55. Shambles

Niall

Die schrecklichen Kopfschmerzen, mit denen ich erwachte, trieben mich dazu, aus dem Bett zu steigen. Mit zusammengekniffenen Augen ging ich ins Bad, um dort nach den Schmerztabletten zu suchen, welche sich glücklicherweise sofort fanden. Innerlich fröstelnd spülte ich eine der weißen Pillen mit einem großen Schluck Wasser hinunter, bevor ich in den Spiegel blickte. Ich sah fürchterlich aus.

Meine Haare standen nach allen Richtungen ab und meine Augen waren gerötet. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich wirkte wie in Zombie, der auf der Suche nach Nahrung war. Und wenn man diesen Vergleich näher untersuchte, lag man damit gar nicht so falsch. Seit Jess gegangen war, blieb von mir nichts anderes übrig, als ein wandelnder Körper, dessen Herz gnadenlos herausgerissen wurde.

Sie war nach New York gereist, ohne dass ich sie noch einmal hätte sehen, oder mit ihr sprechen können. Und obwohl ich es war, der unsere Beziehung beendete, kam ich mir wie der Verlassene vor. Dabei trat genau das ein, was ich bezweckte, als ich Jess buchstäblich ins kalte Wasser warf.

Ich wollte, dass sie ihren Traum lebte, so wie ich meinen. In dem Augenblick, in welchem ich begriff, dass sie mich über ihre Zukunft stellte, musste ich handeln. Es gab nur diesen einzigen Weg. Ob er nun falsch war oder richtig, konnte niemand beurteilen. Selbst ich nicht. Ich wusste nur, dass ich litt wie ein Tier und dass sie mich vermutlich hasste und niemals wiedersehen wollte. Aber das konnte ich ihr nicht einmal verübeln.

Seufzend tapste ich aus dem Bad, die trüben Gedanken noch immer in meinem Kopf, als mein Blick auf eine der Zeitschriften fiel, welche sich auf der Ablage im Flur befanden. Da ich meiner Putzfrau verboten hatte, diese anzurühren, lag noch immer die Ausgabe von Ballet2000, mit Jess als Covergirl, ganz oben auf dem Stapel.

Noch immer wurde mein Herz mit Stolz erfüllt, als ich auf die Titelseite blickte. Sanft fuhren meine Finger über das Bild ihres Körpers, den ich so oft berührt und verwöhnt hatte. Ich wünschte mir nichts mehr, als dies noch einmal tun zu können; nur eine einzige Nacht mit ihr zusammen zu sein. Ihre Hand zu halten, ihre Lippen zu küssen, ihre Wange zu streicheln, und auf eine Art und Weise Abschied voneinander zu nehmen, die alles im Guten bereinigte.

Aber die Dinge waren nun einmal passiert und ich hatte mich für den harten Weg entschieden, der Trauer, Tränen und Bitterkeit bedeutete. Ich liebte Jess nach wie vor, mit jeder Faser meines Körpers und mit jedem Schlag meines Herzens. Nur würde ich ihr das niemals mehr sagen können, ein Gedanke, der mich total fertig machte.

Seit Tagen aß ich nicht mehr richtig und trank zu viel Alkohol. Ich schlief in Etappen und schrieb an einem unsagbar traurigen Song, der unsere Fans und meine Bandkollegen zum Weinen bringen würde.

Auch am heutigen Tag bestand mein Frühstück, das ich um ein Uhr mittags zu mir nahm, aus einer Tüte Chips und einem starken Kaffee, in welchen ich einen Schuss Whiskey hineinkippte. Das betäubte den ärgsten Schmerz zumindest für einige Stunden.

Meine Bandkollegen hatte ich schon seit über einer Woche nicht mehr gesehen und reagierte auch nicht auf die Anrufe, welche sich auf meiner Mailbox stapelten. Immerhin wussten sie, dass ich noch lebte, denn ich postete hin und wieder Fotos von meinem Flatscreen TV, sowie diversen Chipstüten auf Twitter und Instagram. Vermutlich hielt es deshalb keiner für nötig, hier aufzukreuzen. Kein Wunder, denn alle waren bestimmt mächtig sauer, weil ich Jess in die Wüste geschickt hatte.

Da es sich um meine Privatangelegenheit handelte, hielt ich es auch nicht für nötig, die Sache aufzuklären. Sie würden schon noch früh genug merken, wie ich mich fühlte, nämlich ab dem Zeitpunkt, an dem sie meinen neuen Song zu hören bekamen.

Harry hatte wahrscheinlich den größten Brass auf mich, denn ich konnte mir durchaus vorstellen, dass Jess und Anne ihm sämtliche Einzelheiten unseres nicht gerade netten Gesprächs dargelegt hatten. Aber da musste ich nun durch. Ich hatte das Größte geopfert, was in meinem Herzen wohnte: Meine Liebe zu Jess.

Warum also sollte es nicht noch andere Opfer geben? Keines konnte jedoch so schlimm sein, wie das, was ich gerade durchlebte. Ich hätte ihr so gerne mein Herz ausgeschüttet und ihr erklärt, dass ich es für sie tat und für ihren großen Traum, den sie leben sollte, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Vielleicht würde sie es eines Tages verstehen und mir verzeihen.

Mit meinen dreiundzwanzig Jahren sah ich mich nicht in der Lage, an einer Zukunft zu basteln, die Verzicht in irgendeiner Art und Weise bedeutete. Dazu gehörte es auch, Jess alleine zu lassen, wenn wir uns auf Tour befanden. Inzwischen hatten wir nämlich einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben, der ab April seine Gültigkeit erlangte, und dies bedeutete auch, dass wir uns für die kommenden drei Jahre, mit nur jeweils kurzen Unterbrechungen, wieder auf Tour befanden.

Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, monatelang von Jess getrennt zu sein und zu wissen, dass sie in London auf mich wartete. Und ebenso wenig hätte ich es ertragen, sie ihren Traum nicht leben zu lassen, weil sie sich verpflichtet fühlte, immer anwesend zu sein, wenn ich nach längerer Abwesenheit nach Hause kehrte.

Unmotiviert schmiss ich die Kühlschranktür zu, weil sich keine Milch für meinen Nachmittagstee mehr darin befand. Das hieß dann wohl, dass ich heute entweder darauf verzichten, oder noch Einkaufen fahren musste. Gott sei Dank hatte ich noch einige Stunden Zeit, mich auf diese Entscheidung vorzubereiten.

Seit Jess gegangen war, tat ich mich nämlich schwer damit, etwas zu entscheiden, und sei es noch so profan. Ob es sich nun um mein gammeliges Outfit handelte, das ich seitdem konsequent trug, oder um das, was ich essen wollte. Ich dachte immer gründlich darüber nach, um ja keinen Entschluss zu fällen, den ich hinterher vielleicht bereute.

Das laute Klingeln an meiner Haustür schreckte mich plötzlich auf. Wie ein gehetztes Tier blickte ich umher und fragte mich, wer das wohl sein könnte. Mürrisch warf ich einen Blick auf die Überwachungskamera, welche links neben dem Herd hing, um festzustellen, dass Harry vor meinem Haus stand. Irgendwann musste es ja so kommen.

Da ich ihm jedoch nicht ewig aus dem Weg gehen konnte, schlurfte ich zur Tür, um diese zu öffnen. Als ich in sein Gesicht blickte, sah ich nichts. Ich konnte nicht darin lesen und wusste demnach nicht, wie ich mich auf das anstehende Gespräch vorbereiten sollte.

„Kann ich reinkommen, Niall?", fragte er mit neutraler Stimme, worauf ich ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, dass er eintreten sollte.

Der Klang seiner Boots hallte durch den Eingangsbereich und machte mir bewusst, wie einsam ich mich fühlte, seit Jess gegangen war. Seitdem verlief mein Leben unsagbar beschissen. Auch Harry blieb das wohl nicht verborgen, denn mit einem Blick auf meine Gitarre, die auf dem Sofa lag, meinte er: „Na wenigstens machst du noch Musik."

„Wir sind Musiker, wir verarbeiten das, was uns beschäftigt, mit Hilfe unserer Songtexte", entgegnete ich leise.

„Da hast du wohl Recht."

Mit einem Seufzen ließ Harry sich auf dem Sofa, neben der Gitarre nieder. Seine grünen Augen schaute zu mir, als er langsam fragte: „Was genau ist zwischen dir und Jess passiert, Niall?"

Das brachte mich schon ein wenig außer Fassung, zumal ich davon ausging, dass ihm alle schmutzigen Details bekannt waren. Vielleicht wollte er jetzt nur meine Version der Geschichte hören, was ein Ausdruck seiner Freundschaft zu mir war. Denn nur, wer sich beide Seiten anhörte, konnte objektiv urteilen.

Harry war genau solch ein Mensch, er glaubte nie das, was andere ihm über jemanden erzählten. Er informierte sich immer bei der betreffenden Person selbst, etwas, was ich ihm sehr hoch anrechnete. Trotzdem stellte ich eine Frage.

„Du weißt es wirklich nicht? Oder tust du nur so?"

„Ich weiß es wirklich nicht."

Er beugte sich kurz über die große Kaffeetasse und schnupperte.

„Whiskey im Kaffee, hm? Tut das deinem Schmerz gut, oder betäubt es das Gehirn?"

„Beides", murmelte ich unmotiviert und nahm meinen Platz neben ihm ein.

„Hör zu, Niall", begann Harry, „ich weiß nur, dass Jess ganz plötzlich aus dem Vertrag vom Royal Ballet in London durch eine hohes Tier vom New York Ballet freigekauft wurde. Und.." Er hob seine Stimme ein wenig. „Dass du mit ihr Schluss gemacht haben sollst."

Die nächsten Worte kamen leise und fast schon beschämt über meine Lippen.

„Das ist richtig."

Als die ersten Tränen den Weg aus meinen Augen fanden, spürte ich, wie Harry mich in seine Arme nahm. Laut schluchzend klammerte ich mich an ihn, wie ein Ertrinkender an ein Stück Holz, welches in den Fluten schwamm. Nur am Rande registrierte ich, dass er beruhigend über meinen Rücken streichelte.

„Ist ja gut, Niall. Erzähl mir alles, wenn du soweit bist", flüsterte er mit sanfter Stimme.

Es tat so unglaublich gut, in seiner Gegenwart weinen zu können, einfach alles herauszulassen, was sich seit Tagen angestaut hatte und was mich so sehr belastete.

Einige Minuten verharrten wir in dieser Position, dann löste ich mich langsam von Harry, der sich nun anschickte, seine Locken mit den Fingern nach hinten zu werfen, damit er wieder freie Sicht nach vorne hatte.

„Es tut mir so leid, dass ich das getan habe, aber ich konnte nicht anders", schniefte ich mit brennenden Augen, worauf Harry seine große Hand auf meine legte.

„Erzähl es mir von Anfang an, ok?"

Ich begann mit dem Tag, an welchem Matthew meiner damaligen Freundin zu verstehen gab, dass sich jemand aus New York für sie interessierte, und ich beendete meine Sicht der Geschichte mit dem verhängnisvollen Satz, den ich Jess ins Gesicht geschmettert hatte, bevor sie ihre Sachen packte und mein Haus Hals über Kopf verließ.

„Sie ist gegangen und vier Tage später nach New York geflogen. Das konnte ich zumindest ihrem Instagram Post entnehmen", erklärte ich und wischte die letzten Tränen von meinen Wangen.

„Ja, wir waren alle am Flughafen. Als du nicht aufgetaucht bist, hat Anne bei Jess nachgefragt. Sie meinte nur, dass du die Beziehung beendet hättest und sie jetzt keinen Grund mehr hat, in London zu bleiben."

Zitternd bedeckte ich mein Gesicht mit beiden Händen und flüsterte mit bebenden Lippen: „Was hätte ich denn tun sollen? Sie wollte ihren Traum aufgeben, wegen mir. Das konnte ich nicht zulassen, verstehst du? Ich konnte es verdammt nochmal nicht zulassen."

Für einen Moment herrschte Stille im Raum und ich befürchtete, dass Harry gleich zum verbalen Angriff übergehen würde, doch das tat er nicht. Stattdessen holte er sein Handy hervor und fuhr mit seinen langen Fingern über das Display.

„Wie lange hast du ihren Instagram Account nicht mehr angeschaut?", wollte er wissen.

„Seit sie nach New York geflogen ist", erwiderte ich mit rauer Stimme.

„Das dachte ich mir fast."

Als er das Display vor meine Augen hielt, sagte er: „Das hat sie vor einer Stunde gepostet. Ich denke, du solltest es sehen."

Das Bild auf Instagram zeigte einen Teil eines Apartments, sowie einen atemberaubend schönen Sonnenaufgang über New York. Dies war jedoch nicht der Kernpunkt des Ganzen, sondern die Sätze, welche diesem Post beigefügt wurden.

„Es ist klein, aber fein und hat einen tollen Ausblick. New York, ich werde es lernen, dich zu lieben, auch wenn mein gebrochenes Herz in London geblieben ist."

„Es sollte nicht so zwischen euch enden, Niall. Nicht nach allem, was ihr beiden zusammen durchgestanden habt."

Harrys Worte bewirkten, dass ich fast schon wieder kurz vorm Heulen stand.

„Ich weiß", wisperte ich, „es hätte niemals so enden dürfen. Ich habe versagt, in allen Punkten."

„Nein, das hast du nicht", widersprach mein Freund. „Lieben heißt loslassen können und du hast Jess losgelassen, weil du sie über alles liebst, oder etwa nicht?"

Als ich nickte, klopfte er mir auf die Schulter und sagte: „Morgen ist ihr erster Auftritt auf dem Broadway und übrigens, es sind noch ein paar Karten zu haben."

Er wollte doch nicht wirklich, dass ich nach New York reiste? Zeit, ihn danach zu fragen, hatte ich keine mehr, denn Harry verschwand blitzartig aus meinem Bungalow, als ob tausend Teufel hinter ihm her seien. Ich hingegen blieb verwirrt zurück und musste mich erst einmal sammeln, bevor ich begriff, was zu tun war.

Harry hatte absolut Recht. Es sollte nicht so enden; nicht auf diese Art und Weise. Dafür liebte ich Jess zu sehr, dafür war unsere Liebe zu einzigartig.

Seufzend nahm ich mein Smartphone in die Hand, um Jess' Instagram Post noch einmal anzuschauen und fällte binnen Sekunden eine Entscheidung.

Eine Minute später kontaktierte ich die Firma London Air Services, um einen Learjet für den morgigen Tag anzumieten.

„Wo soll die Reise hingehen, Mr Horan?"

„Nach New York City."

„Gut, und um welche Uhrzeit möchten Sie gerne fliegen?"

„Ist elf Uhr vormittags ok?"

„Ja, das ist machbar. Sie kennen ja das Procedere und wissen, dass Sie lediglich ihren Pass griffbereit haben müssen."

„Ja, das ist mir bekannt."

Nachdem dies erledigt war, orderte ich auf der Seite im Internet eine Karte für die Ballettaufführung des morgigen Abends. Meine nächste Tat bestand darin, einen Blumenladen in New York ausfindig zu machen, der sich möglichst in der Nähe des Gebäudes befand, in welchem die Inszenierung stattfand.

Somit hatte ich die wichtigsten Dinge vollbracht. Jetzt blieb nur noch übrig, einen Blick auf die Wetterapp zu riskieren, damit ich mir nicht den Hintern abfror, falls es in New York abnormal kalt sein sollte. Aber mit Temperaturen um den Gefrierpunkt konnte ich wohl leben.

Um morgen so wenig Stress wie möglich zu haben, legte ich mir bereits die Klamotten, sowie meinen Reisepass zurecht. Zwischendurch begann mein Magen zu knurren, was dazu führte, dass ich noch schnell beim Supermarkt vorbeischaute, um für mein Abendessen zu sorgen. Bei dieser Gelegenheit nahm ich gleich noch zwei Packungen Milch mit, damit ich meinen Tee wieder standesgemäß genießen konnte.

Als ich mich nach diesem langen und ereignisreichen Tag gegen ein Uhr ins Bett legte, standen meine Gedanken nicht still. Wie würde Jess reagieren, wenn sie feststellte, dass ich mich in New York aufhielt und sie sehen wollte? Würde sie mir die Chance geben, alles zu erklären?

Fragen über Fragen türmten sich in meinem Kopf auf und erschwerten das Einschlafen immens. Schließlich stand ich irgendwann wieder auf und begann, auf meiner Gitarre zu spielen, bis sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken quälten. Diese winzigen, hellen Punkte, die sich durch die aufgehende Sonne im Raum bildeten, verliehen diesem eine beruhigende Atmosphäre. Und genau das brauchte ich jetzt, etwas, das mich von meiner Aufregung herunterbrachte.

Ich saß noch eine Weile da, um das Schauspiel zu betrachten, bevor ich mich unter die Dusche stellte. Bald würde es ernst werden.

Der Flug startet superpünktlich und dank meines Schlafdefizites der vorangegangen Nacht, gelang es mir tatsächlich die Flugzeit recht schnell zu überbrücken. Als der Learjet in New York zur Landung ansetzte, war es dort kurz nach zwei Uhr nachmittags.

Ich hatte also alle Zeit der Welt, um mit einem Taxi in die Stadt zu fahren und zunächst den Blumenladen aufzusuchen, den ich für den überaus wichtigen Auftrag auserkoren hatte. Dort angekommen, sprach ich sogleich mit einer Bediensteten, die mich zu den wunderschönen, roten Rosen führte, welche in einer großen Vase am Fenster standen.

„Wie viele dürfen es denn sein?", erkundigte sie sich freundlich.

„Eine einzige, bitte. Und ich möchte die Karte dazu selbst schreiben."

„Das ist kein Problem. Möchten Sie die Rose mitnehmen, oder soll sie irgendwohin geliefert werden?", erkundigte sich die Verkäuferin freundlich.

„Bitte liefern Sie die Rose dorthin." Ich zeigte ihr die Adresse, welche ich in meinem Handy abgespeichert hatte. „Aber es ist äußerst wichtig, dass sie nicht vor acht Uhr heute Abend dort abgegeben wird", fügte ich noch hinzu.

„Das ist kein Problem, Sie können sich absolut auf uns verlassen", sicherte sie mir zu, was ich mit einem Nicken, sowie einem „Dankeschön" zur Kenntnis nahm.

Nachdem ich die Karte geschrieben und die Rose mit den Dollarnoten bezahlte, welche noch zuhause in meinem Safe herumgeflogen waren, verließ ich den Blumenladen. In New York war es an diesem Januartag bedeutend kälter als in London und die Luft roch nach Schnee.

Fröstelnd zog ich den Schal enger um meinen Hals, als ich durch die Straßen schritt. Da mein Magen sich plötzlich zu Wort meldete, suchte ich im Handy nach der Adresse eines Steakhauses und wurde ziemlich schnell fündig. Dieses befand sich fast um die Ecke zum Blumenladen und besaß weiße Tischdecken, was garantierte, dass ich dort nicht von einer Herde Teenager belagert werden würde, da es sich um exklusives Restaurant handelte. In den USA gab es nämlich eine Regel: Hatte das Lokal weiße Tischdecken, wurde es ein teures Essen. Aber das interessierte mich eher weniger, da ich stets mit Kreditkarte im Portemonnaie auf Reisen ging.

Obwohl das Steak ausgezeichnet schmeckte, konnte ich das Essen nicht so richtig genießen, denn meine Gedanken verweilten ständig bei Jess. Hoffentlich lieferte der Blumenladen die Rose nicht zu früh, sonst war mein Plan im Eimer und sie würde sogar im schlimmsten Fall ihren Auftritt vermasseln.

Jess sollte nicht wissen, dass ich mich im Publikum befand, um ihre Premiere auf dem Broadway zu erleben. Sie sollte es erst wissen, nachdem die Vorstellung zu Ende war, und sich dann entscheiden, ob sie noch einmal mit mir sprechen wollte.

Als ich darüber nachdachte, war ich schon wieder den Tränen nah, doch glücklicherweise wurde ich durch eine eingehende Whatsapp Nachricht abgelenkt. Diese stammte von Harry.

„Hey, Niall, Anne und ich wünschen dir alles Gute, du schaffst das schon. All the Love, Harry xxx"

„Woher zum Teufel weißt du, dass ich in New York bin?", textete ich zurück.

„Weil ich dich zu gut kenne, und weil ich weiß, wie sehr du Jess liebst."

Damit hatte er wohl Recht. Ich antwortete nur mit einem „Danke", und bekam ein Herzchen zurück. Das war so typisch Harry.

Als ich das Steakhaus verließ, ging es auf sechs Uhr zu und ich beschloss, noch einen Spaziergang durch das Upper East Side Viertel zu machen, das direkt um die Ecke lag. Hier irgendwo befand sich Jess' kleines Apartment, mit dem traumhaften Ausblick.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hielt sie sich jetzt bereits in der Garderobe des Gebäudes auf, in welchem die Aufführung um acht Uhr startete. Die Tänzerinnen mussten sich mindestens zwei Stunden eher am Ort des Geschehens einfinden, das war mir, wie viele andere Dinge auch, durchaus in Erinnerung geblieben.

Da der Einlass für die Vorführung bereits ab sieben Uhr begann, brauchte ich nicht allzu lange in der Kälte herumzuspazieren, sondern konnte mich schon sehr bald aufwärmen.

Nachdem ich meinen Mantel an der Garderobe abgegeben, und den Platz in einen der hinteren Reihen eingenommen hatte, ergriff die Aufregung von mir Besitz. Natürlich hatte ich ein Programmheft gekauft, auf welchem auch Jess zu sehen war. Sie sah großartig, wenngleich auch etwas traurig auf dem Foto aus.

Sofort stiegen Schuldgefühle in mir auf, denn ich alleine war der Auslöser für diese Traurigkeit. Mit zitternden Händen blätterte ich die Seiten um, da ging auch schon die Deckenbeleuchtung aus. Mein Herzschlag beschleunigte ins Unermessliche, als ich auf die Bühne starrte und der Vorhang sich öffnete. Binnen Sekunden stürzte meine Beherrschung wie ein Kartenhaus zusammen und Tränen kullerten über meine Wangen.

Es tat so verdammt weh sie zu sehen, und ich hatte nur den einen Wunsch: Jess nochmals in meine Arme nehmen zu dürfen. Doch nur sie alleine konnte entscheiden, ob sich mein Herzenswunsch erfüllte, oder ob ich mir für den Rest meines Lebens Vorwürfe machen würde.

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Ok, alle die nach dem letzten Kapitel gesagt haben, Niall sei ein Arsch - wie denkt ihr jetzt über ihn? Das würde mich wirklich interessieren. Diejenigen, die anderer Ansicht waren, dürfen natürlich auch einen Kommentar hinterlassen! Ich freue mich schon darauf!

Noch ein Kapitel und der Epilog!

Vielleicht wollt ihr schon mal bei meiner neuen Story Black Room vorbeischauen? Das wäre cool!

LG, Ambi xxx





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