35. Temptation

Niall

Noch einmal schlafen und ich würde Jess endlich wieder sehen!

Aufgeregt machte ich mich ans Kofferpacken, nachdem wir unsere Skype-Session beendet hatten. Obwohl Jess noch nicht richtig laufen konnte, was zugegeben einen Wermutstropfen auf meine Seele fallen ließ, freute ich mich doch über alle Maßen, dass sie trotzdem Fortschritte gemacht hatte. Jedenfalls ließen ihre spärlichen Aussagen dahingehend dies vermuten.
Während ich ein paar dicke Pullover aus meinem Schrank holte, wanderten meine Gedanken zum bevorstehenden Wochenende.

Drei Tage Dublin bedeutete für mich nicht nur drei Konzerte auf irischem Boden, meiner Heimat, zu geben, sondern auch, dass ich meine Familie und den Großteil meiner Freunde aus meinem Leben vor der X-Factor-Zeit sehen würde. Es fiel mir schwer, es in Worte zu fassen, wie sehr ich mich darauf freute. Für gewöhnlich tauchte ich nicht mehr öfter als ein- bis zweimal im Jahr in Irland auf. Dies begründete sich darin, dass unverschämte Fans das Haus meines Vaters belagerten, sobald jemand herausfand, dass ich mich in Mullingar aufhielt. Ich hatte schon lange keinen Bock mehr darauf, zuhause gemobbt zu werden.

Deshalb zog ich es vor, meine Familie und auch meine Freunde von Zeit zu Zeit nach London einzuladen. Dort waren wir wesentlich ungestörter, da niemand wusste, wo genau mein Bungalow stand. Mit Ausnahme meiner Familie und meinen engsten Freunden hatte niemand Zutritt zu den geheiligten Horanschen Hallen.

Nur meine Fuckbuddies aus London, die seit Jess in mein Leben getreten war, jedoch ein völlig irrelevantes Level erreicht hatten, kannten die Adresse ebenfalls. Allerdings rechnete ich an diesem Abend nicht mit dem Besuch einer gewissen Dame, bei der ich mich eigentlich schon vor vier Wochen hätte melden sollen.

Gerade als ich meine Boxershorts im Koffer verstaute, hörte ich das Läuten der Klingel, was mich ziemlich verwundert dreinschauen ließ. Wer besuchte mich denn zu solch später Stunde? Willie konnte das ganz gewiss nicht sein, denn er war heute Nachmittag bereits hier gewesen, um sich einen Rüffel einzufangen, weil er meine Pflanzen nicht ordnungsgemäß versorgt hatte. Glücklicherweise waren sie aber nicht eingegangen, was bedeutete, dass Willie ebenfalls weiterleben durfte.

Unmotiviert und neugierig zugleich warf ich einen Blick auf die Überwachungskamera, um überrascht festzustellen, dass Lucy Wilmington, wohnhaft im Londoner Stadtteil Camden und Fuckbuddie Nummer eins, wenn es um einen Blowjob ging, vor dem Tor stand. Die heiße Rothaarige wartete vergeblich seit meiner Rückkehr aus Amerika auf ein Lebenszeichen von mir.

Was sollte ich denn jetzt machen? So zu tun, als sei ich nicht zuhause, kam gar nicht gut, da der Zaun, welcher sich rings um das Grundstück platzierte, einen Blick auf meinen schwarzen Range Rover freigab. Außerdem konnte sie das Licht in der Küche brennen sehen, wenn sie es drauf anlegte und sich auf ihre Zehenspitzen stellte. Stöhnend raufte ich mir die Haare, während ich fieberhaft überlegte, wie ich ihr am besten beibringen sollte, dass unsere Friends-with-Benefits-Freundschaft nun beendet sein würde.

Als ich eine Minute später die Haustür öffnete, fiel sie mir sofort um den Hals und begann mich abzuknutschen. Nur mit allergrößter Anstrengung gelang es mir, mich aus ihrem Klammergriff zu befreien.

„Hey, Baby, du drückst mir ja die Luft ab", schnaufte ich nach einer gekonnten Linksdrehung, die es mir ermöglichte, mich wieder frei bewegen zu können, ohne dass Lucys Lippen wie Saugnäpfe an meinem Hals klebten.

„Niall James Horan! Ich warte seit vier Wochen auf ein Lebenszeichen von dir und du beschwerst dich, weil ich dich leidenschaftlich küssen will?", säuselte sie mit einem verführerischen Augenaufschlag.

„Lucy, ich hatte eben zu tun. Ich bin zwar aus den USA zurückgekehrt, aber unsere Tour in England und Irland läuft weiter", erklärte ich lächelnd.

Sie tat einen Schritt näher an mich heran und legte ihre rechte Hand in meinen Nacken. Mist, das war meine erogene Zone und dieses Biest wusste es genau!

Seit drei Monaten hatte ich keinen Sex mehr gehabt, abgesehen von dem mit meiner Hand unter der Dusche. Doch das zählte wohl nicht so ganz. Ich geriet mächtig ins Schwitzen, als Lucys zarte Hände den Weg unter mein T-Shirt fanden, dennoch versuchte ich einen klaren Kopf zu behalten. Mein Herz war an eine andere vergeben, und somit auch mein Körper.

Schwer atmend versuchte ich Lucy auf Abstand zu halten, die zu meiner Überraschung plötzlich von mir abließ. Aber nicht etwa, weil sie bemerkte, dass ich im Moment keinen Bedarf an körperlicher Nähe verspürte, sondern, um die Druckknöpfe ihres langen, schwarzen Mantels mit einem Ruck aufzureißen.

Darunter trug sie nichts als ihre scharfe, rote Reizwäsche mit Strapsen. Eine Zehntelsekunde unterlag ich der Versuchung, mich auf sie zu stürzen, doch dann begann mein Herz zu sprechen. Jess' Stimme ertönte in meinem Kopf, ich sah ihre hübschen, braunen Augen vor mir und ich fühlte das Streicheln ihrer zarten Hände, ebenso wie ihre wundervollen Lippen. Ich würde sie nie betrügen! Niemals!

Da konnte Lucy von mir aus splitternackt auf dem Tisch tanzen!

Keuchend stand ich mit dem Rücken an die Wand gelehnt im Flur, während die Rothaarige mich kritisch musterte.

„Niall, ist alles in Ordnung mit dir?", fragte sie perplex, da ich keinerlei Anstalten machte, mich ihrer zu bemächtigen.

„Ja, es ist alles ok. Es ist nur... ich bin..., ich bin nicht mehr zu haben, Lucy."

Jetzt war es endlich draußen.

Ein wenig ungläubig richteten sich ihre grünen Augen auf mich.

„Du hast..., du hast eine feste Freundin?"

„Ja."

Eine der Regeln zwischen mir und meinen Fuckbuddies war, dass wir ehrlich miteinander umgingen. Sie erzählten mir, wenn sie nicht mehr verfügbar waren und umgekehrt verhielt es sich genauso.

„Wie lange schon?", erkundigte sich Lucy einige Minuten später, nachdem wir uns auf dem Sofa im Wohnbereich niedergelassen hatten und ich ihr etwas zu trinken anbot.

Die Rothaarige trug inzwischen einen Pulli von mir, den ich ihr freundlicherweise spendierte, um nicht dauernd auf die Reizwäsche blicken zu müssen. Den schwarzen Mantel hatte sie über ihren Schoß gelegt, sodass mir auch die Sicht auf die unteren Regionen ihres Körpers verwehrt blieb. Aber heute konnte ich gut darauf verzichten.

„Das ist eine sehr gute Frage", begann ich zögernd. „Also wir kennen uns aus dem Internet und haben uns das erste Mal am vierundzwanzigsten September in London gesehen."

„Aus dem Internet?" Lucy zog ihre frisch gezupften Augenbrauen ein wenig erstaunt in die Höhe.

„Ich muss zugeben, es klingt sicher etwas seltsam, aber wenn du die Hintergründe kennen würdest, dann würdest du anders darüber denken", begann ich.

Nachdenklich musterte Lucy mein Gesicht. „Du klingst, als wärst du mächtig verliebt, Niall. Ich gönne es dir von Herzen, denn du hast es verdient."

„Danke", erwiderte ich lächelnd.

„Sie muss etwas Besonderes sein, wenn sie dich so verzaubert hat", bemerkte Lucy und griff nach ihrem mit Wasser gefüllten Glas, um einen großen Schluck daraus zu nehmen.

Lucy war mein erster Fuckbuddie gewesen, eine Frau, mit der ich auch redete und nicht nur vögelte. Vielleicht lag es daran, dass sie bereits neunundzwanzig war. Ich brauchte nicht an ihrer Ehrlichkeit zu zweifeln, abgesehen davon konnte ich ihr vertrauen. Deswegen entschloss ich mich dazu, mit der Wahrheit herauszurücken.

„Sie ist etwas Besonderes, das kannst du mir glauben."

Unser Gespräch zog sich bis Mitternacht hin. Lucy hörte aufmerksam zu, als ich über Jess erzählte und kam am Ende zu dem Entschluss, dass ich wirklich bis über beide Ohren verliebt war.

„Das ist so süß, Niall! Ich freue mich wirklich für dich", sagte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Hast du schon mit ihr geschlafen?", fragte sie dann grinsend.

„Nein, das habe ich nicht."

„Warum nicht?" Zum wiederholten Male an diesem Abend drückte ihr Gesicht Erstaunen aus.

Ich lehnte mich auf dem bequemen Sofa zurück, um dann zu antworten.

„Ganz einfach, weil ich warten will, bis sie ihre Beine wieder richtig bewegen kann. Alles andere käme mir so... seltsam vor, so als ob..., als ob ich sie missbrauchen würde."

„Ich weiß, das klingt dämlich", setzte ich sogleich hinzu.

Lucys anerkennendes Nicken zeigte mir, dass sie meine Beweggründe durchaus verstand.

„Das klingt überhaupt nicht dämlich, Niall, sondern eher sehr einfühlsam. Weiß Jess eigentlich was sie für ein Glück hat?", meinte sie lächelnd.

„Das hoffe ich doch", ließ ich seufzend verlauten.

Mein Seufzen wurde noch tiefer, als ich auf die Uhr blickte. Morgen musste ich um fünf aufstehen, eine sehr unchristliche Zeit.

„Ich will dich ja nicht hinauswerfen, Lucy, aber ich habe morgen einen harten Tag", erklärte ich. „Und ich muss meinen Koffer noch fertig packen."

„Das ist schon ok, Niall. Ich werde mich jetzt verabschieden."

Als sie sich erhob und den Pulli ausziehen wollte, wehrte ich jedoch ab.

„Es ist schweinekalt draußen. Behalte ihn ruhig."

„Für immer?"

„Wie du willst, das überlasse ich dir."

Gemeinsam schritten wir zur Tür, wo wir uns endgültig voneinander verabschiedeten.

„Danke für alles, Lucy", flüsterte ich ihr ins Ohr und meinte es in diesem Augenblick auch so.

„Ich habe zu danken, Niall." Sie hauchte einen Kuss auf meine Wange „Und ich bereue es keine Sekunde, etliche Nächte mit dir verbracht zu haben, denn du bist echt ein süßer Kerl."

„Das bereue ich auch nicht, aber jetzt..." Ich verstummte, weil ich nicht wusste, wie ich den Satz weiterführen sollte, doch Lucy erledigte dies im Handumdrehen.

„Jetzt beginnt ein neues Leben in Puncto Beziehungen für dich. Du wirst das schon meistern, Niall."

„Ganz bestimmt."

Eine letzte Umarmung und dann entschwand sie meinen Blicken. Lächelnd schloss ich die Haustür, um mich kurz darauf erneut dem Kofferpacken zuzuwenden. Dabei dachte ich die ganze Zeit an Jess.

Obwohl ich relativ spät zu Bett gegangen war, fühlte ich mich am nächsten Morgen frisch und geradezu aufgedreht. Natürlich stand dies im Zusammenhang mit der Reise nach Irland, aber vor allem damit, dass ich Jess bald in meinen Armen halten würde. Ich konnte gar nicht schnell genug zum Flughafen gelangen, um den ersten Flug nach Dublin zu nehmen. Meine Bandkollegen würden später nachkommen. Ich wollte die Zeit nutzen, um mit meiner Familie zu sprechen, die sich allesamt sehr auf mein Kommen freuten und bereits in der Hotellobby verweilten, als ich dort eintraf.

Theo, mein Neffe und gleichzeitig Patenkind, kam sofort auf mich zugelaufen, kaum dass er mich erblickte.

„Onkel Ni", schrie er freudig, als ich ihn auf den Arm nahm.

„Du bist ganz schön gewachsen, Kleiner. Und zugenommen hast du auch", stellte ich erfreut fest. Er entwickelte sich wirklich prächtig und würde der nächste Herzensbrecher in unserer Familie werden, davon war ich felsenfest überzeugt.

Nachdem ich meinen Bruder, dessen Frau, sowie meinen Dad und seine Freundin begrüßt hatte, verzogen wir uns in meine Suite, um in Ruhe plaudern zu können. Meine Mutter war die einzige, die fehlte. Sie würde sich aber heute Abend, vor dem Konzert im Backstage Bereich einfinden, genau wie meine besten Freunde, Darragh, Sean, Dylan und Shanon. Wir kannten uns alle aus der Schulzeit, hatten nie den Kontakt zueinander verloren und freuten uns tierisch, wenn wir alle auf einem Fleck vereint waren. Sie würden Augen machen, wenn sie Jess sahen, denn keiner hatte auch nur die leiseste Ahnung davon, dass ich inzwischen liiert war. Auch meiner Familie wollte ich diese wichtige Information nicht länger vorenthalten.

„Ich muss euch etwas sagen", begann ich deshalb zögernd.

Sofort richteten sich alle Augenpaare auf mich, mit Ausnahme von Theos, der gerade versuchte das Puzzle, das ich ihm mitgebracht hatte, zusammenzusetzen.

Am Gesichtsausdruck meines Vaters konnte ich erkennen, dass er eine große Sache erwartete, die ich gleich erzählen würde. Und damit lag er vollkommen richtig.

„Schieß Los, Niall, wir sind ganz Ohr", meinte Greg, mein Bruder, der sicher schon vor Neugierde platzte.

„Also, in ziemlich genau drei Stunden wird hier in diesem Hotel eine junge Frau auftauchen, die ich im Internet kennengelernt habe."

Bevor ich weiterreden konnte, fiel meine Schwägerin Denise mir ins Wort „Das ist nicht dein Ernst, Niall, oder?"

„Doch", erwiderte ich und klang ganz gelassen dabei, obwohl mein Herz bis zum Hals schlug. „Sie heißt Jess, mit vollem Namen Jessica Meyers, ist einundzwanzig Jahre alt und war bis vor wenigen Monaten Balletttänzerin."

„Und was macht sie jetzt?", erkundigte sich mein Vater sofort.

Es wurde Zeit, die Bombe platzen zu lassen.

„Sie sitzt derzeit in einem Rollstuhl und lernt gerade wieder laufen."

Ich konnte förmlich spüren, wie alle nach Luft schnappten, deshalb nutzte ich die Gunst der Stunde, um mit meiner Erzählung fortzufahren.

Es fiel mir nicht weiter schwer, die Sache mit der fehlgeleiteten E-Mail preiszugeben, mit der unser Kontakt begonnen hatte, aber den Inhalt unserer Korrespondenzen behielt ich größtenteils für mich. Es ging schließlich keinen etwas an, über welche intimen Dinge wir geschrieben hatten.

„Oh mein Gott, Niall, das ist ja schrecklich! Das arme Mädchen kann einem wirklich leidtun", presste Denise erschüttert hervor, und gab somit das Stichwort für mich.

„Bitte kein Mitleid, ok? Behandelt sie ganz normal. Sie ist süß, witzig, intelligent und sehr aufgeschlossen. Außerdem bin ich in sie verliebt."

Mein Vater, der verständnisvoll nickte, sagte nun: „Ich bin schon sehr gespannt darauf, die junge Dame kennenzulernen, die dir so den Kopf verdreht hat."

„Heute Abend werdet ihr sie sehen, ich wollte euch nur jetzt schon darauf vorbereiten", meinte ich trocken.

„Das war auch von Nöten", kam es von Greg, dessen Grinsen immer breiter wurde.

Ich kannte seine schweinischen Fantasien haargenau, ließ mich jedoch nicht aus dem Konzept bringen. Hier zahlte sich nun unser regelmäßiges Coaching im Umgang mit der Medienbranche aus. Man gab keine, oder ausweichende Antworten auf Dinge, die man nicht preisgeben wollte.

Somit ignorierte ich seine Frage, wie nahe wir uns schon gekommen seien gekonnt, und ging einfach zur Tagesordnung über, indem ich die Backstage Pässe verteilte. Theo bekam dieses Mal seinen eigenen, da er inzwischen in der Lage war, überall herumzulaufen. Stolz betrachtete er den bunten Plastikanhänger, der an dem roten Band befestigt war, das ich ihm gerade über den Kopf gestülpt hatte.

„Onkel Ni?"

„Ja, Theo?"

„Gibst du mir noch einen Kuss?"

Er wusste genau, dass wir uns jetzt verabschieden mussten.

„Aber klar doch!"

Nachdem ich Theo einen herzhaften Schmatzer auf die Wange gedrückt hatte, begleitete ich meine Familie noch bis zum Ausgang der Suite.

„Bis heute Abend, Niall", riefen sie.

Erleichtert atmete ich auf, als ich endlich alleine auf meinem Bett saß. Diese Sache hatte ich recht gut gemeistert, wie mir schien und ich war mir sicher, dass meine Familie Jess mögen würde. Der Gedanke an meine Prima Ballerina ließ mich mein Handy hervorholen und einen Blick darauf werfen.

Eigentlich musste sie bald eintreffen, weshalb ich schnell das Badezimmer betrat, um mein Antlitz im Spiegel zu checken. Ich sah ganz manierlich aus und von meiner Müdigkeit, die sich am Morgen eingestellt hatte, war nichts mehr zu sehen oder zu spüren. So fit und ausgeruht wie im Augenblick, hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Um mir die Warterei auf Jess zu vertreiben, bestellte ich etwas zu essen und schaltete den Fernseher ein. Der Sportkanal nahm meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch, ebenso das köstliche Essen, welches ich innerhalb kürzester Zeit verputzte. Trotzdem schaute ich hin und wieder ungeduldig auf das Display des Handys, um irgendwann festzustellen, dass Jess eine Nachricht geschickt hatte.

„Wir sind jetzt in Dublin gelandet und fahren zum Hotel. Ich hab dich lieb und kann es kaum erwarten, dich zu sehen, Jess xxx"

Erleichtert atmete ich auf. Gleich würde ich sie in meine Arme schließen können und sehen, welche Fortschritte sie bezüglich des Laufens gemacht hatte.

Eine halbe Stunde später war es dann soweit. Ein Anruf der Rezeption ließ mich umgehend aus dem Zimmer hechten und mit dem Aufzug direkt ins Erdgeschoss fahren. Als ich ausstieg und in Richtung Lobby lief, erlebte ich jedoch die Überraschung meines Lebens.

Jess stand mit einer braunen Lederjacke, einer engen Jeans und flachen Stiefeln bekleidet neben Anne, die gerade von Harry begrüßt wurde, der wohl bereits seinen Zimmerschlüssel in Empfang genommen hatte. Jess stand, sie saß nicht in ihrem Rollstuhl, der auch nirgends zu sehen war. Das musste ich erstmal verdauen.

Ich wusste nicht, wie mir geschah, denn kaum dass sie mich erblickte, ging sie auf mich zu. Meine Augen folgten ihren Schritten, die nicht mehr staksig, sondern viel geschmeidiger wirkten. Sie lief einfach in normalem Tempo auf mich zu, was mich immens beeindruckte.

„Jess", hauchte ich total überrascht, als sie direkt vor mir stand. „Du läufst?"

„Das war mein Geschenk für dich", erwiderte sie lächelnd.

Da ich beinahe sprachlos war, nahm ich sie in meine Arme und drückte sie fest an mich.

„Ich liebe dich", flüsterte ich ihr ins Ohr, was sie mit einem leise geflüsterten „Ich liebe dich auch", kommentierte.

Ihre Arme legten sich um meinen Nacken, gleichzeitig versanken wir in einem zärtlichen Kuss.

„Du hast mir so gefehlt", wisperte sie, nachdem unsere Lippen sich wieder voneinander lösten.

„Du mir auch", brachte ich hervor. „Lass uns nach oben gehen, ja?"

Gesagt, getan. Jess schaffte es die Strecke vom Aufzug bis zu meiner Suite ohne Probleme zu laufen. Natürlich gingen wir Hand in Hand, aber nicht, weil ich sie stützen musste, sondern weil wir verliebt waren. In der Suite angekommen, demonstrierte Jess erneut ihre Fortschritte, was das Thema Beweglichkeit anging. Unaufgefordert setzte sie sich auf das Bett und brachte ihre langen Beine in eine waagrechte Position.

„Ist ja irre", entfuhr es mir anerkennend.

„Warte, du hast noch nicht alles gesehen", erklärte sie verschmitzt grinsend, um kurz darauf ihre Knie anzuwinkeln. Zumindest klappte dies beim linken, gesunden Bein perfekt, doch bei ihrem rechten Bein stieß sie an gewisse Grenzen.

„Ich habe meine Kniebandage an, deswegen kann ich es nicht stärker beugen", sagte sie ein klein wenig traurig.

„Das sollst du auch gar nicht, Prinzessin. Du könntest dir damit schaden und wehtun", meinte ich, bevor ich sie sanft auf die Lippen küsste. „Ich bin so stolz auf dich, Jess", fügte ich noch hinzu, während meine Hand über ihr lädiertes Knie streichelte.

„Verliebt zu sein, ist echt das schönste Gefühl auf der ganzen Welt", seufzte Jess glücklich.

Leider blieb uns vor dem Konzert nicht viel Zeit, unsere Verliebtheit auszuleben, denn die großen schwarzen SUVs, welche uns zur Dublin Arena bringen würden, standen innerhalb kürzester Zeit bereit.

Während der Fahrt zu unserem Ziel, musste ich Jess immer wieder anschauen.

„Ich kann es nicht glauben, dass du so gut läufst", sagte ich noch immer überrascht. „Aber es gefällt mir, und meine Familie wird das auch gut finden."

„Du hast ihnen von mir erzählt?", fragte Jess sofort.

„Natürlich! Sie sollen wissen, dass ich verliebt bin!", antwortete ich ehrlich.

Nun lächelte Jess. „Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen."

Besagtes Kennenlernen ließ nicht mehr allzu lange auf sich warten, da meine Familie sich bereits im Backstage Bereich aufhielt, als wir eintrafen. Theo war der erste, der mir entgegenlief und der Jess neugierig betrachtete.

„Der ist ja süß!", sagte sie sogleich.

„Er ist ja auch mein Neffe", erwiderte ich stolz.

„Bilde dir nichts darauf ein, du hast ihn nicht gemacht", konterte Jess in ihrer gewohnt witzigen und offenen Art.

Greg, der ihre Bemerkung gehört hatte, konnte sich vor Lachen nicht mehr halten und die anderen stimmten mit ein. Somit war das Eis gebrochen.

Nachdem ich Jess allen vorgestellt hatte, wuselten die anderen Jungs um sie herum. Auch Louis, Liam und Zayn trauten ihren Augen nicht, als sie Jess ohne ihren Rollstuhl erblickten. Sie freuten sich jedoch sehr über die großen Fortschritte meiner Freundin.

Anne hielt sich wie gewöhnlich an Harrys Seite auf, der das Mädchen auch mit seiner Familie bekannt machte. Da alle Familien der Jungs anwesend waren, ging es im Backstage Bereich ziemlich laut zu, was aber keinen störte.

Als meine Freunde aus Mullingar nach einer gefühlten Ewigkeit endlich eintrafen, war es fast schon Zeit, um auf die Bühne zu gehen, uns blieben nur noch wenige Minuten zum Reden.

„Wir haben im Stau gestanden, deshalb sind wir so spät", erklärte Sean. „ Aber morgen fahren wir eine Stunde eher los."

„Das will ich auch hoffen", rügte ich ihn, um anschließend Jess vorzustellen.

Meine Freunde ließen sich ihre Überraschung nicht anmerken, was ich super fand und sie kamen sogleich mit Jess ins Gespräch. Als Shanon allerdings die Frage stellte, wie und wo wir uns kennengelernt hätten, warf Jess mir einen unsicheren Blick zu. „Soll ich es ihr sagen?", drückte dieser aus.

Sofort kam ich ihr zu Hilfe. „Das erzählen wir euch, wenn wir mehr Zeit haben, denn es ist ein lange und ziemlich ungewöhnliche Geschichte", erklärte ich lächelnd.

Damit mussten sich meine Freunde vorerst zufrieden geben, da unser Auftritt nahte.

„Niall, kannst du mir einen Stuhl besorgen? Ich schaffe es vermutlich noch nicht, so lange zu stehen", flüsterte Jess mir ins Ohr, worauf ich nickte und sagte: „Wenn es weiter nichts ist."

Umgehend wies ich Basil an, einen Stuhl in den abgetrennten Bereich vor der Bühne zu stellen, bevor ich mich von meinen Gästen verabschiedete.

Jess bekam noch einen Kuss auf die Wange gedrückt. „Bis gleich, Prinzessin", wisperte ich und zwinkerte ihr zu.

Das Konzert war der Hammer. Ich liebte es, in meiner Heimat aufzutreten, denn die Iren ließen mich jedes Mal spüren, wie stolz sie auf mich waren. Schon alleine deshalb verausgabte ich mich total auf der Bühne. Zum Schluss hingen meine Haare in nassen Strähnen wirr um den Kopf. Da half es auch nicht, dass ich diese nach dem Konzert kurz mit einem Handtuch bearbeitete.

Total durchgeschwitzt aber überglücklich hielt ich Jess in meinem Armen, als wir wenig später gemeinsam mit einem Wagen ins Hotel fuhren. Ich besaß keinerlei Intension, diesen Abend in der Bar ausklingen zu lassen, zu lange hatte ich auf Jess verzichtet, die genau wie ich, unsere traute Zweisamkeit vorzog. Deshalb führte unser Weg direkt vom Aufzug zu meiner Suite.

Noch immer konnte ich es nicht so richtig glauben, dass sie die Strecke mühelos auf ihren eigenen Beinen zurücklegen konnte, doch dies war eine unumstößliche und sehr erfreuliche Tatsache. In der Suite angekommen, versanken wir zunächst in einem leidenschaftlichen Kuss, der mich unglaublich heiß machte. Trotzdem hatte ich noch etwas zu erledigen.

„Ich geh dann schnell duschen, ok?", sagte ich, nachdem wir kurz zu Atem gekommen waren.

Jess hauchte einen Kuss auf meine Lippen und meinte verschmitzt grinsend: „Aber beeil dich, ich habe Sehnsucht nach dir."

Dann ließ sich mich los, damit ich das luxuriöse Bad unserer Suite betreten konnte. Als ich in der Dusche stand und das Wasser aufdrehte, fühlte ich mich wie neugeboren. Meine Stimme war zwar etwas angegriffen, doch mein Körper besaß so viel Adrenalin, dass ich eine Nacht hätte durchmachen können. Ich wollte es jedoch Jess überlassen, wie diese Nacht aussehen würde, denn es lag mir fern, sie zu irgendetwas zu drängen.

Mit geschlossenen Augen summte ich ein Lied vor mich hin und war gerade im Begriff das Duschgel von meiner Haut zu spülen, als ich plötzlich zwei zarte Hände spürte, welche sich sanft auf meinen Brustkorb legten. Ich begann zu lächeln, als ich ihren Kopf auf meiner Schulter spürte. Mit klopfendem Herzen nahm ich den Duft ihres Haares in mir auf, das nun recht schnell nass wurde. Instinktiv legten sich meine Arme um ihren schlanken Körper, denn ich wollte nicht, dass sie aus Versehen ausglitt und ihrem Knie Schaden zufügte.

Sekunden später lagen unsere Lippen aufeinander und öffneten sich, damit unsere Zungen miteinander spielen konnten. Das Wasser prasselte unentwegt auf unsere Körper hinab, während meine Hände auf ihren Hüften lagen. Ich wollte sie nicht loslassen, das war zu gefährlich, doch ich spürte unser gegenseitiges Verlangen, das nicht zuließ, dass wir uns entzweiten.

Als wir unseren leidenschaftlichen Kuss unterbrachen, um Atem zu schöpfen, schaute ich in ihre wunderschönen, braunen Augen, die mich wie immer gefangen nahmen. Jess lächelte mich an, bevor sie mich erneut küsste. Mir wurde schon ganz heiß, aber ich musste Rücksicht auf ihr Knie nehmen und so siegte in jenem Moment die Vernunft. Zu groß war meine Angst, dass sie das Knie in der Dusche verdrehen könnte, wenn wir auf nichts mehr achteten, weil die Gefühle mit uns durchgingen.

Bevor ein gewisses Teil meines Körpers die Herrschaft über diesen erhielt, drehte ich das Wasser ab. Als Jess protestieren wollte, hatte ich sie bereits hochgehoben, und aus der Dusche getragen.

„Lass uns lieber im Bett weitermachen", flüsterte ich ihr ins Ohr, um sie anschließend sanft auf dem Boden abzusetzen, bis sie auf ihren eigenen Füßen stand. Dann hüllte ich sie in eines der weißen Badetücher, was Jess ohne weiteres zuließ. Lächelnd beobachtete sie, wie ich mich abtrocknete und griff dann nach einem Handtuch, um ihre langen Mähne damit ein bisschen zu bearbeiten.

„Ich hasse es, mit klatschnassen Haaren ins Bett zu gehen", erklärte sie verschmitzt grinsend.

Glücklicherweise dauerte es nicht allzu lange, bis Jess ihre Haare ein wenig getrocknet hatte. In der Zwischenzeit durchforstete ich die Minibar und holte dort etwas zu trinken hervor.

Kaum hatte ich die beiden mit Jack Daniels und Cola gefüllten Gläser auf dem Nachttisch platziert, und es mir im Bett gemütlich gemacht, trat Jess aus dem Badezimmer. Sie wirkte mit ihren leicht verstrubbelten Haaren und dem Handtuch, welches ihren wundervollen Körper noch immer umhüllte, unglaublich sexy.

Ihre hellbraunen Augen funkelten, als sie das Badetuch zu ihren Füßen gleiten ließ, was mich beinahe sprachlos machte. Als Jess mit langsamen Schritten auf das Bett zuging, begann mein Herz schneller zu schlagen. S

ie trug absolut nichts mehr am Leib, doch das war es nicht, was mich am meisten faszinierte, sondern ihr sicherer Gang. Noch vor drei Wochen hatte sie in einem Rollstuhl gesessen, und sich nur getraut an meiner Hand einige unsichere Schritte zu gehen.

Es sah so majestätisch aus, wenn sie einen Fuß vor den anderen setzte, dass ich meinen Blick nicht von ihren Beinen nehmen konnte. Erst als sie direkt vor mir stand, hob ich meinen Kopf, um in ihre Augen zu schauen.

Als ich meine Hand nach ihrer ausstreckte, ergriff sie diese und legte sich zu mir ins Bett. Mein Herz schlug wie wahnsinnig, als ich Sekunden später ihre Lippen auf meinen spürte. Ich wusste, dass es heute passieren würde.

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Es tut mir leid, dass das Kapitel so lang geworden ist, aber es ging nicht kürzer. Außerdem möchte ich mich für den Cliffhanger entschuldigen, nein, Spaß, das war ein Scherz, denn der war Absicht! :D Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen! Seid ihr bereit für die erste Sexszene? :D Im nächsten Kapitel ist es soweit. :D

Ich hoffe, ihr hattet eine schöne Woche und wart nicht allzu traurig, weil ihr so lange auf das Update warten musstet. Meine Zeit in Dublin war fantastisch. Ich habe 1D drei Mal live in der 3Arena gesehen und.... ich habe von Basil (Nialls persönlichem Bodyguard), ein von Niall benutztes Gitarren Plektron geschenkt bekommen!!! Ich kann es immer noch nicht fassen, dass es gerade neben mir auf dem Schreibtisch liegt...

LG, Ambi xxx



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