19. Never again

Niall

Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her, während ich auf ein Lebenszeichen von Jess wartete. Sie sollte diese Gruppentherapie eigentlich längst hinter sich gebracht haben und ich war neugierig, etwas darüber zu erfahren. Seufzend drehte ich mich auf die linke Seite. Dank der Quarkpaste, mit welcher Liam meinen lädierten Rücken bearbeitet hatte, konnte ich auch wieder auf diesem liegen, ohne vor Schmerzen an die Decke zu gehen. Ein Auge auf den Flachbildschirm geheftet, und das andere, welches das Handy stets im Blickfeld hatte, versuchte ich die Zeit zu überbrücken. Irgendwann musste Jess sich doch melden!

Ich begann mir Sorgen zu machen, als ich am späten Abend noch immer keine E-Mail empfangen hatte, doch ändern ließ sich das leider nicht. Morgen würden wir wieder auf der Bühne stehen, doch am heutigen Abend konnte ich tun und lassen was ich wollte. Also schaute ich ein Fußballspiel im Fernsehen an, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, auf welche ich auch während einer Tour keineswegs verzichtete.

Lust auszugehen verspürte ich an diesem Abend rein gar nicht, mir war eher nach relaxen zumute, was sich auf meinem Bett ausgezeichnet durchführen ließ. Die Einladung meiner Bandkollegen, sie in einen Club zu begleiten, lehnte ich dankend ab, denn wir war einfach nicht danach zumute, mich von dröhnender Musik berieseln zu lassen, und gleichzeitig meinen Alkoholspiegel im Blut aufzufüllen.

Als die Halbzeitpause im Spiel begann, schaute ich sofort in meinem E-Mail Posteingang nach, um endlich das langersehnte Schreiben zu entdecken. Der Name [email protected] erzeugte ein Lächeln auf meinem Gesicht. Schnell setzte ich mich auf und begann ihre Worte zu lesen, welche meine Welt jedoch binnen Sekunden einstürzen ließen.

Lieber NJ,
ich weiß nicht, wo ich anfangen soll zu schreiben, und was überhaupt noch relevant ist. Ich kann nicht mehr, ich bin so todtraurig, ich bin am Ende. Ich muss die ganze Zeit weinen, auch jetzt, also sei mir bitte nicht böse, falls sich Tippfehler in dieser Mail befinden sollten.

Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was war nur passiert? Um das herauszufinden musste ich weiterlesen, das war klar.

Die Erkenntnis, dass ich nie wieder tanzen werde, sollte zwar nichts Neues für mich sein, doch diese Tatsache habe ich zwischendurch immer wieder verdrängt. Als ich heute die Gruppentherapie besucht habe, wurde mir jedoch bewusst, dass mein Leben nie wieder das Gleiche sein wird, für immer. Ich weiß, du tust immer dein Möglichstes, um mich aufzumuntern und heute brauche ich dich ganz besonders. Ich wünschte, du könntest jetzt bei mir sein und mich umarmen, ich habe mir noch nie etwas so sehr gewünscht, das kannst du mir glauben.

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und ließ ihre Worte auf mich wirken. Ich spürte die Verzweiflung ebenso wie den Wunsch ihr nahe sein zu wollen.

„Jess, wenn ich könnte, würde ich jetzt bei dir sein", murmelte ich mit Tränen in den Augen.

Warum nur befanden wir uns auf unserer Welttournee, in den USA und Kanada? Wieso konnte ich nicht in London sein? Vermutlich hätte ich es in jenem Moment darauf ankommen lassen und Jess wirklich zuhause besucht. Und ganz egal, wie sie im ersten Augenblick darauf reagiert hätte, ich war mir ziemlich sicher, dass ich sie in meine Arme hätte nehmen dürfen. Nach einem tiefen Ausatmen hefteten sich meine Augen erneut auf den Text, der die klaffende Wunde in ihrem Herzen hervorbrachte.

Das verdammte Kribbeln in meinen Beinen bringt mich fast um, sie sind zu nichts nütze, warum verdammt müssen sie dann kribbeln? Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht denken, ich kann gar nichts mehr tun außer heulen. Ich hoffe, du verstehst mich und meine Gefühle.

Das tat ich zwar, doch der Grund, warum diese Emotionen plötzlich auftauchten, lag noch immer im Verborgenen. Darum musste ich weiterlesen, egal, wie sehr es mir nun wehtat. Jess so zu sehen ging mir wirklich sehr nahe und ich spürte, wie sehr sie mir ans Herz gewachsen war.

Bestimmt fragst du dich, was geschehen ist. Ich möchte es dir gerne schreiben, doch ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht mit der merkwürdigsten Sache überhaupt. Ich durfte eine Puppe schlagen, die den Namen Beat-Boy trägt und mir vorstellen, dass es sich dabei um Tim handelt. Es war ein ziemlich gutes Gefühl, ihn zu verprügeln, trotzdem würde ich das gerne noch einmal im realen Leben tun.

„Das mache ich schon für dich, Jess", knurrte ich leicht wütend.

Am liebsten würde ich diesem Typen sofort zeigen, wo der Hammer hing, schließlich hatte der die Seele meiner kleinen Prima Ballerina auf dem Gewissen, und dafür sollte er büßen. Angestrengt las ich weiter, nachdem ich meinen Ärger über Tim hinuntergeschluckt hatte.

Nachdem ich die Puppe geschlagen hatte, fühlte ich mich zunächst ein wenig besser, doch irgendwann kam der Gedanken, dass nichts mehr diesen Unfall ungeschehen machen kann. Nie wieder werde ich tanzen können, nie wieder vor einem Publikum stehen, den Jubel hören und die Freude in den Gesichtern der Menschen sehen, die ich mit meiner Darbietung zum Lächeln bringen konnte. Du könntest jetzt sagen, dass ich etwas Anderes aus meinem Leben machen soll, doch das will ich nicht. Verstehst du das? Ich will es nicht und ich kann es nicht! Ich wurde zum Tanzen geboren, es ist das, was ich tun möchte, so lange ich lebe.

Es war ein Aufschrei, der durch meine Ohren ging, Jess sagte das nicht ruhig, sondern brüllte es regelrecht, mit Tränen in den Augen. Unsere besondere Seelenverwandtschaft ermöglichte es mir, alle ihre Gefühle bis ins kleinste Detail wahrzunehmen und das brachte mich fast um den Verstand.

So viel Traurigkeit, so viele Tränen, das war schwer zu verdauen. Doch ich konnte nicht aufhören zu lesen, sie vertraute sich mir total an, das war der springende Punkt. Wie hätte ich sie jemals im Stich lassen können? Hinzu kam, dass ich mich total in sie hineinversetzen konnte, denn ich setzte ihre Unfähigkeit zu tanzen mit dem Verlust meiner Stimme gleich. Mein Leben würde den Bach hinunter gehen, falls das jemals passieren sollte.

Bitte mach dir keine Vorwürfe, dass du mich zu dieser Gruppentherapie ermutigt hast, ich weiß, dass du das tust, also lüge mich nicht an, wenn du mir vielleicht irgendwann antwortest.

Wieso sollte ich denn nicht antworten? Dachte sie wirklich, dass ich aufhören würde ihr zuzuhören oder für sie da zu sein? Ich wäre mir wie ein Schwein vorgekommen, wenn ich den Kontakt gerade jetzt mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden beendet hätte. Das entsprach ganz und gar nicht meinem Stil. Das war nicht ich.

Ich weiß noch nicht, ob ich die Gruppentherapie weiter fortführen werde, im Moment sieht es nicht danach aus. Dich trifft jedoch absolut keine Schuld daran, das solltest du wissen. Ich möchte dir sagen, wie dankbar ich dir bin, dass du dich um mich kümmerst, aber ich glaube nicht, dass du das bis an dein Lebensende tun kannst und wirst. Du hast ein eigenes Leben, ein sehr schönes, eines, um das ich dich insofern beneide, dass du genau das tun kannst, was du gerne möchtest. Du hast mir mal geschrieben, dass du gerade deinen Traum lebst.

Ich wünschte, ich hätte das auch zu dir sagen können, doch meine nutzlosen Beine verhindern das. Sie verhindern alles in meinem zukünftigen Leben. Dass ich einen Mann und Kinder haben werde, dass ich normal laufen und tanzen kann. Ich werde für immer ein Krüppel bleiben, nichts wird das ändern. Es ist traurig, ich weiß. aber ich möchte dich gerne von dieser Bürde befreien. Du sollst nicht denken, dass du eine lebenslange Verpflichtung eingegangen bist, als du mir auf meine erste E-Mail geantwortet hast.

Von was zum Teufel redete sie? Das klang gar nicht gut! Völlig verwirrt starrte ich auf die nächsten Sätze.

Du hast mich so viel zum Lachen gebracht, du bist für mich das Licht in der Dunkelheit, ich werde mich immer an dich und deine wundervollen E-Mails erinnern, selbst wenn ich in dreißig Jahren noch in diesem Rollstuhl sitze und du wahrscheinlich mit Frau und Kindern unterwegs bist. Vielleicht wirst du später ab und zu an mich denken, aber bitte versprich mir, dass du versuchst glücklich zu werden. Mit einer Frau die dich so liebt wie du bist. Die nicht scharf auf Geld oder sonstige materielle Güter ist, sondern die erkennt, welch einen guten, liebevollen Menschen sie mit dir an ihrer Seite hat.

Ich wünschte, ich hätte dich nur einmal sehen können, nur ein einziges Mal, um festzustellen, wie deine Stimme klingt und um in deine blauen Augen zu schauen. Sie müssen wunderschön sein, zumindest stelle ich es mir so vor. Vergib mir meine Fantasie, ich kann einfach im Moment nicht anders, weil ich das Gefühl habe, dich irgendwann zu verlieren. Und ich will nicht noch mehr verlieren, was mir wichtig ist.

Ich schluckte schwer, als ich die Tränen aus meinen Augen wischte. Was um Gottes Willen war mit Jess passiert? Es fühlte sich schrecklich an, sie so leiden zu sehen und zu wissen, dass sie glaubte, mich eines Tages zu verlieren. Ich betrachtete es als meine Aufgabe, sie von diesem Gedanken zu befreien, das musste ich einfach tun! Nichts und niemand würde mich in der Zukunft davon abhalten können, den Kontakt mit ihr zu pflegen. Wenn Jess das doch nur einsehen könnte!

In jenem Moment begriff ich, wie wichtig sie eigentlich für mich war. Dass wir uns gegenseitig brauchten, um in dieser Welt einigermaßen überleben zu können. Unsere E-Mails waren der beste Beweis dafür. Ich konnte einmal ich selbst sein und sie konnte mir alle ihre Sorgen und Ängste anvertrauen. Wir lachten und weinten zusammen. Warum sollte das vorbei sein?

Als ich den anderen Menschen in dieser Gruppe ein wenig über mich erzählt habe, realisierte ich, dass alles vorbei ist. Mein Leben geht den Bach hinunter und selbst wenn ich eines Tages wieder laufen könnte, würde ich mit einem kaputten Knie durch die Gegend humpeln. Ich muss mich damit abfinden, aber ich kann es nicht. Deshalb bin ich heute so depressiv und gleichzeitig aggressiv drauf.

Danke, dass ich mich bei dir ausheulen darf, danke, dass du noch immer für mich da bist. Danke, dass du mir in der Vergangenheit zugehört hast und danke, dass du eine meiner vier Stützen sein willst. Aber ich kann das nicht zulassen. Du musst dein Leben leben, es hat so viel Schönes für dich zu bieten. Von mir wirst du nichts erwarten können außer Jammern, Depressionen und Selbstmitleid. Das möchte ich dir auf Dauer nicht zumuten, dann dafür bist du viel zu liebenswert und herzlich.

Es ist so toll, dass ich dich wenigstens auf diese Art und Weise kennenlernen durfte. Weiß deine zukünftige Freundin eigentlich, was sie für ein Glück hat? Es tut mir so leid, NJ, das ich all diese Dinge sage, doch sie befinden sich gerade in meinem Kopf, in meinem Herzen und müssen einfach raus. Vielleicht verletze ich dich damit, wenn das so ist, dann tut es mir sehr leid.

Jess verletzte mich nicht aber sie machte mich unendlich traurig. Ich verstand, dass sich all diese Dinge in ihrem Innersten angestaut hatten und nun einen Weg nach draußen suchten, welchen sie wohl auch gefunden hatten. Ich war ihr Ventil, das sie dringend benötigte. Wenn sie das doch nur einsehen würde! Sorgenvoll nahm ich nun die nächsten Zeilen in mir auf.

Ich glaube, ich kann keine deiner Fragen aus der letzten E-Mail beantworten, dafür bin ich im Moment viel zu sehr neben der Spur. Es ist, als ob mir alles entgleitet, verstehst du das? Es fühlt sich an wie eine totale Leere in meiner Seele, gleichzeitig tut mein Herz so weh, dass ich nicht mehr richtig atmen kann. Ich wünschte, es würde vorbeigehen, doch ich habe kaum Hoffnung, dass sich dies eines Tages bessern wird.

Bitte sag mir, dass du mich in deine Arme nehmen würdest, wenn du jetzt hier wärst.

Sie konnte sicher sein, dass ich das tun würde! Verdammt! Ich verfluchte es so sehr, dass ich mich nicht einfach in das nächste Flugzeug setzen, und nach London fliegen konnte, um ihre Adresse ausfindig zu machen und kurzerhand vor ihrer Tür zu stehen. Verzweifelt raufte ich meine Haare, als ich das Handy kurz zur Seite legte, um ein wenig zu verschnaufen, bevor ich mir die nächsten Zeilen zu Gemüte führte.

Ich weiß, diese E-Mail ist sehr widersprüchlich, so wie meine Gefühle es im Augenblick auch sind. Einerseits weiß ich, dass ich dich irgendwann gehen lassen muss, denn es ist nicht deine Aufgabe, dich um ein Mädchen im Rollstuhl zu kümmern, aber ein Teil von mir will dich nicht loslassen, noch nicht. Es ist schwer mit allem klar zu kommen und ich denke, dass ich dich gerade sehr verwirre.

Das tat sie wirklich und zwar gewaltig. Mein Herz pochte so laut, dass ich mein eigenes Blut in den Ohren rauschen hörte und meine Kehle fühlte sich total trocken an. Ich machte mir gerade schreckliche Vorwürfe, dass ich Jess zu dieser Gruppentherapie ermutigt hatte, denn das war nun das Ergebnis. Sie durchlebte ihre persönliche Hölle und, was noch viel schlimmer war, sie bildete sich ein, dass sie eine Last für mich sein würde, wenn wir in der Zukunft unsere Korrespondenzen fortsetzten.

Das Ganze kam mir vor wie ein Albtraum, aus dem ich nicht entfliehen konnte. Meine Augen waren inzwischen total feucht, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten, so sehr nahm mich das alles mit.

Schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben. Ich denke, du wärst perfekt für mich gewesen. Du bist es noch immer, keine Frage, denn du tust meiner Seele so unendlich gut, und doch weiß ich, dass ich dich eines Tages gehen lassen muss. Vielleicht wirst du mir nach dieser E-Mail gar nicht mehr zurückschreiben, weil du enttäuscht von mir und meinem Verhalten bist, was ich sehr gut verstehen könnte. Wenn du es trotzdem tust, dann hoffe ich, dass du mich noch eine Weile begleiten wirst.

Es tut mir so leid, dass ich heute so drauf bin und dir wahrscheinlich deinen Tag vermiest habe, aber ich bin auch nur ein Mensch, der zudem im Moment psychisch sehr labil ist. Eigentlich sollte sich das inzwischen gebessert haben, aber wie du siehst, kann so etwas sehr lange dauern. Trotzdem muss ich dir sagen, dass du mich in eine andere Welt entführt hast, was ich sehr genossen habe. Jede deiner E-Mails war ein Geschenk, das ich immer in meinem Herzen tragen werde. Ich habe sie alle ausgedruckt, jede Einzelne, damit sie nicht verloren gehen. Du siehst, wie wichtig deine Worte für mich waren und noch immer sind.

Nun möchte ich dich nicht weiter nerven, sondern dir eine gute Nacht wünschen, obwohl du vermutlich jetzt nicht so schnell schlafen kannst.

Alles Liebe, Jess

P.S.: Ich habe dir ein Foto von meinen Beinen mitgeschickt, sie sind so hässlich.

Schwer atmend ließ ich das Handy sinken und vergrub meinen Kopf in dem großen Kissenstapel, welcher sich auf dem Bett türmte. Warum musste das nur geschehen? Wieso bekam Jess solch einen Rückfall? Wenn ich gewusst hätte, was diese Gruppentherapie auslöste, hätte ich sie niemals dazu ermutigt! Verdammt, wieso konnte ich jetzt nicht bei ihr sein? Ich hätte sie so gerne in meine Arme genommen, um sie zu trösten und um ihr zu zeigen, dass ich nach wie vor für sie da sein wollte.

Fünf unendlich lange Minuten lag ich bewegungslos auf meinem Bett, hoffend, dass ich gleich aufwachen würde, um festzustellen, dass ich nur geträumt hatte. Doch es war nutzlos, sich das einbilden zu wollen.

Nachdem ich mich ein wenig gefasst hatte, öffnete ich den Anhang der E-Mail, um auf das Foto zu starren. Ihre Beine waren sehr dünn, ohne Muskeln, das konnte man genau sehen, obwohl sie das Bild selbst geschossen haben musste, vermutlich als sie auf dem Bett lag, da die Beine ausgestreckt waren. Sie tat mir so unendlich leid.

Doch dieses Kribbeln zeigte, dass noch etwas am Leben war und, dass sie vermutlich irgendwann wieder laufen konnte. Aber ich wusste, dass Jess sich weigern würde das zu tun. Sie sah im Moment keinen Sinn in ihrem Leben.

Ich musste meine ganze innere Kraft aufbieten, um diese E-Mail noch ein weiteres Mal durchzulesen, denn ich wollte ihr antworten. Ich hatte mir fest vorgenommen, ihr zu beweisen, dass ich sie nicht im Stich lassen würde. Von mir aus sollte sie diese Gruppentherapie schmeißen, doch den Kontakt zu ihr abzubrechen, kam für mich nicht in Frage. Jess sollte wissen, dass ich sie nicht so einfach aufgeben würde.

Noch hatte ich keine Ahnung, wie ich es bewerkstelligen sollte, dass sie wieder Mut fasste, aber ich durfte sie jetzt nicht hängen lassen. Es stand fest, dass dies die schwierigste E-Mail überhaupt werden würde, viel schlimmer als die erste, welche ich ihr geschickt hatte. Ich musste doppelt so einfühlsam sein, denn ein falsches Wort bedeutete vielleicht das Ende. Und das wollte ich unter keinen Umständen heraufbeschwören.

Ihr Schicksal hätte mir egal sein können, doch das war es nicht. Von der ersten Minute an berührte mich dieses so sehr, und das würde sich auch nicht ändern. Egal was noch passierte, ich würde Jess nicht vergessen können. Ich musste um sie kämpfen. Als dieser Gedanke durch meinen Kopf floss, fühlte es sich an, als sich ich in der Normalität angekommen. Zugegeben, eine ziemlich absurde Normalität.

Niall Horan musste um ein Mädchen kämpfen, das er im Internet kennengelernt hatte. Niall Horan musste um ein Mädchen kämpfen, das nicht laufen konnte und das unter Depressionen litt. Niall Horan musste erkennen, dass es viele Dinge gab, die ihm nicht einfach in den Schoß fielen. Niall Horan musste erkennen, dass auch er an seine Grenzen stoßen konnte. Doch Niall Horan würde niemals aufgeben, nicht wenn er wie bisher seinem Herzen folgte.

Von mir in der dritten Person zu denken klang zwar etwas irrsinnig, doch es störte mich nicht weiter, da es niemanden gab, der meine Gedanken zu hören vermochte.

Bevor ich auf Jess' E-Mail antworten konnte, musste ich das Ganze erstmal sacken lassen. Vermutlich war es besser, eine Nacht darüber zu schlafen, denn ich wollte nichts falsch machen.
Da das Schlafen jedoch nicht so gut funktionierte, weil ich immer wieder erwachte, war es kein Wunder, dass ich am nächsten Tag so spät aufstand, dass es gerade noch reichte, um schnell etwas zu essen und sich dann für die Konzertvorbereitungen fertig zu machen. Somit würde es noch länger dauern, bis ich Jess schreiben konnte, doch vielleicht war das gar nicht schlecht. Denn je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurden die Sätze, welche sich in meinem Kopf formten und die ich zu schreiben gedachte.

Erst am Tag nach unserem Konzert in Vancouver kam ich endlich dazu, Jess zu antworten. Nachdem ich ausgeschlafen und mich seufzend im Bett aufgesetzt hatte, tastete nach meinem Handy und begann langsam die E-Mail zu tippen. Vermutlich würde ich eine sehr lange Zeit dafür brauchen, doch das interessierte mich nicht. Jedes Wort musste genau durchdacht werden, jeden Satz ließ ich mindestens dreimal auf mich wirken und ich machte zwischendurch Pausen, um alles genau zu überdenken.

Nach fünf Stunden hatte ich es endlich geschafft. Ich las mir alles noch einmal durch, bevor ich auf den senden Button drückte, um die Mail endgültig abzuschicken. Jetzt konnte ich nur hoffen und beten, dass Jess mir irgendwann antwortete. Ich rechnete jedoch nicht damit, dass dies sofort geschah.
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Glaubt ihr, dass Niall es schafft, Jess wieder aufzurichten?

Leute, vielen lieben Dank für die über 2k reads und über 400 votes! Ich freue mich riesig darüber!

LG, Ambi xxx


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