42. I'm with you
Jess
Die Schmerzen flauten langsam ab, weil die Wirkung des Mittels einsetzte, welches Dr. Baker mir gegeben hatte. Trotzdem kam ich um einen Krankenhausbesuch nicht drum herum. Es ärgerte mich maßlos, dass ich aus lauter Unachtsamkeit gestürzt, und auf mein lädiertes Knie gefallen war. Wie konnte man nur so dumm sein? Aber vermutlich trug die Euphorie, welche sich in mir aufbaute, nachdem Niall und ich uns wieder versöhnt hatten, dazu bei, dass ich mich nicht auf meine Schritte konzentrierte. Dies tat ich normalerweise nämlich immer noch, wenn sich der Boden rutschig anfühlte, wie heute.
Während Niall eine kleine Reisetasche für meinen Krankenhausaufenthalt packte, lag ich auf dem Sofa und brütete vor mich hin. Ich wollte nicht hoffen, dass ich mit irgendwelchen schmerzhaften Untersuchungen vorlieb nehmen musste. Davon hatte ich in der Vergangenheit genügend hinter mich gebracht.
„Jess, soll ich deinen Mickey Mouse Schlafanzug einpacken, oder den mit Olaf drauf?", ertönte Nialls Stimme aus dem Schlafzimmer.
„Den mit Olaf!", antwortete ich.
Meine Schlafanzüge waren peinlich, daran gab es keine Zweifel, aber Niall störte sich nicht daran, im Gegenteil. Er vertrat den Standpunkt, dass es ihm so oder so egal sei, was ich über meinem scharfen Körper trug, da er, wenn es die Situation erforderte, den Schlafanzug ohne zu zögern ausziehen würde. Ich beschloss, dass es den Leuten im Krankenhaus ebenfalls egal sein konnte. Was kümmerte mich meine Aufmachung, wenn ich in einem Bett lag? Wichtig war einzig und alleine, dass ich diese schlimmen Schmerzen auf Dauer loswurde.
Nachdem ich meine Eltern angerufen hatte, um sie über die aktuellen Ereignisse zu informieren (sie waren natürlich mittelmäßig ausgeflippt, versprachen aber sofort, mich in London besuchen zu kommen), rief ich bei Anne an. Meine beste Freundin reagierte mehr als nur geschockt über die Tatsache, dass Niall mich gleich ins Krankenhaus fahren würde.
„Euch zwei kann man aber auch keine Sekunde alleine lassen", lautete ihre Aussage, vorgetragen mit einem lauten Schnaufen.
„Doch, es hat ja mehr als fünf Wochen wunderbar geklappt", erwiderte ich ungerührt.
Annes tiefes Seufzen drang in meine Ohren. „Wenn du länger drinbleiben musst, komme ich dich auf jeden Fall besuchen", versprach sie.
„Ja, ich werde dir Bescheid geben, sobald ich Näheres weiß."
Nachdem Niall die Reisetasche fertig gepackt hatte, zog ich meine Schuhe an, die direkt vor dem Sofa standen.
„Bleib sitzen, Jess. Ich bringe erst die Tasche ins Auto und dann dich", mahnte mein Freund, was ich mit einem Nicken zur Kenntnis nahm.
Der Weg zum Auto an gestaltete sich einfach, da Niall mich trug. Meine Arme um seinen Nacken gelegt, fühlte ich mich sicher und geborgen. Natürlich spielte es dabei eine Rolle, dass die Wirkung des Schmerzmittels inzwischen voll eingesetzt hatte. Ich spürte fast nichts mehr, wurde aber ein bisschen schläfrig.
„Alles ok?", erkundigte sich Niall, nachdem ich mit seiner Hilfe auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte.
„Ja, es geht schon", murmelte ich, bevor mir die Augen zufielen.
Ich bekam gar nicht mehr mit, wie Niall das Auto aus dem Hof fuhr, geschweige denn, nahm ich irgendetwas von der Fahrt nach London auf. Erst als wir auf dem großen Krankenhausparkplatz standen, öffnete ich langsam meine Augen.
Niall, der sämtliche Papiere, die der Arzt ausgefüllt und unterschrieben hatte, bei sich trug, half mir natürlich beim Aussteigen. Dann schulterte er die kleine Reisetasche, nahm mich fest an die Hand und sagte: „Schaffst du es bis zum Eingang?"
Als ich nickte, setzten wir uns gemächlich in Bewegung. Die wenigen Schritte, die ich gehen musste, wurden trotzdem innerlich zur Qual. Schon alleine der Anblick des Krankenhauses ließ mich schaudern. Ich wollte dort nicht hin, man würde mir ohnehin nichts Neues sagen. Vielleicht wurde alles sogar noch schlimmer. Heute Nacht würde ich alleine in einem unpersönlichen Raum, ohne Nialls warmen Körper neben meinem, nächtigen.
Nur alleine der Gedanke daran löste ein unangenehmes Magendrücken bei mir aus. Kurz bevor wir die Treppe erreichten, stoppten Nialls Schritte. Er schaute mich an und ehe ich mich versah, hatte er mich hochgehoben.
„Niall, das ist viel zu schwer!", protestierte ich, da er gleichzeitig die Reisetasche trug.
„Unsinn", knurrte er und lief einfach weiter, Stufe für Stufe.
Erst als wir die Tür erreicht hatten, ließ er mich wieder runter.
„Du bist ein Sturkopf, weißt du das?"
„Sagt gerade die Richtige", grinste er, um sogleich nach meiner Hand zu fassen.
Kaum betraten wir das Gebäude, kam eine Krankenschwester auf uns zu. Sie hatte wohl bemerkt, dass ich humpelte.
„Was ist denn mit Ihnen passiert?", erkundigte sie sich sofort.
Wir blieben kurz stehen, damit Niall die Papiere hervorholen konnte.
„Sie müssen in den ersten Stock, zu Dr. Waters. Ich besorge schnell einen Rollstuhl."
„Nein!", sagte ich scharf. „Keinen Rollstuhl!"
Monatelang hatte ich in solch einem Teil verbringen müssen, war froh, es endlich los zu sein, und nun wollte man mir hier wieder so etwas andrehen.
„Sie hat eine Antipathie gegen Rollstühle", erklärte Niall freundlich, worauf die Schwester nickte.
Sie schien es zumindest zu verstehen, denn sie geleitete uns nun zu den Aufzügen. Im ersten Stock angekommen, musste ich zunächst einige Formulare ausfüllen, bevor Dr. Waters mich in Empfang nahm.
„Guten Tag, Miss Meyers. Dr. Baker hat mich bereits kontaktiert", begrüßte er mich freundlich lächelnd, bevor er sich kurz an Niall wandte. „Er ist Ihr Hausarzt, nicht wahr?"
„Ja, das ist er."
„Gut. Ich habe veranlasst, dass sämtliche Unterlagen betreffend Ihres letzten Krankenhausaufenthaltes herausgesucht werden", erklärte er uns.
„Sie waren aber damals nicht auf der Station", stellte ich überrascht fest.
„Nein, aber meine Vorgänger, Dr. Paul."
Ich nickte. Dr. Paul hatte sich damals sehr um mich gekümmert, obwohl er wusste, dass mein Knie für immer kaputt sein würde.
„Ich werde mir jetzt Ihr Knie kurz ansehen und dann dürfen Sie in Ihr Zimmer."
Tränen traten in meine Augen, ich wollte nicht hierbleiben, aber ich wusste auch, dass Niall nicht mitspielen würde, wenn ich ihm vorschlug, mich wieder mit nach Hause zu nehmen.
Das Abtasten des leicht geschwollenen Knies tat weh, aber nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.
„Wir werden morgen ein MRT machen, nur zur Sicherheit", erklärte Dr. Waters jetzt.
„Wie lange muss ich denn hierbleiben?", fragte ich.
„Das kommt ganz darauf an, was bei dem MRT herauskommt", bekam ich zur Antwort.
Das waren ja schöne Aussichten. Als ich spürte, wie Niall meine Hand ergriff, fing ich an zu weinen. Er bemerkte es natürlich sofort, obwohl ich mein Gesicht anwandte, und nahm mich in seine Arme.
„Es wird alles gut, Prinzessin", wisperte er. „Ich bleibe heute so lange es geht und bin morgen früh sofort wieder bei dir."
Womit hatte ich nur so einen lieben Freund verdient? Niall blieb an diesem Abend bis zehn Uhr im Krankenhaus und versprach, morgen so früh wie möglich hier zu sein. Ich wusste, dass er sich durch einen Mega Stau quälen musste, denn alles und jeder fuhr zur Rush Hour nach London. Aber das schien ihm völlig egal zu sein.
„Mach's gut, Prinzessin, wir schreiben nachher, ok?", flüsterte er mir ins Ohr, bevor er sich mit einem unendlich langen Kuss verabschiedete.
Es fiel mir schwer, ihn gehen zu lassen, doch es führte kein Weg daran vorbei. Als Niall die Tür hinter sich zuzog, bildeten sich erneut Tränen in meinen Augen. Über das Wort „Krankenhauskoller" hatte ich früher immer gelacht, doch jetzt erfuhr ich, was es wirklich bedeutete.
Ich wollte hier raus, ich hatte Angst, ich war mit den Nerven am Ende. Warum konnte nicht einmal in meinem Leben etwas gut laufen? Kaum fand ich mich damit ab, dass das Ballett Tanzen für mich nicht mehr in Frage kam, tat sich der nächste Abgrund auf. Vielleicht war mein Knie so schlimm verletzt, dass ich nie wieder richtig laufen würde, sondern auf immer und ewig durch die Gegend humpelte. Was, wenn man mich operieren wollte und dadurch alles nur noch schlimmer machte?
Meine Gedanken standen nicht still, selbst das Fernsehprogramm lenkte mich nicht ab, nicht einmal für eine Minute. Ständig malte ich mir die heftigsten Szenarien aus, was mich immer mehr runterzog. Als endlich die erste Nachricht von Niall eintraf, war ich bereits zu einem Nervenbündel mutiert.
„Wie geht es dir, meine Süße?"
„Bitte ruf mich an, Niall, ich muss deine Stimme hören", textete ich sofort zurück.
Eigentlich war das Telefonieren nach zehn Uhr am Abend untersagt, aber da ich alleine im Zimmer lag, schien mir das Befolgen dieser Regel völlig unsinnig zu sein. Sekunden später ertönte der Klingelton und ich nahm das Gespräch entgegen. Es tat so gut, mit Niall sprechen zu können, seine sanfte, beruhigende Stimme zu hören, die sich wie eine schützende Hand um mein Herz legte.
„Hey, Prinzessin, ich vermisse dich."
„Ich vermisse dich auch, ganz doll."
Schon wieder spürte ich die Tränen in meinen Augen.
„Ich würde jetzt so gerne in deinem Arm liegen", schniefte ich traurig.
„Das wäre mir auch lieber, glaube mir", entgegnete er. „Aber weißt du was? Wenn du wieder da bist, liegen wir den ganzen Tag auf dem Sofa und kuscheln. Das hört sich doch gut an, oder?"
Ein kleines Lächeln umspielte, trotz der Tränen, meine Lippen. „Sehr gut", seufzte ich.
„Na siehst du, alles wird gut werden." Ich stellte mir gerade den Blick seiner blauen Augen vor, ebenso wie sein verschmitztes Grinsen.
Seufzend setzte ich mich ein wenig auf, die Tür stets im Blick, damit ich das Handy jederzeit unter der Bettdecke verschwinden lassen konnte, falls die Nachtschwester ihre Runde drehte. Erst vor zehn Minuten hatte sie mir ein Schmerzmittel verpasst, damit ich auch gut schlafen würde. Aber noch setzte die Wirkung nicht ein, was zur Folge hatte, dass es in meinem Knie zu stechen begann.
So gut es ging, versuchte ich dies zu ignorieren und Niall half mir gerade sehr dabei. Es gelang ihm sogar, mich zum Lachen zu bringen, als er erzählte, dass seine Pflanzen mich sogar vermissen würden. Diese hatte ich nämlich während der letzten Wochen liebevoll gepflegt. Je weiter das Gespräch fortschritt, desto müder wurde ich. Nach einer halben Stunde war ich kaum mehr Imstande, die Augen offen zu halten, ebenso verschwand der Schmerz im Knie.
„Ich bin so müde", murmelte ich ins Telefon.
„Dann solltest du schlafen, Jess. Wir sehen uns morgen, ok?"
„Hmmm", machte ich nur und wisperte mit geschlossenen Lidern: „Ich liebe dich, Niall."
„Ich liebe dich auch, meine Süße. Schlaf schön."
Morgens um Punkt sechs wurde ich erbarmungslos aus meinen wirren Träumen gerissen.
„Guten Morgen, wie geht es dir heute, Jess?"
Sofort öffnete ich die Augen, als ich die bekannte Stimme vernahm. Schwester Christina kannte mich noch, sie hatte nicht vergessen, dass ich vor einigen Monaten hier, auf dieser Station lag.
„Ich habe gehört, du kannst wieder laufen und hast dir jetzt das Knie angeschlagen." Sie tätschelte kurz meine Hand. „Keine Sorge, die kriegen das schon wieder hin, Jess."
Im gleichen Atemzug erkundigte sie sich, ob ich alleine aufstehen könne, was ich mit einem Schulterzucken beantwortete.
„Wir probieren es einfach, ok?", sprach sie mir Mut zu.
Tatsächlich klappte es mit dem Stehen und Gehen einigermaßen, obwohl ich Schmerzen hatte, jedoch nicht so schlimme wie gestern.
Nachdem ich mich gewaschen und einen Jogginganzug übergezogen hatte, servierte Christina das Frühstück. Ich hatte gerade den letzten Bissen zu Ende gekaut, da meldete sich mein Handy zu Wort. Wie zu erwarten handelte es sich beim dem Anrufer um Niall.
„Hey, Süße, wie geht es dir?"
„Es geht so, ich hab gerade gefrühstückt."
„Ok, ich fahre jetzt los, das wollte ich dir nur sagen."
Obwohl es sich nur um ein sehr kurzes Gespräch handelte, zauberte dieses ein Lächeln auf mein Gesicht. Niall schaffte es binnen Sekunden, mich ein wenig aufzumuntern, selbst wenn ich nur seine Stimme hörte und ihn nicht sehen konnte.
Mit einem kleinen Seufzen legte ich das Handy zur Seite und wollte mich gerade durch die Kanäle der TV Sender zappen, als die Tür zu meinem Zimmer sich öffnete. Ein junger Arzt, der sich als Dr. Collins vorstellte, bereitete alles zur Blutentnahme vor, bevor er sich an meine Venen herantraute. Es gab einen kleinen Stich, dann beobachtete ich, wie sich die Kanüle langsam mit der roten Flüssigkeit füllte. Insgesamt zog Dr. Collins vier Kanülen Blut ab.
Froh darüber, dass meine Venen genügend davon besaßen, lehnte ich mich in das Kissen zurück, nachdem er wieder das Zimmer verlassen hatte. Hoffentlich würde Niall bald hier sein. Ich konnte es kaum erwarten, seine Umarmungen zu spüren, die mir Trost und Hoffnung gaben, wann immer ich es benötigte.
Wie zu erwarten, dauerte es jedoch fast eine ganze Stunde, bis er in meinem Zimmer auftauchte. Erleichterung machte sich in mir breit, als er auf das Bett zuging, um mich dann sofort in die Arme zu schließen.
„Ich hab dich so vermisst", wisperte er.
„Ich dich auch."
„Hast du Schmerzen?"
Seine blauen Augen glitten prüfend über mein Knie, als er die Bettdecke zurückschlug.
„Es geht, ich bekomme ja Schmerzmittel. Und heute Morgen war es gar nicht mehr so schlimm wie gestern", erklärte ich wahrheitsgetreu.
„Wahrscheinlich ist es wieder gereizt, wie damals..."
„Du meinst, als ich wegen der Penisgeschichte aus dem Bett gefallen bin?"
Obwohl uns beiden eigentlich nicht zum Lachen zumute war, taten wir es trotzdem.
„Das werden wir wohl nie vergessen", kicherte ich leise, als Niall mir einen Kuss auf die Wange drückte. Dabei glitten seine Finger durch mein langes Haar, welches ein wenig verwuschelt wirkte.
„Ich hoffe, ich kann dich bald wieder mit nach Hause nehmen", seufzte er.
Wie auf Bestellung öffnete sich die Zimmertür und Dr. Waters trat in Begleitung einer Kollegin ein.
„Guten Morgen, Miss Meyers, guten Morgen, Mr Horan", begrüßte er uns freundlich. „Wir bringen Sie jetzt gleich zur Untersuchung und nachdem ich mir die MRT Bilder angeschaut habe, wird entschieden, wie wir weiter vorgehen", verkündete er sodann.
Mit einem sehr mulmigen Gefühl in der Magengegend ließ kurze Zeit später die Untersuchung über mich ergehen. Niall wartete vor dem Raum, in dem das MRT durchgeführt wurde, und obwohl ich ihn nicht sehen konnte, gab mir nur der Gedanke an seine Anwesenheit ein wenig Kraft. Gleich würde ich ihn wieder sehen, mit ihm sprechen, meine Körper an seinen schmiegen und einfach nur liebevoll von ihm umarmt werden, sobald wir wieder in meinem Zimmer waren.
Sein Lächeln, als mein Bett auf den Gang herausgeschoben wurde, brannte sich in meine Seele und ließ mich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich strahlen. Er hielt die ganze Zeit meine Hand, während er neben dem Bett herlief, das von einer Krankenschwester durch den Gang geschoben wurde.
Kaum waren wir alleine im Zimmer, lege Niall sich einfach auf das Bett, sodass ich meinen Kopf auf seine Brust legen konnte. Genau das brauchte ich jetzt, seine Nähe und nichts anderes. Unsere Lippen fanden sich zu einem zarten Kuss, der prompt eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper produzierte. Selbst in der tristen Umgebung des Krankenhauses, schaffte es Niall, mich innerlich erzittern zu lassen. Nur durch diesen kleinen, sanften Kuss.
„Ich werde dich nicht alleine lassen", flüsterte er. „Egal, wann das Ergebnis kommt."
In der Tat mussten wir eine ganze Weile darauf warten, die sich vermutlich wie eine Ewigkeit angefühlt hätte, wenn ich sie hätte alleine verbringen müssen. Doch mit Niall an meiner Seite vergingen selbst die nächsten Stunden unglaublich schnell. Mit Erlaubnis der Oberschwester durfte er mich sogar in die Cafeteria mitnehmen.
Dort aßen wir eine Kleinigkeit, da das Mittagessen mir geschmacklich überhaupt nicht zusagte, und ich demnach fast die Hälfte zurückgehen ließ. Nun musste mein Magen mit anderen Dingen gefüllt werden. Niall erledigte das im Handumdrehen, indem er mich immer wieder fütterte. Jede noch so kleine Aufmunterung war mir willkommen, denn meine Nerven lagen wirklich blank.
Gegen drei Uhr am Nachmittag schlug endlich die Stunde der Wahrheit. Dr. Waters spazierte mit ernstem Gesichtsausdruck in mein Zimmer. Ich ahnte schon, dass dies nichts Gutes bedeutete und war dementsprechend nervös. Niall hielt meine Hand mit seinen Finger fest umklammert, als der Arzt zu sprechen begann.
„Miss Meyers, ich habe mir die Bilder angeschaut, und außerdem ihre Akte des Aufenthaltes im Frühjahr bei uns studiert. Es sieht so aus, als ob wir Sie operieren müssten und zwar schon sehr bald, damit nicht noch größere Schäden an Ihrem Knie entstehen."
Bevor ich dazu in der Lage war, auch nur einen Laut von mir zu geben, sprach Niall.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!"
Seine Stimme klang energisch und entschlossen, sodass Dr. Waters überrascht dreinschaute.
„Das haben Sie nicht zu entscheiden, Mr. Horan", versuchte er meinem Freund den Schneid abzukaufen. Doch Niall ließ sich nicht beirren.
„Sie aber auch nicht", gab er zur Antwort.
„Und wer bitte sollte es Ihrer Meinung nach entscheiden?", fragte der Art perplex.
„Jess. Sie ist die Patientin und außerdem volljährig. Sie können sie nicht gegen ihren Willen operieren."
Nialls Aussage animierte mich augenblicklich zum Nachdenken. Was wollte er damit bezwecken?
„Also gut", vernahm ich nun die Stimme von Dr. Waters. „Dann fragen wir Miss Meyers, was Sie gerne möchte."
Als ich in Nialls Augen schaute, sah ich den warnenden Ausdruck darin, der mir sagte, dass ich jetzt keinesfalls eine Entscheidung treffen sollte. Also holte ich tief Luft, um dann zu antworten: „Ich würde gerne darüber nachdenken."
„Nun gut, aber denken Sie nicht zu lange nach, das könnte schlimme Folgen haben."
Mit einem Kopfschütteln verließ der Arzt das Zimmer, was Niall ziemlich erleichtert aufatmen ließ.
„Hör zu, Jess", begann er. „Ich möchte, dass du dir eine zweite Meinung einholst und zwar von dem besten Spezialisten der Welt. Wenn dieser der gleiche Ansicht ist, wie Dr. Waters, kann er dich operieren, aber kein anderer."
„Und wo finde ich diesen Spezialisten?", erkundigte ich mich.
„In Denver, Colorado."
„Du bist verrückt!"
„Nein, bin ich nicht. Er hat mein Knie wieder soweit hinbekommen, dass es fast wieder ok ist. Es wir zwar nie wieder 100 Prozent sein, aber wenn ich mich hier, in London hätte operieren lassen, würde ich vermutlich humpeln und nicht gerade laufen, so wie ich es jetzt tue."
Ich wusste, dass er eine Menge durchgemacht hatte, was das anging und auch, dass er diesem Arzt wohl sehr vertraute. Wie hätte ich Nialls Meinung jemals anzweifeln können? Das Problem, das nun auftauchte, war, wie ich den Flug nach Denver bezahlen sollte, ohne meinen Eltern auf der Tasche zu liegen. Sicher würden sie mir das Geld geben, doch so kurz vor Weihnachten zählte wirklich jeder Groschen.
„Ich weiß nicht, Niall. Der Flug nach Amerika ist so teuer und..."
Augenblicklich unterbrach er mich. „Jess, ich schenke dir diesen Flug. Sieh es als..., ein Weihnachtsgeschenk, ok?"
Nialls blaue Augen schauten mich eindringlich an. „Bitte, Jess. Es ist mir wichtig, du bist mir wichtig. Ich möchte nur das Beste für dich."
Zärtlich streichelte seine Hand über meine, doch er nahm seinen Blick nicht von meinem Gesicht. In jenem Moment verstand ich, wie viel ich ihm bedeutete, was mich unendlich glücklich machte.
„Du möchtest mir diese Reise also sozusagen als Weihnachtsgeschenk offerieren?"
„Ja, meine Prinzessin, das will ich."
„Du bist zu süß und der liebste Mensch der Welt." Nachdem ich das ausgesprochen hatte, kullerten Tränen aus meinen Augen, so ergriffen war ich. Niall küsste diese schnell weg, lächelte, und sagte: „Du wirst sehen, Denver wird dir gefallen!"
„Werde ich denn mehr davon sehen, als das Krankenhaus?"
„Wenn wir zur ersten Untersuchung hinfahren, auf jeden Fall."
Nachdenklich entgegnete ich: „Es dauert doch bestimmt ewig, bis ich da einen Termin bekomme", was Niall jedoch mit einem Augenzwinkern abtat.
„Der Arzt kennt mich, Jess. Er hat mich operiert und gesagt, falls ich irgendwelche Probleme hätte, würde ich sofort einen Termin erhalten."
„Ja, du vielleicht, aber es geht hier um mich."
Sein ernster Gesichtsausdruck, in welchen er sogleich verfiel, ließ mich ahnen, dass er alles in Bewegung setzen würde, um mich so schnell wie möglich nach Denver zu schleifen.
„Es geht hier um meine Freundin, das macht keinen Unterschied", lautete seine entschlossene Aussage.
Für einen Moment schloss ich meine Augenlider und ließ mich in das Kopfkissen zurücksinken. Niall wollte mich hier rausholen. In jener Sekunde gab es wohl nichts, was ich mir mehr wünschte. Sicher, ein erneuter Krankenhausbesuch, oder zumindest eine Untersuchung stand mit bevor, falls alles so klappte, wie er sich das vorstellte. Ich ging kein Risiko ein, wenn ich seinem Vorschlag zustimmte, denn schlimmer als bisher konnte es wirklich nicht mehr werden.
„Ok", sagte ich lächelnd, nachdem ich die Augen wieder geöffnet hatte. „Ich nehme dein Geschenk an und werde mit dir nach Denver fliegen."
„Das ist großartig!" Niall drückte seine überschwängliche Freude damit aus, indem er mich heftig umarmte. „Du wirst sehen, dass der Arzt super ist", flüsterte er mir ins Ohr. Danach folgte ein Kuss auf die Wange.
„So, Mr Horan, und jetzt holst du mich hier raus!", forderte ich meinen Freund auf.
Leider ging das nicht ganz so schnell, wie ich es mir wünschte, zumal plötzlich meine Eltern, mit Anne im Schlepptau auftauchten. Die drei waren gemeinsam hierhergekommen, um nun die nächste Überraschung zu erfahren. Niall klärte alle auf, dass es unser beider Ziel sei, dass ich so schnell wie möglich aus diesem Krankenhaus entlassen werden sollte. Auf die Frage meiner Eltern, warum dies so wäre, entgegnete er, dass ich und er bald nach Denver, zu dem besten Spezialisten der Welt, wenn es um Knie-Operationen ging, fliegen würden.
„Aber Jess, schaffst du das denn, so lange im Flugzeug zu sitzen?", erkundigte sich meine Mutter besorgt.
„Keine Bange, das geht schon", erwiderte ich fest überzeugt. „Ich möchte wirklich mit Niall dorthin fliegen. Also macht euch keine Sorgen, es wird schon alles gut gehen."
Natürlich waren die Ärzte, insbesondere Dr. Waters, nicht begeistert, als ich quasi am Abend selbst meine Entlassung aus dem Krankenhaus erwirkte. Sie versuchten auf mich einzureden, doch ohne jeglichen Erfolg. Niall würde mich mit nach Hause nehmen, es gab nichts, worüber ich mich im Moment mehr freute. Da das Knie Dank der Medikamente inzwischen etwas abgeschwollen war, gingen auch die Schmerzen zurück. Ich humpelte zwar noch ein wenig, als ich das Krankenhausgebäude verließ, doch an Nialls Hand zu gehen, gab mir genügend Sicherheit.
In seinem Haus angekommen, legte ich mich sofort auf das Sofa, während er noch schnell etwas zu Essen machte.
„Ich bin so froh, wieder hier zu sein", seufzte ich, als wir kurze Zeit später das Essen in uns hineinstopften.
„Ich auch, aber am meisten freue ich mich darüber, dass du meinem Vorschlag, nach Denver zu fliegen, zugestimmt hast", erwiderte mein Freund lächelnd.
„Wann willst du eigentlich diesen Arzt anrufen?", erkundigte ich mich neugierig.
„Sobald ich aufgegessen habe."
„Aber es ist doch schon Abend!"
„Nicht in Amerika."
Den Zeitunterschied hatte ich mal wieder komplett ausgeblendet, aber gut, dass Niall an so etwas dachte. Ein wenig unruhig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her, als ich bemerkte, dass er seinen leeren Teller wegschob, um dann nach dem Handy zu greifen. Mit klopfendem Herzen verfolgte ich, wie seine blauen Augen über das Display glitten, während seine Finger weiter nach unten scrollten. Sekunden später schien er die Nummer gefunden zu haben, die er benötigte, denn die Bewegungen seiner Finger stoppten.
Als er das Handy ans Ohr hielt, und ich kurz darauf seine Stimme vernahm, die ein „Hallo Mrs Miller, hier ist Niall Horan. Ist Doktor Steadman zu sprechen?", hervorbrachte, beschleunigte mein Puls ins Unermessliche.
Würde es Niall gelingen, einen Termin für mich in naher Zukunft zu erhalten?
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Jess hat sich also entschlossen, doch einen anderen Arzt aufzusuchen. Denkt ihr, dass ist eine gute Idee?
Ich weiß gar nicht, wie ich mich bei euch bedanken soll, denn ich habe mittlerweile die unglaubliche Leserzahl von 23,7 k erreicht! Das ist echt krass! Also danke an jeden Einzelnen, der diese Story liest, votet und/oder kommentiert!
Freut ihr euch auch schon so auf Freitag, wenn das neue Album von 1D rauskommt? Wer von euch hat denn auf iTunes vorbestellt und "Love you goodbye" bereits gehört? Ich finde das Lied einfach nur mega!
LG, Ambi xxx
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