028 | Louis

Louis' P.o.V

Ich bin auch einfach nur dumm. Meine Tasche warf ich in den Spind, knallte die Tür zu und weil mir danach war, schlug ich meinen Kopf gegen die Metalltür. Es brachte zwar nichts, aber ich tat es erneut und seufzte laut auf.

Wieso habe ich ihn so in die Enge getrieben? 

Murrend lehnte ich mich an den Spind und schloss meine Augen für einen Moment. Die ganzen Narben auf seinem Körper machten mir Sorgen. Ja, ein paar hatte ich bereits gesehen, aber ich fragte mich warum sie mir noch nie ganz aufgefallen waren. Es waren so unglaublich viele und ich war mir sicher das hinter keiner einzigen eine belanglose Geschichte steckte.

Irgendwie musste ich mehr an ihn herankommen. Obwohl er wirklich große Fortschritte machte, hatte ich das Gefühl, dass wenn nur ein kleiner Fehler passiert das es alles wieder zusammenbricht. Und wie verhindert man das? Ich wusste es nicht. Mit all den ganzen Sachen hatte ich mein gesamtes Leben noch nicht zu tun gehabt.

Klar war es auch irgendwie aufregend, aber auf der anderen Seite war es auch einfach mehr als nur traurig. Ich stellte mich zu der Kaffeemaschine und bereitete mir einen Kaffee zu. Eigentlich war ich immer ein Teetrinker, doch in der letzten Zeit, wo Harry mich vom Schlafen abhielt, war Kaffee mein neuer bester Freund.

"Hey Louis, wo haste denn beim Frühstück gesteckt?" Ich drehte mich um und blickte in Niall strahlendes Gesicht, wie sollte es auch anders sein.

"Hallo Niall, Harry ging es heute morgen nicht gut. Da hat er in der Zelle gegessen." Ich nahm die Tasse und setzte mich an den Tisch. Niall machte es mir gleich, nach dem er sich einen Tee zubereitet hatte. "Du sorgst dich ja ganz schön um Harry. Bei meinem traue ich mich gar nicht irgendwie fürsorglich zu sein. Obwohl ich mir sicher bin, dass ihm einiges an Liebe in seinem Leben fehlt, aber... ich weiß auch nicht." Niall Wangen röteten sich auf einmal leicht, weswegen ich grinsen musste.

"Naja, ich würde sagen, dass du mit Zayn nicht gerade einen einfachen Sträfling abbekommen hast, aber könnt ihr wenigstens ein paar Worte miteinander wechseln?"

Niall schüttelte langsam seinen Kopf, öffnete die Knöpfe an seinem Ärmel und schob ihn hoch. "Das ist passiert, als ich ihm einen Guten Morgen gewünscht habe." Geschockt schaute ich auf die blauen Flecken an seinem Unterarm. "Warte, lass den Ärmel oben." Ich stand auf und kramte aus meinem Spind eine kühlende Salbe hervor. Eigentlich hatte ich sie wegen Harry gekauft, nicht wenn er sich verletzte, sondern wenn er mich erwischte. Da es aber Gottseidank nicht mehr vorkam, brauchte ich sie nicht mehr.

Fragend schaute ich Niall an, er nickte nur und ließ mich seinen Arm verarzten. "Pass in Zukunft bitte mehr auf dich auf. Versuch auf seine Körpersprache zu achten. Vielleicht weißt du dann, wenn du etwas sagen kannst und wann nicht."

"Das fällt mir aber nicht wirklich leicht", gestand Niall und schaute auf seinen Arm. "Pass einfach auf dich auf", aufmunternd sah ich ihn an und schenkte ihm ein Lächeln. Da die Mittagszeit immer weiter anrückte, ließ ich Harry auch wieder ein Tablett vorbeibringen. Ich hatte gerade nicht den Mut, nach meinem komischen Abgang, ihn in die Augen zu sehen. Meine Gefühle waren einfach komplett durcheinander.

Ja, ich mochte Harry. Ich mochte ihn sogar so sehr, dass ich nahezu alles für ihn machen würde. Und ob das so gesund war wusste ich nicht.

"Was ist denn eigentlich bei dir los? Du wirkst ein bisschen durcheinander. Ich schätze mal es geht um dein Liebesleben?" Mit großen Augen schaute ich Niall entsetzt an. Ich wollte gerade meinen Mund aufmachen, um etwas zu erwidern, doch Niall war schon schneller und begann, wie eigentlich fast immer an zu lachen. "Ich habe Recht, oder? Na los, erzähl Niall was los ist. Du hast mir geholfen-" Er hob seinen Arm hoch. "- und nun helfe ich dir."

"Das ist echt nett Niall, aber ich glaube das es besser ist, wenn ich dich da nicht mit reinziehe. Das ist alles schon kompliziert genug, dass ich selbst schon gar nicht mehr weiß wie ich das alles in meinem Kopf sortieren soll."

"Manchmal hilft es aber wirklich, wenn man darüber redet. Sortieren kann ich deine Gedanken bestimmt auch."

Ich schloss für einen Moment meine Augen und atmete tief durch. Wäre es wirklich eine gute Idee von all dem zu erzählen? Klar meine beiden Stiefväter wussten von Harry und hatten mir schon ein paar Ratschläge gegeben. Allerdings wussten sie nichts von meinen Gefühlen gegenüber Harry. Und dann kam mir eine Idee. Ich musste ihm ja nicht sagen, dass es um Harry ging. Ich konnte ja einfach Harry neu erfinden.

"Okay, vielleicht kannst du mir ja wirklich helfen." Niall lächelte wieder einmal und nickte schnell. "Schieß los, ich höre zu."

Und so begann ich Niall von Harry alias Charlie zu erzählen. Die Sachen mit dem Knast ließ ich natürlich gekonnt aus. Aber ich erzählte davon, dass ich glaubte das er eine schwere Kindheit hatte und sich nicht mit seinen Problemen auseinandersetzt, sondern diese gerne versucht zu vergessen oder auch zu ignorieren.

"Weißt du, in der einen Sekunde öffnet er sich und du weißt was in ihm vorgeht und in der anderen Sekunde ist er komplett verschlossen. Ich wünschte ich könnte seine Gedanken lesen und ihm somit besser helfen."

Niall atmete schwer aus und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wow, also..." Er machte eine Pause bevor er nochmal neu ansetzte. "Das ist doch ganz schon schwierig. Kommt er denn auch auf dich zu oder musst du immer irgendwie einen ersten Schritt machen."

"Manchmal schafft er es auch von alleine. Aber in solchen Momenten ist er einfach sehr zurückhaltend und dann auch mehr als nur verletzt und traurig." Ich schwenkte den Kaffee in der Tasse und sah zu wie die Flüssigkeit hin und her schwappte.

"Ich glaube Charlie vertraut nur selten oder fast nie jemandem. Anscheinend bist du der Erste, der wirklich an ihn herankommt. Gib ihn nicht auf und sei immer ehrlich zu ihm. So kann er sich nicht hintergangen fühlen. Und wegen deinen Gefühlen. Sag ihm das und schau was passiert. Klar, er kann verschlossen reagieren und ist vermutlich sehr überfordert. Aber so wie du es sagt, klingt das schon fast als müsste er immer ausführlich über alles nachdenken. Und wenn das passiert ist reagiert ihr dann. Also sag es ihm und lass ihm Zeit."

Es tatwirklich gut mit jemandem darüber zu sprechen. Auch wenn er bei weitem nicht alles wusste und ich auch alles etwas beschönigt hatte, gab ich Niall Recht. Ich sollte Harry wirklich sagen wie es um meine Gefühle steht. Und das klar und deutlich.

Ich schaute auf die Uhr und merkte wie lange wir überhaupt gesprochen hatten. "Schon so spät? Wir sollten wieder an die Arbeit gehen", murmelte ich und stand auf. "Ja, dass wäre vermutlich besser. Zayn muss zu seinem Training. Da kann er seine Aggressionen abbauen."

"Warte was, Training?"

"Ja klar, da kann er sich immer gut abreagieren. Es macht ehrlich gesagt auch etwas Spaß ihm dabei zuzusehen. Aber ich glaube ohne das würde er diesen Laden kurz und klein hauen."

Warum bekam Harry nicht die Gelegenheit sich mal so richtig abzureagieren? Vielleicht könnte ich ihm da etwas organisieren. Schließlich wird das was wir vor hatten noch genug Nerven aufreiben. Da war es besser, wenn er sich bei so etwas verausgabte und nicht wieder seine Hände in der Zelle blutig schlug.

Ich verabschiedete mich von Niall, welcher mir noch viel Glück mit Charlie wünschte. Innerlich musste ich ziemlich grinsen und biss mir auf die Lippe, dass ich es auch wirklich nicht nach außen zeigte.

Bei Harrys Zelle angekommen, öffnete ich diese und klopfte an. Harry saß auf seinem Bett und war über eins der Bücher gebeugt, die ich ihm mitgebracht hatte. Ich musste leicht schmunzeln, dass er sich gerade das Buch herausgesucht hatte. Es war ein bisschen sehr erotisch angehaucht, aber schaden konnte das ja nie.

Er legte das Buch weg, stand auf und kam direkt zu mir. Kurz vor mir blieb er stehen und legte eine Hand fest um meinen Kiefer. Ich zuckte zurück, doch durch Harrys Griff konnte ich es nicht. Etwas ängstlich, da ich nicht wusste was das auf einmal sollte, schaute ich zu ihm hoch. Ich versuchte seine Hand von mir zu lösen, doch es funktionierte nicht.

"H-Harry", keuchte ich, da sein Griff sich immer weiter verstärkte. "Was ist los?", piepste ich und versuchte weiterhin seine Hand zu lösen.

"Was wolltest du mir vorhin sagen, bevor du einfach abgehauen bist?" Seine grünen Augen stachen nur so hervor und seine Stimme klang alles andere als freundlich. Verwirrt darüber zog ich meine Augenbrauen zusammen und erwiderte seinen Blick verständnislos. Hatte er sich die ganze Zeit darüber Gedanken gemacht? Aber warum war der denn jetzt so wütend?

Bevor ich jedoch etwas auf seine Frage antworten konnte, fing Harry bereits an zu sprechen. "Hast du es dir anders überlegt und du lässt mich fallen? Weil ich dir gedroht habe?"

Mit aufgerissenen Augen schaute ich ihn an und hätte meinen Kopf geschüttelt, wenn das überhaupt funktionieren würde. War es das, worüber er sich die ganze Zeit den Kopf zerbrochen hatte? Hat er gedacht, dass ich ihn stehen lassen würde?

"Nein Harry, das würde ich nicht. Versprochen. Ich wollte dir etwas anderes sagen, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht genau wie." Harry ließ mich los und schnell rieb ich über die Stelle und holte tief Luft. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich nur flach geatmet hatte.

Harry nickte leicht und schenkte mir ein zurückhaltendes Lächeln. "Ich weiß auch manchmal nicht wie ich etwas sagen soll." Überrascht, dass er mir das so offen sagte musste ich etwas schmunzeln.

"Was wolltest du mir denn wirklich sagen?" Harry legte seinen Kopf leicht schief und schaute mich gespannt an. Doch umso länger er mich so ansah, desto nervöser wurde ich. "Ich-" Ich atmete nochmal tief durch. Aber ich konnte es nicht. Es kam einfach kein Ton raus. Mein Herz schlug immer schneller und ich hatte das Gefühl, dass es aus meiner Brust herausspringen würde. Auch meine Hände wurden ganz schwitzig. Nervös wischte ich sie an meiner Hose ab.

Das es mir auf einmal so schwer fiel war komisch. Ich hatte ihm doch bereits gesagt, dass er mir wichtig war. Warum war es dann so schwer zu sagen wie wichtig er mir war? Oder eher warum er mir so wichtig war.

"Ich kann das nicht, tut mir leid-" Harry legte seine Hand in meinen Nacken, beugte sich zu mir herunter und bevor ich etwas machen konnte lagen seine Lippen schon auf meinen.

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1760 Wörter 24/08/2020


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