43. Gift

Niall

„Mister Horan, ich weiß nicht, ob ich mich jetzt freuen soll, Ihre Stimme zu hören oder nicht."

Dr. Steadmans Begrüßung ließ mich ein wenig schmunzeln. „Keine Sorge, mit meinem Knie ist alles in Ordnung", entgegnete ich sofort.

„Das ist schön zu hören. Und welches Anliegen führt Sie dann zu mir?"

„Das Knieproblem meiner Freundin."

Nachdem ich dem Arzt kurz erklärte, um was es ging, forderte er mich auf, den Entlassungsbericht aus dem Krankenhaus einzuscannen, um diesen dann per E-Mail an ihn weiterleiten zu können. Während wir redeten, erledigte ich dies umgehend, beobachtet von Jess, die mich nicht aus den Augen ließ.

„Die Sachen müssten eigentlich jetzt bei Ihnen angekommen sein", ließ ich den Arzt wissen, nachdem wir uns kurz über den ausgezeichneten Zustand meines operierten Knies unterhalten hatten.

„Ok, ich schaue es mir nachher an, Mr Horan", erklärte er. „Ich werde Sie morgen zurück rufen. Ich hoffe, das geht in Ordnung."

„Aber sicher."

Dr. Steadman war schließlich nicht irgendein dahergelaufener Arzt. Er stand in dem Ruf, der beste Kniespezialist der Welt zu sein, und diesem wurde er auf jeden Fall gerecht. Zahlreiche Spitzensportler, darunter einige Profi-Fußballer, ließen sich von ihm operieren. Dies sagte schon genügend über seine Kompetenz, die ich im Übrigen niemals in Frage gestellt hatte, aus. Als Jess mich erwartungsvoll anschaute, nachdem ich das Telefongespräch beendet hatte, setzte ich mich zu ihr auf das große Sofa.

„Er schaut sich alles an und ruft morgen zurück", sagte ich aufmunternd, während meine Hand nach ihrer tastete.

Ihr schweigsames Nicken verriet die Anspannung in ihr, welche sie jedoch versuchte mit einem Lächeln zu überspielen. „Danke, Niall, dass du dich so sehr um alles kümmerst", brachte sie hervor.

Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten.
„Hey, ich liebe dich, Prinzessin, da ist es normal, dass man so etwas tut", wisperte ich leise in ihr Ohr.

Sofort sank Jess' Kopf auf meine Schulter, gleichzeitig lehnte sie ihren Körper an meinen.

„Ich bin so dumm", vernahm ich ihr Flüstern. „Wenn ich nicht weggelaufen wäre, hättest du mich nicht in Chippenham aufgabeln und zurückbringen müssen. Ich wäre vermutlich an dem Tag nicht aus dem Haus gegangen und somit nicht hingefallen. Warum nur, habe ich nur für eine Sekunde gedacht, dass du mich betrogen hättest?"

Tränen liefen über ihre Wange und benetzen meine Arme, welche ich nun sanft um sie schlang.

„Jess, hör mir zu. Es ist nicht deine Schuld, was passiert ist. Einzig alleine dieser Unfall von damals ist die Ursache dafür. Vielleicht muss dein Knie ja gar nicht operiert werden, aber wenn es so ist, bist du bei Dr. Steadman in den besten Händen. Dein Knie hätte so oder so nochmal von einem Spezialisten durchgecheckt werden müssen, also mach dir bitte keine Vorwürfe. Wenn, dann sollte ich das tun, weil ich dir nicht genügend über meine Vergangenheit erzählt habe."

Ich spürte, wie sie sich an mich klammerte. „Ich wusste doch von deinen Fuckbuddies", schniefte sie leise.

Es traf mich schwer, dass sie sich nachträglich solche Vorwürfe machte, und ich wollte alles tun, ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung fließen zu lassen. Jess brauchte gerade jetzt ein wenig Ablenkung und jemand, der ihr die schönen Seiten des Lebens zeigte.

„Weißt du was?", sagte ich deshalb, „wir schauen uns jetzt mal im Internet an, was man in Colorado so alles unternehmen kann."

Gesagt, getan, Jess ließ sich tatsächlich breitschlagen, mit mir eine virtuelle Reise in die USA anzutreten. Umgeben von den Rocky Mountains, würde es zu dieser Jahreszeit nicht unbedingt warm dort sein, womit wir uns jedoch durchaus arrangieren konnten.

„Und wenn ich erst viel später nach Denver fliegen kann, weil der Arzt keinen Termin frei hat?", warf Jess leicht besorgt ein, als ich die Seite im Internet nach Hotels durchforstete.

„Dr. Steadman wird versuchen, dich so schnell wie möglich dran zu nehmen, das kann ich dir versichern", erklärte ich bestimmt. „Wir warten seinen morgigen Anruf ab und dann buchen wir ein schönes Hotel, ok?"

Seufzend ließ Jess sich in meine Arme sinken, nachdem ich mein Tablet aus der Hand gelegt hatte.

„Hast du Schmerzen?", erkundigte ich mich, doch sie schüttelte nur den Kopf.

„So gut wie gar nicht. Jedenfalls nicht, so lange ich mich nicht bewege."

Die Schwellung des Knies war enorm zurückgegangen, seit Jess das Krankenhaus verlassen hatte. Natürlich trugen auch die Medikamente dazu bei, dass es ihr wieder besser ging. Trotzdem konnte ich ihre Angst und Zweifel spüren, die stärker hervorkamen, wenn sie laufen musste, und sei es nur ins Badezimmer.

Fast schien es wie am Beginn unseres Kennenlernens zu sein. Oftmals hielt ich ihre Hand, wenn sie mit unsicheren Schritten durch die Wohnung ging, immer bedacht darauf, keinen falschen Tritt zu machen. Es machte mir jedoch nichts aus, im Gegenteil, ich wollte für Jess da sein. So war es für mich selbstverständlich, dass ich sie nach dem Abendessen ins Bett trug, wo sie sich sogleich in meine Arme kuschelte.

„Ich hab ein bisschen Angst, Niall", wisperte sie, worauf ich meine Arme fester um sie legte.

„Das kann ich verstehen, Prinzessin", flüsterte ich zurück. „Ich hätte auch Angst, wenn ich in deiner Situation wäre, aber ich stehe dir bei so gut ich kann, das verspreche ich dir."

Vertrauensvoll legten sich ihre weichen Lippen auf meine, gleichzeitig presste sie ihren Körper ganz nahe an meinen. Natürlich machte ich mir Gedanken. Dies abzustreiten, wäre einer Lüge gleich gekommen. Aber ich setzte alle meine Hoffnung in Dr. Steadmans Kompetenz, er würde mit Sicherheit das Richtige tun.

Stunde um Stunde verging, Jess schlief längst in meinen Armen, aber ich lag noch immer wach im Bett, da meine Gedanken nicht still standen. Ich konnte nicht fassen, dass sie sich selbst die Schuld an ihrem Sturz gab, denn dafür trug ich in meinen Augen die alleinige Verantwortung. Hätte ich ihr doch nur von Lucy erzählt, wäre das alles nicht passiert!

Zärtlich streichelten meine Hände über ihre langen Haare, während ich über ihren unruhigen Schlaf wachte. Sie schien zu träumen und obgleich sie sprach, waren die Worte so undeutlich, dass ich diese nicht verstehen konnte. Irgendwann wurde ich von dem erlösenden Schlaf umhüllt, der mich in die Dunkelheit gleiten ließ.

Als ich am nächsten Tag erwachte, weil Jess versuchte, sich aus meinen Armen zu befreien, musste ich automatisch grinsen.

„Dein Griff fühlt sich an wie Stahl", meinte sie, als sie bemerkte, dass ich meine Augen aufschlug.

„Super, dann kannst du wenigstens nicht aus dem Bett fallen", erklärte ich stolz.

Amüsiert beobachtete ich, wie Jess verzweifelt versuchte, meinen Arm von ihrem schlanken Körper zu lösen, jedoch ohne Erfolg.

„Du musst schon bitte sagen", zog ich sie auf, ein laszives Lächeln auf meinen Lippen.

Sekunden später beugte sie sich zu mir herab, um ein leises „Fuck you", in mein Ohr zu flüstern, was ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen konnte.

Langsam wanderte meine rechte Hand an ihrer Wirbelsäule entlang, bis hinunter zu ihren Pobacken. Als ich diese berührte, zuckte Jess kurz zusammen. Dann jedoch entspannte sich ihr Körper, der sich nun an meinen schmiegte. Als ich die Hitze spürte, die von ihr ausging, brannte mein Innerstes sofort lichterloh. Binnen kürzester Zeit hatte ich ihr das Mickey Mouse Shirt über den Kopf gestreift und begann nun zärtlich ihren Busen zu küssen. Wir beide wussten haargenau, worauf das hinauslaufen würde und so tastete ich nach der Kniebandage, welche auf dem Nachttisch lag.

„Bist du dir sicher, dass es geht und du keine allzu großen Schmerzen im Knie hast?", flüsterte ich, bevor ich ihr das Teil überzog.

„Ja, und nun mach schon, bevor ich es mir anders überlege", presste sie ungeduldig hervor.

Das liebte ich so an ihr. Jess konnte einfach nicht verbergen, wenn sie heiß auf mich war, was meine Erregung zwangsläufig ins Unermessliche steigerte. Knieprobleme hin oder her, wir beide verdrängten dies in jenem Augenblick total, sondern widmeten uns ganz unseren Gefühlen, die ziemlich mit uns durchgingen. So war es nicht verwunderlich, dass wir danach wieder einschliefen, um irgendwann durch den Klingelton meines Handys geweckt zu werden. Überrascht stellte ich fest, dass es sich bei dem Anrufer um Dr. Steadman handelte.

„Hallo, Mr Horan, ich hoffe, ich habe Sie nicht bei etwas Wichtigem gestört", meldete er sich freundlich.

„Nein, ganz und gar nicht", wehrte ich ab.

„Fein. Ich habe mir nämlich gerade die Unterlagen ihrer Freundin angeschaut. Sie ist nicht zufällig in Ihrer Nähe, oder?"

„Doch", platzte ich heraus. „Sie liegt neben mir im Bett."

Nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte, wurde ich ein wenig rot, da Dr. Steadman sich mit Sicherheit denken konnte, was dies bedeutete.

„Ich reiche Jess mal kurz das Telefon", versuchte ich die Situation zu retten, worauf der Arzt meinte: „Das wäre super."

Meine Freundin setzte sich auf, um das Handy entgegen zu nehmen.

„Hallo, hier spricht Jessica Meyers", hörte ich sie sagen.

Dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck ins Ernste. „Ja, ich denke das ist machbar, aber ich frage ihn zur Sicherheit."

Ihre großen braunen Augen schauten zu mir, als sie sagte: „Dr. Steadman möchte gerne wissen, ob wir Anfang Januar nach Denver kommen können, damit er sich mein Knie anschauen kann."

„Anfang Januar ist kein Problem", erwiderte ich.

Die wenigen Termine, welche wir vor unserer großen Pause noch absolvieren mussten, hatte ich im Kopf.

„Ok, dann sehen wir uns am elften Januar", hörte ich Jess sagen, bevor sie das Gespräch beendete und mir das Handy wieder übergab. Sofort öffnete ich den Terminkalender, um dieses wichtige Datum darin zu vermerken.

„Ok, Prinzessin, dann können wir jetzt zur Planung schreiten, was Denver angeht", schlug ich enthusiastisch vor.

„Ich kann es nicht glauben, dass das so schnell geht", ließ Jess verlauten, als sie über meine Schulter spähte, um das Hotel zu begutachten, welches ich gerade in die engere Wahl zog, was unsere Unterkunft anging.

„The Brown Palace Hotel", las sie laut vor. „Bist du dir sicher, Niall, dass das nicht zu teuer wird?"

„Pah, eintausendsiebenhundert Dollar für sechs Nächte sind für den Schuppen geschenkt", meinte ich. „Es ist das älteste Hotel in Denver und steht demnach unter Denkmalschutz."

„Aber so ein teures Weihnachtsgeschenk kann ich dir leider nicht machen", seufzte sie leicht resigniert.

Abrupt ließ ich das Handy sinken und nahm ihr Gesicht in meine Hände. Als ich in ihre Augen schaute, sah ich Tränen darin glänzen.

„Jess", flüsterte ich, „es ist nicht wichtig, wie teuer ein Geschenk ist, sondern, dass es von Herzen kommt. Ich wünsche mir nichts mehr für dich, als dass ein Arzt dir helfen kann. Deswegen bekommst du von mir diese Reise geschenkt."

Anschließend küsste ich sie vorsichtig auf den Mund. Der Moment als unsere Lippen miteinander verschmolzen, brachte erneut so viele Gefühle hervor, dass die Ameisenarmee in meinem Bauch gewaltig rumorte.

„Ich weiß, Niall. Und dafür bin ich dir auch sehr dankbar", wisperte sie nach dem innigen Kuss.

Man sollte eigentlich annehmen, dass die Zeit, wenn man auf etwas wartete, sehr langsam verging, doch genau das Gegenteil war nun der Fall. Die Tage und Wochen bis Weihnachten rasten nur so dahin, was aber auch bedeutete, dass Jess und ich für kurze Zeit Abschied voneinander nehmen mussten.

Ich flog über Weihnachten nach Irland, zu meiner Familie, während Jess diese Tage ebenso im Kreise ihrer Angehörigen verbrachte. Ich ließ es mir jedoch nicht nehmen, sie persönlich zu ihrem Elternhaus zu bringen, bevor ich in einem Privatjet nach Dublin reiste. Selbst diese kurze räumliche Trennung von Jess machte mir bewusst, wie sehr wir beide aneinander hingen. Ich konnte es kaum erwarten, Silvester mit ihr zu feiern und Anfang Januar mit ihr nach Denver zu fliegen.

Obwohl diese Reise nicht ausschließlich den Charakter eines Urlaubstrips besaß, freuten wir beide uns trotzdem sehr darauf. Weitab von London und ohne berufliche Termine, würde ich auch nicht unbedingt von Paparazzi verfolgt werden. Es sei denn, sie fanden durch Zufall heraus, dass ich mich in Denver aufhielt.

Dieser Katastrophe konnte ich jedoch vorbeugen, indem ich regelmäßig Posts von Bildern aus meinem Wohnzimmer auf Twitter und Instagram veröffentlichen würde. Fünf Jahre im Showgeschäft ließen mich zu einem Profi werden, was solche Dinge betraf.

Als ich vor zwei Jahren nach Denver flog, um mich einer Knieoperation zu unterziehen, hatte das niemand mitbekommen. Erst, als ich wieder in London aus dem Flugzeug stieg. Zu dieser Zeit verfügten wir jedoch noch nicht über Privatjets, das sah heutzutage anders aus. Für mich war es selbstverständlich, dass Jess und ich dieses Transportmittel nutzen würden, ungeachtet der Kosten, die mein fettes Bankkonto aber nicht besonders schmälerten.

Als ich Jess meinen ausgeklügelten Plan in der Silvesternacht ausführlich darlegte, begann sie zu grinsen.

„Du bist so süß, Niall, wie du dir immer Gedanken um alles machst", sagte sie.

„Wir wollen doch nicht gestört werden", meinte ich und küsste sie auf die Nasenspitze.

„Das ist wohl wahr."

Nach diesem Gespräch wandten wir uns wieder der Party zu, welche in einem Privatclub in London stattfand. Dort tauchten zum Glück keine ungebetenen Gäste auf, sodass wir in Ruhe feiern konnten. Ein neues Jahr voller unvorhersehbarer Ereignisse kam auf uns beide zu. Zum ersten Mal in meinem Leben waren die Tage, Wochen und Monate nicht verplant, was jedoch etwas Gutes hatte. Ich konnte für Jess da sein, wann immer sie mich brauchte.

Eigentlich hätte ich diese Auszeit für mich und meine persönlichen Belange nutzen sollen, doch nun lagen die Dinge ein bisschen anders. Keine Macht der Welt würde mich davon anhalten, Jess gerade jetzt alleine zu lassen, wenn sie mich am meisten brauchte. Ich sah dies als eine Art Herausforderung, einen Menschen in mein Leben zu integrieren, den ich liebte und den ich nicht missen wollte.

Das alte Jahr ging mit einer wüsten Party zu Ende und startete ruhig und beschaulich in meinem Bungalow, als Jess und ich gegen Mittag erwachten. Sie räkelte sich neben mir im Bett und bettete ihren Kopf auf meine Brust, nachdem sie feststellte, dass ich die Augen aufgeschlagen hatte.

„Es regnet", hörte ich sie murmeln.

„Na und? Wir können hier im warmen Bett so lange kuscheln, wie wir wollen", gab ich zurück.

In einer Woche sind wir schon in Denver", sagte Jess plötzlich und richtete sich auf.

„Hast du Angst?" Meine Augen glitten prüfend über ihr Gesicht.

„Ich weiß nicht, ob Angst der richtige Ausdruck ist, verstehst du? Es kann nicht mehr schlimmer werden, nur besser. Vielleicht bekommen sie den Eingriff in Denver mit einer Minimalinvasiv OP geregelt", seufzte sie.

Sanft streichelte ich durch ihre langen Haare und murmelte beruhigend: „Das wird schon irgendwie, keine Sorge."

„Vielleicht sollte ich mir einfach nicht so viele Gedanken darum machen, sondern mich eher um das Psychologie Studium kümmern", erwiderte Jess. „Selbst wenn man mich operiert, könnte ich mich bereits dafür anmelden."

„Das stimmt wohl."

Ihre Entschlossenheit, was ihre Zukunft anging, beeindruckte mich immens. Sie hatte sich damit abgefunden, nie wieder tanzen zu können und versuchte nun das Beste daraus zu machen.

Ich hielt sie auch in den nächsten Tagen nicht davon ab, Schritte dahingehend zu unternehmen. Online Anmeldungen waren heute eine Selbstverständlichkeit und so schickte Jess die erforderlichen Unterlagen einen Tag bevor wir unsere Reise nach Denver antraten per E-Mail an die Universität, welche sie sich ausgesucht hatte.

Wie zu erwarten, lag diese Institution in London, was mir natürlich sehr gelegen kam. Nachdem das erledigt war, packten wir unsere Koffer, was nicht viel Zeit in Anspruch nahm, da sich die Frage welche Kleidung wir mitnehmen sollten, nicht stellte. Es herrschte ein strenger Winter in Denver, mit Temperaturen um den Gefrierpunkt. Also nahmen wir dementsprechend warme Sachen mit.

Am Abend telefonierte Jess noch kurz mit ihren Eltern, sowie mit Anne, die ihr alle die Daumen drückten, dass bei der Untersuchung keine schlimmen Dinge zum Vorschein kommen würden.

Als unser Privatjet am nächsten Tag gegen Mittag startete, lächelten wir uns zu. Jess lehnte ihren Kopf an meine Schulter und blickte aus dem Fenster.

„Danke, Niall, dass du mich so verwöhnst."

„Bitte, gern geschehen, das ist dein Weihnachtsgeschenk, schon vergessen?"

„Nein, und ich werde mich immer daran erinnern, egal, wie lange es her sein sollte."

Natürlich schliefen wir auch während des langen Fluges, in einem Privatjet konnte man sich dahingehend so richtig ausbreiten. Selbst für unser leibliches Wohl wurde gesorgt und wir konnten Filme anschauen, bis wir erneut müde wurden.

Nach insgesamt zehn Stunden Flug setzte der Jet endlich zur Landung an. In Denver begrüßte uns ein wolkenloser, strahlendblauer Himmel, aber es war ziemlich kalt, viel kühler als in London. Damit hatten wir jedoch kein Problem. Nachdem Jess und ich die Passkontrolle hinter uns gebracht hatten, holten wir den Mietwagen ab, einen schwarzen Range Rover. Dieser sah fast genauso aus wie mein eigener, der nun verwaist zuhause stand.

Die Fahrt zum Hotel dauerte nicht viel länger als eine halbe Stunde, da die Rushhour noch lange nicht eingesetzt hatte. Als ich den Wagen vor dem imposanten Gebäude parkte, begrüßte uns sofort einer der Angestellten, in dessen Zuständigkeitsbereich der Fuhrpark fiel. Ein weiterer Bediensteter kümmerte sich sogleich um unsere Koffer, während wir eincheckten.

„So viel Luxus", staunte Jess.

Ich grinste und zwinkerte ihr zu, nachdem ich die Key-Karten für das Zimmer in Empfang genommen hatte.

„Lass uns noch oben fahren und schauen, wie die Bude von innen aussieht", lautete mein Kommentar.

Im Zimmer angekommen, bewunderten wir beide zunächst den Ausblick, welcher wirklich atemberaubend war. Ebenso ließ die Einrichtung des Raumes keine Wünsche offen.

„Hier bleiben wir jetzt also sechs Tage", ließ Jess verlauten, nachdem sie sich gründlich umgeschaut, und die große Dusche bewundert hatte.

„Ja, sechs Tage und sechs Nächte, nur du und ich, weit weg von London."

Es schien ein guter Anfang für das neue Jahr zu sein, obwohl Jess noch eine Untersuchung bevorstand. Aber diese geriet zunächst in den Hintergrund, da wir einige Tage vor dem Termin angereist waren und andere Dinge auf unserer Liste standen.

Am Ankunftstag nahmen wir uns allerdings die Innenstadt von Denver vor, um einen Überblick über alles zu erhalten. Dort befanden sich für amerikanische Verhältnisse jede Menge alter Gebäude, doch unser Hotel war wirklich das älteste. Diese Tatsache gefiel Jess ausgesprochen gut. Sie schwärmte noch bis in die Nacht hinein von unserer Bleibe und ich war froh, dass ich mich durchgesetzt hatte, dieses Hotel als unseren Favoriten festzulegen.

Nach einem bombastischen Frühstück machten wir uns am nächsten Tag mit dem Range Rover auf den Weg in Richtung Rocky Mountains. Mein Plan, dass Jess den eigentlichen Grund der Reise ein wenig vergessen sollte, ging voll und ganz auf. Sie konnte sich an der schneebedeckten Landschaft nicht satt sehen und schoss ein Bild nach dem anderen mit ihrem Smartphone.

„Es ist ein Traum, Niall", sagte sie immer wieder.

Ihr Lächeln verzauberte mich total, ebenso ihre Begeisterung, wenn sie etwas entdeckte, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie strahlte so viel Lebensfreude aus wie noch nie zuvor. Als ich daran dachte, dass sie noch vor einem halben Jahr ihr Dasein in einem Zimmer, in einem Rollstuhl sitzend dahinfristete, konnte ich es fast nicht glauben. Und doch entsprach es der Wahrheit, dass ich ein Teil dieses Wunders war, welches ich gerade erlebte.

Ein falscher Buchstabe hatte unsere beiden Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. In diesem Moment war ich dankbar für jeden Satz, den ich an Jess geschrieben hatte.

„Ich muss all die Eindrücke mitnehmen, vielleicht kann ich sie beim Psychologie Studium verwenden", plapperte sie drauflos, als wir uns wieder auf dem Rückweg zum Hotel befanden.

„Dieser Ort hat mich verzaubert! Ich würde am liebsten ein Haus hier mit dir kaufen", sprudelte es aus ihr hervor.

Lachend warf ich meinen Kopf zurück. „Na ja, wieso eigentlich nicht. Ich meine, wenn Harry LA zu seinem Wohnsitz auserkoren hat, warum sollte ich nicht in den Rocky Mountains leben können."

Wir scherzten noch eine Weile über die fünf Kinder und zwei großen Hunde, mit denen wir dann in den Bergen leben würden, bevor wir ein Steakhouse erreichten, in welchem wir unser Abendessen einnahmen.

Jeder Tag mit Jess war ein Geschenk, ihre fröhliche Art verzauberte mich immer wieder aufs Neue. Wir verbrachten vier unendlich wundervolle Tage zusammen, doch am fünften wurde es ernst. Jess musste bei Dr. Steadman vorsprechen und ich begleitete sie selbstverständlich.

Ich konnte an ihrem Gesicht erkennen, dass sie plötzlich von Angst und Zweifel heimgesucht wurde, als wir das Krankenhaus betraten. Deshalb ließ ich ihre Hand nicht los. Selbst als wir im Fahrstuhl standen, umfassten meine Finger die ihren, um ihr zu zeigen, dass ich für sie sein würde, egal, was passierte.

Am Ziel angekommen, wurden wir zunächst von Dr. Steadmans Assistentin in Empfang genommen, welche uns aufforderte, kurz Platz zu nehmen. Unsere Wartezeit erstreckte sich jedoch nur über einen Zeitraum von fünf Minuten, dann erschien der Arzt.

„Hallo, Miss Meyers, hallo Mr Horan", begrüßte er uns mit einem aufmunternden Lächeln, bevor er uns anwies, ihm in sein Reich zu folgen.

Ich konnte förmlich spüren, wie nervös Jess war, denn ihre Hände fühlten sich feucht an. Kaum saßen wir in den bequemen Sesseln, begann Dr. Steadman zu reden.

„Nun, Miss Meyers, ich habe mir Ihre Unterlagen, sowie die MRT Bilder gründlich angesehen. Es wird allerhöchste Zeit zu handeln."

Er machte eine kurze Pause, seine Augen waren auf Jess geheftet, die leicht zu zittern anfing. Da half es auch nicht viel, dass ich ihre Hand sanft drückte, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Das Beben ihres Körpers verstärkte sich, als der Arzt die nächsten Worte sprach.

„Was möchten die zuerst hören, Miss Meyers? Die gute, oder die schlechte Nachricht?"

„Die Schlechte", würgte sie mühsam hervor.
_______________
Was wird wohl die schlechte Nachricht sein? Und was die Gute?

Ich weiß nicht, was mit Wattpad los ist, viele meiner Leser haben nicht angezeigt bekommen, als ich das letzte Kapitel hochgeladen habe. Ich hoffe einfach mal, dass das jetzt wieder behoben ist.

LG, Ambi xxx





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