Kapitel 2
Kalte Luft wirbelte Fussels Fell auf. Die Dämmerung kündigte eine zutiefst kalte Nacht an. Lex und Liam fanden Unterschlupf in den verkohlten Überresten eines Dorfes. Der Geruch von Rauch war noch nicht erloschen und das leise Knistern von Brandherden sang vor sich her.
Sie waren alleine hier. Zumindest fanden sie niemanden. Wie leergeplündert und überstürzt verlassen. Ein Haufen Krähen versammelte sich kreisförmig auf den vom Einsturz bedrohten Dachbalken. Voller stille und Geduld überprüften sie den leeren dampfenden Dorfplatz, den zerstörten Brunnen und die Ruinen der Gebäude
Unter keinen normalen Umständen hätte Lex auch nur einen Fuß in diesen verfluchten Ort gesetzt. Aber seine Umstände waren nicht normal. Seit langem konnten sie die Finsternis der Nacht in einem mehr oder weniger geschützten Ort verbringen. So entschied er sich hier einzukehren auch wenn er vom Geruch von Rauch und Eisen angewidert war.
Liam kauerte in einer Ecke. Sein Kopf steckte zwischen den Knien und seine Arme umschlungen seine Beine. Nur sporadisch nahm er Nahrung zu sich, als würde er jedes Mal einen inneren Kampf ausführen sich nicht doch lieber dem Hungertod hinzugeben. Lex hatte seine Wunden mühsam verbunden. Es schmerzte Lex ihn in dieser Verfassung zu sehen, die Bandagen überdeckten Liams Körper an all den Stelle n, die er sich durch intensiven Waschens wundgescheuert hatte.
„Iss bitte etwas. Ich werde mich derweil umschauen, vielleicht haben sie etwas Brauchbares bei der Fluch des Dorfes zurückgelassen", sagte Lex. Er verspürte den Drang Liam zu umarmen und ihn aufzumuntern. Aber jeglicher Kontakt ließ Liam nur angsterfüllt zucken. Also unterdrückte er sein Verlangen.
Jede weitere Minute, die ich ihn so sehe, lässt meinen Wunsch Orobous zu strafen, größer werden, dachte er sich. Er fühlte die Wärme in seinen Augen aufsteigen und so wandte er sich mit steigender Wut ab.
„Komm, Fussel!"
Sein Feind hatte ihm einst gesagt. Er solle auf alle Details achtgeben. Eine Lektion, die er voller Schmerz gelernt hatte. Und noch hatte er die Überreste des Dorfes nicht vollständig untersucht. Ein wenig Licht der Abendsonne verblieb ihm. Er fand viele Spuren in der Mitte des Platzes. Hier haben sie sich getroffen, bevor sie gemeinsam östlich gezogen waren. Übermäßig viele Fliegen schwirrten, um einen kleinen frisch aufgetürmten Hügel, am Rande des Platzes. Die Erde war gar nicht wie der Rest des Platzes vom starken Regen in der letzten Nacht aufgeweicht worden, sondern enthielt noch klumpige Stückchen.
Lex' Verstand sagte ihm, nicht zu graben, das würden wohl die wilden Tiere übernehmen, wenn ihnen die Lust nach totem Fleisch kommen möge. Er sah sich eher in den Ruinen der Häuser um. Doch fand er kaum etwas Brauchbares. Die Einrichtungen waren versenkt vom Feuer, die Werkzeuge waren verschwunden, die Nahrungskammern leer oder hinter schweren Balken eingestürzter Wände begraben. Und auch das immer weiter schwindende Licht erleichterte ihm die Suche nicht. Jedoch gelang es ihm eine Decke – wenn sie auch durch das Feuer kleinere Löcher bekommen hatte – zu bergen. Hier würde er nichts mehr finden.
Fussel knurrte die beginnende Schwärze des Waldes an. Die Finsternis, die allerhand Abscheulichkeiten beherbergte. Die den Schatten, Dieben und Mördern so viel Schutz bot. Oder den Fliehenden wir er es war. Doch der Geruch nach Tod würde allerhand anderer Abscheulichkeiten anlocken.
Traurig und resigniert ging er mit Fussel zurück. Er nutzte die letzten Minuten, der am Horizont in strahlenden violett verschwindenden Sonne, um ein Feuer zu entfachen. Ein Feuer hier würde niemanden verwundern, das Dorf war niedergebrannt. In dieser Zeit hatte es wohl ohnehin gigantische Rauchwolken in die Atmosphäre gepustet. Er nahm die Decke schüttelte die Rußpartikel raus und legte sie über Liam, den die Erschöpfung in das Reich der Träume befördert hatte. Sein Schlaf war unruhig. Lex beobachtete sein unrhythmisches, ruckartiges Zucken, als wolle Liam sich von etwas losreißen. Es würde zunehmen, bis zu dem Punkt wo er schrie und sich selbst wecken würde - wie in all den vergangenen Nächten zuvor.
Das Feuer würde ihm jedoch helfen sich zu orientieren, die wilden Tiere fernzuhalten und mit dem orangenen Licht konnte Lex sich erneut den Geheimnissen des Ringes hingeben.
Die hölzerne weiße Schachtel wies einige Schrammen an ihrer einst makellosen Oberfläche auf, die durch unzählige Kollisionen auf der Flucht entstanden sein mussten. Wie einen unendlich wertvollen Schatz, dessen Wert kaum in irdischem Geld aufzuwiegen war, hielt Lex die letzte Erinnerung an seine Mutter in den Händen. Erneut zog in die rote Samtverkleidung mit ihrem reinen purpurnen Antlitz in einen tiefen Bann. Lex war überzeugt, dass dieser Ring mit seiner Geschichte aus dem Jenseits des Risses stammen musste. Etwas aus der entfernten Welt in der Wessen existierten, deren Aussehen alleine dem Menschen den Wahnsinn bescherte und Dinge enthielt, die sich von den Seelen der Toten ernährten und das Fleisch der Lebenden verspeisten – wie die Gläubigen.
Erneut fuhr er über die filigrane Verzierung in ihren wirren Symboliken, deren Form und Verständnis ein Wunder darstellten und seine Faszination fesselten.
Fussel knurrte in die Nacht und Lex spürte es. Etwas kam. Etwas Gefährliches. Er hörte es kriechen über den schlammigen Untergrund. Das Geräusch eines Schmatzens, als könnte jemand nicht aufhören fettige Nahrung in sich hineinzuschlingen, erklang in konstanten Intervallen, stetig lauter werdend. Doch dieses Etwas in der Außenwelt leckte unaufhörlich seine Finger, getrieben von Vorfreude auf das Mahl geschwächter Fliehender.
Ein Schrei ertönte, der Lex das Blut in den Adern gefrieren ließ. Etwas sagte ihm, dass der stinkende Hügel wohl bereits samt Inhalt verspeist worden war.
Fussel machte sich bereit für eine Konfrontation der gewaltvollen Art. Seine Haare stellten sich bedrohlich auf, die Rute stand fixiert nach oben. Er zeigte dem Ding die weißen Zähne, die wohl alles zerfetzten könnten.
Lex stellte sich die Frage nicht, ober er blieb oder floh. Mit Liams Zustand würde er einem wilden Biest wohl kaum entrinnen. Und Fussel würde mit jedem Biest fertig werden. Nur war es kein Biest. Es war etwas viel Schrecklicheres.
Schwarze Klauen umschlossen das Loch in der Wand was wohl einst ein Fenster war. Riss die Front samt Wand heraus. Es ging schnell. Staub wirbelte durch die Luft. Steine trafen Lex am Kopf. Ein Monstrum mit pechschwarzem Fell, grauenhaften Augen, die grünlich leuchteten. Angelockt vom Geruch der Toten.
Es öffnete sein Maul. Wie ein Wurm, der sich entblößt in der Sonne hin und her wandte, zuckte die stachelübersehene Zunge zwischen den messerscharfen Zähnen hin und her. Der Speichel tropfte auf den Boden und begann zischend den Kalkstein der Hauswand zu lösen. Ein Geruch, der die Würgereflexe von Lex hervorbeschwor, füllte die Umgebung.
Das Vieh wartete nicht lange. Es betrachtete seine Beute und Lex sah seinen Körper bereits zerrissen in den Augen des Monsters spiegeln. Blitzschnell flog es durch den engen Raum. Kurz bevor es Lex erreichte, stürzte Fussel in die Flanke des Wesen und vergrub seine Zähne. Schwarzes Blut spritzte. Das Vieh quietschte. Schrille Töne, die Gedanken verrückt werden ließen.
Liam erwachte. Schockgefroren blicke er das Wesen an und als das Monster erkannte, dass Liam das schwächste Glied war, begann es sich wie ein Ball aufplusterte.
Es war nur eine Vorahnung ein kurzer Moment der Eingebung. Lex wollte schreien. Fussel zurückrufen. Aber es war zu spät. Es war geschehen. In einer Explosion aus Nadeln entlud das Monster seine angestaute Energie. Wie wild sprangen sie durch das Zimmer durchbohrten Wände, Dielen und Balken gleichermaßen und Fussel, der die volle Breitseite der unerwarteten Attacke abbekam.
Es schleuderte den Riesenwolfshund quer durch den Raum und ließ ihn wimmernd gegen eine Wand schlagen.
Lex sah, sowohl Fussel als auch Liam unfähig, dieses Ding zu bekämpfen und er erkannte, dass wenn er Monster töten möchte, er selbst zu einem Monster werden müsste. Dieses Vieh, das gerade neue Nadeln bildete würde seinen Zorn zu spüren bekommen.
Ein brennender Holzscheit lag schneller in Lex' Hand, als er selbst dachte. Er spürte seine Angst, doch der Hass auf diese Welt verdunkelte sie, scheuchte sie zurück. Um seine Körper bildete sich eine Aura, die Furcht verströmte und plötzlich war es das Biest, das einen Schritt zurückfiel.
Lex flog nach vorne auf das Biest zu und rammte den brennenden Holzscheit ins sich öffnete Maul. Ein zischendes Geräusch ertönte, als die Zunge von dem glimmenden Gluten versenkt wurden war. Aber das Monstrum kam nicht zum Schreien, denn Lex stach den Holzscheit durch das, was er für die Kehle hielt. Mit einem Stein drosch er beide grün leuchtende Augen zu Brei. Das schwarze Blut spritzte überall hin und her, traf Lex' Wangen und sprenkelte sie. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er dem Wesen vor sich Schlag für Schlag das Leben rausprügelte. Die Welt hatte in ihm ein Monster geschaffen, das selbst der Riss fürchten lernen würde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top