Kapitel 6

Es war wieder Normalität in der Pathologie eingekehrt. Zumindest das was man als Normalität bezeichnen kann, wenn man bedenkt, dass eine Pathologin von einem vermeintlich Toten nahezu komplett verspeist wurde.

Er dachte nur daran und musste mit Übelkeit kämpfen. Auch nach drei Tagen mit dazwischenliegendem Wochenende ist die unangenehme Atmosphäre nicht verschwunden. Alle schwiegen über das was sich in jener Nacht ereignete und meideten das Offensichtliche auszusprechen. Auch ihm war die Frage mehr als präsent. Waren sie überhaupt noch sicher?

Trotz dieser merklichen Anspannung blieb der Alltag nicht aus. Jeder ging seiner Arbeit nach, machte aber um den Schauplatz des blutigen Massakers einen großen Bogen, so als ob eine zu kleine Distanz zum sofortigen Tod führen konnte. Das lag wohl daran, dass sowohl die Forensiker, als auch die Kriminanologen -beide Fachbereiche teilten sich das Gebäude mit der Pathologie- ihre Zelte noch nicht abgebaut hatten. Immer noch nahmen sie Proben, analysierten jeden noch so feinsten Partikel und stellten mögliche Szenarien nach. Die wie sonst auch schon dominante Anwesenheit des Todes in der Pathologie bekam somit eine gewisse Skurrilität. Denn wohingegen die Leichen und deren Tod akzeptiert wurden, betrachtete man diese Umstände in der Fachschaft Pathologie mit Entsetzen. Auch er musste stets an seine Kollegin denken.

Er war zwar erst seit kurzem, also genau genommen 5 Monate, hier und hatte sie kaum gekannt, aber sie war die Einzige gewesen, die ihm das Gefühl gab er war vollends akzeptiert. Alle anderen begutachteten ihn mit fremdem Blick und er spürte die fehlende kollegiale Nähe, die immer noch zwischen ihm und seinen Kollegen herrschte. Auch heute als er von seinem Büro den Weg zum Obduktionsraum nahm, konnte er die Blicke spüren, aber er ignorierte sie. Vielmehr beschäftigte ihn der Grund für den Tod seiner Kollegin. Um die ganze Sache rankten sich mehrere Gerüchte und diverse Versionen wurden untereinander ausgetauscht, wobei sich jeder sicher war, dass seine die Richtige sein muss. Er konnte nicht beurteilen welche stimmt, doch einige Informationen konnte er herausfiltern und als möglich, vielleicht sogar wahr, einstufen.

Ihm war bekannt, dass die Überreste der Pathologin sich auf ein Minimum beliefen und demnach viel Blut am Tatort aufzufinden war, was die aufwändigen und langen Reinigunsarbeiten und auch die Sichtschutze am besagten Ort erklären würde. Doch nun wurde er sich unsicher. Die Frage was dafür verantwortlich gewesen sei, wurde nämlich kontrovers diskutiert. Doch grob teilte sich die Fachschaft in zwei Lager. Das eine ging davon aus, dass eine dritte Person beteiligt war, die Interesse an der Leiche gehabt haben soll. Da die anwesende Pathologin die Leiche nicht ohne Anstalten hergeben wollte, bezahlte sie dafür mit ihrem Leben.

Der Mörder floh anschließend mit der Leiche. Das zweite Lager machte die Leiche für den Tod verantwortlich. Sie solle nicht wirklich tot und der zu Obduzierenden zu Lebzeiten angeblich ein Kannibale gewesen sein. Als die Vitalfunktionen wieder eingesetzt hatten, habe der Mann angeblich Hunger verspürt und sich das erst Beste geschnappt. Auch er soll dann geflohen sein. Beide Theorien hatten was absurdes, das stand für ihn fest. Aber er tendierte so komisch es sich auch anfühlte zu Theorie zwei, denn Fingerabdrücke einer dritten Person wurden nicht gefunden, das hatte der Kommissar erwähnt. Im Gegenteil, es waren sogar keine zu finden. Die Pathologin trug vorschriftsmäßig Handschuhe, das wurde bestätigt. Aber die Leiche hatte eindeutig keine Anzeichen von fehlenden Fingerabdrücken aufgewiesen.

Zumindest hatte der Obduktionsbericht, der von allem verschont blieb, nichts erahnen lassen. Es machte alle stutzig und erschwerte die Sache ungemein. Mehr wusste er aber auch nicht. Leider, denn es interessierte ihn brennend und keiner der Personen, die an den Ermittlungen beteiligt waren wollte ihm Auskunft geben. Inzwischen war er an seinem Ziel angekommen und legte seine Instrumente bereit für seinen Patienten, wie er sie nannte. Denn Leiche oder Toter klang für ihn immer so abwertend. Hoffentlich klärt sich die Sache noch, dachte er und begann seine Arbeit.

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Vielen Dank für 120 Reads und  9 Stimmen! Ich freue mich wirklich sehr darüber. :D

Das soll nartürlich gebührend gefeiert werden, weshalb heute noch ein Bonuskapitel kommen wird. Zudem ist es schon was länger her, dass ich etwas hochgeladen habe. :)

Lob und Kritik sind in den Kommentaren gerne gesehen.

pencilcrime

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