtliche Umarmung zu spüren, seine sanfte Stimme und sein Lachen zu hören und noch eine Nacht mit ihm verbringen zu dürfen. Dass ein großer Ozean uns gerade trennte, riss mein Herz erneut entzwei.

Mit tränenüberströmtem Gesicht verließ ich die Bühne und suchte zunächst die Toilette auf. Dort blickte ich in den Spiegel über dem Waschbecken und fragte mich, wieso ich so leiden musste. Aber Niall hatte Recht mit seiner Entscheidung. Es wäre nicht genug gewesen, ihn nur sechs Wochen im Jahr am Stück zu sehen. Nicht genug für ihn und nicht genug für mich.

Wir liebten uns zu sehr, um für lange Zeit auf den anderen verzichten zu können. Somit wurde unser Schicksal besiegelt, aber ich wusste ab heute eines: Ich war nicht mehr böse auf ihn.

Ich wusch mir kurz die Hände, um dann in Richtung Garderobe zu stolpern, die ich mit meinen drei Mitstreiterinnen teilte. Eigentlich hatte ich damit kein Problem, doch wie würden Mary, Hannah und Valerie reagieren, wenn ich gleich heulend auftauchte? Ich konnte es natürlich auf den Umstand schieben, dass ich überwältigt von meinem ersten Broadway Auftritt sei, was vermutlich die beste Alternative darstellte.

Als ich die Tür zum Raum aufstieß, wurde ich mit einem lauten Hallo von den Mädels empfangen, das jedoch verstummte, als sie erkannten, in welcher Verfassung ich mich befand.

„Was ist denn los, Jess?", fragte Mary, als sie an mich herantrat und einen Arm um meine Schulter legte.

Obwohl wir Konkurrentinnen waren, hielten wir trotzdem zusammen und dies zeigte sich in solch kleinen Dingen.

„Es ist schon ok", antwortete ich matt. „War wohl alles ein bisschen viel für mich heute Abend. Der erste Auftritt am Broadway und...ich vermisse meine Familie wirklich sehr. Ich wünschte, sie hätten herkommen können."

Diese Aussage entsprach sogar der Wahrheit, obwohl ich Niall gerade mehr herbeisehnte, als jeden anderen Menschen auf dieser großen weiten Welt.

„Das verstehen wir, Jess", erwiderte Valerie und Hannah setzte verschmitzt grinsend hinzu: „Obwohl du Heimweh hast, scheinst du hier in New York bereits einen Verehrer zu haben."

„Wie kommst du denn darauf?"

Ich musste ziemlich verwirrt dreinschauen, denn sie Mädels begannen zu kichern und zeigten auf meinen Schminktisch. Dort lag eine einzelne rote Rose, die so edel aussah, dass ich mich fast nicht traute, sie anzufassen. Doch ich musste es tun, um herauszufinden, wer mir diese hatte zukommen lassen, denn an dem langen Stil war ein kleiner Umschlag angebracht.

Gespannt und mit klopfendem Herzen öffnete ich diesen, zog die Karte heraus, die sich darin befand und begann zu lesen. Als ich die Handschrift sah, krampfte sich mein Herz schmerzlich zusammen und erneut strömten Tränen aus meinen Augen.

Nialls Handschrift zeichnete sich durch ihre markante Art aus, ich würde sie unter tausenden erkennen. Meine Hand bebte so stark, dass ich die Karte beinahe zu Boden fallen ließ, als ich seine Worte, die fast vor meinen Augen verschwammen, verinnerlichte.

„Herzlichen Glückwunsch zu deiner Premiere auf dem Broadway. Dein Lebenstraum hat sich nun erfüllt, ich wollte nichts anderes, obwohl du mir unendlich fehlst. Ich wünschte, ich könnte dich noch einmal in meine Arme nehmen, denn ich liebe dich über alles, Niall. P.S.: Wenn du diese Zeilen liest, stehe ich vor dem Eingang zur Bühnengarderobe."

Das Blut rauschte so schnell durch meine Adern, dass ich das Gefühl hatte, jeden Moment umkippen zu müssen.

Niall war hier! Er wartete vor der Garderobe auf mich und er hatte mir diese wunderschöne, rote Rose geschenkt.

Tränen purzelten über meine Wangen, als ich zur Tür und anschließend den langen Gang entlang rannte. Allerdings musste ich mich zwischen den Fotografen und Journalisten durchkämpfen, die gekommen waren, um die Prima Ballerina zu sehen. Ohne Rücksicht auf Verluste quetschte ich mich durch, ich wollte nur zu Niall. Und dann erblickte ich ihn.

Selbst durch den Tränenschleier konnte ich die Müdigkeit erkennen, von der sein Gesicht befallen war, doch der Glanz seiner blauen Augen, als er mich anschaute, wirkte ungebrochen. Die letzten Schritte überbrückte ich fast im Stolpern, er lief mir jedoch entgegen und ich landete in seinen Armen.

Stumm hielten wir einander fest, als würden wir uns nie wieder loslassen wollen und es waren nicht nur meine Tränen, die seine Wange benetzen, sondern auch seine, die sich mit meinen vermischten.

„Es tut mir so leid, Jess", hörte ich ihn leise schluchzen, während ich mich noch fester in seine Arme presste.

Schmerz und Freude breiteten sich gleichzeitig in meinem Innersten aus und ich konnte noch immer nicht richtig fassen, dass er hier war.

Wir verharrten einige Sekunden in dieser Haltung, bis ich aus meiner Trance erwachte. Was immer wir uns zu sagen hatten, es konnte nicht hier geschehen, zwischen dieser Menschenmenge, die uns anrempelten, als seien wir nicht vorhanden.

Vorsichtig tastete ich nach seiner Hand und gab ihm damit zu verstehen, dass er sich in Bewegung setzen sollte. Wir benötigten keine Worte, um uns zu verständigen, unsere Herzen und Seelen kommunizierten wie selbstverständlich miteinander, als ich ihn mit mir zog.

Letztendlich landeten wir in einer kleinen Besenkammer, dem einzigen Ort, den ich kannte, an welchem wir genau jetzt ungestört sein würden. Als ich dir Tür hinter uns schloss und mich zu Niall drehte, sah ich die Schuldgefühle in seinen Augen, die eigentlich gar nicht da sein sollten. Er musste sich nicht schuldig fühlen, das hatte ich heute erkannt.

Aber ich erblickte noch etwas anderes, was mein Herz aufgeregt flattern ließ. Diesen einzigartigen Blick, den er nur mir schenkte, weil er mich noch immer liebte.

„Jess." Niall streckte seine Hand aus, um meine Wange mit seinen Fingern zu streicheln. So sanft und zärtlich, dass ich für einen Moment meine Augen schloss und nur ein- und ausatmete.

„Ich wollte dir niemals wehtun", flüsterte er mit rauer Stimme. „Es tut mir so leid, bitte verzeih mir."

In diesem Augenblick öffnete ich meine Augen, gleichzeitig verzogen sich meine Lippen zu einem kleinen Lächeln.

„Es gibt nichts zu verzeihen, Niall. Ich weiß jetzt, warum du es getan hast."

Er ging einen Schritt auf mich zu, sodass unsere Körper sich leicht berührten. Seine blauen Augen schauten in meine braunen, als er erneut zu sprechen begann.

„Ich wollte, dass du deinen Traum lebst, ohne Rücksicht auf jemanden zu nehmen. Ich möchte, dass du das tust, was du immer tun wolltest und der Welt zeigst, wer Jessica Meyers ist, dass sie eine unglaubliche Balletttänzerin ist, die niemals aufgibt."

Ich schluckte, bevor ich mit leiser Stimme flüsterte: „Dafür müssen wir unsere Liebe aufgeben, das ist ein hoher Preis. Aber ich weiß, dass uns keine Alternative bleibt, denn ihr seid die nächsten drei Jahre so gut wie immer auf Tour."

Ich hatte das sozusagen aus erster Hand, von Harry selbst, erfahren.

Mit einer fahrigen Handbewegung wischte ich die aufkommenden Tränen aus meinen Augen, um Sekunden später Nialls Lippen auf meinen zu spüren. Sofort flogen tausende von Schmetterlingen in meinem Bauch umher. Die Leidenschaft und Hingabe, mit der wir uns küssten, hatte ich so sehr vermisst, ebenso wie seine Umarmung, die mir unendlich viel Geborgenheit gab. In diesem Moment wünschte ich mir, die Zeit einfach anhalten zu können.

Doch diese würde gnadenlos verrinnen und Nialls Rückkehr nach London unaufhaltsam beschleunigen, während ich hier, in New York blieb. Jede Sekunde, in welcher wir nun zusammen waren, gewann an Bedeutung und ließ mich wissen, dass es noch so viele Dinge gab, die ich gerne mit ihm, und nur mit ihm, erlebt hätte.

Aber es war unser beider Schicksal, dass sich unsere Wege trennen mussten, ungeachtet der Tatsache, dass wir uns noch immer liebten. Als ich spürte, dass er den Kuss gleich unterbrechen würde, um etwas zu sagen, stellte ich mich innerlich auf den Abschied ein, doch es kam anders.

„Jess, wir sollten es nicht so beenden. Ich fliege erst morgen zurück nach London", vernahm ich sein Flüstern, bevor seine Lippen sachte meine Stirn berührten.

Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper, ausgelöst durch seine Worte und den irischen Akzent, der mich noch immer total anzog. Und ab da wurde mir bewusst, dass uns noch etwas Zeit blieb, dass es in diesem Augenblick noch nicht vorbei war.

„Zieh dich um, ich warte draußen auf dich."

Nachdem Niall diese Worte an mich richtete, nickte ich und drückte kurz seine Hand, bevor wir die Besenkammer endgültig verließen. Unsere Wege trennten sich zum Glück nur für eine kurze Zeitspanne, denn ich beeilte mich wie verrückt mit dem Duschen und föhnte meine Haare einfach nur trocken, ohne diese mit einer Rundbürste zu bearbeiten. Es war egal, wie ich aussah, denn ich wollte die Stunden, die uns blieben, so effizient wie möglich nutzen und zwar in jeglicher Beziehung.

Bevor ich den Weg nach draußen antrat, schlüpfte ich in meinen Mantel, schlang einen Wollschal um meinen Hals und griff mit äußerster Vorsicht nach der Rose, die noch immer auf dem Schminktisch verweilte. Da meine Kolleginnen inzwischen gegangen waren, brauchte ich auch nicht Rede und Antwort bei der Frage zu stehen, von wem die edle Blume stammte.

Niall lehnte mit dem Rücken gegen eine Hausmauer und blickte in meine Richtung, als ich durch den Ausgang schritt. Sein hübsches Lächeln brachte mich zum Strahlen und meine Augen zum Leuchten. Er sah einfach umwerfend aus und von seiner Müdigkeit war nichts mehr zu sehen oder zu spüren.

Zu meiner Überraschung stand ein Taxi für uns bereit. Niall öffnete die hintere Tür für mich und sagte: „Bitteschön, Miss Meyers, unsere Kutsche wartet schon."

Kichernd kletterte ich auf die Rückbank und wartete, bis er sich zu mir gesellte.

„Eigentlich könnten wir zu mir nach Hause laufen", wisperte ich, was er mit einem verschmitzten Grinsen abtat.

„Wer sagt denn, dass wir zu dir fahren?", flüsterte er in mein Ohr.

Jetzt war ich total verwirrt. Was zum Teufel hatte er denn vor? Als das Taxi sich Sekunden später in Bewegung setzte, versuchte ich mit einem Blick aus dem Fenster herauszufinden, in welche Richtung es uns verschlagen würde. Doch in der Dunkelheit konnte man nicht viel erkennen, zudem war mir New York noch immer fremd. Lediglich den Weg von meinem Apartment bis zu meiner Arbeitsstätte kannte ich, ohne mich großartig orientieren zu müssen.

Mit einem kleinen Seufzen lehnte ich den Kopf an Nialls Schulter, gleichzeitig griff er nach meiner Hand. Als unsere Finger sich miteinander verschränkten, spürte ich diese große Vertrautheit zwischen uns, die noch immer vorhanden war. Nialls Schmunzeln ließ mich wissen, dass gleich ein Spruch folgen würde und da war er auch schon.

„Es wird dir gefallen, vertrau mir, Prinzessin."

Ich war noch immer seine Prinzessin, das konnte selbst die Tatsache, dass uns bald ein Ozean und fünf Stunden Zeitunterschied trennen würden, nicht ändern. Eng aneinander gekuschelt saßen wir im Taxi, welches noch immer seinen Weg durch die belebten Straßen fortsetzte. New York schlief niemals, das hatte ich bereits festgestellt.

Hin und wieder küsste Niall mich auf die Wange, was ich erwiderte. Es waren kleine, zärtliche Küsse, die Lust auf mehr machten und die das Feuer in mir ständig zum Aufflackern brachten. Deshalb kümmerte ich mich nicht mehr darum, in welche Richtung wir nun fuhren. Erst als das Gefährt nach einer halben Stunde Fahrt endlich stoppte, schaute ich interessiert aus dem Fenster, um sogleich in Erstaunen auszubrechen. Wir standen direkt vor dem Empire State Building.

Nachdem Niall den Fahrer bezahlt hatte, verließen wir das Taxi, wobei Niall mir beim Aussteigen behilflich war. Dann ergriff er meine Hand und lief gezielt auf den Eingang des hohen Gebäudes zu.

„Was wollen wir denn hier?", erkundigte ich mich.

„Was wohl? Hochfahren", kam es zurück.

„Aber es hat doch längst geschlossen", warf ich ein.

Niall blinzelte mir verschwörerisch zu und flüsterte mir dann ins Ohr: „Ich bin Niall Horan, nur für den Fall, dass du es vergessen haben solltest."

Anschließend holte er einen Hundert Dollar Schein aus der Hosentasche und klopfte gegen die Glastür, sodass der Sicherheitsbeamte sich genötigt sah, diese zu öffnen und nach unseren Wünschen zu fragen.

„Wir möchten gerne nach oben fahren", erklärte Niall, worauf der Mann ein lautes Lachen ausstieß.

„Wir haben bereits geschlossen, junger Mann. Kommen Sie morgen wieder."

Bevor er die Tür wieder schließen konnte, stellte Niall seinen Fuß dazwischen.

„Das geht nicht. Ich bin morgen nicht mehr hier und ich möchte mit meiner Freundin gerne nach oben fahren. Wie viel kostet eine Fahrt nach oben? Sind dreihundert Dollar genug?"

Er wedelte jetzt mit drei Hundert Dollar Noten vor den Augen des Sicherheitsbeamen herum, bis dieser seufzte.

„Kommen Sie rein, Mr Horan und machen Sie schnell, bevor ich es mir anders überlege."

Er hatte Niall tatsächlich erkannt und begleitete uns nun zu den Aufzügen.

„Wir fahren jetzt zu dritt zur Aussichtsplattform. Dort gebe ich Ihnen zehn Minuten, aber keine Sekunde länger."

Niall erwiderte grinsend: „Das reicht."

Ein Ruck und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Als wir nach einer rasanten Fahrt ausstiegen und die Plattform betraten, spürte ich bereits den starken Wind, der uns empfing. Hand in Hand gingen wir bis zu der Mauer, auf welcher noch zusätzlich ein Gitter angebracht war, damit niemand auf den dummen Gedanken kam, sich von dem Wolkenkratzer zu stürzen.

Niall, der hinter mir stand, legte seine Arme um mich und wir blickten über die erleuchtete Stadt, die eine wirklich magische Anziehung auf mich ausübte. Das war mein neues Zuhause, nur leider konnte ich es nicht mit dem Menschen teilen, den ich über alles liebte. Es machte mich glücklich und gleichzeitig sehr traurig hier zu stehen.

Glücklich, weil ich diese Erfahrung mit Niall machen durfte und weil er sich gemerkt hatte, dass es einer meiner Träume war, einmal auf der Plattform des Empire State Buildings zu stehen. Traurig, weil uns nur noch wenige Stunden bleiben würden, bevor wir uns endgültig trennten.

„Gefällt es dir, Prinzessin?"

Seine Stimme klang rau und zitterte ein bisschen.

„Es ist wunderschön und... du hast nicht vergessen, was ich dir damals in einer E-Mail geschrieben habe", wisperte ich mit Tränen in den Augen.

„Ich werde auch nichts vergessen, was uns beide betrifft. Ich werde mich an jede Minute, die wir zusammen verbracht haben, erinnern und ich hoffe, dass es bei dir genauso sein wird."

„Das wird es."

Wir versanken in einem langen Kuss, der erst endete, als der Sicherheitsbeamte sich räusperte und sagte: „Die zehn Minuten sind leider um."

„Das war es dann wohl auf dem Empire State Building", murmelte ich leise.

Als Niall seine Arme von meinem Körper nahm, bemerkte ich erst, wie sehr er mich gewärmt hatte, denn der kalte Wind erzeugte sofort ein erbarmungsloses Frösteln in mir. Hand in Hand liefen wir schnell zu den Aufzügen und fuhren in Begleitung des Sicherheitsbeamten nach unten. Nachdem wir uns beide nochmal überschwänglich bedankt hatten, winkte Niall ein Taxi herbei.

„Du musst dem Fahrer die Adresse sagen", flüsterte er, was mich automatisch grinsen ließ.

Eine halbe Stunde später befanden wir uns erneut in einem Aufzug. Dieser führte uns in den zwanzigsten Stock des Apartmenthauses, in welchem ich nun lebte. Als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschloss, schmunzelte Niall und meinte: „Upper West Side in New York, du hättest es wahrlich schlechter treffen können."

„Ja, es ist ganz nett", erwiderte ich lässig und stieß die Tür auf, damit er eintreten konnte.

Das Erste, was Niall tat, war die Aussicht zu bewundern. Obwohl in der Nacht alles anders wirkte, konnte er doch erahnen, welch schönen Ausblick ich jeden Tag genießen durfte. Die Lichter über die man hinwegschaute, kamen unglaublich beeindruckend rüber. Aber diese waren nicht der Grund, weshalb wir uns nun hier aufhielten, sondern ein ganz anderer.

„Möchtest du etwas trinken?" Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, worauf er antwortete: „Wasser."

Damit konnte ich auf jeden Fall dienen und da ich selbst durstig war, schenkte ich gleich zwei Gläser voll, bevor ich mich zu ihm gesellte. Er stand noch immer an dem großen Fenster, welches vom Boden bis fast zur Decke reichte.

„Du hast es absolut schön hier", meinte er und streichelte mit seiner freien Hand über meine Wange.

Genießerisch schloss ich meine Augen. Heute Nacht wollte ich jede seiner Berührungen in mir aufnehmen, in meinem Herzen einschließen und nie wieder hergeben. Ich konnte stückchenweise von diesen Erinnerungen zehren, sie immer wieder abrufen, wenn mir danach zumute sein würde. Keinen der kommenden Momente wollte ich jemals vergessen.

„Jess." Nialls sanfte Stimme holte mich zurück in die Realität.

Langsam öffnete ich meine Augen, um direkt in seine zu blicken. Sein Gesicht war meinem so nahe, dass unsere Lippen sich ohne Probleme berühren konnten.

„Bitte, lass es uns so beenden, wie zwei Menschen das tun, die sich lieben."

Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, das unglaubliche Gefühle in mir auslöste.

„Ja, das ist auch mein Wunsch", wisperte ich leise.

Sekunden später trafen unsere Lippen aufeinander. Es fühlte sich an, wie eine Erlösung, als seine Zunge vorsichtig in meinen Mund eindrang. Ich hielt meine Augen längst wieder geschlossen und spürte plötzlich, dass er den Kuss unterbrach und mich sachte anhob.

„Das Schlafzimmer ist rechts", flüstere ich ihm ins Ohr.

Kurze Zeit später setzte er mich vorsichtig auf dem Bett ab und wir begannen uns langsam und genüsslich gegenseitig auszuziehen. Ohne Eile, ohne Hast, denn diese Nacht gehörte uns alleine. Sie war nicht dazu bestimmt, hektisch an uns vorüberzuziehen, sondern jede einzelne Minute als ein Geschenk anzunehmen.

Nichts anderes taten wir, als wir, die Gesichter einander zugewandt, schließlich nackt im Bett lagen. Als Niall seine Lippen sanft gegen meine presste, schloss ich meine Lider und die schönen Dinge der Vergangenheit zogen an meinem inneren Auge vorüber.

Der Moment, als er zum ersten Mal mein Hand in die seine nahm, damit ich die ersten Schritte gehen konnte – es fühlte sich an, als sei es gestern gewesen. Unsere erste Umarmung, der erste richtige Kuss in London, das alles war plötzlich gegenwärtig.

Als ich registrierte, wie seine Finger an den Innenseiten meiner Oberschenkel entlangwanderten, verband ich auch diese so vertraute Geste auch mit einem Erlebnis aus unserer gemeinsamen Vergangenheit. Unser erstes Mal in Dublin, in einem Hotel.

Jede seiner Berührungen schickte mich an einen anderen Ort, brachte eine neue, wertvolle Erinnerung zurück. Nichts von allem wollte ich jemals vergessen. Ich bereute nichts von dem, was jemals geschehen war, und ich wollte unser letztes Mal genießen, als sei es unser erstes Mal. Als würde es diese Trennung am morgigen Tag nicht geben.

Seine Finger und seine Lippen glitten so zärtlich über meine Haut, es fühlte sich an wie ein sanfter Windhauch, der die kleinen Gänseblümchen auf einer Wiese wiegte. Und mein Körper tat nichts anderes, als sich ihm entgegenzustrecken, um diese Berührungen aufzunehmen.

Nialls Atem streifte mein Gesicht, als er sich vorsichtig auf mich legte und dies bewirkte, dass ich meine Lider öffnete. Ich wollte in seine blauen Augen schauen, wenn unsere Körper sich gleich vereinten, diesen Blick von ihm sehen, der mich schwach werden ließ und gleichzeitig in die Höhe puschte.

Er tat es so langsam, dass ich kurz den Atem anhielt, um diesen Moment nicht zu zerstören. Er ging so tief, wie es noch nie gespürt hatte und er gab mir alles, was ich mir wünschte. Ein Keuchen, gefolgt von einem kleinen Stöhnen entwich meiner Kehle, als Niall sich langsam bewegte. So langsam, dass ich es mit jeder Faser meines Körpers aufnahm.

Es war ein überwältigendes Gefühl, das ich verspürte, als ich mit Niall schlief. Bedingungslose Liebe, gepaart mit einem unendlichen, tiefen Verlangen, das immer größer wurde, als er den Rhythmus allmählich steigerte. Es ging nicht nur um die körperliche Liebe, es ging um unsere Herzen, unsere Seelen, es ging um alles.

Wir forderten, wir nahmen und wir wollten nicht aufhören, uns zu lieben. Doch irgendwann kam der Siedepunkt, den wir nicht mehr länger hinauszögern konnten, und der die Explosion in uns beiden auslöste.

Zitternd lag ich in Nialls Armen, mein Atem ging genauso schnell wie seiner und die tiefe Verbundenheit, die sich nun zwischen uns auftat, war das schönste Gefühl auf Erden, das ich jemals gespürt hatte. Ich war für jede Sekunde, die ich mit ihm verbringen konnte, unendlich dankbar. Seine Lippen streiften meine Wange und ich begann jetzt nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zu zittern.

„Jess?", vernahm ich sein Flüstern.

„Hm?"

„Danke, dass ich diese Nacht mit dir verbringen darf", wisperte er und nahm mich fester in seine Arme. „Es ist das größte Geschenk für mich."

In diesem Augenblick fiel es mir schwer, meine Tränen zurückzuhalten, denn eigentlich wollte ich diesen Moment nicht kaputt machen, doch ich schaffte es nicht. Zu viele Emotionen lauerten in meinem Innersten und warteten nur darauf, endlich auszubrechen. Aber Niall schien es ähnlich zu gehen, denn er presste seinen Körper gegen meinen, wir waren uns so nahe, dass wir fast miteinander verschmolzen. Es waren nicht nur meine Tränen, die sich auf seinem Hals sammelten, sondern auch seine, die sich mit meinen vermischten.

Langsam richtete ich mich ein wenig auf, damit ich in seine Augen schauen konnte. Es glänzten noch immer Tränen darin, doch er wirkte trotzdem auf eine unbeschreibliche Art und Weise gefasst.

„Niall", flüsterte ich.

Seine Hand streichelte sanft über meine Wange. „Ja, Jess?"

Mit klopfendem Herzen blicke ich direkt in seine wunderschönen, blauen Augen, als ich mein Anliegen hervorbrachte. „Bitte versprich mir etwas."

Ein kleines Lächeln zeigt sich nun auf seinem Gesicht, bevor er antwortete.

„Normalerweise bin ich es, der dir die Versprechen abnimmt, aber weil du es verdient hast, verspreche ich dir jetzt alles was du willst."

Ich holte noch einmal kurz Luft, um nun meinen Satz zu formulieren.

„Bitte versprich mir, dass du mich wissen lässt, wenn du dich in eine andere verliebst. Also ich meine richtig verliebst, nicht nur eine Affäre."

Niall wich meinem Blick nicht aus, im Gegenteil. Es fühlte sich an, als ob unsere Augen miteinander sprechen würden, und ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. „Jess, ich verspreche es, aber du musst mir das Gleiche Versprechen."

Meine Antwort darauf war simpel und ehrlich. „Das tue ich."

Unser darauffolgender Kuss wollte nicht enden. Er war so heiß und innig, dass mir fast die Luft wegblieb, doch wir konnten uns nicht voneinander lösen, noch nicht.

Es gab Augenblicke im Leben, die man niemals vergessen würde und dies war so ein Moment. Ich wollte ihn festhalten und in meinem Herzen einschließen, und Niall würde das Gleiche tun. Wir beide würden uns an alles erinnern, was in diesem besonderen Moment passierte, insbesondere die Worte, die wir gerade gesprochen hatten.

Müde legte ich meinen Kopf auf seine perfekt behaarte Brust und wusste, dass ich dies gerade zum letzten Mal tat. In einigen Stunden war alles vorbei, doch seine Liebe wohnte noch immer in meinem Herzen.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war Niall gegangen, doch auf dem Nachttisch lag ein Zettel, den ich sofort erblickte. Ich nahm ihn in die Hand, ließ meine Augen über den Text wandern und musste gleichzeitig lächeln und weinen.

Liebe Jess, danke, dass du ein Teil meines Lebens warst und immer noch bist. Danke, dass ich ein Teil deines Lebens sein durfte. Danke, für die wundervolle Nacht. Ich wollte uns beiden eine schlimme Abschiedsszene ersparen, deshalb habe ich mich davongeschlichen, bitte verzeih mir. Ein Teil von mir ist glücklich, weil du nun deinen Traum leben kannst und der Teil, der traurig ist, wird irgendwie damit klar kommen müssen, dass wir nun verschiedene Wege gehen. Heute Nacht haben wir uns ein Versprechen gegeben und ich weiß, dass wir beide es auch halten werden. Du bist der wundervollste Mensch auf Erden. Ich liebe dich, Niall.

Er war der wundervollste Mensch auf Erden und ich liebte ihn genauso, wie er mich. Ich war ihm nicht böse, dass er gegangen war, sondern froh darüber, dass uns eine tränenreiche Abschiedsszene erspart blieb. Wir hatten uns auf andere Art und Weise Lebewohl gesagt, so, wie zwei Menschen es taten, die sich liebten.

Mit dem Zettel in meiner Hand lief ich ins Wohnzimmer und griff nach meinem Handy, das auf dem kleinen Glastisch vor dem Panorama-Fenster lag. Mit einem kleinen Seufzen nahm ich es in meine Hand, öffnete die Bedienung der Kamera und schoss ein Bild von der wunderschönen, roten Rose, gepaart mit der überwältigenden Aussicht, sowie einem wolkenlosen, blauen Himmel.

Dieses postete ich auf Instagram, mit folgendem Text: „Ein wunderschöner Morgen in New York. Ich liebe diese Stadt, doch ein Teil meiner Liebe befindet sich noch immer in London."

Zwei Sekunden später bekam ich das erste Like. Mein Herz klopfte schneller, als ich feststellte, dass es von Niall stammte. Dies machte mir eines bewusst: Egal wie viele Meilen und Ozeane uns trennten, unser Seelen waren noch immer auf besondere Art und Weise miteinander verbunden.

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Ihr Geschmack befand sich noch immer auf meinen Lippen, der Duft ihres leichten Parfums in meiner Nase und ein langes, braunes Haar zierte meinen Pulli, als ich an diesem Morgen in den Learjet stieg, der mich gleich nach London bringen würde. Ich wusste, dass Jess mein Like auf ihren Instagram Post bereits gesehen hatte und sie nun eines wusste: Wir konnten uns noch nicht loslassen und vielleicht würden wir es nie können. Aber das würde die Zeit zeigen. Und bis dahin blieb Jess in meinem Herzen.

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Wie hat es euch gefallen? Ich würde mich über Kommentare freuen, besonders weil das Kapitel sehr schwer zu schreiben war und es mir wichtig ist, zu erfahren, ob ihr es für gelungen haltet. Ich glaube, ich habe noch nie so lange für eine Bettszene gebraucht und hoffe, dass ich mit allem rüberbringen konnte, was ich wollte. Jetzt bleibt nur noch der Epilog. Es ist wichtig, dass ihr diesen lest (ich sage das, weil es mir auf der anderen Plattform passiert ist, dass es Leser gab, die den Epilog einer Story nicht gelesen haben, was ich sehr schade finde, weil dieser erst die Story richtig abschließt.)

Danke für eure riesige Unterstützung! Ich habe euch mega lieb!

LG, Ambi xxx







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