12. Sharing opinions

Jess

Langsam räkelte ich mich im Bett, als die Sonnenstrahlen ihren Weg durch die halbgeöffneten Jalousien fanden. Mein Zimmer lag gen Osten, das bedeutete, dass mich die Morgensonne, falls vorhanden, immer weckte. Doch es störte mich nicht, denn ich wollte sowieso aufstehen, obwohl der Wecker noch keinen Ton von sich gegeben hatte.

Meine Eltern wunderten sich schon seit einigen Tagen, dass ich jetzt immer so früh aufstand, und nicht bis zur Mittagszeit im Bett liegen blieb. Den Grund dafür kannten sie jedoch nicht und sie mussten diesen auch nicht erfahren.

Als ich mich in den Rollstuhl fallen ließ, durchzuckte ein ziehender Schmerz meinen Unterleib. Na toll! Jetzt bekam ich auch noch meine Tage. Missmutig rollte ich auf schnellstem Weg ins Badezimmer, um festzustellen, dass ich Recht behalten hatte.

Es war ja so ätzend, dass wir Frauen alle vier Wochen damit geplagt wurden. Die Männer wussten gar nicht, wie gut sie es hatten, das musste ich NJ unbedingt unter die Nase reiben! Vielleicht hatte er ja bereits zurückgeschrieben, doch das Nachschauen würde noch eine Weile warten müssen, da ich nun die Dusche aufsuchte.

Wie immer dauerte es relativ lange, bis ich fix und fertig angezogen am Esstisch auftauchte, um das Frühstück einzunehmen. Da meine Eltern beide Urlaub hatten – meine Mutter arbeitete sowieso nur halbtags -, saß ich nicht alleine da, sondern hörte zu, wie sie sich unterhielten, nachdem sie mir einen guten Morgen gewünscht hatten. Malcom lag wahrscheinlich noch im Tiefschlaf, ich gönnte es ihm, er würde in der Uni noch genügend arbeiten müssen. Auf einem Brötchen herumkauend, dachte ich an NJ, als meine Unterleibsschmerzen plötzlich stärker wurden.

„Mum, haben wir noch Schmerztabletten im Haus?", erkundigte ich mich, während ich eine Hand automatisch gegen meinen Bauch hielt.

Meine Mutter nickte sogleich, erhob sich und kehrte kurze Zeit später mit einer kleinen Schachtel in der Hand, sowie einem Glas, gefüllt mit Wasser, zurück, welches sie neben meinem Teller abstellte.

„Du weißt, nicht mehr als drei Stück pro Tag, Jess."

„Ja, ich weiß."

Schnell holte ich eine der schmerzlindernden Tabletten hervor und spülte diese mit dem Wasser hinunter. Da ich jedoch noch hungrig war, verzehrte ich ein zweites Brötchen, bevor ich mein Zimmer aufsuchte, um mich wieder ins Bett zu legen. Die Schmerzen waren derart stark, dass ich mich im Augenblick nicht in der Lage fühlte, mich vor den Laptop zu setzen. Es dauerte gar nicht lange und ich driftete ab in einen unruhigen Schlaf.

Als ich durch ein Geräusch erwachte, welches ich als eine eingehende Whatsapp Nachricht identifizierte, tastete ich nach meinem Handy und öffnete meine Augen, nachdem ich es in der Hand hielt. Anne hatte mir geschrieben, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.

Bestimmt steckte nicht nur diese Absicht dahinter. Sie wollte mit Sicherheit wissen, ob ich mir bereits Gedanken wegen dieser Gruppentherapie gemacht hatte. Das tat ich unentwegt, doch NJs Meinung zu dieser Sache war mir so unglaublich wichtig, dass ich vorher keine Entscheidung treffen wollte.

Nachdem ich Anne geantwortet hatte, dass es mir heute bescheiden ging, stellte sie auch keine weiteren Fragen mehr, was mir nur recht sein konnte. Ich wollte mich für meine Entscheidung NJs Meinung anzuhören, nicht rechtfertigen müssen. Schon gar nicht meiner Freundin gegenüber, die ihn als Sexualtriebtäter ansah. Sie hatte keine Ahnung, wie liebenswert und sensibel er sich auszudrücken vermochte, wie sehr ich ihn brauchte, was er wirklich für mich bedeutete.

Das Tor zu einer anderen Welt war längst überschritten, ich konnte nicht mehr zurück und wollte dies auch gar nicht. NJ war innerhalb kürzester Zeit ein wichtiger Bestandteil meines sonst so tristen Lebens geworden. Er brachte Licht in das Dunkel, das sich um mich herum gebildet hatte. Um nichts auf dieser Welt würde ich diese online Brieffreundschaft aufgeben!

Seufzend warf ich einen Blick auf die Uhr des Handys, um festzustellen, dass es bereits zwei Uhr nachmittags war. Hatte ich wirklich so lange geschlafen?

Da meine Schmerzen sich inzwischen gebessert hatten, beschloss ich, dass es Zeit zum Aufstehen war. Während ich mich aufsetzte, warf ich einen Blick auf den Laptop, zu welchem ich gleich rollen würde. Doch vorher wollte ich in der Küche etwas zu trinken holen, was ich schnellstmöglich erledigte.

Mit einer Flasche Apfelschorle, welche auf meinem Schoß lag, rollte ich in mein Zimmer zurück und schloss die Tür hinter mir. Das Alleinsein, wenn ich NJs E-Mails las und ihm antwortete, war mir sehr wichtig und obwohl ich noch gar nicht wusste, ob sich eine E-Mail in meinem Posteingang befand, traf ich diese Entscheidung aus dem Bauch heraus.

Gespannt öffnete ich den Posteingang meines E-Mail Accounts, nachdem ich mir etwas zu trinken eingeschenkt hatte, um festzustellen, dass mein Bauchgefühl mich nicht im Stich gelassen hatte. [email protected] sprang förmlich in meine Augen und ließ mein Herz schneller schlagen. Neugierig, was er mir wohl geschrieben hatte, öffnete ich nun die Mail und begann Sekunden später zu lesen.

Liebe Jess,
keine Angst, meine Arbeitstage sind zwar alle stressig, doch ich habe auch Spaß dabei, ziemlich großen sogar. Doch heute hatte ich frei und habe mit meinen Kollegen etwas unternommen. Da wir uns noch immer in San Francisco aufhalten, haben wir beschlossen, mit einem Cable Car zu fahren, was ein echtes Erlebnis war.

Ich muss gestehen, dass mich die Geräusche, welche das Ding von sich gibt, wenn es in Bewegung ist, etwas nervös werden ließen. Man hätte denken können, es würde jeden Augenblick auseinanderfallen, aber zum Glück sind wir heil an der Endstation angekommen, welche fast direkt am Wasser liegt. Dort haben wir ein Fischrestaurant entdeckt, in welchem es Crawfish in der All you can eat Buffet Form gab. Ich weiß nicht, wie viele Portionen ich davon gegessen habe, auf jeden Fall war ich ziemlich satt, als ich dort herausgegangen bin. Anschließend sind wir mit einem Boot nach Alcatraz gefahren, bestimmt hast du schon davon gehört. Man kann dort das ehemalige Gefängnis besichtigen, was wir natürlich auch gemacht haben.

Vielleicht wundert es dich, wenn ich dir jetzt sage, dass ich an dich denken musste, denn du hättest weder in einen Cable Car, noch in diesen Bus einsteigen können, welcher uns zum Gefängnis gebracht hat. Früher habe ich nie über solche Dinge nachgedacht, doch heute fällt es mir sofort auf, wenn gehbehinderte Menschen nicht die Möglichkeit besitzen, gewisse Unternehmungen durchzuführen. Zwar gibt es wohl auf der Insel behindertengerechte Straßenbahnen, welche die Leute zum Gefängnis bringen (ich hatte mich extra beim Busfahrer erkundigt), doch das Cable Car Fahren wäre leider nicht möglich.

Mir blieb fast die Luft weg, als ich las, über welche Dinge er nachdachte, was ihm alles auffiel – er war ein so unglaublich aufmerksamer und sensibler Mensch. Die meisten Leute dachten wirklich nicht über Gehbehinderungen nach, das spürte ich immer wieder, seit ich ihn einem Rollstuhl saß.

Ich hatte also einen schönen Tag und sitze nun in meinem Hotelzimmer, auf meinem Bett, während ich diese Zeilen schreibe. Du hast vollkommen Recht, ich vermisse meine Familie und auch meine Freunde schrecklich. Andererseits würde ich aber im Moment nicht tauschen wollen, was meinen Job angeht. Dieser füllt mich einfach aus und macht mich glücklich. Ich glaube, nicht jeder kann das von seiner Arbeit behaupten, weshalb ich mich sehr glücklich schätzen kann.

Da musste ich ihm voll und ganz zustimmen, auch mein Beruf hätte mich vollkommen ausgefüllt und glücklich gemacht, wahrscheinlich verstand ich ihn deshalb so gut.

Deine Frage, wie alt mein Patenkind ist, werde ich gerne beantworten. Er wird am 16. Juli zwei. Du siehst, ich kann nicht einmal bei seinem Geburtstag anwesend sein, aber ich werde mit ihm skypen, und mich an seinem lachenden Gesicht erfreuen, wenn er mich vor der Kamera sieht. Ein Hoch auf die moderne Technik kann ich da nur sagen! Vor einigen Jahren wäre das noch gar nicht möglich gewesen, deshalb bin ich dankbar, dass es solche Dinge wie Internet gibt, ansonsten hätten wir uns nämlich auch nicht kennengelernt.

„Ich bin auch froh, dass es so etwas gibt", murmelte ich vor mich hin. Noch immer war ich glücklich über diesen Zufall, der uns zusammengeführt hatte. Es war so toll, lesen zu können, was er erlebte, es gab mir mehr, als meine Nase in ein gutes Buch zu stecken. Lächelnd nahm ich die nächsten Zeilen in mir auf.

Deine beste Freundin hält mich also für einen Sexualtriebtäter? Ich musste ziemlich lachen, als ich das erfahren habe, kann sie andererseits aber auch verstehen. Sie scheint sich sehr um dich zu sorgen, was ich sehr schön finde, denn das zeugt davon, dass du ihr wirklich wichtig bist.

Gute Freunde sind unersetzbar, sie können viel mit dir durchstehen, und sind immer für dich da, wenn du sie brauchst. Diese Erfahrung habe ich zumindest gemacht. Ich denke, du weißt inzwischen, dass dir von mir keine Gefahr droht, denn ich mag dich wirklich gerne. Es macht so viel Spaß unsere Gedanken auszutauschen, und ich kann es nur immer wieder sagen: Es fühlt sich so an, als ob wir uns schon lange kennen würden.

Deine Aussage, dass du den Kontakt zu mir nicht abbrechen willst, lässt mich wissen, dass du ebenso fühlst wie ich. Auch dürfte dir bewusst sein, dass ich dir Dinge anvertraue, die nur Wenige zu hören bekommen. Dazu gehört auch eine Antwort auf deine Frage bezüglich meiner Freundin. Es ist jetzt ziemlich genau eineinhalb Jahre her, dass sie mit mir Schluss gemacht hat. Damals war das ziemlich hart für mich, aber inzwischen bin ich darüber hinweg. Wahrscheinlich war es auch besser so, denn wir hätten sowieso keine Zeit füreinander gehabt, da sie jobbedingt auch ziemlich viel unterwegs ist.

Natürlich wusste ich, dass mir keine Gefahr von ihm drohte! Das brauchte er niemals anzuzweifeln. Die Sache mit seiner Freundin schien er gut weggesteckt zu haben, so wie ich die Sache mit Tim inzwischen auch. Merkwürdigerweise hatten mir NJs E-Mails dabei sehr geholfen. Dies war einer der Gründe, warum er für mich zu einem wertvollen Menschen geworden war, jemand, den ich nicht mehr missen wollte.

Es tut mir leid, dass sich an deinen Beinen nichts geändert hat, aber gib die Hoffnung nicht auf, vielleicht ändert sich das schon bald. Kommen wir nun zu meiner Knie OP, welche ich im Januar 2014 hinter mich gebracht habe. Meine Bänder waren gerissen, aber die Ärzte haben alles wieder wunderbar hinbekommen. Ich kann mich glücklich schätzen, wieder normal laufen, und Sport treiben zu können, ganz abgesehen davon, dass ich nun schmerzfrei bin.

Du liest richtig, ich habe keine Schmerzen mehr, das erscheint mir manchmal wie ein Wunder, für welches ich jeden Tag dankbar bin. Jahrelang musste ich Kniebandagen tragen, ohne diese wäre ich nicht mehr in der Lage gewesen, arbeiten zu gehen oder auch ganz normale Dinge, wie Sport zu betreiben. Was ist denn an deinem Knie kaputt? Du kannst es mir gerne sagen, wenn du möchtest.

Sicher wollte ich ihm das mitteilen, er fragte so lieb danach. Seine Aussage, dass er nun schmerzfrei war, erfüllte mich mit großer Dankbarkeit. Wenigstens gab es einen Menschen, der nun wieder richtig laufen konnte, und noch dazu einer, der das verdiente. Wenn nicht NJ, wer dann sonst?

Du hast Recht, es ist wirklich gemein, dass du Bauch- und Rückenschmerzen spüren kannst, aber ich denke dagegen kannst du vielleicht leichte Schmerzmittel nehmen, nicht so etwas wie Morphium, wovon man abhängig werden kann. Auch ich wurde am Tag meiner OP damit vollgepumpt, doch am nächsten Tag wurde es wieder abgesetzt. Allerdings kam ich in der ersten Zeit nach der OP nicht ganz ohne Schmerzmittel aus. Erst als ich mit einer Physiotherapie begonnen habe, wurden diese besser.

Nach sieben Wochen durfte ich meine Krücken in die Ecke stellen, und wieder ganz normal laufen. Springen war jedoch noch nicht drin, es hat etwa ein halbes Jahr gedauert, bis ich wieder dazu fähig war. Diese Wochen und Monate werden mir für immer in Erinnerung bleiben, denn es war eine harte Zeit für mich.

Ich versuchte mir vorzustellen, wie er darum gekämpft hatte, wieder normal laufen zu können. Was er erzählte, klang so tapfer, ich bewunderte ihn dafür, denn ich wusste noch immer nicht, ob ich jemals dazu in der Lage sein würde, diese Energie aufzubringen, wenn von vornherein feststand, dass ich nie wieder tanzen konnte.

Das Foto von deinen ersten Spitzenschuhen ist übrigens sehr niedlich und diese sind tatsächlich größer, als ich sie mir vorgestellt habe. Du kannst mir natürlich gerne ein Bild von deinen ersten, vermutlich winzigen Schuhen senden. Da es aber noch eine Weile dauern wird, ehe mir Katy Perry über den Weg läuft, bin ich gerne dazu bereit, dir ein Foto von meinen derzeitigen Lieblingsschuhen zu schicken. Vielleicht gefallen sie dir sogar.

Oh Gott wie süß! Er hatte tatsächlich ein Foto von seinen Schuhen gesendet, ich konnte den Anhang sehen, wollte diesen aber erst zum Schluss öffnen, nachdem ich die Mail fertig gelesen hatte, was ich nun tat.

Deine E-Mail hat mich in vielerlei Hinsicht mal wieder zum Nachdenken gebracht und ob du es glaubst oder nicht, ich habe gespürt, dass du weinen musstest, als du die Stelle mit dem Tanzen erwähntest, das dein Leben war. Mir bricht es fast das Herz, wenn ich daran denke, wie traurig zu deswegen bist und dass ich dir nicht wirklich helfen kann.

Nun war ich nahe daran zu weinen, weil ihm die Sache mit mir so nahe ging. Zwischen uns befand sich eine unsichtbare, sehr starke Verbindung, so als ob unsere Herzen und Seelen sich fanden, obwohl wir uns noch nie begegnet waren.

Nicht zum ersten Mal stellte ich fest, dass es darauf nicht ankam. NJ und ich waren uns sehr nahe gekommen, was ich am Anfang nie vermutet hätte. Und mit jeder E-Mail wurde das Verlangen stärker, ihm noch näher zu sein. Schnell las ich nun weiter, da er nun das überaus brisante Thema ansprach.

Hiermit bin ich nun bei deiner Frage bezüglich dieser Therapiegruppe angelangt. Du wolltest meine Meinung dazu hören, welche ich nun aussprechen möchte. In meinen Augen verlierst du nichts, wenn du es ausprobierst. Vielleicht lernst du neue, nette Menschen kennen, auch wenn diese vermutlich ein anderes Schicksal haben werden, bedeutet das nicht, dass es nichts bringt, sich mit ihnen zu unterhalten. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert, also wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich es tun. Nun hast du meine ehrliche Antwort, ich hoffe, ich konnte dir bei deiner Entscheidung helfen. Lass mich wissen, wie es ausgegangen ist!

Das wollte ich auf jeden Fall tun! NJ hielt es also für eine gute Sache, dort hinzugehen, was meine Entscheidung positiv beeinflusste. Ich wusste es, obwohl ich noch gar nicht richtig darüber nachgedacht hatte, doch seine Meinung war so wichtig für mich, wichtiger als alles andere. Atemlos verfolgte ich mit meinen Augen die nächsten Zeilen, welche mich zum Lachen brachten.

Kommen wir nun zu der Frage mit der Bettdecke. Du kannst natürlich gerne darunter schauen, wenn du dich traust, denn ich liege nicht nackt in meinem Bett, und ja, ich trage eine Boxershorts (bevorzugte Marke Calvin Klein), wenn ich schlafe.

Das Angebot gilt aber nur, wenn ich auch einen Blick unter deine Decke riskieren darf. Komm schon, das kannst du mir nicht verwehren, vor allem nicht, wenn du mit einem Mickey Mouse Schlafanzug bekleidet darunter liegst. Ob dieser unsexy aussieht, kann ich aus der jetzigen Situation heraus nicht beurteilen, dazu müsste ich ihn sehen. Du darfst mir gerne ein Foto davon schicken, wenn du gerne möchtest. Keine Angst, ich werde nicht lachen, versprochen!

Außerdem zählt nicht, was eine Frau trägt, sondern welche Ausstrahlung sie hat. Eine Frau kann unglaublich tolle Reizwäsche tragen und trotzdem nichts in mir bewirken, wenn sie nicht mein Typ ist. Umgekehrt funktioniert das natürlich auch. Wenn ein weibliches Wesen meine Aufmerksamkeit erregt, funktioniert das auch, wenn sie einen Kartoffelsack übergezogen hat. Ok, der Vergleich ist jetzt ziemlich hart, aber er trifft es auf den Punkt. Damit habe ich wohl deine Frage beantwortet, ob ich es albern finde, wenn meine Freundin so etwas tragen würde.

Findest du Jogginghosen unsexy? Wenn ich zuhause liege, um zu relaxen, habe ich meistens welche an, also scheint mir diese Frage durchaus berechtigt zu sein. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich auch gerne in Jogginghosen kuschele, also es wäre mir völlig egal, ob meine Freundin nun einen Schlafanzug mit Mickey Mouse Print trägt, weil ich ihn ihr sowieso irgendwann ausziehen würde. Langsam und genüsslich versteht sich. Ich gebe es zu, manchmal steht mir auch der Sinn danach, einer Frau die Klamotten vom Leib zu reißen. Ob ich das tue oder nicht, kommt jedoch immer auf die jeweilige Situation und die Gefühle zwischen uns an.

Ich hoffe, ich habe dich mit dieser Aussage nicht erschreckt, denn wie bereits gesagt, es gibt nichts Schöneres als mit jemandem zu kuscheln, den man lieb hat.

Tränen traten aus meinen Augen. Seit Ewigkeiten hatte ich nicht mehr mit jemandem gekuschelt, dabei brauchte ich jetzt nichts mehr als eine Umarmung. Eine von einem ganz bestimmten Menschen, von NJ. Ich stellte mir vor, wie es sich anfühlte, wenn er seine Arme um mich legen, und mich zärtlich an sich drücken würde Das war alles, was ich mir in jenem Augenblick wünschte, obwohl ich wusste, dass dieser Wunsch für immer unerfüllt bleiben würde.

Somit musste ich mich mit seinen virtuellen Umarmungen zufrieden geben, welche er jedes Mal liebevoll verteilte, so wie in seinem nächsten Satz.

Ob es eine Ehre für dich ist, den gleichen Namen zu tragen wie meine verstorbene Katze weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es wunderbar ist, dass sich nun wieder eine Jess in meinem Leben befindet, selbst wenn ich dich nicht sehen kann, so kann ich doch deine Herzlichkeit fühlen und das Vertrauen, das du mir entgegenbringst. Ich finde es schön, dass sich dieses zwischen uns aufgebaut hat.

Nun hoffe ich, bald wieder etwas von dir zu hören.

Alles Liebe, NJ

P.S.: Welche Musik hörst du eigentlich gerne?

Mein Herz klopfte noch immer ganz schnell, nachdem ich die E-Mail zu Ende gelesen hatte. Er sprach zu mir, als ob ich ihm unendlich viel bedeuten würde, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Fast hätte ich noch vergessen, den Anhang herunter zu laden, das Bild von seinen Schuhen. Dabei handelte es sich um schwarze Adidas Sneaker, die ziemlich cool aussahen. Etwas Anderes hätte ich bei ihm jetzt auch nicht vermutet, als lässige, modische Kleidung.

Nun war ich wieder an der Reihe, ihm ein Foto zu schicken, genauer gesagt handelte es sich sogar um zwei. Eines von meinen allerersten Ballettschuhen und eines von meinem Lieblingsschlafanzug.

Letzteres erwies sich nicht als so einfach wie gedacht, denn in meinem Rollstuhl sitzend, bekam ich den Schlafanzug, welcher nun auf meinem Bett lag, nicht ganz auf das Bild. Dazu hätte ich stehen müssen, was bekanntlich nicht möglich war.

Fluchend steckte ich das Handy wieder weg und rollte aus meinem Zimmer, um nach Malcolm zu schauen, der sich jedoch nicht zuhause aufhielt. Meine Mutter lies mich wissen, dass er erst am späten Abend zurückkehren würde. Somit konnte ich NJ nur ein Foto von meinen kleinen Ballettschuhen senden, denn ich wollte mit der E-Mail nicht bis morgen warten.

Bevor ich mich jedoch ans Schreiben machte, schickte ich eine Whatsapp Nachricht an Anne, in welcher ich ihr mitteilten, dass ich gerne versuchen würde, an dieser Gruppentherapie teilzunehmen. Ihre begeisterte Antwort erfolgte sofort.

Das ist toll, Jess! Sie treffen sich am Donnerstag wieder, ich bringe dich hin und hole dich ab! Hab dich lieb, Anne.

Vielleicht würde sie ihre Meinung über NJ ändern, wenn sie erfuhr, dass er mich dazu ermutigt hatte, diesen Versuch zu starten. Aus einem unbekannten Grund war es wichtig für mich, dass Anne ihn mochte. Es machte absolut keinen Sinn, denn sie würde ihn ebenso wenig sehen wie ich. Aber er war ein Freund, mit dem ich jeden Tag schrieb und gehörte fortan zu meinem Leben.
Ein Leben, welches sich langsam aber sicher ein wenig veränderte.
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Jess soll also ein Foto von ihrem Schlafanzug an Niall schicken. Wo mag das noch hinführen?
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!

Danke für die über 1K reads und über 200 votes! Ihr seid echt die Besten!

LG, Ambi xxx


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