16. Spicy

Jess

Die Kopfschmerzen, mit welchen ich an diesem Morgen erwachte, waren beinahe unerträglich. Es fühlte sich an, als ob mein Gehirn gleich zerplatzen würde. Mit zusammengekniffenen Augen tastete ich nach meinem Handy, um nach der Uhrzeit zu schauen. Dieses zeigte viertel vor zehn, mein Wecker würde also gleich losgehen.

Da ich nun wach war, stellte ich den Alarm einfach aus und drehte mich vorsichtig zur Seite. Jede Bewegung schmerzte so sehr, dass ich glaubte, gleich durchdrehen zu müssen. Wie ich diese Migräneattacken hasste! Sie traten sehr selten, meistens zweimal im Jahr auf, und verschwanden am darauffolgenden Tag wieder, als seien sie nie dagewesen. Der menschliche Körper war schon eine Wissenschaft für sich.

Um die Schmerzen ein wenig zu lindern, halfen nur ein abgedunkeltes Zimmer, und die Tabletten, welche der Hausarzt mir regelmäßig verschrieb. Da ich mich jedoch nicht in der Lage fühlte, aufzustehen, rief ich meine Mum auf ihrem Handy an. Ich hörte wie es klingelte, denn sie stand wohl gerade im Flur, kam jedoch sofort in mein Zimmer gestürzt.

„Alles in Ordnung, Jess?"

„Nein, meine doofe Migräne ist da", stieß ich hervor.

„Warte kurz, ich bringe dir die Tabletten und ein Glas Wasser."

Sekunden später verschwand sie aus meinem Zimmer, um kurz darauf mit den angekündigten Dingen in ihrer Hand zurückzukehren. Zuerst stellte sie das mit Wasser gefüllte Glas auf meinem Nachttisch ab, dann überreichte sie mir eine dieser kleinen Pillen, welche ich sofort in meinen Mund steckte und mit einem großen Schluck Wasser hinunterspülte.

„Danke, Mum."

„Bitte, Schatz."

Meine Mutter streichelte sanft über meinen Arm. „Versuche noch ein bisschen zu schlafen, Jess. Dich hetzt ja keiner."

„Das ist wohl wahr", murmelte ich, schloss meine Augen und versuchte an etwas Schönes zu denken.

An etwas, das mir die Schmerzen nehmen würde. Leider fiel mir im Augenblick, außer Ballett, nichts Anderes ein, bis plötzlich ein blaues Augenpaar in meinen Gedanken auftauchte. Ich wusste nicht, welche Form seine Augen hatten und welchen Blick, doch ich wusste, dass sie blau waren. Wie gerne würde ich jetzt NJs Gesicht sehen können! Ich stellte mir vor, dass er ein sanftes, liebevolles Lächeln hatte und wunderschöne Augen. Keine Ahnung, wie ich auf diese Idee kam, doch so musste es einfach sein!

Meine Gedanken schienen langsamer zu werden, meine Augenlider schwer wie Blei und bevor ich mich versah, war ich auch schon eingeschlafen.

Drei Stunden später erwachte ich aus meinem unruhigen Schlaf, mit wesentlich weniger Kopfschmerzen. Erfahrungsgemäß war es jedoch besser, den restlichen Tag im Bett zu bleiben und sich nicht zu überanstrengen, damit die Migräne nicht wieder zuschlug. Da ich am heutigen Tag noch nichts gegessen hatte, knurrte mein Magen dementsprechend und ich sah mich gezwungen, meine Mum erneut anzurufen. Wenn ich hätte laufen können, wäre ich wenigstens in die Küche gegangen, um mir etwas zu Essen zu holen, doch es war anstrengend sich in den Rollstuhl zu hieven und ich hatte Angst, dass die Kopfschmerzen dann wieder heftiger werden könnten.

„Jess, geht es dir besser?", hörte ich ihre Stimme.

„Ja, Mum und ich habe ein bisschen Hunger", gestand ich. „Wo bist du denn?"

„Im Garten, aber ich bringe dir gleich etwas zu Essen, ok?"

„Ok."

Seufzend ließ ich mich in das Kissen zurücksinken, dankbar, dass ich eine Familie hatte, die hinter mir stand. Was würde ich nur ohne sie tun? Komischerweise kam mir gerade jetzt ein Satz, welchen ich an NJ geschrieben hatte, in den Sinn. Er war eine meiner Säulen, genau wie Anne, doch meine Familie war die dritte Säule, welche mich stützte. Jetzt fehlte noch eine Vierte, denn man brauchte bekanntlich vier Säulen, um ein Quadrat richtig abzustützen. Das Quadrat war in diesem Fall ich, nur galt es jetzt herauszufinden, wer meine vierte Säule sein sollte.

„Hier kommt dein Essen, Jess."

Bevor ich noch weiter nachdenken konnte, stand meine Mutter im Zimmer und servierte das Mittagessen auf einem Tablett, worüber ich unglaublich dankbar war. Sofort schnupperte ich den Duft des Yorkshire Pies, den sie wirklich exzellent zubereitete. Mit großem Appetit machte ich mich über das Essen her und trank eine Flasche Apfelschorle dazu. Ich war so hungrig, dass ich gar nicht bemerkte, wie Malcolm ins Zimmer kam. Erst, als er sich auf dem Bettende niederließ, registrierte ich seine Anwesenheit.

„Hey, Jess, wie sehe ich aus?", fragte er und schaute mich erwartungsvoll an.

Seine hochgestellten Haare fielen mir sofort auf. „Super, deine Frisur gefällt mir", erwiderte ich grinsend, bevor ich die letzte Gabel des Essens zu meinem Mund führte.

„Ok, ich wollte es nur wissen, weil ich gleich zu Stephanie fahre."

Schmunzelnd gab ich nun von mir: „Es scheint etwas Ernstes zwischen euch zu sein."

„Das hoffe ich doch", erwiderte er grinsend, während er sich erhob, um anschließend nach dem Tablett zu greifen.

„Ich nehme das mit raus, Jess, dann brauchst du Mum nicht wieder anzurufen."

„Du bist der beste Bruder der Welt."

„Ich weiß."

Mit einem Augenzwinkern verließ er mein Zimmer, ich schaute ihm fasziniert hinterher. Er war so erwachsen geworden im letzten halben Jahr, dass ich es kaum fassen konnte. Mein Kopf sank erneut zurück in das Kissen, als ich wieder alleine in meinem Zimmer war, dann fiel mein Blick auf das Handy, das auf dem Nachttisch lag. Ich hatte heute noch gar nicht meine E-Mails abgefragt, da ich es noch nicht geschafft hatte, aufzustehen. Auch jetzt war mir nicht danach zumute und so schaute ich heute auf meinem Handy nach den eingegangenen Nachrichten. Mein Blick hellte sich auf und ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich den Absender der einzigen E-Mail erblickte. [email protected].

Ich platzte fast vor Neugier, was er auf meine kühnen Sätze wohl geantwortet haben mochte, und so begann ich ohne Zögern zu lesen.

Liebe Jess,
ich würde dir gerne etwas Aufregendes erzählen, doch leider gibt es nichts zu berichten, außer, dass ich einen neuen Cocktail probiert habe, was ich besser hätte nicht tun sollen, da er Champagner enthielt, den ich in Kombination mit Wokda, einem weiteren Bestandteil des Getränks, überhaupt nicht vertrage. Ich werde ziemlich schnell betrunken davon, natürlich nicht von einem, ich habe gleich vier davon zu mir genommen, weil sie einfach so gut schmeckten.


Ich begann laut zu lachen, als ich das las. Vermutlich hätte ich das Gleiche getan, denn wenn ein Drink meine Geschmacksnerven positiv ansprach, fiel es mir schwer, davon abzulassen. Somit besaß NJ mein vollstes Verständnis. Nun war ich neugierig, wie die Sache weitergegangen war.

Meine netten Kollegen haben mich dann auf mein Zimmer gebracht, wo ich mehrere Stunden geschlafen habe und dann aufgewacht bin, als mein Magen zu knurren begonnen hat. Ich wäre fast verhungert und dann hättest du vergebens auf eine Antwort gewartet.

Schon wieder bekam ich einen Lachanfall, sein Humor war einfach zu göttlich!
„Was hat dich denn vor dem Hungertod gerettet? Verrätst du mir das?", flüsterte ich vor mich hin, bevor meine Augen erneut über den Text schweiften.

Glücklicherweise konnten zwei Salami Pizzen das verhindern. Außerdem habe ich noch einen Salat gegessen. Die Sache mit dem Cocktail, der sich übrigens French 21 nennt, war jedoch nicht das Einzige, was mir heute widerfahren ist. Bei dem Versuch meinem Rücken etwas Bräune zukommen zu lassen, vergaß ich wohl die Sonnenlotion und laufe nun mit seinem Sonnenbrand, der echt wehtut, herum. Da ich niemanden außer mir selbst dafür verantwortlich machen kann, muss ich wohl mit meiner Dummheit leben. Weißt du vielleicht ein gutes Mittel gegen Sonnenbrand? Du würdest mir echt helfen!

Natürlich kannte ich ein altes Hausmittel gegen zu viel Sonneneinstrahlung auf der Haut und ich war gerne bereit, dieses zu verraten. Aber zunächst galt es, die E-Mail weiter zu lesen.

Somit könnte man sagen, dass mein freier Tag ein Griff ins Klo war, um es mal so auszudrücken. Aber es gibt Schlimmeres, deswegen rege ich mich nicht weiter darüber auf. Morgen werde ich einen stressigen, aber dennoch tollen Tag auf der Arbeit verbringen. Das bedeutet auch, dass ich dir auf deine Mail nicht vor Mitternacht antworten werde. Ich hoffe, du hältst es so lange ohne ein Lebenszeichen von mir aus.

„Du klingst gerade wie ein kleiner, liebenswerter Macho", sagte ich laut, mit einem Grinsen auf den Lippen. „Aber es fällt mir echt schwer, so lange nichts von dir zu hören." Wir hatten uns schon so sehr aneinander gewöhnt, dass das tägliche Schreiben einfach dazugehörte. Gespannt las ich nun weiter.

Kommen wir zu deiner ersten Frage. Ich trinke Jack Daniels immer pur bzw. auf Eis, aber das ist reine Geschmackssache. Vielleicht ist er dir zu herb, aber dann kannst du ja mit Cola mixen.

Das wollte ich unbedingt ausprobieren! Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte mein Vater sogar eine Flasche Jack Daniels in der Hausbar stehen. Vielleicht sollte ich morgen, nach der Gruppentherapie, einfach ein Glas trinken, oder davor, um mich zu entspannen. Grinsend stellte ich mir Annes entsetztes Gesicht vor, wenn ich ihr sagen würde, dass ich mir Mut angetrunken hätte. Doch dann wandte ich mich erneut der Nachricht von NJ zu.

Medium gebratene Steaks im Internet zu essen, ist bestimmt spaßig! Also lass es uns probieren, ich bin dabei! Zu deiner Aussage, dass ich mich gut in andere hineinversetzen könnte, kann ich nur sagen, dass ich mir weiterhin Mühe geben werde, das zu tun. Gerade stelle ich mir die Frage, warum du keine neuen Freunde in der Therapiegruppe finden solltest? Das klingt so, als würdest du es von vornherein ablehnen, bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liegen sollte.

Er lag nicht falsch, er lag sogar ziemlich richtig mit seiner Annahme, denn ich sah keinen Sinn darin, neue Freunde zu finden, die ich sowieso nicht an mich herankommen lassen würde. Ich hatte ihm mein Herz geöffnet und nur er würde erfahren, was in mir vorging. Ob ich traurig war, oder eher fröhlich, was immer öfter vorkam, wenn ich seine Nachrichten las.

Ich bin gerne einer deiner Stützen und hoffe dieser hohen Anforderung auch weiterhin gerecht zu werden. Du sollst wissen, dass du auch ein sehr wichtiger Mensch für mich geworden bist, zu dem ich immer ehrlich sein werde. Im Laufe meiner E-Mail wird das noch deutlich werden, denn ich bemühe mich, jede deiner Fragen sehr präzise zu beantworten, so pikant sie auch sein mögen.

Das hörte sich richtig gut an, sehr gut sogar. Er ließ sich also auf eine tiefsinnige Freundschaft ein, das war genau das, was ich brauchte und wollte. Ich war echt neugierig auf den weiteren Verlauf der E-Mail.

Als Missbrauch würde ich es nicht gerade bezeichnen, wenn ich deine Hand halten soll, während du unbekanntes Terrain betrittst, eher als eine nette Geste zwischen zwei Menschen, die sich mögen. Ich kann verstehen, dass du im Moment nicht dazu in der Lage bist, Untersuchungen über dich ergehen zu lassen, also solltest du dich auch nicht unter Druck setzen. Vielleicht wirst du eines Tages soweit sein und ich würde mich freuen, wenn du dann mit mir darüber reden würdest.

Ganz sicher würde ich das tun, es kam außer ihm niemand anderes in Frage, um über solche wichtigen Dinge zu sprechen. Hinzu kam noch, dass er selbst eine Knie OP hinter sich gebracht hatte und das somit ganz anders sah, als ein Außenstehender, der noch keine Erfahrungen auf diesem Gebiet besaß. NJ war einfach kompetent, in jeglicher Hinsicht. Aber er war auch unglaublich witzig, was seine nächsten Sätze bewiesen.

Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, Tampons zu besorgen, auch habe ich keine Ahnung, welche Größe ich nehmen könnte. Da der Rasierer deines Vater ja immer griffbereit ist, könnten wir unseren Tausch auch auf später vertagen, oder?

„Sicher können wir das", prustete ich los. Ich liebte seinen Humor total, den er nun weiter ausspielte.

Das Bild von deinem Mickey Mouse Schlafanzug ist sehr süß und ich wage zu behaupten, dass du darin sogar sexy aussiehst. Natürlich würde ich nie auf den Gedanken kommen, meine schmutzigen Hände an diesem edlen Teil abzuwischen! Was denkst du denn von mir? Das gewünschte Bild von meiner Boxershorts habe ich als Anhang mitgeschickt, doch nun möchte ich auch gerne eines von deiner Unterwäsche haben, da es sich bei meiner Boxershorts nicht um einen Schlafanzug handelt. Ich ziehe sie zwar zum Schlafen an, doch sie gehört zur Kategorie Unterwäsche, ok? Also würde ich es nur fair finden, wenn du mir das gewünschte Bild zukommen ließest.

Mit aufgerissenen Augen holte ich einmal tief Luft, musste mir jedoch eingestehen, dass er Recht hatte. So einfach trickste er mich also aus! Aber ich war selbst schuld, nun musste ich ihm ein Foto von meiner Calvin Klein Unterwäsche schicken. Da ich es nicht erwarten konnte, das Bild von seiner Boxershorts anzuschauen, scrollte ich nach unten, bis der Anhang auftauchte, welchen ich nun öffnete. Eine schwarze Boxershorts tauchte vor meinen Augen auf, was meine Fantasie anregte. Wie würde er wohl darin aussehen? Vermutlich ziemlich sexy. Etwas aufgeregt las ich nun weiter.

Körbchen Größe B ist, wie gesagt, ideal für meine Hände. Die Frau, mit der ich zuletzt Sex hatte, was genau drei Tage her ist, trägt ebenfalls B. Bist du nun überrascht, dass ich so ehrlich antworte? Ich habe mir vorgenommen, dich nicht anzulügen, es gibt auch gar nichts, was ich in diesem Punkt zu verheimlichen hätte, da ich Single bin und tun und lassen kann, was mir beliebt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich im Rotlichtmilieu umherstreife, um nach einer geeigneten Beute Ausschau zu halten. Ich bevorzuge Frauen, die ich etwas besser kenne, genauer gesagt sind wir reine Fuckbuddies. In den USA besitze ich genau zwei davon, obwohl das Land so groß ist, aber das reicht aus, denn sonst könnte es zu logistischen Problemen kommen. Stell dir mal vor, die würden sich alle am gleichen Tag mit mir treffen wollen, das würde ich gar nicht schaffen!

Baff über so viel Ehrlichkeit fiel es mir schwer, ihn dafür zu verurteilen. Er hatte keine feste Freundin, wieso sollte er dann auf Sex verzichten? Wenn die Frauen, mit denen er das durchzog, das genauso sahen, war das für mich ok. Es sollte ja weibliche Wesen geben, die auch nicht mehr wollten. Für mich kam das zwar nicht in Frage, doch das musste jeder für sich entscheiden.

„NJ, NJ", murmelte ich grinsend vor mich hin, „du bist ein schlimmer Finger!"

Dass er jedoch gar nicht so schlimm war, bewiesen mir seine nächsten Aussagen.

Das Runterreißen der Klamotten käme für uns beide wahrscheinlich nicht in Frage, wir würden es nicht auf diese Art und Weise tun, glaube mir. Ich fühle, dass es langsam und zärtlich vonstattengehen würde, oder siehst du das anders?

Fuck! Was bewirkten seine Worte plötzlich? Wenn er jetzt vor mir gestanden hätte, wäre ich bereit gewesen, das zu testen, obwohl das mit meinen leblosen Beinen vermutlich gar keine so tolle Erfahrung gewesen wäre. Doch in meiner Fantasie konnte ich die Beine ganz normal bewegen, NJ schaffte das mit nur einem einzigen Satz. Mein Kopfkino spielte mir gerade einen derben Streich und so wandte ich mich wieder der E-Mail zu, in der Hoffnung, abgelenkt zu werden.

Wir kommen immer wieder auf diese besondere Verbindung zu sprechen, aber das ist gut so. Sonst vergessen wir eines Tages noch, warum wir überhaupt unsere Korrespondenzen fortgesetzt haben, was ich sehr schade fände. Nichts ist so toll wie eine Seelenverwandtschaft, und ich glaube, diese Bezeichnung umschreibt unsere Beziehung am besten, oder?

Ich musste ihm zustimmen, uneingeschränkt! Auch ich empfand es genauso, er war mein Seelenverwandter. Aber nicht nur das, er brachte mich so oft zum Lachen, dass ich schon gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlte, ständig traurig zu sein. Und wieder stellte ich mir die Frage, warum er nicht einfach im Nachbarort wohnen konnte. Seufzend ließ ich meine Augen erneut über den Text wandern.

Die Herzlichkeit, die ich dir versuche zu geben, bekommst du, weil du ein sehr besonderer Mensch bist, der das verdient hat. Es gibt im Moment nichts, was ich lieber tue, als sie an dich weiterzureichen. Du wirst die Therapie am 16. Juli ganz sicher gut hinter dich bringen. Bitte schreibe mir sofort, wenn du wieder zuhause bist, ich bin so neugierig, was du zu sagen hast. In meinen Gedanken werde ich dich begleiten und meine Hand wird dich nicht loslassen, versprochen. Es freut mich zu lesen, dass ich dir Mut und Selbstvertrauen geben kann, du weißt nicht, was das für mich bedeutet. Du bist der erste Mensch, der mir solche Dinge sagt, dem ich auf eine Art und Weise helfen kann, wie ich es nie vermutet hätte. Danke, Jess, dass du mir zeigst, was noch alles in mir steckt.

Er bedanke sich bei mir? Oh Gott wie süß war das denn? Ich schmolz förmlich dahin, als ich diese Worte verinnerlichte. Sie lösten einen regelrechten Freudentaumel in mir aus. NJ und ich konnten uns so viel geben, er wurde immer wichtiger für mich. Nun las ich die letzten Sätze der E-Mail.

Musikgeschmäcker sind bekanntlich verschieden, ich freue mich, dass unserer sich ähnelt. Hörst du eigentlich auch gerne Popmusik, außer Katy Perry? Und wenn ja, welche? Denkst du es wäre sexy, wenn wir meine Kochkünste mit deinem Humor zusammenmixen? Oder sollte ich lieber Gitarre spielen, während du einen Kuchen für uns backst? Mein letzter Vorschlag wäre, gemeinsam dein Tagebuch zu lesen, das könnte sicher interessant werden.

Vermutlich würde ich ihm sogar mein Tagebuch zeigen, es stand nichts darin, was er nicht schon wusste. Weiterhin belächelte ich die Vorstellung für uns beide zu backen, während er Gitarre spielte. Das hörte sich irgendwie gut an. Angekommen bei den letzten Zeilen, musste ich erneut grinsen.

Bitte lass mich kein Schaf sein! Such dir ein anderes Tier aus!

Zum Schluss wollte ich dir noch sagen, dass ich es nicht schlimm finde, wenn du jeden Abend mit mir kuschelst, ich behalte mir jedoch vor, das Gleiche nun mit dir zu tun. Und wow, das fühlt sich toll an, kann ich dir sagen!
Wie du vielleicht schon bemerkst hast, habe ich dir zwei Bilder geschickt, eins mit meiner Boxershorts und ein anderes mit meinen Händen, weil ich das für das Wichtigste hielt. Gefallen sie dir?
Ich freue mich darauf, wieder von dir zu hören.

Alles Liebe, NJ

P.S.: Ich habe sicherheitshalber nachgemessen, falls du meine Penisgröße doch noch wissen willst, (aber in eingefahrenem Zustand, also sei bitte nicht enttäuscht).

Der letzte Satz war so heftig, dass ich mich in einem unkontrollierten Lachanfall auf dem Bett wälzte, was dazu führte, dass ich an den Rand geriet und auf den Boden plumpste. Ich landete auf meinen Knien, welche sogleich zusammensackten, da meine leblosen Beine nicht in der Lage waren, meinen Körper aufzufangen. So etwas Dummes konnte auch nur mir passieren!

Verzweifelt versuchte ich mich an der Bettdecke festzuklammern und nach oben zu ziehen. Obwohl meine Arme, seit ich im Rollstuhl saß, unglaublich stark geworden waren, schaffte ich es nicht. Glücklicherweise hielt ich das Handy noch in meiner Hand und konnte somit nach einem kurzen Durchatmen meiner Mutter anrufen, die sogleich in das Zimmer gestürmt kam. Sie erschreckte mächtig, als sie mich auf dem Boden liegen sah, doch mein Lächeln machte ihr wohl bewusst, dass ich mir nicht wehgetan hatte.

„Was machst du denn für Sachen, Jess?"

Ihre Arme griffen unter meine Achseln und gemeinsam schafften wir es schließlich, dass ich wieder auf dem Bett landete.

„Tut mir leid, Mum, ich musste so über etwas lachen, dass ich aus dem Bett gefallen bin", erklärte ich ehrlich.

„Du musstest lachen? Das ist schön zu hören! Hat Anne dir etwas Lustiges geschickt?"

„Nein, es hat nichts mit Anne zu tun", antwortete ich ausweichend.

Zum Glück fragte sie nicht weiter nach, denn ich wollte nichts von NJ erzählen, er war und blieb mein Geheimnis. Es reichte vollauf, dass Anne über seine Existenz Bescheid wusste.

„Wie dem auch sei, Jess, ich muss jetzt schnell zum Supermarkt fahren. Also pass auf, dass du nicht wieder aus dem Bett fällst, ok?"

„Ja, Mum, versprochen."

Nachdem meine Mutter das Zimmer verlassen hatte, öffnete ich schleunigst das zweite Foto von NJ, welches seine Hände zeigte, was ungewollt heftige Gefühle in mir aufkommen ließ. Ich hätte alles darum gegeben, sie spüren zu können, sei es nun mit meinen Händen oder irgendwo auf meinem Körper.

Langsam begann ich zu realisieren, wie stark ich mich zu ihm hingezogen fühlte, obwohl wir uns noch nie begegnet waren. War das noch normal oder verlor ich mich in meiner virtuellen Welt? Doch selbst wenn es so wäre, würde mich nichts davon abhalten können, weiterhin mit ihm zu schreiben und Bilder auszutauschen. So gesehen war es gerade ziemlich günstig, dass sich keine Menschenseele außer mir, im Haus aufhielt, denn ich konnte nun in aller Ruhe das Foto von meiner Unterwäsche machen.

Zu diesem Zweck musste ich zwar aufstehen und mich in den Rollstuhl begeben, doch da es mir inzwischen wieder besser ging, ließ ich mich auf dieses Wagnis ein.

Kritisch begutachtete ich nun die Auswahl meiner Calvin Klein Unterwäsche und suchte die heißeste aus, um diese kurze Zeit später auf meinem Bett zu drapieren. Da die Unterwäsche nicht so viel Platz benötigte wie mein Schlafanzug, konnte ich sie recht gut mit dem Handy fotografieren.

Zufrieden mit dem Ergebnis, verstaute ich die edle Wäsche wieder in meiner Kommode, bevor ich mich erneut ins Bett legte. Ich wollte heute nichts riskieren, denn Migräneanfälle waren nicht lustig. NJ würde noch ein wenig warten müssen, bevor ich ihm schreiben konnte. Fest stand nur, dass ich alle seine Fragen beantworten würde.

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Niall treibt Jess noch in den Wahnsinn, oder? :D
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen und keine Angst, es wird nicht ewig so lustig weitergehen.... Ich werde euch zum Weinen bringen (zumindest hoffe ich das) :D

LG und ein schönes Wochenende, Ambi xxx



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