048 | Louis

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"Harry?", flüsterte ich leise und strich vorsichtig durch seine Locken. Ich war etwas überfordert, da er, obwohl das hier eine neue Umgebung war, zum zweiten Mal seelenruhig in meinen Armen schlief und bisher nicht einmal aufgewacht war. Gestern hatte er bis sieben Uhr durchgeschlafen und jetzt hatten wir schon kurz nach neun.

Als Harry weiterhin nicht reagierte flüsterte ich seinen Namen erneut und lächelte, als er sich endlich ein wenig regte. Jedoch kam ihm nur ein leises Grummeln über die Lippen und er versteckte sein Gesicht an meiner nackten Brust.

"Hazza, aufstehen", hauchte ich gegen seine weichen Locken und gab einen Kuss hinauf. Das er aber auch so fest schlief. Ich war immer der Meinung, dass er einen leichten Schlaf hatte, aber vom Gegenteil überzeugt zu werden tat in diesem Fall unglaublich gut.

Etwas fasziniert davon, dass ich erneut derjenige war, welcher als erster wach war und ihn wieder beim Schlafen mustern konnte, schlug mein Herz ein wenig schneller und auch das schöne warme Gefühl, welches nur Harry in mir auslösen konnte, strahlte durch meinen ganzen Körper.

Anscheinend war es hoffnungslos ihn zu wecken, weswegen ich mein Gesicht einfach in seinen Locken vergrub und seine Nähe genoss. Eigentlich wollte ich derjenige sein, der ihn weckt bevor meine Geschwister die Gelegenheit dazu hatten das Zimmer zu stürmen.

Abschließen konnte man nicht, da die Kleinen sich sonst einsperrten oder andere Dummheiten anstellten.

Während ich meinen Griff um Harry auch wieder etwas verstärkte und ihn noch näher an mich zog, dachte ich über die vergangenen zwei Tage nach.

Nachdem Harry und ich im Garten eine Pause eingelegt hatten waren wir reaktiv schnell im Bett und waren erst am nächsten Morgen wieder aufgewacht . Ich hatte Harrys Nervosität vollkommen unterschätzt. Der Tag danach war schon entspannter, anfangs zumindest. Die Mädchen waren so in Harry verschossen, dass er alles mitmachen sollte.

Zum Glück war es für ihn auch kein Problem, solange er immer aus der Situation fliehen konnte. Meist kam er dann zu Daniel, Mark und mir. Er sprach für die Zeit auch nicht sondern saß einfach nur still da, hörte zu oder aß eine Kleinigkeit.

Ich hatte die Einsamkeit im Gefängnis immer als schlimm empfunden, doch Harry war durch die ganzen Jahre dort so daran gewöhnt, dass ich das Gefühl hatte, dass er diese Stille manchmal brauchte. Da konnte der ganze Trubel schnell zu viel werden. Vor allem, da Harry immer mehr zu sich selbst fand und nicht mehr irgendein Verhalten kopierte, sich verstellte oder einfach so tat als könnte er alles schaffen.

Harry erfüllte mich mit so viel Stolz.

Als er sich ein wenig in meinen Armen bewegte, schlug ich meine Augen auf und sah zu ihm hinunter. Direkt blickte ich in das wunderschöne Waldgrün, was zu Anfang nur trüb und seinen Glanz vollkommen verloren hatte.

"Guten Morgen, Schlafmütze", lachte ich leise, rutschte ein paar Zentimeter zu ihm hinunter und strich mit meinen Lippen über seine warme Stirn. "Es ist schon h-hell", stellte Harry erschrocken fest und setzte sich ruckartig auf, wobei ich mir meinen Arm verdrehte. "Aua...", seufzte ich leise und rieb mir meine Schulter.

"Es ist schon wieder passiert... Was hast du mit mir gemacht?" In seiner Stimme schwang pure Panik mit und er fing an sich durch seine schönen Locken zu raufen. "Ich muss- Ich..."

"Shhh Hazza, sieh mich an", forderte ich und griff nach seinen Händen. "Love, schau zu mir." Es dauerte einen Moment bis er dem nachkam. Unsicher sah Harry mich an und schluckte. "Lou- Ich muss aufstehen."

"Atme tief durch. Es ist alles in Ordnung. Du hast einfach ein paar Stunden länger geschlafen." Ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben, doch Harrys Panik ließ mich etwas unruhig werden. "Ein paar Stunden? Lou, irgendwas stimmt nicht."

Ich zog ihn an meinen Händen näher zu mir und schüttelte leicht mit meinem Kopf. "Hazza, es ist alles in Ordnung. Gestern hast du doch auch schon etwas mehr geschlafen", lächelte ich und küsste seine Wange. Auf der einen Seite war ich unheimlich froh, dass er endlich länger schlafen konnte. Andererseits war ich ziemlich traurig, dass es in meiner Wohnung bisher nicht der Fall war.

Ob er sich dort nicht vollkommen wohl fühlte?

Vielleicht lag es aber auch daran, dass meine Schwestern ihn ordentlich auspowerten. Allein gestern war er so müde ins Bett gefallen, dass er sobald er die Matratze berührte eingeschlafen war.

Aber... Da wo er so misshandelt wurde... Da war er auch jeden Tag am Ende seiner Kräfte... Womöglich sollte ich nicht allzu viel darüber nachdenken und es einfach akzeptieren. Schließlich ging es ihm wieder ein ganzes Stück besser und das war das was zählte.

"Louis?", murmelte Harry nach einer Weile und sah mich bedrückt an. "Ist es schlimm, wenn ich länger schlafe?" Überrascht riss ich meine äugen auf und verdiente es sofort. "Harry, es ist schön, wenn du es schaffst länger zu schlafen. Das habe ich dir aber auch schon gestern gesagt."

"Sicher?"

"Warum sollte ich denn lügen?", fragte ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen und legte meine Hand an seine Wange. "Weiß nicht." - "Na also", erwiderte ich und beobachtete jeden seiner Gesichtszüge genau. Langsam kam ich ein kleines Stück näher und kurz bevor ich meine Lippen auf seine legte murmelte ich ein leises 'Ich liebe dich.'

Ich genoss unseren Kuss in vollen Zügen und als Harry sogar Halt an meinen Schultern suchte und sich mehr dem Kuss entgegen lehnte konnte ich nicht anders, als leicht in den Kuss hineinzulächeln.

Doch wie jedes Mal, wenn der Kuss etwas inniger und verlangender wurde, löste Harry sich und legte seine Stirn an meine. "Ich liebe dich auch", wisperte er und sah mir tief in die Augen. Ich konnte gar nicht anders als breit zu lächeln und ihn nochmal kurz zu küssen.

"Mach dir keine Sorgen, wenn du länger schläfst. Es ist vollkommen in Ordnung und fühl dich nicht dazu genötigt früh aufzustehen, okay?"

"A-Aber wir können dann auch gar nicht tauschen..." Auf einmal sah mich Harry ziemlich bedröppelt an und ließ seine Schultern hängen. Tauschen? Was meinte er denn damit? "Haz? Was geht dir durch den Kopf?", fragte ich vorsichtig nach und sah ihn nachdenklich an.

"Na, ich liege doch zuerst auf deiner Brust und du dann auf meiner. Ich finde es wichtig, dass wir uns das so teilen. Ich glaube du schläfst dann ruhiger", murmelte er und sah dann mit roten Wangen zur Seite.

Oh Harry...

Gerührt biss ich mir auf die Lippe und sah nach oben, um die Tränen davon abzuhalten meine Wangen hinunterzulaufen. "Du bist zu gut für diese Welt", hauchte ich und zog ihn fest in meine Arme. Das mit den Tränen war eh vergebens und so liefen sie mir vereinzelt über die Wangen.

"Ich liebe dich so unglaublich sehr."

Mit etwas Kraftaufwand zog ich Harry mit mir mit und machte es mir auf ihm bequem. Ich lag zwischen seinen Beinen und legte meine Arme verschränkt auf seine Brust und legte mein Kinn darauf ab. Harry musterte mich still und es sah so aus, als würde er versuchen etwas zu sagen. Ihm schienen jedoch die Worte zu fehlen, weswegen er letztendlich schwieg.

Ich hatte gedacht, dass wir noch einen Moment so liegen können, allerdings hatten meine Schwestern andere Pläne, da beide Zwillingspaare leise ins Zimmer tapsten und uns gebannt ansahen. "Was macht ihr da?", fragte Daisy und sah verwundert zwischen uns hin und her.

"Kuscheln", erwiderte ich lächelnd und setzte mich langsam auf. Da Doris versuchte auf das Bett hochzuklettern schob ich meine Hände unter ihre Ärmchen und nahm sie hoch in meine Arme. "Wolltet ihr uns zum Frühstück holen?", fragte ich und küsste anschließend Doris' Stirn.

"Nein, zum Spielen", erwiderte Phoebe beleidigt und verschränkte ihre Arme. "Wir wollen aber nur Harry", ergänze sie noch, woraufhin ihre Zwillingsschwester bestätigend nickte. "Kuscheln", wisperte Doris und schlang ihre Ärmchen um meinen Hals.

"Wie wäre es, wenn ihr den Jungs noch ein bisschen Ruhe gönnt? Nach dem Frühstück sehen wir dann weiter, okay?" Daniel stand in der Tür und sah die Kinder erwartungsvoll an. Nicht ganz begeistert düsten die drei ab und auch Doris lief zu ihrem Vater, als ich sie absetzte.

"Ich will gar nicht spielen", murmelte Harry und sah meinen Geschwistern ebenfalls hinterher. Ich musste etwas lachen und sah zu ihm rüber. "Komm, dann machen wir uns mal fertig und frühstücken. Nicht mehr lange und wir müssen auch los."

"Gehen wir dann die Katze abholen?", fragte Harry und fing breit an zu grinsen. Ich nickte und lachte, als er sich in meine Arme warf. Beinahe fielen wir gemeinsam vom Bett, doch ich konnte den Schwung noch so gerade auffangen. "Lou, ich bin aufgeregt", gestand er nach einem Moment und sah mich blinzelnd an.

Ich musste wegen seinen Reaktionen etwas schmunzeln und drückte ihm ein Küsschen auf die Stirn. "Ein paar Stunden musst du dich aber noch gedulden", erwiderte ich und küsste seine Stirn erneut. Harry nickte nur leicht und stand dann auf. Ich tat es ihm gleich und zusammen machten wir uns im Bad fertig und schlüpften in bequeme Klamotten.

Während ich eine Jogginghose und einen Pullover trug, war Harry in seinen neuen lilanen Bademantel gehüllt. Zuhause trug er darunter nur Tennissocken, doch für hier hatte er sich extra noch seine kurze Schlafhose und sein pinkes Langarmshirt mitgenommen.

Es war schön, dass er so langsam seinen eigenen Kleidungsstil fand und das trug, was er am liebsten mochte.

Das Frühstück zog sich sehr in die Länge, weswegen wir auch noch zur Mittagszeit am Tisch saßen und miteinander quatschten. Daisy hatte es sich auf Harrys Schoß bequem gemacht und zusammen malten sie ein Bild für die Katze, welche wir in weniger als zwei Stunden abholen würden.

Allerdings mussten wir uns deswegen auch bald auf den Weg machen. Ehrlich gesagt würde ich am liebsten noch ein wenig hierbleiben, aber morgen musste ich wieder in den Buchladen und Harry hatte nachmittags seine Therapiestunde. Dafür würde ich morgen auch extra Zuhause sein, damit unser kleiner Familienzuwachs nicht alleine blieb.

Zumindest stand in den unzähligen Büchern, welche Harry verschlungen hatte, dass man Katzen in der ersten Zeit nicht alleine lassen sollte.

Für einen Moment beobachtete ich Harry und Daisy, bis ich jedoch von Mark angetippt wurde. "Ich finde es schön, dass ihr vorbeigekommen seid. Anfangs hatte ich echt bedenken, doch als ich Harry vorgestern im Flur gesehen habe... Du tust ihm wirklich gut Louis. Ich bin unheimlich stolz auf dich und auch auf ihn."

"Deine Mutter wäre es ebenfalls", erwähnte Dan und zwinkerte mir zu. Ich nickte, räusperte mich und rutsche auf dem Stuhl kurz hin und her. "Danke", murmelte ich und dachte einen Moment an sie und ihr wundervolles Lächeln, welches mich immer aufgemuntert hat.

"Louis? Können wir gleich los?", fragte Harry auf einmal ziemlich ungeduldig und sah mich erwartungsvoll an. "Eleanor hat bestimmt nichts dagegen, wenn ihr etwas früher auftaucht", lächelte Mark.

"Ihr sollt aber nicht gehen", schmollte Fizzy und sah mich flehend an. "Süße, wir kommen doch wieder. Aber Harry bekommt heute sein Kätzchen. Ihr wisst doch wie das ist, wenn man sich auf etwas ganz doll freut. Dann könnt ihr das doch auch kaum erwarten."

Meine Geschwister schienen nicht so begeistert zu sein und nörgelten ziemlich lange rum, bis sie merkten das es überhaupt nichts brachte. Ich war es gewöhnt und Harry? Er ging vermutlich in Gedanken nochmal alles durch und dachte nur noch an das Kätzchen.

Es dauerte nicht lange, bis wir richtig angezogen mit unseren Rucksäcken im Flur standen und uns verabschiedeten. Harry hielt sich jedoch etwas im Hintergrund und hob zum Abschied nur seine Hand. Wahrscheinlich war das beim Frühstück etwas zu viel für ihn.

"Kommt ihr nächsten Monat wieder?", fragte Fizzy und sah mich erwartungsvoll an. "Natürlich", erwiderte ich und sah zu Harry, jedoch blickte er in eine andere Richtung und murmelte vor sich hin.

"Fahrt vorsichtig", erwähnt Daniel noch, bevor er uns ein Lächeln schenkte und die Haustür schloss. Gemeinsam gingen wir zum Auto und machten uns auf dem Weg das Kätzchen bei einer alten Schulfreundin abzuholen.

Harry war ungewohnt still. Selbst als ich klingelte schwieg er und sah nur auf den Boden. Auch vorhin im Auto hielt der Blickkontakt nur kurz an. Ob er wieder zu nervös war?

Als die Tür von Eleanor geöffnet wurde, begrüßte ich sie mit einer kurzen Umarmung und stellte ihr danach Harry vor. Er grüßte sie leise und schien anschließend schon Ausschau nach dem kleinen Fellknäuel zu halten. "Die Kleinen sind alle im Wohnzimmer. Schuhe könnt ihr anlassen", lächelte El und ging voran ins besagte Zimmer.

"Ohhh", stieß Harry aus und ging direkt in die Knie, als eine Katze um seine Beine schlängelte. "Das ist der Vater von den Kätzchen. Die Kleinen haben vor kurzer Zeit das Laufen für sich entdeckt und verstecken sich auch gerne mal. Ich gehe schnell eure suchen."

Während wir warteten beobachtete ich Harry und konnte kaum glauben, wie glücklich er gerade aussah. Sein z wurde noch breiter als Eleanor mit einem kleinen grauen Kätzchen auf ihn zukam und es ihm in die Arme gab. "Hat sie einen N-Namen, oder...?"

"Du darfst sie gerne benennen. Wir wollten es jedem selbst überlassen", erwiderte Eleanor und gesellt sich an meine Seite. Harry war wie weggetreten und fokussierte sich nur auf das kleine Lebewesen in seinen Armen.

"Lou, sie sieht doch wie eine Bonnie aus, oder?"

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2207 Wörter 31/03/2021




















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