07. Priorities

Niall

Je öfter ich auf das Display meines Handys blickte, um meine E-Mails abzufragen, desto nervöser wurde ich. Jess hatte mir bis jetzt nicht geantwortet, wahrscheinlich war ich zu weit gegangen, mit all den Fragen. Gott, wieso hatte ich nicht einfach einen Gang zurückgeschaltet? Es wäre vermutlich besser gewesen, diese Dinge nicht anzusprechen. Bestimmt fühlte sie sich in eine Ecke gedrängt, oder sogar persönlich angegriffen. Meine Bandkollegen hatten schon irgendwie recht: Ich benahm mich manchmal wie ein Elefant im Porzellanladen, wenn es um Frauen ging. Seufzend legte ich das Handy zur Seite, als es an der Zimmertür klopfte.

„Wer ist da?", fragte ich.

„Zimmerservice!"

Schnell erhob ich mich aus dem Bett, lief zur Tür und schaute mit knurrendem Magen auf die Köstlichkeiten, welche ich mir gleich einverleiben würde. Gestern Nacht war es sehr spät geworden, denn nach unserem Konzert hatte natürlich keiner Lust verspürt, ins Bett zu gehen, zumal wir alle noch mit einem überaus großen Adrenalinschub zu kämpfen hatten.

Wir ließen diesem in einem Club freien Lauf und kehrten erst in den frühen Morgenstunden in unser Hotel zurück. Da am heutigen Tag kein Konzert auf dem Plan stand, konnten wir uns das auch locker erlauben. Der Tag war nur zum Faulenzen oder Shoppen gedacht, falls wir überhaupt aus dem Hotel herauskommen sollten, denn mittlerweile schien sich herumgesprochen zu haben, wo wir nächtigten.

Eigentlich verspürte ich auch keine große Lust, eine Shoppingtour zu veranstalten, mir stand vielmehr der Sinn danach, die Sonne im warmen San Diego zu genießen. Morgen würden wir nach San Francisco fliegen, um dort am Abend ein Konzert zu geben. Glücklicherweise wusste ich bereits, wie ich anschließend das überschüssige Adrenalin in meinem Blut loswerden konnte. Kelly stand in der darauffolgenden Nacht auf meinem Speiseplan.

Als ich an die Blondine dachte, musste ich prompt grinsen, was der Bediensteten des Hotel, welche mir das Essen servierte, natürlich auffiel. Sie lächelte zurück, worauf ich nach meiner Geldbörse griff, um ihr ein Trinkgeld zu überreichen. Damit war ich nie kleinlich, schließlich wurden wir überall bedient wie die Könige. Als ich wieder alleine in meinem Zimmer war, widmete ich mich meiner Mahlzeit.

Aus dem Frühstück wurde nun ein Mittagessen, denn es ging bereits auf halb eins zu. Doch das war nicht weiter schlimm, denn ich verdrückte außer einer großen Portion Rührei mit Lachs, noch drei Hähnchenschenkel, welche jedoch nicht so gut schmeckten wie die von Nandos. Außerdem verschlang ich Salat, Weißbrot und zwei Stück Kuchen. Man konnte also behaupten, dass ich eine recht üppige Mahlzeit zu mir nahm.

Nachdem ich das Essen bis auf den letzten Krümel verspeist hatte, warf ich erneut einen Blick auf das Handy; noch immer keine E-Mail von Jess. Sie hätte mir wenigstens schreiben können, dass sie angepisst war, ich hätte es ihr nicht übel genommen. Aber dieses dumpfe Schweigen trieb mich an den Rand des Wahnsinns. Ich brauchte dringend etwas, um mich abzulenken und so begann ich mit Kelly zu texten, die mir auch sogleich antwortete.

„Hey, Kelly, wo steckst du denn?"

„Hey, Niall, am liebsten hätte ich jetzt gerne etwas in mir stecken."

Das fing ja schon gut an.

Grinsend schrieb ich zurück: „Dann komm her, du kriegst alles, was du willst."

„Jetzt gleich?", kam es prompt, gefolgt von einem: „Ich könnte meinen Flug umbuchen und heute noch in San Diego eintreffen."

Meine Kinnlade klappte nach unten und mein Herz schlug schneller. Sex mit Kelly am heutigen Abend? Das wäre doch was! Da brauchte ich wirklich nicht lange zu überlegen, um eine entsprechende Antwort zu formulieren.

„Wenn das geht, dann komm sofort! Ich kann es kaum erwarten!"

„Oh, ist Nialler etwa auf Entzug?"

„Das bin ich, also mach dich auf die volle Ladung gefasst!"

„Hab den Flug gerade umgebucht, lande um siebzehn Uhr in San Diego und bin so gegen sechs im Hotel."

Das lief besser, als erwartet, viel besser sogar! Endlich würden bestimmte Regionen meines Körpers nun die dringend notwendige Aufmerksamkeit durch ein weibliches Wesen erhalten. Ich konnte es echt kaum erwarten, bis sie hier eintreffen würde und überlegte, wie ich die verbleibende Zeit möglichst schnell herumkriegen sollte.

Meine Bandkollegen nahmen mir jedoch freundlicherweise diese Entscheidung ab, indem sie gegen meine Zimmertür hämmerten und laut riefen: „Niall, komm raus! Wir gehen an den Pool, oder musst du wieder NJ spielen?"

„Haltet die Klappe!", brüllte ich zurück. „Ich komme ja gleich."

„Heb dir das Kommen bitte für Kelly auf", vernahm ich Zayns Stimme, dessen unverschämtes Grinsen ich mir bildlich vorstellen konnte.

Ich ersparte mir einen Kommentar, sprang stattdessen aus dem Bett und lief zur Tür, um diese zu öffnen. Dort blickte ich in die grinsenden Gesichter meiner vier Freunde und gleichzeitig Bandkollegen.

„Jungs, ich bin gleich soweit, kommt rein", forderte ich sie auf.

Da wir Jungs keinerlei Schamgefühl besaßen, wenn es um solche Dinge wie nackt sein ging, zog ich mich vor ihren Augen um, schnappte meine Sonnenbrille, sowie mein Snapback und das Handy, um dann zu sagen: „Los geht's, auf was wartet ihr noch?"

Louis versetzt mir einen leichten Schubs, während Harry es nicht lassen konnte, mir einen Klaps auf den Po zu geben und Liam durch meine Haare wuschelte. Wenn uns jemand so gesehen hätte, würde derjenige bestimmt denken, wir wären schwul.

Keine zehn Minuten später besetzten wir fünf Liegen am Pool und sprangen alle, bis auf Zayn, ins Wasser. Heute verweilte ich aber nicht so lange im kühlen Nass wie am Tag zuvor, denn ich wollte mir noch ein wenig die Sonne auf den Pelz brennen lassen, bevor Kelly mich in die Mangel nehmen durfte.

„Was machen wir denn heute Abend?", fragte Zayn, der sich gerade auf den Rücken drehte.

„Also ich bin schon verplant. Kelly hat ihren Flug umgebucht", gab ich sofort zur Antwort.

„Echt? Ihr müsst ja mächtig scharf aufeinander sein", stellte Zayn grinsend fest, was mich dazu veranlasste zu sagen: „Ich bin seit Wochen auf Entzug, im Gegensatz zu dir."

„Pah, das ich nicht lache! Ich bin jetzt auf Entzug, während du dich mit deinen Bräuten vergnügst", empörte er sich.

„Kannst ja Perrie einfliegen lassen", schlug ich vor, drehte mich auf meinen Bauch und schloss meine Augen.

„Sie kommt nach New Jersey", klärte er mich auf.

„Wieso ausgerechnet dort hin?"

„Weil sie da frei hat."

„Super, dann musst du ja nur bis Anfang August durchhalten", murmelte ich.

Das Datum für New Jersey war fest in meinem Kopf verankert, wie hätte ich es auch vergessen können? Nathalie würde mich dort besuchen und das bedeutete keinen Schlaf, dafür aber viel Spaß im Bett.

Nachdem ich zwei Stunden in der Sonne gedöst hatte, schwamm ich noch eine Runde im Pool, um dann meine Suite aufzusuchen. Dort angekommen, stellte ich mich unter die Dusche und während das lauwarme Wasser auf meinen Körper prasselte, dachte ich plötzlich an Jess. Ich musste unbedingt nachschauen, ob sie mir geschrieben hatte, bevor Kelly hier auftauchte, denn dann würde ich keine Zeit mehr haben. Ich beeilte mich mit dem Duschen und trocknete mich ebenso schnell ab, um ja zu meinem Handy zu gelangen, welches ich auf dem Bett hatte liegen lassen.

„Mist, verdammter", schimpfte ich, als ich feststellte, dass Jess noch immer nicht geantwortet hatte.

Für einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob ich ihr vielleicht noch eine kurze Mail mit einer Entschuldigung senden sollte, doch da klopfte es auch schon an meiner Tür.

„Niall, mach auf, ich bin's Kelly", vernahm ich die Stimme der Blondine, mit welcher ich mich gleich vergnügen würde.

Nur mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen, eilte ich zum Eingang der Suite, öffnete die Tür und zog Kelly förmlich in den Raum.

„Hi, Süßer", flötete sie und ließ ihre Hände über meinen nackten Oberkörper wandern.

„Hi, Kelly." Meine Augen scannten ihren gut gebauten Körper mit den perfekten Rundungen und blieben dann an ihrem Busen hängen. Das war alles echt, kein Silikon, ansonsten hätte ich sie auch nicht angefasst. Ich hasste Silikonbusen, ich hasste alles, was künstlich war. Je natürlicher, desto besser.

Mit einem Ruck hob ich die Blondine hoch, trug sie zum Bett und warf sie regelrecht auf die Decke. Kelly quietschte vor Vergnügen, griff nach meinem Handtuch und zog es mir vom Leib, so dass ich der erste von uns beiden war, der nun splitternackt da stand.

„Na warte!"

Ich warf mich auf sie, tastete mit meinen Fingern nach dem Reißverschluss des Kleides, öffnete diesen und zog ihr das schwarze Minikleid aus. Ihre Unterwäsche war der Hammer, so, wie sie es versprochen hatte. Kelly löste auch alle anderen Versprechen ein, welche sie mir zuvor gegeben hatte, was mir eine wirklich tolle Nacht garantierte. Zwischendurch ließen wir uns Essen auf das Zimmer kommen, sowie eine Flasche Champagner. Wenn schon, denn schon, außerdem verdiente Kelly solch eine gute Behandlung.

Als ich am nächsten Tag erwachte und die blonde Mähne neben mir im Bett erblickte, fiel mir auf, dass ich dann heute mit Anhängsel nach San Francisco unterwegs sein würde. Doch das störte mich nicht, denn Kelly war verschwiegen, außerdem würde sie nicht in unserem Privatjet mitfliegen, sondern separat zu unserem Domizil angereist kommen.

Meine Finger tasteten nach meinem Handy, welches ich jedoch nicht finden konnte. Verdammt, wo war es nur hingekommen? Ich brauchte dringend die Uhrzeit! Nachdem ich das Bett soweit abgesucht hatte, ohne Kelly zu stören, die noch im Tiefschlaf lag – sie litt im Gegensatz zu mir nicht unter einem Jetlag, da sie in den USA lebte -, entschloss ich mich dazu, den Fußboden abzusuchen. Schließlich tasteten meine Finger unter dem Bett nach einem Gegenstand, der sich wie mein Handy anfühlte. Blitzschnell zog ich es hervor und öffnete als erstes den Posteingang meiner privaten E-Mail Adresse. Dort stach mit sofort ein Name ins Auge. [email protected]

Erleichterung machte sich in mir breit, endlich hatte sie geantwortet! Um in Ruhe lesen zu können und jegliche Störung zu vermeiden, schloss ich mich im Badezimmer ein und setzte mich dort auf den Deckel der Toilette. Ich kam mir vor, wie jemand, der heimlich etwas Verbotenes las.

Lieber NJ,
zu allererst möchte ich dir sagen, dass ich dir nicht böse bin, in keiner Art und Weise. Wahrscheinlich denkst du das, weil meine Antwort so lange hat auf sich warten lassen. Aber ich musste ein wenig über die Fragen nachdenken, die du mir in der letzten Mail gestellt hast. Nun versuche ich, diese so gut es geht zu beantworten. Weißt du eigentlich, dass du der erste und bisher einzige Mensch bist, mit dem ich über diese Dinge spreche?

Dieser Satz sagte eine ganze Menge aus, nämlich, dass keiner so weit zu ihr vorgedrungen war, wie ich, zumindest im Moment. Egal, was ich jetzt noch passieren würde, ich durfte ihr Vertrauen nicht verlieren. Ich durfte meine nächste E-Mail nicht versauen. Nach einem tiefen Durchatmen las ich angestrengt weiter.

Ich weiß, es hört sich komisch an, aber ich habe keine Scheu, mit dir über diese Dinge zu reden bzw. zu schreiben. Nach gründlichem Nachdenken bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es durchaus Sinn macht, über gewisse Themen nachzudenken, die ich bisher weit von mir geschoben habe, aber ich muss dir auch sagen, dass ich bei einigen Fragen noch keine Antwort gefunden habe. Deswegen beantworte ich auch zuerst die Einfachen.

Du wolltest wissen, wie groß ich bin, und welche Farbe meine Augen haben. Ich bin 1,66 groß und habe braune Augen. Meine Haare sind hellbraun, glatt und reichen ein gutes Stück über meine Schulter. Welche Haarfarbe hast du denn? Und wie sieht deine Figur aus? Athletisch oder eher nicht so? Treibst du viel Sport? Fitness oder sowas? Ich weiß, jetzt fange ich schon wieder an, Fragen zu stellen, anstatt deine zu beantworten, aber das kommt noch.

Ich schmunzelte ein wenig, sie wirkte so eifrig, wenn sie schrieb, was ich sehr süß fand. Und ich nahm es ihr keineswegs übel, dass sie all diese Fragen stellte, denn ich würde sie ohne Probleme beantworten können. Als ich weiterlas, kam allerdings die Frage, für die ich eine sehr gute Antwort parat haben sollte. Eine, die der Wahrheit ziemlich nahe kam, ohne jedoch zu viel auszuplaudern.

Ich würde gerne noch wissen, was du genau arbeitest, denn das interessiert mich wirklich. Es ist so langweilig hier, vielleicht kannst du mir mit Anekdoten von deiner Arbeitsstelle ein bisschen die Zeit vertreiben.

Und ob ich das konnte! Jeden Abend vor ca. 50.000 kreischenden Mädchen aufzutreten, regelmäßig von Fans gemobbt zu werden und das Luxusleben eines Stars auf Tour zu genießen, bot bestimmt jede Menge Gesprächsstoff. Doch genau das war es, was ich nicht preisgeben wollte. Jess sollte ja denken, dass ich ein normaler Mensch, und kein Superstar war. Wie sollte ich das denn jetzt hinkriegen? Die Geschichte mit Justin Timberlake, dem ich anlässlich der AMAs im Jahr 2013 vor Aufregung und Lampenfieber beinahe vor die Füße gekotzt hätte, konnte ich wohl kaum erzählen. Sie stellte mich gerade vor eine große Herausforderung, doch ich hatte ihr ebenso eine gestellt, die sie, wie ich nun lesen konnte, recht gut meisterte.

Kommen wir nun zu dem schwierigen Teil. Noch bis vor einer Woche hätte auf die Frage, wie ich reagieren würde, wenn ich wieder ein Gefühl in den Beinen hätte, mit einem „ich würde es ignorieren" beantwortet. Erinnerst du dich an den einen Satz, den ich dir zu Anfang gesagt habe? „Wenn ich nicht mehr tanzen kann, was macht es dann für einen Sinn, laufen zu können?" Ich denke jeden Tag darüber nach, ob dies der richtige Weg ist, bin aber noch zu keiner zufriedenstellenden Antwort gelangt. Enttäuscht dich das? Das muss es nicht, denn ich werde dir diese Frage wahrscheinlich irgendwann beantworten, wenn du nicht mehr daran denkst.

„Ich werde jeden Tag daran denken, Jess, verlass dich drauf", murmelte ich vor mich hin.

„Niall? Bist du im Bad?" Kellys Stimme riss mich mit einem Schlag aus der Konversation mit Jess. Ja, diese E-Mails waren wie eine Unterhaltung, eine sehr tiefgreifende sogar und ich war überhaupt nicht erbaut davon, gerade jetzt von einer meiner Fuckbuddies dabei gestört zu werden. Sie durften in mein Bett und sich mit meinem Körper beschäftigen, aber meine Gedanken und Gefühle gingen sie nichts an. Demensprechend kurz fiel auch meine Antwort aus.

„Wenn du für kleine Mädchen musst, zweite Tür links, ist noch ein Bad."

Gott sei Dank besaßen die Suiten immer zwei vollausgestattete Bäder, sonst wäre Kelly jetzt aufgeschmissen gewesen, da ich nicht im Traum daran dachte, das Bad zu verlassen. Die E-Mail von Jess hatte im Moment oberste Priorität und ich wollte sie auf jeden Fall zu Ende lesen, bevor ich Kelly höflich auffordern würde, nun ihre Reise nach San Francisco anzutreten, um im nächsten Hotel auf mich zu treffen. Gott, noch so eine Nacht mit ihr und ich würde auf dem Zahnfleisch gehen!

Als ich hörte, wie ihre Schritte sich entfernten, hefteten sich meine Augen erneut auf das Display des Handys, um die Worte in mir aufzunehmen.

Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mich zum Nachdenken bringst und auch, dass du so viel Zeit aufwendest, um mit mir zu schreiben. Manchmal kommt es mir so vor, als würden wir uns schon sehr lange kennen, obwohl es noch keine Woche her ist, dass ich dir diese E-Mail fälschlicherweise geschickt habe. Empfindest du das ebenso?

Diese Frage konnte ich guten Gewissens mit einem Ja beantworten. Auch mir kam es so vor, als ob ich Jess schon sehr lange kennen würde, obwohl es viele Dinge gab, die wir noch nicht voneinander wussten. Wie zum Beispiel, das, was sie mir nun präsentierte.

Du hast nach meinen Träumen, außer dem Ballett gefragt. Ich habe unzählige Träume, zum Beispiel würde ich gerne einmal Katy Perry treffen, sie ist meine Lieblingssängerin, und auf dem Empire State Building stehen, um Fotos zu machen. Und ich würde gerne Fallschirmspringen, das muss irre sein! Wie sieht es mit dir aus? Welche Träume hast du?

Ok, zwei von ihren drei Träumen würde ich ihr ohne große Probleme erfüllen können. Katy Perry war eine gute Freundin von mir und das Empire State Building konnte man auch in einem Rollstuhl erklimmen. Aber das Fallschirmspringen würde zum Problem werden, da es zu den gefährlichen Sportarten zählte, und diese vertraglich für uns ausgeschlossen waren. Was dachte ich da überhaupt für einen Scheiß? Ich konnte ihr keine Träume erfüllen, denn wir würden uns niemals sehen. Seufzend las ich weiter.

Ich glaube, ich habe jetzt alle deine Fragen beantwortet, und möchte nun gerne auf die Dinge eingehen, die du sonst noch so geschrieben hast. Oh, eine Frage gab es ja noch! Du wolltest wissen, wie ich darauf reagiere, dass du nicht schwul bist. Um es vorneweg zu sagen, ich habe nichts gegen Schwule, ich finde es schlimm, diese Menschen zu diskriminieren. Ich finde es ok, dass du nicht schwul bist, aber trotzdem schwule Freunde hast, mit denen du etwas unternimmst. Darf ich fragen, ob du in einer Beziehung bist?

Klar durfte sie das fragen, denn Gott sei Dank konnte ich das mit einem Nein beantworten! Langsam scrollte ich weiter nach unten, um den Rest zu lesen.

Es hat mich sehr berührt, dass du meinetwegen Tränen in deinen Augen hattest und ich frage mich immer wieder, warum gerade du es bist, den mein Schicksal so beschäftigt. Vielleicht war es kein Zufall, dass diese E-Mail bei dir gelandet ist, vielleicht sollten wir uns im Internet treffen, damit jeder sich beim anderen aussprechen kann. Ich finde es schön, dass dir diese Gespräche zwischen uns so wichtig geworden sind, und dass du mir deine Hilfe anbietest. So etwas ist nicht selbstverständlich, vor allem, wenn man sich nicht kennt. Auch finde ich es toll, dass du so ehrlich zu mir warst und einfach so erzählt hast, dass du keinen Schulabschluss besitzt, was ich aber nicht schlimm finde. Viel wichtiger ist doch, dass du einen Job gefunden hast, der dir Spaß macht und außerdem ganz gut bezahlt wird, zumindest entnehme ich das deiner Äußerung.

Nun musste ich kurz grinsen. Sie war ja sowas von süß, ein echt liebenswerter Mensch. Ich hätte mir vorstellen können, stundenlang mit ihr zu reden, egal um welches Thema es sich drehte, es würde nicht langweilig werden, dessen war ich mir sicher. Und ihr nächster Satz brachte mich mal wieder zum Lachen.

Zum Schluss möchte ich dir noch sagen, dass ich Stracciatella Eis genauso hasse wie du. Und, dass ich dich wirklich sehr sympathisch finde. Ich würde es vermissen, wenn wir nicht mehr schreiben könnten. Ich denke, mit den acht Stunden Zeitunterschied werden wir klar kommen, oder? Wann bist du eigentlich mal wieder in London? Ist dein Boss eigentlich auch in den USA? Und hast du nette Kollegen? Ich weiß, ich frage schon wieder zu viel, aber ich freue mich immer so, wenn ich etwas von dir lesen kann. Bitte nimm es mir nicht übel, denn mein Leben ist ja ziemlich langweilig.

Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und würde mich freuen, bald wieder etwas von dir lesen zu können.

Liebe Grüße, Jess

P.S.: Hast du ein Tattoo oder ein Piercing? Wenn ja, wo?

Nachdem ich die letzten Zeilen gelesen hatte, klopfte es schon wieder gegen die Badezimmertür.

„Niall, bist du ins Klo gefallen?"

„Nein, Kelly, mir geht es gut."

Es nervte mich unglaublich, dass ich in meiner eigenen Suite nicht zur Ruhe kam. Schnell blickte ich auf die Uhr, um erfreut festzustellen, dass es an der Zeit war, meine Bettgenossin aus dem Zimmer hinaus zu komplementieren. Somit würde ich in aller Ruhe nochmals die E-Mail lesen können, um sie dann zu beantworten. Grinsend trat ich aus dem Bad und schaute zu, wie Kelly sich gerade anzog.

„Ich muss los, Niall", seufzte sie. „Wir sehen uns dann später."

„Ok, bis dann, Kelly."

Ich gab ihr noch einen Klaps auf das wohlgeformte Hinterteil, bevor sie meine Suite endgültig verließ. Nun konnte ich mich den wichtigen Dingen zuwenden. Der E-Mail von Jess.

Immer wieder las ich ihre Zeilen an mich, die ehrlich gemeint waren, jeder einzelne Buchstabe davon. Es war ein Gefühl, das ich noch nie gespürt hatte, sie gab mir Geborgenheit, Sicherheit und die Möglichkeit ich selbst zu sein. Braune Augen, eins sechsundsechzig groß und vermutlich schlank, wie alle Balletttänzerinnen, so stellte ich sie mir vor. Ich hätte zu gerne ein Bild von ihr gesehen, doch das ging nicht. Sie würde auch eines von mir haben wollen und dann flog meine Tarnung auf. Also musste es ohne Fotos gehen und die Fantasie war gefragt.

Sowohl bei dem Einsetzen der Vorstellungskraft, wie der andere wohl aussah, als auch beim Schreiben meiner Antwort, zu der ich nun ansetzte.

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Ich hoffe, ihr mögt Niall, auch wenn er sich mit seinen Fuckbuddies austobt! ;)

Eigentlich wollte ich heute schon früher updaten, habe es aber leider nicht geschafft!

LG, Ambi xxx


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