Kapitel 46
Orobous stemmte die Türflügel nach Links und Rechts auf. Achtlos krachten sie gegen das funkelnde Gemäuer im Inneren des Freiheitshauses.
Lex schaffte es gerade noch, die Tür des Beichtstuhles zu schließen. Nun saß er mit einer Leiche in einer viel zu engen Kammer. Obwohl der goldene Samtumhang des Gläubigen eine besonders weiche Sitzmöglichkeit darstellte, war es der von Blut durchtränkte Schoss und Bauch, der im Unwohlsein bescherte .
Ein aus Holzstücken geformtes rautenförmiges Fenster ließ ihn das Äußere betrachten. Kaum groß genug, dass er seine Fingerkuppen durchstecken konnte. Er umklammerte den goldenen Brieföffner in seiner Faust. Knautschend drückte er den lederbezogenen Griff zusammen. Seine Wut galt diesem Mann.
Orobous war beschäftigt. Denn er zog jemanden mit. Liam, der sich vehement versuchte zu wehren. Doch der große Gläubige in seiner Übermächtigkeit war wesentlich stärker und so zog er den Jungen mit einem Seil immer tiefer in die Mitte des Raumes. Liams Hände klammerten sich verzweifelt an die Ebenhölzernen Bänke, doch zu schwach waren seine Arme, das er alsbald von ihnen losgerissen wurde.
Lex atmete erleichtert durch. Liam lebte. Er war nicht zu spät. Doch das Leid, das dieser gerade ertrugen musste, machte ihn wütend. Am liebsten wäre er aus diesem Stuhl gestürmt, um ihm zu helfen, aber Orobous Blickte genau in diese Richtung. Fast schon unbekümmert, gar gelangweilt von Laims erfolglosen Versuchen. Ebenso erfolglos, wie Lex sein würde, wenn er hier seinen Emotionen freien Lauf lassen würde.
Jedes Detail zu betrachten, trichterte Juni ihm buchstäblich in den Kopf ein und das war gerade wichtiger, als überstürzt zu handeln. Erstmal einen Überblick zu bekommen. Auch wenn seine Sicht durch die hölzernen Streben vor seinem Auge stark eingeschränkt war. Da erkannte er das silberne gekrümmte Messer, das schier gierig auf Blut unter dem Rock des Gläubigen hervor lugte. Sichelförmig, als könne sie jeden Hautfezen am Halse eines Menschen gleichzeitig in zwei teilen.
Aber Orobous hatte eine viel größer Gräueltat an dem völlig verängstigten Jungen vor. Eine, die den Tod selbst als Erlösung darstellen lassen würde. So zog er mit aller Heftigkeit am braunen Seil, das Fest um Liams Hals geknotet war und ihn nur nach vorne warf.
Als würden sich die bunten Fenster mit ihrem dargestelltem Spiel und Tanz und Predigt über den am Bodenliegenden Jungen lustig machen, befiehl der Schein des Vollmondes den kegelförmig Alter. Schwarzer Basalt. An dessen glatter Oberfläche Blut restlos entfernt werden konnte.
„Zieh sie aus!", befahl Orobous.
Seiner Bitte nicht nachkommenden versuchte Liam Luft zu bekommen. Die Haut am Hals war vollkommen gerötet. Seine Augen erfüllt mit Angst und Panik.
„Ich habe gesagt, du sollst dich ausziehen!", schrie Orobous dieses Mal. Das letzte Wort hallte wieder und und wieder und wieder von den Wänden herab. Handgeschnitzte Statuen und geflügelte Frauen aus Marmor schauten der Situation still zu.
Lex war starr vor Angst. Er konnte sich nicht rühren. Niemals würde er unbemerkt an diesen Mann herankommen. Wie sollte er Liam nur mitten in der Höhle der hungrigen Löwen helfen? Er rutsche auf dem Blut zu seinen Füßen aus. Fiel in den Schoß des Toten, dem alle Wärme längst entglitten war.
Er sah nicht was geschah. Er hörte nur die gequälten Schrei von Liam und hätte er sich getraut zu schauen, so hätte er das zerreißen von Liams Kleidern in der vollen Brutalität erkannt. So lagen die vollkommen Lumpen in ihren Fetzen verstreut auf den kalten Freiheitshausboden. Kein Strampeln, kein Treten, kein Schlagen half gegen das Reisen, Zehren und Ziehen. Und So war auch das letzte Kleidungsstück von Liams Körper entwendet wurden. Einen Moment genoss Orobous mit lüsternen Blick, die Aussicht die ihm der nackte Junge gab. Doch diese Pause hielt nur kurz an, denn Orobous griff ihn am Arm zog ihm zum kalten Altar und beugte ihn nach Vorne. Mit seinen wurstigen fettigen Fingern führt er an Liams Rücken entlang bis er schließlich aus dessen Hintern zum erliegen kam. Dann hielt er inne.
Bis hier und nicht weiter entschied Lex für sich. Dessen Wut nun brodelte wie ein Vulkan, der seit tausenden Jahren geduldig das Magma sammelte. Zum Glück wendete Orobous ihm so den Rücken zu. Er wollte gerade die Tür des Beistuhles öffnen, als Orobous Hose mit offenem Gürtel auf den Boden fiel und die mächtigen Türflügel ein weiteres Mal an diesem Abend gegen das Gemäuer geschlagen wurde.
Lex sinnigster Wunsch, dass Juni durch diese Tür stürmte blieb aber aus. Denn es war ein weiterer Gläubiger, der nun in die Mitte der Halle mit eiligem aber erhabenen Schrittes lief.
Nur Liams angsterfüllten Schreie durchbrachen den Raum. Bis schließlich Orobous ihn nahm und in ein nahestehendes Wasserbecken untertauchte.
„Was störst du mich Kardinaus? Siehst du nicht das ich beschäftigt bin!"
Der Gläubige betrachtete die Situation ohne weitere Worte darüber zu verlieren.
„Du musst diese Sache noch unterschreiben. Offenbar bedarf es deiner Zustimmung nach einem Nachfolger dieser Richterin zu suchen und sie als Feind der Welt auszurufen."
„Ich habe von Anfang an gesagt, dass eine Frau für diesen Beruf nichts taugt!", rief er. Als hätte er Liam vergessen, war er ganz überrascht. Er gab dem Druck seiner Hand frei und lies den Jungen zu Luft kommen.
Die nassen Haare hingen quer und wirr über sein Gesicht. Seine Luft war zu knapp. Und alles was sein verzweifeltes Gesicht erntete war Ekel und Abscheu. Schreien konnte er nicht mehr. Seine Luft war leer. Keine Luft zum Reden. Keine Luft zum Schreien. Atemlos.
„Na, dann ich wünsche nicht weiter aufgehalten zu werden!"
Kardinaus nickte ihm auf Augenhöhe zu und verschwand mit dem Berg an Zetteln in der Hand.
„Stelle sicher, dass du seine Leiche vollständig vergräbst und ein neues Loch aushebst. Ich mache es dieses Mal nicht für dich."
Lex hörte jedes einzelne Wort deutlich. Es brannte sich in seinen Kopf ein. Er erkannte, dass die, die Wasser predigten, Wein tranken; in Massen vergossen und niemals die Absicht hegten einen in die Kost kommen zu lassen. Dieser Mann der sich vor ihm an seinem Freund verging, war auch jener Mann der das verbot der gleichgeschlechtlichen Liebe entwarf und behauptete, dass Menschen wie Lex vom Dämonen besessen waren. Denn das waren die Gläubigen – nichts weiter als Lügner und Betrüger. Als Vergewaltiger und Mörder.
Orobous begann dort, wo er aufgehört hatte. Immer mehr Schichten weißer Hosen, die je näher an seinem Körper gelegen waren, immer brauner wurden, fielen zu Boden. Bis er letztlich bei der letzten gelb braunen Hose angekommen war.
Liam hatte längst keine Luft mehr zum Schreien oder Träne zum Weinen oder Hoffnung zum Leben mehr übrig. So lag er bewegungslos fixiert vor dem lüsternen Gläubigen und wartete auf den Schmerz.
Als Orobous ihn unsäglich berührte.
Der Brieföffner durchdrang Soff, Samt und Fleisch problemlos. Wie ein Scharfes Messer spießte es in die Niere des Gläubigen. Lex, schrie nicht. Liam hatte ihm erklärt, dass das Schreien seinen Überraschungsmoment Kaputt machen würde. Liam hätte vielleicht geschrien, aber er hätte nicht weniger fest zugestochen.
Wie eine fette Made krümmte sich der halbnackte Wesensgesegnete vor Lex Füßen sein Schrei nach Schmerz, genauso gequält, wie die Hilferufe von Liam zuvor. Er versuchte, den Brieföffner aus seinem Rücken zu ziehen. Doch die dicken Schichten an Stoff an seinem Oberteil und seine unbeweglichen Muskeln versagten an dieser Aufgabe.
Lex löste das Messer von der Gürtelschnalle des Gläubigen, durchschnitt das Seil an Liams Hals und warf ihm notdürftig seine Fetzenjacke über. Ohne das Liam verstand was geschah, ließ er sich ressistenzlos von Lex aus diesem Haus der Freiheit führen. Das blutende schreiende Monster hinter sich liegen lassend.
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