46. Charity

Jess

„Ich bin kein Stalker!", empörte sich Niall, der gerade aus der Dusche stieg.

Wassertropfen perlten über seinen gut gebauten Körper, dessen Anblick ein Flattern in meinem Unterbauch auslöste. Doch gerade stand mir der Sinn nicht nach Sex, dazu war ich zu aufgewühlt. Vor kaum einer Minute entdeckte ich Bilder auf Twitter von meinem Freund vor der Tierarztpraxis. Erst seit gestern arbeitete ich dort, doch er spionierte mir bereits nach, worauf ich ziemlich angepisst reagierte. Natürlich sah Jake (ich durfte den Tierarzt sogar beim Vornamen nennen), super gut aus, aber das war in meinen Augen noch lange kein Grund, mir nicht zu vertrauen.

„Und warum warst du dann bei Jake?", blökte ich ungehalten los.

„Weil wir Freunde sind und ich dachte, wie könnten am Freitagabend gemeinsam ins Pub gehen, alle drei", antwortete Niall, während er mir einen undefinierbaren Blick zuwarf.

Grummelnd kreuzte ich die Arme vor der Brust. „Wie lange bist du schon mit Jake befreundet?"

„Seit ich hier wohne. Wir sind uns gleich bei meinem ersten Besuch in meinem jetzigen Stammpub über den Weg gelaufen", erklärte Niall, während er seine Haare trocken rubbelte, welche prompt nach allen Seiten abstanden.

Ich konnte nicht bestreiten, dass ihm dies einen gewissen Sexappeal verlieh. Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum, ließ meine Blicke erneut über seinen Körper wandern und im Nu war mein Groll verflogen. Vermutlich steckte wirklich rein gar nichts hinter Nialls Besuch bei Jake.

„Ich hab das fette Kaninchen gesehen", sagte er plötzlich und brachte mich damit sogar zum Lachen.

„Echt? Das Tier ist wirklich der Brüller, oder?", meinte ich.

„Allerdings."

Niall näherte sich mit einem um die Hüften geschlungenen Handtuch, streckte seinen Arm aus, und umschlang meine Taille, damit er mich näher zu sich ziehen konnte. Der intensive Blick seiner blauen Augen zog mich sofort in einen Bann und ehe ich mich versah, lagen unsere Lippen aufeinander. Vor zwei Minuten war ich noch ein bisschen sauer auf ihn gewesen und jetzt klebten wir bereits wieder wie die Kletten aneinander.

„Jake wollte unbedingt, dass du am Freitag mitkommst", raunte er mir ins Ohr, bevor seine Lippen an meinem Hals entlang wanderten.

Kaum fähig zu atmen, presst ich hervor: „Ach ja? Hat er sonst noch was gesagt?"

„Inwiefern?", hörte ich Niall zwischen zwei Küssen murmeln.

„Wegen..., wegen meiner Arbeit."

Ich konnte nicht mehr klar denken, als sich seine Finger am Bund meiner Jogginghose befanden und vorsichtig meine Haut berührten.

„Prinzessin, bist du noch böse auf mich?", wisperte er.

„Nein", stieß ich schwer atmend hervor. „Aber wenn du mich nicht gleich ins Bett trägst, dann werde ich böse."

Nialls leises Lachen ließ mich wissen, dass er meiner Aufforderung gleich nachkommen würde und ich hatte mich nicht getäuscht.

„Das Duschen hätte ich mir sparen können", schnaufte er später, als wir völlig erledigt auf dem Bett lagen und ich mich ganz nahe an ihn kuschelte.

Am liebsten wollte ich stundenlang so liegenbleiben, doch Nialls Handy zerstörte diesen Wunsch, indem es plötzlich zu vibrieren begann.

Er warf einen kurzen Blick darauf, um dann zu sagen: „Das ist Louis, da sollte ich wohl besser rangehen."

Schon wieder Louis! Bereits zum zweiten Mal störte er unsere traute Zweisamkeit nach dem Sex, was darauf schließen ließ, dass er ein ebenso mieses Timing wie Anne besaß. Seufzend rollte ich mich zur Seite und hörte mit halbem Ohr zu, was Niall von sich gab.

„Hey, Louis, was gibt es denn? – Echt? Das ist super! - Nein, aber das geht schon klar. – Wie? Ja, kannst du machen. – Nein, noch nicht, aber gleich. – Ja, ich denke nicht, dass ich noch länger warten sollte. – Ok, mache ich, bye."

Als ich Niall ein wenig verständnislos anschaute, sagte er nur: „Ich soll dir einen schönen Gruß von Louis ausrichten."

Langsam kuschelte ich mich wieder in Nialls Arm. „Aha, was wollte er denn?"

„Er hat uns eine Einladung zu einer Party am dritten Februar erteilt."

„Oh, und was ist der Anlass?" Soweit es mir bekannt war, hatte niemand an diesem Tag Geburtstag, zumindest keiner der Jungs von One Direction.

„Einfach so. Wir wollen nochmal richtig zusammen feiern, bevor unsere Pause im März losgeht", erwiderte Niall.

„Was ist das für ein Wochentag?", wollte ich wissen.

„Ein Mittwoch."

„Was?" Erstaunt hob ich meinen Kopf. „Um welche Uhrzeit denn?"

Nialls Finger glitten durch mein langes Haar, als er schläfrig antwortete: „Wir sollen um neun Uhr in London, im Libertine Club sein."

„Das könnte knapp werden, ich muss an diesem Tag arbeiten", warf ich ein.

„Es macht ja nichts, wenn wir ein paar Minuten später kommen", entgegnete mein Freund.

„Warum hat er das nicht aufs Wochenende gelegt?", lautete meine nächste Frage, die sogleich von Niall beantwortet wurde.

„Vermutlich, weil da die Clubs alle ausgebucht sind, ist doch eigentlich logisch, oder?"

So ganz Unrecht hatte er da wohl nicht.

„Na gut", brummte ich. Immerhin hatte ich tags drauf frei und würde somit ausschlafen können.

Die nächsten Tag und Wochen vergingen so schnell, dass ich es nicht fassen konnte. Ganz sicher spielte es dabei eine Rolle, dass ich nun zweimal pro Woche einer Beschäftigung nachging, die mir Spaß machte, meistens jedenfalls.

Hunde, Katzen und Kaninchen zählten zu meinen Lieblingspatienten, doch als die erste Schlange auftauchte, wäre ich am liebsten schreiend geflüchtet. Jake beruhigte mich jedoch, indem er mir erklärte, dass es sich dabei nur um eine Würgeschlange handelte, die nicht gefährlich sei, weil sie erst vor zwei Tagen mehrere Mäuse verspeisen durfte. Es kostete mich einiges an Überwindung, das Tier anzufassen, doch zu meiner großen Überraschung fühlte sich die Haut des Reptils warm, trocken und sehr weich an. Als ich Niall am Abend davon berichtete, lachte er nur.

„Glaub mir, Jake behandelt nur Tiere, die ihm nicht gefährlich werden können", schmunzelte er. „Das hat er mir selbst mal erzählt."

„Dann bin ich ja beruhigt", sagte ich erleichtert.

„Du solltest dich jetzt langsam fertig machen, Jess", fügte Niall noch hinzu.

„Oh Gott, heute ist ja der dritte Februar!"

Fast hätte ich vergessen, dass wir am heutigen Abend zu Louis' Party eingeladen waren.

„Ich geh schnell duschen, ok?", rief ich Niall über die Schulter zu, während ich in Richtung Bad ging.

Als das warme Wasser auf meinen Körper prasselte, fragte ich mich, was ich wohl anziehen sollte. Ich hatte keine Ahnung, in welchem Rahmen die Feier stattfand, ob es eher eine legere Angelegenheit sein würde, oder nicht. Zum Glück nahm Niall mir diese Entscheidung ab, als ich das Schlafzimmer betrat. Er trug eine schwarze Jeans, sowie ein gemustertes Hemd darüber und seine schwarzen Boots, die ich sehr an ihm liebte. Somit entschied ich mich für ein mit dunkelblaues, mit glitzernden Pailletten besticktes Minikleid. Meine Pumps durften natürlich nicht fehlen, ich wählte aber jene mit dem niedrigsten Absatz.

Da mein Knie im Moment wieder Ruhe hielt, hatte ich auch wenig Bedenken, dass etwas passieren könnte, zumal ich nicht plante, auf der Tanzfläche herum zu hüpfen. Niall streckte mir seine Hand entgegen, als ich schließlich fertig angezogen und geschminkt vor ihm stand. Sofort ergriff ich diese, damit wir gemeinsam aus dem Bungalow laufen konnten. Zum Glück regnete es nicht, sodass das Pflaster im Hof trocken war.

Als wir mit einem Taxi in Richtung London fuhren, blickte ich aus dem Fenster, in die Dunkelheit hinaus, welche jedoch von den Lichtern zurückgedrängt wurde, je näher wir der Stadt kamen. Natürlich freute ich mich darauf, die Jungs zu sehen und auch Anne, mit der ich nach wie vor regelmäßig telefonierte. In einem Nebensatz hatte sie einfließen lassen, dass sie ebenfalls zu besagter Party anwesend ein würde.

Dies hatte ich jedoch bereits vermutet, da ich mich daran erinnern konnte, dass sie Harry Anfang Februar nochmals besuchen wollte. Immer stärker drängte sich mir der Verdacht auf, dass beide mehr als nur guten Freunde waren. Aber es war mir zu blöd, Anne dahingehend auszufragen. Wenn sie mir etwas mitteilen wollte, dann sollte sie das von sich aus tun.

Inzwischen näherten wir uns dem Ziel, dem Libertine Club. Als das Taxi davor hielt, hörte ich Niall schimpfen: „So ein Mist! Da draußen steht alles voller Paparazzi! Das hat uns gerade noch gefehlt!"

Er klang mächtig sauer, wie ich seiner Tonlage entnehmen konnte. Trotzdem zwängte er sich als erster aus dem Wagen und winkte sogleich Basil herbei, der sofort zur Stelle war. Die Jungs hatten also auch ihre Bodyguards eingeladen, was nicht verwunderlich war, denn diese standen in einem eher freundschaftlichen als geschäftlichen Verhältnis zu ihnen.

Basil reichte mir galant seine Hand, damit ich bequem aus dem Taxi steigen konnte. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, aber ich fragte mich, wann Niall seinen Fans reinen Wein einschenken würde, was unsere Beziehung anging. Das war wohl der Preis, wenn man mit einem Prominenten liiert war. Man war gezwungen damit klar kommen, dass es Heimlichkeiten gab. Meiner Ansicht nach gab es zwar keinen Grund, weshalb wir es nicht endlich offiziell machen sollten, aber ich musste dies Niall überlassen. Es oblag nicht mir, die Fans der Jungs aufzuklären.

Basil geleitete mich zum Eingang und erst, als die Tür sich hinter uns schloss, ergriff Niall meine Hand.

„Sorry, Jess", murmelte er. „Ich erkläre es dir später."

Es war mir unklar, was er damit meinte, doch ich wollte im Moment auch nicht nachfragen, da wir uns weiter ins das Innere des Clubs begaben und nun von Louis empfangen wurden.

„Super, dass ihr da seid! Harry und Anne stehen da hinten, rechts, und die anderen sollten ebenfalls gleich hier sein", begrüßte er uns, nachdem er mich an sich gedrückt und Niall einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter verpasst hatte.

Sogleich marschierte ich auf die beiden zu, die uns zur Begrüßung umarmten. Anne lächelte mich an und sagte: „Du siehst toll aus, Jess."

„Danke, du aber auch", antwortete ich wahrheitsgetreu, einen bewundernden Blick auf ihr bordeauxfarbenes Kleid werfend.

Harry drückte wie immer zwei Küsse auf meine beide Wangen und zwinkerte mir zu, als er mir ein Glas Sekt überreichte. Sofort nippte ich an dem Glas und genoss das Prickeln des alkoholischen Getränks, während mein Blick durch den riesigen Raum schweifte, der sich langsam füllte.

Zu meinem Erstaunen erkannte ich sehr viele Prominente, darunter Olly Murs und Nick Grimshaw. Auch Nialls Cousin Willie tauchte plötzlich vor meinen Augen auf und begrüßte mich freundlich. Als noch mehr Prominenz den Club betrat, fragte ich mich, was wohl der Anlass für die Party sein sollte. So ganz blickte ich da nicht durch. Doch dies klärte sich binnen der nächsten zehn Minuten auf. Nachdem alle geladenen Gäste erschienen waren, hielt Louis eine kurze Ansprache.

„Hey, Leute, danke, dass ihr den Weg hierher gefunden habt. Wie bereits in der Einladung angekündigt, handelt es sich heute um eine kleine Charity Veranstaltung. Ihr wisst, ich kann es nicht lassen und ich wollte vor unserer großen Pause nochmal richtig zuschlagen, was das betrifft. Wir haben hier einen großen Spendentopf aufgestellt, den ihr gerne füllen dürft. In der Einladung stand ja drin, wer diese Summe letztendlich erhält. Also haut rein, denn um Punkt Mitternacht endet die Spendenaktion. Bis dahin werden wir uns die Zeit mit gutem Essen, vielen Getränken und toller Musik vertreiben. Die Jungs und ich singen nachher ein bisschen und auch Olly und Ellie haben sich dazu bereit erklärt, zum Mikrofon zu greifen. Also hiermit eröffne ich unsere Veranstaltung Magic!"

Tosender Applaus beendete Louis' Rede, die mich ein wenig verwundert dreinschauen ließ. Niall hatte so gar nichts von einer Spendenaktion erwähnt. Vielleicht hatte er es aber auch einfach nur vergessen, was ihm durchaus ähnlich sah.

„Also, Ladies, lasst uns zum Buffet gehen, ich verhungere sonst", sprach mein Freund, während er nach meiner Hand griff.

„Warum hast du nicht gesagt, dass es sich um eine Charity Veranstaltung handelt?", wollte ich wissen, als wir auf das große Buffet zuschritten.

„Ist doch egal, was der Anlass zum Feiern ist", meint Harry, bevor Niall darauf antworten konnte.

„Das schon, aber ich möchte auch gerne etwas spenden! Wenn ich es vorher gewusst hätte, hätte ich mehr Geld eingesteckt", erwiderte ich.

Niall, der gerade seinen Teller mit Fleisch bestückte, meldete sich nun zu Wort.

„Lass mal, Jess, ich bin hier, um zu spenden, nicht du."

„Genau", pflichtete Harry seinem Freund bei. „Wir erledigen das schon."

Damit musste ich mich einstweilen abfinden, aber es hieß ja nicht, dass Anne und ich nicht an der Spendenbox vorbeigehen, und etwas hineinwerfen konnten. Vielleicht sollte ich ihr diesen Vorschlag nachher unter vier Augen unterbreiten.

Einstweilen konzentrierte ich mich jedoch darauf, das Essen auszuwählen, was beileibe nicht einfach war, da so viele köstliche Dinge angeboten wurden.

„Nobel geht die Welt zugrunde", kommentierte ich meinen leicht überfüllten Teller, als ich mich neben Niall setzte, der bereits das Essen in sich hineinschaufelte, als hätte er seit Tagen nichts mehr zu sich genommen.

„Ist hier noch ein Platz frei?", vernahm ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir.

Zu meiner großen Überraschung stand Jake, mein Boss direkt neben meinem Stuhl und grinste freundlich drein.

„Schön, dass du gekommen bist, Jake", begrüßte Niall den Tierarzt, was mein Erstaunen noch größer werden ließ.

Meine Schlussfolgerung, dass Niall meinen Boss eingeladen hatte, bestätigte sich, als Jake sagte: „Nochmals danke für die Einladung, Niall. Es freut mich, dass ich dabei sein darf und etwas zu eurer Spendenaktion beitragen kann."

„Das ist ja wohl der Gipfel!", empörte ich mich. „Du lädst Jake ein und hältst es nicht für nötig, mir das mitzuteilen?" Als ich bei meiner Aussage zwinkerte, merkten die beiden, dass ich nicht wirklich sauer war und begannen zu lachen.

„Das ist doch eine schöne Überraschung, oder?", meinte Jake, der sich nun auf den freien Stuhl zu meiner Linken setzte.

„Ja, das ist es. Deswegen warst du auch so erpicht darauf, heute pünktlich Feierabend zu machen", erwiderte ich nur, was Jake mit einem Schmunzeln quittierte.

Nach dem Essen machten sich die Jungs von One Direction daran, ein wenig zu singen, wobei sie ihre Lieder alle in der Akustik Version vortrugen. Es hörte sich wahnsinnig toll an und Nialls Gitarrenspiel zu den langsamen Songs verursachte eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich musste zugeben, dass alle Artisten, die gesanglich etwas zu diesem Abendprogramm beitrugen, sich hervorragend anhörten. Es war wundervoll, an solch einem Event teilnehmen zu dürfen.

„Na, Prinzessin, gefällt es dir?", hauchte Niall mir ins Ohr, als ich Ed Sheerans Darbietung verfolgte.

„Ja, es ist toll!"

Meine Augen leuchteten vor Freude und bei manchen Liedern wäre ich am liebsten aufgesprungen, um zu tanzen. Doch das war für den Zustand meines Knies nicht gerade förderlich und so unterließ es dies schweren Herzens. Ich amüsierte mich auch so prächtig, lachte und scherzte unentwegt mit Jake, Anne und Harry, die noch immer an unserem Tisch saßen, und beobachtete, wie Niall hin und wieder zu Louis schlenderte, um sich mit ihm zu unterhalten.

Je näher es auf Mitternacht zuging, desto nervöser und aufgeregter schienen die beiden zu werden. Mit Sicherheit war Louis sehr gespannt auf die Einnahmen aus der Spendenbox. Auch ich fieberte nun der Verkündung entgegen, als Niall zurück an den Tisch kehrte, um zu sagen: „Gleich ist es soweit. Dann werden wir wissen, wie viel wir eingenommen haben."

Da ich noch immer keine Ahnung hatte, welche Organisation von den Spenden profitieren würde, war ich umso gespannter, als Louis anfing zu sprechen, nachdem die Musik verstummte.

„Darf ich alle um Gehör bitten?", fragte er in die Runde und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich.

Anschließend räusperte er sich kurz, um dann fortzufahren.

„Wir haben die unglaubliche Summe von 1,5 Millionen Pfund eingenommen, wofür ich euch allen danken möchte. In der Einladung stand ja, wie wir das Geld aufteilen werden, deswegen möchte ich jetzt Jess nach vorne bitten."

Als Louis meinen Namen nannte, schaute ich erstaunt zu Niall, der jedoch außer einem Grinsen nichts verlauten ließ. Was zum Teufel hatte ich mit dieser ganzen Sache zu tun? Mit gemischten Gefühlen erhob ich mich von meinem Stuhl und ging auf Louis zu, der mir aufmunternd zulächelte.

„Jess, wie geht es dir heute? Und vor allem, wie geht es deinem Knie?", fragte er, so laut, dass es jeder hören konnte.

„Danke, es geht", murmelte ich verlegen.

„Wie ich gehört habe, steht eine Operation bei dir an, ist das richtig?", fuhr er fort und ergriff gleichzeitig meine Hand.

„Ja, das stimmt, aber das dauert noch", erwiderte ich wahrheitsgetreu.

Warum stellte er diese Fragen? Mit klopfendem Herzen beobachtete ich, wie Louis einen großen weißen Umschlag in die Hände nahm, um diesen dann an mich weiterzureichen.

„Hast du eine Ahnung, was da drin sein könnte?", wollte er wissen.

„Nein." Ich fühlte mich zusehends unsicherer.

„Das habe ich mir gedacht. Also werde ich die Sache nun aufklären. 1,5 Millionen Pfund sind eine Menge Geld und wir dachten uns, dass wir davon fünfzigtausend Pfund nehmen und sie dir überreichen, damit du die OP in den USA bezahlen kannst. Alle hier im Raum haben zu dieser Spende beigetragen, das wollte ich dich wissen lassen."

Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, was dies bedeutete. Mein Atem ging immer raschen und meine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an, als die ersten Tränen flossen. Es waren Tränen der Dankbarkeit und Freude, die nicht versiegen wollten. Es konnte nicht wahr sein, was gerade passierte. Man erfüllte mir meinen Lebenstraum. Alle diese Menschen hier hatten etwas dazu beigetragen, obwohl die meisten mich gar nicht kannten.

„Danke", presste ich hervor. „Ich danke euch allen."

Das nächste was ich spürte, war wie Niall mich in seine Arme nahm. Ich hatte gar nicht gesehen, dass er plötzlich neben mir stand.

„Du wolltest es von mir nicht annehmen, deshalb haben wir uns etwas anderes einfallen lassen", flüsterte er mir ins Ohr.

Jetzt konnte ich gar nichts mehr sagen, nur noch weinen. Meine Arme umschlagen seinen Nacken, als er mir einen Kuss auf den Mund drückte und mich festhielt.

„Ich liebe dich", flüsterte ich nach einer gefühlten Ewigkeit.

„Ich dich auch, Prinzessin", wispert Niall mir ins Ohr.

Es fühlte sich an wie ein Traum, als ich mit dem weißen Umschlag später den Nachhauseweg antrat. Fünfzigtausend Pfund. Damit würde ich die Operation locker bezahlen können. Überwältigt von tausend Gefühlen lehnte ich meinen Kopf an Nialls Schulter, der seinen Arm um mich legte.

„Ich kann's nicht fassen", sagte ich immer wieder.

„Mach dich mit dem Gedanken vertraut, dass du Anfang März auf dem OP Tisch liegst", lautete Nialls nüchterne Antwort, die mir eines bewusst machte: Der Traum vom Tanzen rückte in greifbare Nähe.

Allerdings vergaß ich diesen zumindest für die kommenden Tage. Als Niall und ich am nächsten Morgen die einschlägigen Plattformen im Internet besuchten, waren überall Bilder zu sehen, wie ich aus dem Wagen stieg, welchen er kurz zuvor verlassen hatte. Auf die Klatschblätter und die Paparazzi war eben Verlass. Spekulationen, dass ich seine Freundin sei, taten sich auf. Seufzend legte ich mein Tablet zur Seite und schaute zu Niall, der sich gerade ein wenig genervt durch die Haare fuhr.

„Fuck! Das können wir jetzt vor deiner OP überhaupt nicht gebrauchen", murmelte er leicht angepisst.

„Ich weiß, aber es musste ja eines Tages so kommen", erwiderte ich.

Niall setzte sich neben mich auf das große Sofa und streichelte mit dem Handrücken über meine Wange.

„Ich werde vorerst gar nichts dazu sagen. Das ist im Moment das Beste, denn du kannst jetzt keine Aufregung gebrauchen."

Das entsprach den Tatsachen. Ich benötigte innerliche Ruhe, um mich auf diese OP, die entscheidend für mein weiteres Leben sein würde, vorzubereiten. Deshalb bereitete es mir keine Probleme, dass Niall unsere Beziehung weiterhin verheimlichte. Auch, wenn dies jetzt schwerer sein würde. Da wir jedoch nicht die einzigen waren, die die Fotos und Kommentare auf den Internetplattformen verfolgten, erreichte uns am späten Nachmittag prompt ein Anruf von Louis.

„Na, ihr beiden, ich nehme an, ihr habt schon alles gesehen was über euch berichtet wird", begrüßte er uns.

Ich konnte mithören, da Niall sein Handy auf Lautsprecher umstellte.

„Ja, natürlich", erwiderten wir beide im Chor.

„Gut, ich habe nämlich einen Plan, wie wir den Spektakel noch eine Weile von euch fernhalten können", fuhr Louis sogleich fort, was uns interessiert aufhorchen ließ.

„Wir berichten einfach von der privaten Charity Veranstaltung, lassen in diesem Zuge verlauten, welche Organisation die Kohle bekommen hat, und erklären der Presse, dass Jess unser besonderer Gast war."

Das Klang richtig gut, doch Niall stellte noch eine Frage. „Und wie sind wir auf sie aufmerksam geworden?"

„Pfff, das geht diese Idioten nichts an, würde ich mal sagen. Ich habe ja bereits die Organisation rausgesucht, an die wir das Geld spenden. Unser Management soll sich darauf konzentrieren, über die zu reden."

Das klang ziemlich gut und ich wusste, dass das Management zumindest in dieser Beziehung hinter den Jungs stand, auch wenn es oftmals wegen anderen Dingen Differenzen gab. Hin und wieder hatte ich dies den Gesprächen der Jungs entnehmen können.

„Also gut, dann machen wir es so", stimmte Niall zu, als er mein Nicken sah.

Was hätte ich auch sonst tun sollen? Uns blieb keine andere Wahl, wenn ich nicht sofort von der Meute auf Twitter zerfleischt werden wollte. Normalerweise besaß ich eher ein dickes Fell, was solche Dinge anging, doch in meiner momentanen seelischen Verfassung hätte dies sicher Tränen und Unsicherheit bewirkt. Niall wusste das genau und dafür war ich ihm dankbar. Aber nicht nur ihm, sondern auch Louis, der sich mit diesem Thema befasste, als es akut wurde. Die Jungs waren eben wie eine große Familie, sie kümmerten sich gegenseitig umeinander.

Tatsächlich wurde ein kurzes Statement seitens des Managements verfasst, welches die Einnahme einer unglaublichen Summe, mittels einer privaten Charity Veranstaltung, durchgeführt von One Direction, zu welcher einige Musikerkollegen eingeladen waren, bestätigte, um diese einer Organisation zu spenden, welche sich um Unfallopfer kümmerte. Insgeheim musste ich über Louis' Cleverness schmunzeln, denn ich war tatsächlich auch ein Unfallopfer. Nichts davon war gelogen, es wurde eben nur nicht erwähnt, dass ich eine Beziehung mit Niall Horan führte. Somit hatten wir vorerst unsere Ruhe, was die Stalker anging.

Die Wochen vergingen und der OP Termin rückte immer näher. Ich arbeitete noch bis Ende Februar in der Tierarztpraxis (inzwischen hatten Jake und Niall mich über ihre Vereinbarung aufgeklärt), dann hieß es Kofferpacken für mich und Niall.

Am Wochenende, vor dem Flug nach Denver, schaute ich bei meinen Eltern und Anne vorbei, die mir alles Gute wünschten. Es fühlte sich absolut komisch an, zu wissen, dass ich nun bald in einem Krankenhaus liegen würde und meine Familie mich nicht besuchen konnte. Dass Niall an meiner Seite war, machte es natürlich erheblich leichter. Er hatte ein Hotelzimmer in der Nähe des Krankenhauses gebucht, um keinen weiten Anfahrtsweg zu haben, den er ja täglich zurücklegen würde.

„Bald wirst du ohne Kniebandage laufen", meinte er lächelnd, als er am Abend bevor ich ins Krankenhaus einrücken musste, das schwarze Teil von meinem Bein entfernte. Wir hatten uns dazu entschlossen, einen Tag eher nach Denver zu fliegen, um noch einen ruhigen gemeinsamen Abend zu verbringen. Zu diesem Zweck suchten wir ein Steakhouse auf, tranken Wein und unterhielten uns. Unsere Stimmung war keineswegs gedrückt, sondern eher positiv. Ich verspürte keine richtige Angst vor dieser OP, sondern nur ein wenig Aufregung.

Als wir später im Bett lagen, kuschelte ich mich in Nialls Arm und legte meinen Kopf auf seine Brust.

„Du brauchst keine Angst zu haben, Jess. Ich bin in Gedanken bei dir, wenn sie dich operieren", flüsterte er und streichelte mit einer Hand über meine Haare, was mich irgendwie beruhigte.

„Ich hab keine Angst", murmelte ich schlaftrunken, den Duft seines Aftershaves einatmend, welches mich betäubte und schließlich in den Schlaf versinken ließ.

Erst als wir am nächsten Morgen aufstanden und ich aus dem Fenster schaute, um den blauen, wolkenlosen Himmel zu betrachten, wurde mir bewusst, dass es nun ernst wurde. Heute würde ich ins Krankenhaus einrücken.

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Jetzt wird es ernst für Jess! Die OP naht! Fandet ihr, dass Niall und die Jungs die Sache mit dem Geld gut gelöst haben? Ich hoffe, ihr seid gespannt auf das nächste Kapitel.

Danke an alle, die lesen, kommentieren und voten!

Dieses Kapitel widme ich jemandem, der in der vorangegangen Nacht seinen Schlaf geopfert hat, um diese Story zu lesen. Ich weiß das sehr zu schätzen,  peniku

LG, Ambi xxx










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