27. Losing my shit
Niall
„Niall, es bringt doch nichts, wenn du dich so verrückt machst!" Liam versuchte mich zu beruhigen, jedoch mit sehr mäßigem Erfolg. Jess würde in wenigen Stunden in London eintreffen und ich war so aufgeregt, dass ich keine Minute lang stillsitzen konnte.
Obwohl es noch früher Vormittag war, hatten wir bereits unsere Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel in London bezogen. Gemeinsam saßen wir nun in einem der Aufenthaltsräume, die eigens für uns reserviert waren und ließen uns mit einem königlichen Essen verwöhnen. Eigentlich hatte ich gar keinen richtigen Hunger, was selten vorkam. Doch dies rührte daher, dass meine Nerven sozusagen blank lagen.
Vor zwei Tagen hatte ich mich dazu aufgerafft, meinen Bandkollegen, sowie den Security Mitarbeitern zu erklären, dass ich Besuch von einer jungen Dame, die im Rollstuhl saß, sowie ihrer besten Freundin erhalten würde. Im Backstage Bereich, versteht sich. Daraufhin war der Leiter unseres Security Teams mittelmäßig ausgeflippt, weil seine mühsam durchdachte Planung nun über den Haufen geschmissen worden war.
Der Typ hatte mich so angepflaumt, dass ihr mir vorkam, als ob ich durch eine Kloake gezogen worden wäre. Dabei handelte es sich nur um zwei völlig harmlose Mädchen, die sicher keinem von uns etwas zuleide tun würden. Dass unsere Sicherheitsleute sich aber auch immer so anstellen mussten!
Wenn ich alleine in London durch die Clubs zog, machten sich die Frauen haufenweise an mich heran und es interessierte keine Sau. Aber hier, in diesem Bereich, wurden wir geschützt wie hochkarätige Politiker. Wer zu uns in den Backstage Bereich vordringen wollte, musste sein Handy und sämtliche Taschen abgeben. Kameras waren erst recht nicht erlaubt und man wurde vorher sogar abgetastet.
Um Jess diese Unannehmlichkeiten zu ersparen, hatte ich mich sogar mit dem Boss der Security angelegt. Nach einer ellenlangen Debatte, in welcher es ziemlich heiß herging, einigten wir uns schließlich darauf, dass sie nur ihre Handtasche abgeben musste, das Handy jedoch genauestens untersucht wurde, bevor man es ihr wieder aushändigen würde. Auch auf das Abtasten wollte man verzichten. Damit konnte ich leben und das würde ich ihr auch ohne schlechtes Gewissen erklären können. Sie sollte ja nicht gleich erschrecken, wenn sie hier auftauchte.
Mein Plan sah vor, dass die beiden Mädels nach dem Einchecken im Hotel von einem Wagen direkt zur O2 Arena gebracht werden sollten. Anschließend würden sie uns vorgestellt werden, sowie Autogramme erhalten. Außerdem sollten Fotos geschossen werden, wie es eben bei den Meet & Greet Veranstaltungen üblich war. Und dann kam der wichtigste Teil, den ich bereits mit meinen Bandkollegen abgesprochen hatte.
Ich wollte mit Jess alleine sein und zu diesem Zweck mussten die anderen nach und nach den Raum verlassen. Harrys Aufgabe war es, sich um Anne zu kümmern, die ganz sicher als ehemaliges Harry Girl nicht nein sagen konnte, wenn er sie aus dem Raum entführte. Der Rest sollte sich irgendwelche fadenscheinigen Ausreden wie „Ich muss mal aufs Klo", oder so etwas einfallen lassen.
Da wir alle nur so vor Ideenreichtum strotzten, sollte das kein Problem werden. Und trotzdem war ich tierisch aufgeregt. Je öfter ich auf die Uhr schaute, desto schlimmer wurde es. Zu allem Überfluss fing Jess nun mit mir zu schreiben an. Aber vielleicht war das ja ganz gut so und ich würde ein wenig runter kommen von meinen Ängsten, dass etwas schief gehen konnte.
„Anne und ich sind jetzt sind jetzt auf dem Weg nach London", schrieb sie über Skype.
„Super, hoffentlich kommt ihr nicht in einen Mega Stau", antwortete ich.
„Ach, Anne macht das nichts aus. Je länger sie im Auto sitzen kann, desto besser", klärte Jess mich auf.
„Und wie sieht es mit dir aus? Ist es nicht zu beschwerlich für dich, wenn du so lange im Auto sitzen musst?", erkundigte ich mich sogleich.
„Nicht wirklich. Es ist kein großer Unterschied, ob ich im Rollstuhl oder in einem Wagen sitze, der rollt."
Ein wenig musste ich mir schon das Lachen verbeißen, wenn sie solche Dinge schrieb. Ihr Sarkasmus übertraf manchmal alles. Louis hätte sicher seine Freude daran gehabt, er würde sich vermutlich gut mit Jess verstehen. Aber eigentlich ging es nicht darum wie gut oder schlecht sie mit meinen Bandkollegen auskam, sondern einzig und alleine ob unsere Freundschaft noch Bestand haben würde, nachdem sie erfuhr, wer sich hinter dem Synonym NJ verbarg.
Harry hatte mich für verrückt erklärt, als ich meinen Freunden die komplette Story beichtete und auch die anderen starrten mich an, als sei ich ein Außerirdischer, als ich sie in meinen Plan einweihte.
„Niall, du hast echt nicht mehr alle Tassen im Schrank! Warum hast du ihr nicht einfach gesagt, wer du bist, nachdem ihr schon länger miteinander geschrieben hattet? Du hättest die Webcam anschmeißen sollen, sie hätte dich gesehen und alles wäre ok gewesen."
Louis gestrige Worte tauchten immer wieder in meinen Gedanken auf. Vielleicht wäre es besser gewesen, es so zu versuchen, aber ich hatte nun mal einen anderen Weg eingeschlagen. Jess sollte meine wahre Identität erst heute erfahren. Dann konnte sie nicht so einfach eine Webcam ausschalten, mir nicht mehr antworten, geschweige denn flüchten. Sie würde sich mit der Wahrheit an Ort und Stelle auseinandersetzen müssen.
Ich hatte Angst davor, dass sie Niall, den Sänger einer Boyband hätte ablehnen können. Das wurde zugegeben schwieriger, wenn ich direkt vor ihr stand, um ihr zu sagen, dass ich NJ sei, und dass sie die ganze Zeit mit mir ihre Zeit im Internet verbrachte. Dem sie alle ihre Ängste und Sorgen anvertraut hatte, der ihr zuhörte und mit dem weinen und gleichermaßen lachen konnte.
„Und was machst du, wenn sie sauer auf dich ist?", hörte ich Liam plötzlich fragen.
Darüber hatte ich schon mehr als hundert Mal nachgedacht, war jedoch zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen.
„Keine Ahnung", seufzte ich deshalb und raufte mir die Haare.
Gut, dass Lou ihr Styling Programm noch nicht durchgezogen hatte! Es würde heute sowieso ziemlich schwierig werden, da ich absolut keinen Plan hatte, was ich nachher auf der Bühne anziehen sollte. Fest stand nur, dass ich ein halboffenes Oberteil tragen wollte, da Jess ihren eigenen Aussagen nach zu urteilen, auf Brustbehaarung abfuhr. Vielleicht gelang es mir wenigstens in dieser Hinsicht einen Pluspunkt zu sammeln.
„Willst du nicht wenigstens dein Frühstück aufessen?", erkundigte sich Harry bekümmert, worauf mein Blick auf das angebissene Brötchen fiel, welches auf meinem Teller vor sich hingammelte.
„Nein, ich hab keinen Hunger", murmelte ich leise.
Langsam aber sicher bekam ich kalte Füße, natürlich nur im übertragenen Sinne. Seufzend blickte ich die Skype Korrespondenz mit Jess, um nachzuschauen, ob sie noch etwas geschrieben hatte.
„Du bist nicht sehr gesprächig heute, NJ", teilte sie mir mit.
„Das liegt daran, dass ich nervös bin", antwortete ich ehrlich.
„Ich bin auch super nervös, das kannst du mir glauben, aber gerade deswegen versuche ich mit dir zu schreiben", kam es zurück.
„Wo seid ihr denn gerade?"
„Hundert Meilen von unserem Ziel entfernt."
Nur noch hundert Meilen! Ich spürte, wie meine Hände anfingen zu schwitzen. Verdammt, warum nur war ich so aufgeregt? Jess und ich verstanden uns so toll, es würde schon nicht schief gehen. Und wenn, dann hatte ich es mir selbst zuzuschreiben.
Direkt nach dem Essen suchten wir unsere Zimmer auf. Sofort legte ich mich auf das Bett, holte das Handy hervor, und starrte auf den Text, den Jess geschickt hatte.
„Bald sind wir in London, nur noch eine Stunde Fahrt. Anne und ich hören die ganze Zeit Musik von One Direction. Jetzt verlangt sie von mir, dass ich die Texte auswendig lerne."
Irgendwie brachte mich diese Aussage zum Grinsen, gleichzeitig dachte ich daran, wie Harry den Text unseres Songs 18 während eines Konzerts einfach geändert hatte. Anstatt „I've loved you since we were 18" hatte er „I've fucked you since we were 18" gesungen. Wie Jess das wohl finden würde?
„Weißt du, die Jungs ändern ihre Strophen manchmal während der Konzerte, wenn sie Lust haben. Du solltest in dieser Hinsicht auf alles gefasst sein", klärte ich sie auf.
„Echt? Wie bescheuert ist das denn?"
„Ob es bescheuert ist weiß ich nicht, aber ich glaube, ihren Fans gefällt es."
„Hm, die Fans sind genauso merkwürdig wie One Direction selbst."
Wie ich diese Diskussionen liebte! Im Moment lenkte Jess mich total von meinen Ängsten ab, denn ich war ganz in meinem Element, als ich versuchte, uns zu verteidigen.
„Du bist voreingenommen, du hast die Jungs doch noch nie live gehört. Vielleicht solltest du ihnen einfach eine Chance geben."
Zurück kam ein Smiley mit einer herausgestreckten Zunge, sowie der Satz: „Ich werde dir eine Chance geben, NJ. Und zwar die Chance, mich nach diesem Konzert wieder aufzumuntern. Denkst du, dass du das schaffst?"
„Mit links."
Ich wusste nicht, woher ich auf einmal diesen Mut nahm, noch vor wenigen Minuten war ich ein zitterndes Nervenbündel gewesen und jetzt strotzte ich nur so vor Selbstbewusstsein.
„Gut, etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet", ließ Jess mich wissen.
Ich versuchte mir ihr Grinsen vorzustellen, was mich zu einem Schmunzeln animierte. Allerdings zweifelte ich schon wieder an mir, als ich den nächsten Satz las.
„Wenn du wüsstest, wie sehr ich mich auf dich freue, NJ! Nur um dich zu sehen, nehme ich sogar diese Boyband in Kauf. Du weißt gar nicht, was für ein großes Opfer das für mich bedeutet."
Hoffentlich würden wir sie überzeugen können, dass es auch coole Boybands gab, die nicht mit einstudierten Tanzschritten über eine Bühne hüpften, sondern einfach nur Spaß an ihrem Auftritt hatten. Aber das war nicht mein Hauptproblem, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich ihr erklären musste, wer sich wirklich hinter dem Pseudonym NJ verbarg.
„Hast du auch ein halboffenes Hemd angezogen?", holte Jess mich urplötzlich aus meinen Gedanken.
„Ja, natürlich."
Ich trug es zwar noch nicht, aber es hing sozusagen schon für den Auftritt bereit. Unser Zeitplan sah stets vor, dass wir vor der Meet & Greet Aktion umgezogen und fertig gestylt sein mussten, der Grund, warum Jess mich später bereits in meinem Bühnenoutfit zu Gesicht bekommen würde.
Später! Die Zeit raste nur so dahin! Mittlerweile ging es auf drei Uhr nachmittags zu, Zeit zum Duschen und Umziehen. Aufgrund des starken Verkehrs, welcher immer in London herrschte, waren wir gezwungen uns zeitig auf den Weg ins O2 zu machen, um nicht zu spät anzutanzen. Doch vorher wollte ich nochmals checken, ob auch alles mit dem Transport von Jess und Anne zur Arena klappen würde.
Zu diesem Zweck suchte ich kurz jenen Mitarbeiter der Sicherheitsleute auf, der diesen verantwortungsvollen Job übernehmen durfte, um alles bis ins kleinste Detail zu klären. Nachdem dies erledigt war, rannte ich in mein Zimmer zurück, um hektisch unter die Dusche zu springen. Wenn ich mich nicht ranhielt, würden wir meinetwegen zu spät losfahren, und das ging gar nicht. Also beeilte ich mich so gut es ging und textete während dem Anziehen mit Jess. Kaum hatte ich meine Schuhe zugeschnürt, klopfte es auch schon an die Zimmertür.
„Niall, bist du soweit? Es geht gleich los", ertönte die Stimme unseres Tourmanagers.
„Ja, ich komme sofort", entgegnete ich, steckte das Handy ein, griff nach der Zigarettenpackung, die auf dem Nachttisch lag, und schickte mich an, das Zimmer zu verlassen.
Am Aufzug begegnete ich meinen Bandkollegen, die sich bester Laune erfreuten und Witze am laufenden Band rissen. Ich hingegen verhielt mich stiller als sonst, um nicht zu sagen, schweigsam.
„Hey, Niall, komm und lach mal." Louis zwickte mich kurz in die Seite und entlockte mir tatsächlich ein kleines Lächeln.
„Na siehst du, geht doch."
In der Tiefgarage angekommen, verteilten wir uns auf mehrere schwarze SUVs, die dann mit einer Polizeieskorte begleitet, durch London rollten. Dass die hinteren Scheiben schwarz getönt und undurchsichtig waren, entsprach eher einem Witz, denn es wusste sowieso jeder, wer in diesen schwarzen Gefährten saß. Trotzdem wurde gerade auf diese Sicherheitsvorkehrung großen Wert gelegt.
Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt erreichten wir die große O2 Arena, in welcher heute das erste von sechs Konzerten in London stattfand. Aufgeregt kramte ich nach meinen Zigaretten und zündete mir sofort eine Kippe an, als wir im abgesperrten Bereich aus den Autos stiegen. Liam, Louis und Zayn taten es mir gleich, während Harry, unser Nichtraucher, bereits das Innere des Gebäudes aufsuchte.
Als wir ihm kurze Zeit später folgten, erreichte mich eine neue Nachricht von Jess.
„Wir sind gleich im Hotel, ich bin echt gespannt, wie es aussieht."
Vermutlich würde sie ihn Ohnmacht fallen, wenn sie das protzige Fünf-Sterne-Hotel erblickte. Aber ich hatte keine andere Wahl, als sie dort einzuquartieren, damit wir uns ohne Probleme treffen konnten. Auf das Schlimmste gefasst, starrte ich unentwegt auf mein Handy, während Lou an meinen Haaren herumfummelte. Diese schienen heute besonders widerspenstig zu sein, jedenfalls hörte ich sie zwischendurch fluchen, was mir ein müdes Grinsen entlockte.
Und dann traf die nächste Nachricht von Jess ein.
„Oh mein Gott, was für ein Schuppen! Anne kriegt gleich einen Kollaps, weil so ein Typ ihr Auto parken will! NJ bist du dir sicher, dass du mir die richtige Hoteladresse gegeben hast?"
„Absolut, wenn es das Park Tower Hotel in Knightsbridge ist, seid ihr richtig", antwortete ich lässig.
Es herrschte eine kurze Schreibpause, dann kam nur: „Ja, das ist es."
„Fein, dann checkt mal ein und wir sehen uns bald."
„In diesem Schuppen hast du ein Zimmer? Arbeitest du für einen Ölscheich?", erkundigte sich Jess prompt.
„Nein, aber in der Musikbranche ist das halt so üblich, wenn man mit angesagten Künstlern zu tun hat", redete ich mich heraus.
Eine Weile verstummte Jess, bevor sie dann schrieb: „Wir sind jetzt am Empfang. Alles ist in weißem Marmor gehalten, es sieht wahnsinnig toll aus!"
Ich musste Jess zustimmen, das Hotel war wirklich ein Knaller und wohl eines der schönsten, in denen wir je gewohnt hatten.
„Und die sind alle so freundlich hier! Sie bringen unsere Koffer ins Zimmer, wir sind echt ganz oben!"
Natürlich lag das Zimmer in jener Etage, in der wir auch untergebracht waren. Das hatte ich schließlich alles so geplant. Ich war eben ein Perfektionist, wenn es um solche Dinge ging. Schmunzelnd überflogen meine Augen den langen Text, den sie nun sendete.
„Krass! Das Zimmer ist wirklich riesig! Anne schreit gerade aus dem Bad, dass alles behindertengerecht wäre! Ich muss mir das gleich ansehen, also du liegst jetzt in meinem Schoß, während ich zu ihr rolle. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich es schneller tue als gewöhnlich, nicht, dass dir noch schwindelig wird."
„Keine Sorge, mir geht es gut."
Es ging mir wirklich gut, zumindest im Moment. Ich wusste, dass sie sich freute, ihre Ausdrucksweise sagte mir das.
„Wow! Das Bad ist der Hammer! Alles in grau-weißem Marmor und das Waschbecken in Schwarz gehalten. Auf sowas stehe ich ja total! NJ, wir müssen ein ernstes Wörtchen reden! Ich möchte nicht, dass du so viel Geld ausgibst, denn dieses Hotel ist bestimmt schweineteuer! Bitte versuche nicht, mich anzulügen und mir zu erzählen, dass du das Zimmer zu einem Spottpreis bekommen hättest!"
„Ich hab nie behauptet, dass es eine billige Angelegenheit sein würde, dich nach London einzuladen, aber ich möchte dich gerne kennenlernen und heute ist die passende Gelegenheit dazu. Es tut mir leid, dass ich in solch einem prunkvollen Gebäude absteigen muss, weil es mein Beruf erfordert, aber das sollte dich nicht stören, ok? Glaub mir, nach dem Konzert werde ich eine ganz einfache Pizza auf meinem Zimmer verdrücken, und wenn du möchtest, kannst du mir gerne dabei Gesellschaft leisten", erwiderte ich mit klopfendem Herzen.
Langsam wurde mir wieder etwas mulmiger zumute. Die Stunde der Wahrheit rückte immer näher.
„Na, Niall, bekommst du Fracksausen?"
Louis grinste unverschämt drein, als er seinen Platz neben mir einnahm.
„Halt die Fresse", knurrte ich, worauf er schallend zu lachen begann.
„Oh, das ist aber jemand ganz schön nervös! Ich glaube, wir müssen ihm die Hand halten, Leute!", blökte er so laut, dass Liam sofort angelaufen kam, um nach meiner freien Hand zu greifen.
Ich ließ ihn einfach machen, sie gaben ja doch keine Ruhe, die zwei Vollpfosten!
Nach wenigen Minuten hatten sie jedoch genug davon, mich seelisch zu betreuen und ich konnte mich erneut meiner Skype Korrespondenz mit Jess widmen.
„Also Pizza essen klingt gut, aber ich dachte eigentlich, wir sehen uns vor dem Konzert?"
„Sicher, aber nicht so lange, ich muss ja arbeiten. Aber so ab elf Uhr habe ich unendlich Zeit für dich", klärte ich sie auf.
„Das ist super! Ich freue mich schon total! Anne und ich ziehen uns jetzt um und werden dann wohl zum O2 gebracht. Jedenfalls bekamen wir das bei unserer Ankunft so mitgeteilt."
„Ja, so habe ich es auch arrangiert. Hast du die Backstage Pässe?", erkundigte ich mich.
„Klar, lag alles an der Rezeption, auf meinen Namen ausgestellt."
Gott sei Dank hatte das soweit geklappt! Nun würde es keine Probleme geben, Jess und ihre Freundin in den Backstage Bereich zu bringen.
Mit einem kleinen Seufzen auf den Lippen erhob ich mich nun, um in den angrenzenden Raum zu gehen, in welchem unsere Bühnenoutfits untergebracht waren. Auf einem großen Kleiderständer hingen alle Klamotten, welche diesen Zweck erfüllten. Sogleich entschied ich mich für ein schwarzes Hemd, bei dem ich die obersten drei Knöpfe offen ließ, damit man auch wirklich meine Brusthaare sehen konnte. Jess sollte ja was zu gucken haben. Anschließen schlüpfte ich in eine enge, dunkelblaue Jeans und zog außerdem meine dunkelblauen Boots an, die farblich hervorragend zur Hose passten.
Gerade als ich fertig angezogen war, spazierte Harry durch die Tür, um sich dann in schwarze Klamotten zu schmeißen. Seine Haare ließ er offen, genau wie sein Hemd. Liam und Zayn waren die nächsten, die sich umzogen, zum Schluss tauchte Louis auf.
Nervös holte ich mein Handy wieder hervor. Jess hatte geschrieben.
„Wir sind jetzt am O2, gleich sehen wir uns!"
„Gleich? Wenn du wüsstest, wie viele Sicherheitskontrollen du noch über dich ergehen lassen musst", murmelte ich leise vor mich hin.
Es waren genau vier an der Zahl und dementsprechend lange dauerte es, bis ich die nächste Meldung von Jess erhielt.
„Wir haben schon zwei Kontrollen hinter uns, jetzt steht die dritte an. Wo bin ich hier nur gelandet? Kannst du nicht einfach rauskommen und den Leuten sagen, dass du mich eingeladen hast und ich eigentlich gar nichts von dieser Boyband will?"
Zugegeben, ich musste grinsen, obwohl Jess mir ziemlich leidtat. Dagegen unternehmen konnte ich jedoch nichts. Die strengen Vorschriften wurden unter allen Umständen eingehalten. Jess hätte nur ohne Kontrolle passieren dürfen, wenn sie meine feste Freundin gewesen wäre.
„Das geht leider nicht, ich bin am Arbeiten. Aber wir sehen uns ja gleich. Sind die Security Leute wenigstens nett zu dir?", antwortete ich schnell.
„Ja, die sind ok aber warte mal, der verlangt jetzt, dass wir die Handys abgeben!"
Was lief da bitte schief? Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, dass man den beiden Mädchen nicht ihre Handys abnahm und dann passierte so etwas! Angepisst wählte ich die Nummer von Basil, meinem persönlichen Bodyguard, der sich irgendwo in der Nähe des dritten Kontrollpunktes herumtreiben musste. Zum Glück nahm er das Gespräch sofort entgegen.
„Niall, was kann ich für dich tun?"
„Schau doch mal bitte nach, was dieser Vollidiot am dritten Kontrollpunk treibt! Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, Jess nicht das Handy abzunehmen! Es ist schon schlimm genug, dass sie in einem Rollstuhl sitzen muss", sagte ich mit Nachdruck in der Stimme.
„Ok, ich kümmere mich sofort darum."
„Gibt es Probleme?", erkundigte sich Liam, als er mein gestresstes Gesicht wahrnahm.
Daraufhin erzählte ich allen, was sich gerade zugetragen hatte. Kopfschüttelnd meinte Louis: „Es muss doch immer einen geben, der sich aufspielt, oder?"
Dem konnte ich nur beipflichten. Also nickte ich, sagte jedoch kein Wort, da die Aufregung nun Besitz von mir ergriff. Das konnte ja heiter werden! Jess war noch nicht mal vor meinen Augen aufgetaucht und ich mutierte bereits zu einem Nervenbündel! Ein wirklich grandioser Auftakt für unser Kennenlernen.
Einen irischen Fluch ausstoßend, zündete ich mir eine Zigarette an, obwohl in dem kompletten Gebäude Rauchverbot herrschte. Doch das galt nicht für uns. Es war viel zu gefährlich, jetzt nach draußen zu gehen, wir durften von hier aus nur noch zur Bühne laufen, so besorgt war man um unsere Sicherheit.
Langsam inhalierte ich den Rauch, der meine Nerven beruhigen sollte, doch heute klappte das irgendwie nicht so richtig. Als ich den Schatten eines Mannes um die Ecke kommen sah, schaute ich erschrocken auf. Doch es war nur Basil, der plötzlich vor mir auftauchte.
„Bis du bereit?", fragte er. „Sie kommt gleich."
Augenblicklich beschleunigte mein Puls ins Unermessliche. „Hast du sie gesehen?"
„Ja."
„Wie sieht sie aus?"
Grinsend erwiderte er: „Lass dich einfach überraschen."
Ich schluckte kurz, als mein Handy eine neue Skype Nachricht zeigte. „Gleich sehen wir die Boyband und dann werde ich dich treffen! Ich freue mich so sehr!"
Darauf konnte ich nicht mehr antworten, denn ich hörte plötzlich mehrere Stimmen, darunter die des Security Leiters, der sagte: „Bitte hier entlang, meine Damen."
Eilig drückte ich meine Zigarette aus und lief in Richtung meiner Bandkollegen. Jess sollte uns zunächst als Einheit sehen, bevor ich mit ihr alleine sein würde. Kurze Zeit später war es dann soweit. Ein Security Mitarbeiter schob einen Rollstuhl in unseren Raum, neben diesem lief eine hübsche Schwarzhaarige. Doch ich hatte nur Augen für das Mädchen im Rollstuhl.
Lange, hellbraune Haare umrahmten ein süßes Gesicht, mit einer kleinen Stupsnase, die ich am liebsten sofort geküsst hätte. Große, ausdrucksvolle, braune Augen musterten uns ein wenig skeptisch. Als mein Blick auf ihre zierlichen Hände fiel, begann ich zu schwitzen.
„Hallo, du musst Jess sein und das ist wohl deine Freundin Anne."
Glücklicherweise erlöste Harry mich in diesem Augenblick, denn meine Zunge schien festgeklebt zu sein. Und dann ging dieser Idiot her und umarmte zuerst Jess, und dann Anne vor meinen Augen. Böses Foul!
Da es aber nicht mehr zu ändern war, reihte ich mich hinten an, was die Begrüßungszeremonie anging und ließ den anderen den Vortritt. Als Letzter an die Reihe zu kommen, hatte vielleicht auch seine Vorteile. Meine Bandkollegen umarmten zuerst Anne und dann Jess in ihrem Rollstuhl sitzend, wobei sie sich sogar mit Namen vorstellten. Ich war tierisch aufgeregt, als ich endlich an Jess herantreten durfte.
„Hi, ich bin Niall."
„Der Ire."
„Ja, genau."
Unsere Augen trafen sich, die Zeit schien stillzustehen, bevor ich ihr eine kurze Umarmung gab. Mehr durfte ich in diesem Moment nicht tun, obwohl ich sie am liebsten nicht mehr losgelassen hätte. Der angenehme Duft ihres leichten Parfums drang in meine Nase und ihr seidig glänzendes Haar kitzelte meine Wange.
Als ich mich Sekunden später von Jess löste, bemerkte ich, wohin ihre Augen den Weg gefunden hatten: Zu meinem halbgeöffneten Hemd und den herausschauenden Brusthaaren. Jess, die nun meinen Blick bemerkte und leicht errötete, stammelte etwas verlegen: „Dein Hemd gefällt mir irgendwie."
Meine persönliche Ansicht war, dass die Brusthaare das Rennen gewinnen würden. Aber um das endgültig herauszufinden, musste zunächst mein Plan in Kraft treten.
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Hey;), ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen, obwohl Jess noch immer nicht weiß, wer NJ bzw. Niall wirklich ist. Ich glaube, ihr seid jetzt mächtig gespannt auf das nächste Kapitel! Das dürft ihr auch sein. ;)
Danke für die über 4.8 k reads und die ganzen Votes! Ihr seid einfach spitze!
LG, Ambi xxx
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