024 | Harry

Harrys P.o.V.

Morgen früh würde Louis wiederkommen. Das war so der Gedanke, der mich das hier durchstehen ließ. Auch wenn es nach außen hin vielleicht anders wirkte, doch ich war froh wenn Louis endlich wieder da war. Auch wenn es mich zugegebenermaßen etwas verunsicherte.

Das Wochenende war nicht anders als die restlichen Tage der Woche, schließlich war der Ablauf immer gleich. Vielleicht konnte ich für eine Stunde in die Bibliothek. Schön wäre es zumindest, es ist lange her das ich etwas gelesen habe. Und da konnte ich dann auch direkt von Niall Abstand nehmen.

Ich machte Geheimnis draus, dass Louis ruhige Art mir fehlte. Ich wurde langsam unruhig.

Um genau zu sein sogar ziemlich unruhig.

Natürlich gab es Tage an denen Louis nicht hier war, aber jetzt war alles irgendwie anders. Er war der ruhige Pol und da er momentan fehlte, drohte ich zu explodieren. Vor allem machte mich Louis' Vertretung sobald er den Mund aufmachte wahnsinnig. Er hörte einfach nicht auf zu reden und stellte unglaublich viele und nervige Fragen. Am liebsten hätte ich dem Blonden die Zunge herausgerissen und ihm dahin gesteckt, wo die Sonne niemals hin schien.

Jedes Mal, wenn ich an Niall dachte schien es so, als würde ich ihn heraufbeschwören. Denn auch jetzt öffnete sich die Zellentür und ein breit lächelnder Niall stand in dieser.

Wo auch immer er seine gute Laune hernahm, genau da sollte er sich am besten auch verkriechen.

"Hallo Harry, ich hole dich für das Abendessen ab. Hast du schon Hunger? Das Mittagessen war ja schon sehr mächtig, aber du bist ja so groß und brauchst bestimmt viel Energie. Freust du dich eigentlich das Louis morgen zurück ist?"

Ich rollte mit meinen Augen und erhob mich vom Bett. Nicht eine Sekunde hier und schon so viele Wörter auf die ich aus Prinzip einfach nicht antwortete. Ohne dass er mich berührte legte er mir die Ketten an und brachte mich in den Speisesaal. Auch wenn seine Fingerspitzen mich in den vergangenen Tagen kurz berührt hatten, musste ich an Louis denken und wie enttäuscht er wäre wenn ich mich nicht zusammengerissen hätte. Also tat ich dies. Auch wenn es viel von mir abverlangte.

Gerade wollte er wieder seinen Mund aufmachen, doch diesmal kam ich ihm zuvor und schaute ihn mit einem stechenden Blick an.

"Wenn du noch ein Wort sagst, dann verspreche ich dir, dass es dein letztes war."

Direkt blickte er mich mit großen Augen an und fing schnell an zu nicken. "Entschuldige bitte, oh Gott eh- Entschuldigung." Er begann zu stottern und schaute mich weiterhin mit großen Augen an. Seufzend nickte ich nur und glaubte gar nicht, dass ich den Mist hier überhaupt mitmachte. Eigentlich wollte ich nur wieder in meine Zelle.

Mit Louis.

Er fehlte mir wirklich. Zum Glück war er morgen zurück.

Langsam begann ich zu essen und driftete in meinen Gedanken vollkommen ab. Auch als Niall mich wieder zurückbrachte und er wieder über irgendetwas quatschte - meine Drohung hatte nichts gebracht - war ich immer noch in meinen Gedanken und merkte auch gar nicht das ich wieder alleine in meiner Zelle war. Erst als die Tür zufiel schreckte ich auf und sah mich um.

Seufzend ließ mich auf das Bett fallen, weswegen nicht nur das Gestell, sondern auch all meine Knochen knackten. Ein kurzer Schmerz durchzuckte meinen Körper und brachte mich zum Stöhnen. Genervt von meinen Knochenschmerzen knüllte ich die Decke zusammen und warf sie an die Wand. Was anderes zum herumwerfen gab es hier ja nicht. Und mir war gerade absolut danach alles mögliche herumzuwerfen.

Als ich meine Augen schloss viel mir das letzte Gespräch mit Louis und sein Versprechen ein. Mein Problem war nicht, dass Louis von einigen Dingen wusste, es war eher der Gedanke daran, dass ich jetzt nach meiner Zustimmung reden musste.

Ich weiß bis jetzt nicht, was mich vorgestern dazu getrieben hatte dem Ganzen zuzustimmen.

Ja, ich wusste dass das hier kein Leben war.
Ich wusste aber auch, dass das da draußen auch kein Leben für mich ist. Ich habe bis ich 13 war zuhause gelebt, dann über 6 Jahre auf der Straße und nun die restlichen 4 Jahre war ich hier. Und das alles hatte seine Spuren hinterlassen.

Auch wenn es mir schwerfiel darüber zu sprechen oder es vor anderen zuzugeben. Ich wusste insgeheim, dass Louis recht hatte. Das ich mich wehren und nicht herumschubsen lassen sollte. Aber sobald ich einer Person vertraute, missbrauchte diese es sofort. Auch wenn Louis nichts bisher in diese Richtung gemacht hatte, war ich mir noch nicht vollkommen sicher ob es dabei auch bleiben würde.

Umso mehr ich darüber nachdachte, desto schwerer wurden meine Augen. Es dauerte nicht lange und ich machte mich fürs Schlafen fertig. Mit dem Gedanken, dass Louis morgen da ist schlief ich ein.

Punkt 4 Uhr morgens wachte ich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Manchmal dachte ich darüber nach, was andere Menschen dafür geben würden so einen inneren Wecker zu haben. Aber bei mir war es alles andere als gewollt. Ich würde gerne einmal lange ausschlafen. Wie es wohl war, wenn man ausschlafen könnte und mit Tee am Bett aufwachte?

Auch wenn ich wach war, steckte die Müdigkeit tief in meinen Knochen. Es war noch dunkel und durch das Fenster schien nur ein wenig Licht von den Laternen draußen. Aber ich kannte mich gut genug hier aus, um mich nicht zu stoßen, weswegen ich aufstand und mich im Schneidersitz auf den Boden setzte. Das morgendliche Beten hatte ich abgelegt. Durch alles was mir in meinem Leben wiederfanden war, konnte ich nicht an jemanden glauben der seine eigene Schöpfung so verkommen ließ. Das konnte ich einfach nicht. Ich war in vieler Hinsicht nicht gerade unschuldig, aber was war denn all die Jahre bevor ich 20 wurde? Ich habe jeden immer freundlich behandelt, war stets höflich und gehorsam. Aber was hatte es gebracht?

Nur Leid und Selbsthass.

Statt zu beten, gönnte ich meinem Körper eine ganze Stunde Ruhe, bevor der Alltag wiederbegann.

Mittlerweile saß ich wieder auf dem Bett und starrte Löcher in die Luft, es war nervig das ich nichts hier hatte, aber man hatte mir Bücher und all das genommen. Das ich nicht schon komplett wahnsinnig war, war ein Wunder. Oder vielleicht war ich das schon?

Konnte jemand der wahnsinnig ist selbst feststellen das es so war? Oder war man dann von seinem eigenen geplagten Geist so geblendet, dass man keinen Unterschied mehr erkannte?

Wieder fragte ich mich die verschiedensten Sachen und kam zum Schluss das ich dringend etwas Abwechslung brauchte.

Als das Schloss der Zellentür klackte und Louis in dieser stand konnte ich mich nicht zurückhalten und sprang auf. Louis schaute mich mit großen Augen an, doch das hinderte mich nicht. Fest schloss ich ihn in meine Arme, weswegen er leicht stolperte und sich an meinen Seiten festhalten musste.

Er wäre nicht gefallen, denn das hätte ich verhindert.

Froh darüber, dass er wieder da war drückte ich ihn nochmal etwas fester an mich, schloss meine Augen und legte meinen Kopf auf seinem ab. Am liebsten würde ich ihn nicht frei lassen und da kam mir auch der Gedanke, dass ich es auch nicht tun sollte. Von mir aus würde ich die Umarmung nicht auflösen. Immerhin war das hier das mindeste, nach dem meine Gedanken mich plagten und Niall mir die Ohren blutig gequatscht hatte.

"Harry", presste Louis hervor und begann leise zu lachen. "Du- Dein Griff ist zu fest." Ich schüttelte nur leicht meinen Kopf und verminderte den Druck auf seinen Körper nicht.
"War es so schlimm ohne mich, dass du jetzt schon alles über Bord wirfst und so auf Körperkontakt gehst?" Er schaffte es zu mir hoch zu schauen und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.

Ich nickte nur leicht und murmelte ein leises 'Ja'. Nach ein paar Minuten löste ich mich jedoch von Louis und gab ihn frei. Erst jetzt merkte ich, dass er eine Tasche dabeihatte, welche er direkt auf den Boden abstellte und wieder zu mir hochschaute.

"Du bist auf einmal so anders...", murmelte Louis und schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Langsam nickte ich und legte mir im Kopf schon die folgenden Worte zurecht.

"Ich kämpfe nicht dagegen an, ich gebe dir eine einzige Chance. Nur eine einzige. Wenn du es versaust, mich enttäuscht oder mich fallen lässt, dann hat das hier ganz schnell ein Ende. Und ich weiß nicht ob du danach noch atmen wirst."

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1396 Wörter 18/08/2020

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