➰ 26. KAPITEL ➰

Du siehst die leuchtende Sternschnuppe nur dann,

wenn sie vergeht.

(Christian Friedrich Hebbel)

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Es wurde langsam dunkel und wir beschlossen, das wir bei Sonnenaufgang losgehen würden. Mit mulmigen Gefühl zwinge ich mich dazu Wache zu halten. Keineswegs konnte ich nach der Drohung von Nestor in seiner Nähe die Augen schließen.

Ich bleibe neben Solé sitzen und lehne mich an die Wand an. Das Schnarchen beruhigt mich irgendwie, trotzdem lasse ich meine Hand in der Nähe des Messers an meinem Bein. Joona liegt nicht weit von mir in einen Schlafsack und ist sofort nach dem Hinlegen weg gedämmert. Man sieht nur seine Haare die oben rausschauen.

Die Stunden verstreichen und viele wachen nacheinander auf und bereiten sich auf den Aufbruch vor. Mit Solé wechsel ich nur wenig Worte, denn sie ist sehr geschwächt. Eine alte Dame, deren Tage bereits gezählt sind. Das braucht mir keiner zu sagen, das weiß ich. Ein wenig traurig bin ich schon darüber und ich will deshalb erstmal nicht von ihrer Seite weichen. Sie spürt das und versucht mich manchmal dankend anzulächeln.

Ich senke meinen Blick und schaue wie durch Zufall auf das silberne Kreuz an dem Ring, welches in dem Kerzenlicht aufleuchtet. Mit der Fingerkuppe streiche ich vorsichtig über das Symbol und presse die Lippen aufeinander.

In nur wenigen Stunden werde ich ihn wiedersehen. Ich fühle mich albern, da mein Herz nur, wenn ich lediglich an ihn denke, doppelt so schnell schlägt. Selber erwische ich mich dabei, wie ich mir die schönsten Szenarien ausmale. Doch jede davon ist zu kitschig für Harry und deshalb wappne ich mich innerlich auf ein etwas unschöneres Wiedersehen.

Mühsam stehe ich auf und strecke meine eingeseiften Gliedmaßen. Ich schlendere zu Joona, hocke mich vor ihn hin und ziehe den Schlafsack ein Stück runter, damit ich sein Gesicht sehen kann.

„Komm schon Joona, stehe auf! Du wirst der letzte sein, wenn du dich jetzt nicht bewegst", fordere ich ihn auf und rüttle an seiner Schulter.

„Schon gut, ich bin wach", murmelt er mit müder Stimme und öffnet seinen Schlafsack. Auch Solé rekelt sich und setzt sich auf.

Der ganze Raum wirkt auf einmal voller Leben, ganz anders im Vergleich zu gestern bei unserer Ankunft. Sie haben vielleicht Hoffnung, die sie wieder stark macht.

Nestor steht mit verschränkten Armen am anderen Ende des Raums und unsere Augen treffen sich unheimlicherweise. Er stößt sich nach einen kurzen Augenblick von der Wand ab und marschiert zielstrebig auf mich zu. Zum Glück bleibt er einen guten Meter von mir entfernt stehen.

„Was machen wir mit der alten Schachtel dort drüben" Er nickt Richtung Solé, die unser Gespräch nicht mitbekommt.

„Wir werden sie tragen müssen", antworte ich.

„Oh nein, nein, nein", grunzt Nestor fährt sich mit seiner großen Pranke übers Gesicht, „Du wirst sie tragen müssen. Es wäre viel einfacher sie zurückzulassen. Und keiner meiner Leute kann eine weitere Last auf sich nehmen"

„Sie ist eine von deinen Leuten", erinnere ich ihn stirnrunzelnd und bekomme eine Gänsehaut bei seiner Kaltherzigkeit.

„Ja, aber in wenigen Tagen wird sie es nicht mehr sein", sagt Nestor tonlos und dreht mir dann den Rücken zu.

Er hat recht. Jedoch möchte ich Solé hier nicht alleine zurücklassen.

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„Geht es?", fragt Joona jetzt bereits zum dritten Mal seit wir losgegangen sind. Er trägt meinen Rucksack und schaut mich besorgt an. Solé habe ich kurzerhand huckepack genommen. Sie ist erschreckend leicht und nur auf längere Strecke wurde es ein bisschen anstrengend. Ihre dünnen Arme sind um meinen Hals geschlungen und ich höre ihren leisen, rasselnden Atem dicht an meinen Ohren

„Ja es geht", antworte ich.

„Okay. Aber wenn du nicht mehr kannst, dann sag mir Bescheid", bittet er mich und ich nicke ihm nur zustimmend zu. Wir kommen gut voran und erreichen zum Mittag hin den Marktplatz. Die Gruppe macht eine Pause. Ich werde allmählich unruhig und setze Solé in der Nähe von dem kaputten Wasserbrunnen ab.

Ich gebe Solé die Wasserflasche und lasse sie ein wenig trinken. Mir tippt jemand auf die Schulter und ich drehe mich um.

„Ich gehe ihn jetzt holen", teilt mir Joona mit und ich weiß sofort das er Harry damit meint. Wir werden hier mindestens noch eine Stunde Pause machen, darum ist der Zeitpunkt jetzt perfekt. Er geht los und verschwindet in einer Gasse die zu dem Haus führen.

Total unruhig beginne ich vor Solé auf und ab zu laufen. Sie beobachtet mich dabei mit ihrem Auge und zieht die Decke über ihren Kopf. Ein paar Schneeflocken fallen vom Himmel und landen auf meiner Hand, als ich sie nach vorne ausstrecke.

Die Kristalle auf meiner Handfläche sehen wahnsinnig schön aus, vor allem wenn die Sonne noch drauf scheint und sie zum Glitzern bringt. Ich sehe auf, da Solé eigenartige Geräusche von sich gibt. Sie hat den Arm ausgestreckt und zeigt mit den Fingern auf etwas hinter mir. Ich schaue über meine Schulter und mein Herz setzt für einen Moment aus.

Joona stützt Harry mit seinen Armen und die beiden laufen auf die Menschenmenge zu. Sogar von hier aus kann ich sehen, dass Harry es überhaupt nicht leiden kann, das Joona ihm helfen muss. Er sieht gut aus, längst nicht mehr so kraftlos. Harry trägt einen schwarzen Wintermantel, den er wohl aus dem Haus mitgenommen haben muss.

Nestor wagt sich mit als einer der Ersten den beiden entgegen zu gehen, einige folgen. Ein großer Pulk bildet sich um die beiden, so das ich ihn kaum sehen kann. Doch bevor sich die Lücke schließt, durch die ich Harry sehen kann, entdeckt er mich. Nur für einen Bruchteil einer Sekunde und er ist verschwunden.

„Geh schon", höre ich Solé röcheln, weil sie wohlmöglich meinen hin und hergerissenen Gesichtsausdruck mitgekommen hat.

„Ich bin gleich wieder da", verspreche ich, lege die Decke nochmal richtig um sie und marschiere dann eilig zu den anderen.

Nestor beäugt Harry misstrauisch und guckt auf seine Beine. Etwas unbeholfen probiere ich durch die Reihen zu schlüpfen und stelle mich auf Zehenspitzen.

„Du bist verletzt", sagt Nestor und deutet auf Harrys Bein.

„Offensichtlich", zischt Harry mit zusammengekniffenen Augen und gibt Joona einen kleinen Schubs, der gleich loslässt und die Arme beschwichtigend hochhält. In Haarys lockigen, braunen Haar hängen etliche Schneeflocken. Er sieht aus wie ein Schneeengel! Augenblicklich laufe ich wegen meiner Gedanken rot an und schaue auf meine Schuhspitzen. Glücklicherweise kann sie niemand hören.

„Wir sollten uns beeilen sonst erreichen wir das Lager heute nicht", ruft Harry laut, „Ich bin mir sicher das ihr mir misstraut und glaubt mir, ich würde es mit euch genau so tut. Doch denkt daran, dass ihr meine Hilfe braucht, ich brauche euch nicht. Ja das soll eine Warnung sein, brecht ihr meine Regeln werdet ihr wieder verbannt: Ohne Ausnahmen!"

Nestor gibt ein Schnauben von sich.

Trotzdem scheint Harrys Ansage allem Anschein nach zu wirken. Die Menge löst sich auf und die meisten greifen nach ihrem Gepäck. Bevor ich mich ebenfalls auf den Weg mache, starre ich Harry an, welcher suchend durch die Menge schaut. Er versucht in dem ganzen Trubel etwas ausfindig zu machen. Nur was?

„Ebony. Los jetzt!" Erschrocken zucke ich zusammen. Joona grinst mich an und legt eine Hand auf meinen Rücken so das ich mich bewege. Ich reiße meinen Blick von Harry los und laufe zu Solé. Diesmal nehme ich die Rucksäcke, Joona nimmt Solé huckepack und so folgen wir den Insassen.

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Die Sonne geht unter und durchflutet das Gefängnis mit rotem Licht. Leider sind wir am Ende der Gruppe, so habe ich keine Chance Harry zu reden oder ihn überhaupt zu sehen. Vor uns erscheint das große Tor und die Wache oben auf der Mauer, gibt den Männern auf der anderen Seite ein Zeichen und diese öffnen dann das Tor. Louis Leute bilden einen Halbkreis rund um den Eingang. So kann ich das Geschehen gut verfolgen.

Harry humpelt vor und hebt die Hand.

Mittlerweile stehen sich Menschen gegenüber, die sich noch vor Monaten gegenseitig getötet haben. Joona neben mir lässt Solé von seinen Rücken auf den Boden runter. Meine Aufmerksamkeit wird von einer lauten Stimme wieder nach vorne gerichtet.

„Harry!", schreit eine frohe Ylvie und rennt mit Höchstgeschwindigkeit auf ihn zu. Sie wirft sich in seine Arme und weint an seiner Brust. Mir verpasst die Tatsache, das er genauso, wie sie, seine Arme um sie legt und die Umarmung intensiv erwidert, einen Stich ins Herz.

Plötzlich hört sie auf sich an seine Brust zu drücken, hebt den Kopf und legt ihre Hände an seine Wange.

Ylvie wartet nicht lange und presst ihre Lippen auf seine.

Vor allen Leuten.

Vor mir.

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Hahaha.

Gummiwatte da hast du deine Kusszene ;D Thahahahaha.

Ich möchte allen Danken für die Kommentare bei den FanFiction Awards. Das ist soo toll <3

Außerdem war ich ein wenig enttäuscht, da im Gegensatz zum letzten Kapitel sehr wenig gevotet und kommentiert haben. Was ist los? Haben mich ein paar Leser verlassen über die lange Zeit hinweg?

ACHTUNG! Ich habe ein neues Cover und das hat mir die liebe justinseditor  !!! Sie ist eine großartige Künstlerin und hat ein tolles Premadebuch. Guckt unbedingt bei ihr vorbei.

Hier Nr. 1


Und Nummer. 2


- N

Ich würde mich wirklich über Kommentare und Votes freuen. (so schnell habe ich noch nie geupdatet xD)

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