022 | Louis

Louis' P.o.V.

Langsam löste ich mich von Harry und nahm ein bisschen Abstand zu ihm ein. Etwas unsicher schaute ich ihn an, da ich vor seiner Reaktion zwar keine Angst, aber ziemlichen Respekt hatte. Doch entgegen meiner Erwartung kam er einen Schritt auf mich zu und verband unsere Lippen wieder miteinander. Etwas überrascht erwiderte ich den Kuss und legte meine Hände in Harrys Nacken. Er hingegen legte seine Hände an meine Hüfte. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und ich schmiegte mich mehr an Harry. Das Gefühl seiner Lippen auf meinen genoss ich voll und ganz, ich wollte nicht das es aufhörte.

Als wir uns wieder voneinander lösten war es diesmal Harry, welcher Abstand nahm und ein paar Schritte zurückging. Er fing an seinen Kopf zu schütteln und murmelte immer wieder ein leises 'Nein'.

"Harry..." Ich schritt geradewegs auf ihn zu und hielt ihn an seinem Arm fest. Er stoppte in seiner Bewegung, schaute mich aber nicht an. "Du bist mir wirklich wichtig. Und das meine ich ernst. Wirklich ernst." Doch Harry schüttelte seinen Kopf erneut. "Ich glaube dir nicht. Das geht nicht, dass kann nicht sein. Ich bin niemandem wichtig. Niemanden." Harry wurde immer lauter und begann damit in der Zelle umherzulaufen. "Harry, hör mir bitte zu." Jedoch schien er alles auszublenden, denn er hörte mir nicht im Geringsten zu. Egal welchen Versuch ich startete, Harry war vollkommen abwesend.

Seufzend ging ich geradewegs auf ihn zu, mit dem Wissen, dass es vermutlich keine gute Idee war ihn direkt zu konfrontieren. Ich hielt ihn an seinem Arm fest und drehte ihn zu mir um. Harry schaute mich mit einem Blick an, welchen ich nicht deuten konnte. Doch bevor ich ausweichen konnte erwischte er mich mit seiner Faust an meiner Schläfe. Benommen blinzelte ich und versuchte das aufkommende Pochen zu ignorieren.

"D-Das wollte ich nicht. Louis..." Harry schaute mich plötzlich verletzt an und vergrößerte wieder den Abstand soweit das hier in der kleinen Zelle überhaupt möglich war. Kurz dachte ich darüber nach ihn alleine zu lassen, doch dann würde ich es später wieder aufreiben, wenn ich das Thema wieder anschneiden würde.

Was war also einfacher? Jetzt versuchen weiter mit Harry darüber zu reden oder später wieder alles aufreißen? Ich entschied mich für ersteres und ging mit erhobenen Händen auf ihn zu. Er schaute mich mit aufgerissenen Augen an und schüttelte seinen Kopf. "Nein."

Ich nahm all meinen Mut zusammen und zog ihn an seiner Hüfte fest in meine Arme. Harry war vollkommen verkrampft, doch er wehrte sich nicht. Anstatt sich von mir zu stoßen krallte er sich nach wenigen Minuten in mein Hemd. Ein leises Schluchzten erfüllte die kahle Zelle. Mein Griff um Harrys Taille verstärkte sich. Ich versuchte ihm so gut es ging Sicherheit und Schutz zu vermitteln.

Vorsichtig strich ich ihm immer wieder über seinen Rücken und griff mit der anderen Hand in seine Locken und kraulte ihm sanft durch die Haare. Ich ließ ihm die Zeit, die er brauchte, doch sein Schluchzen brach mir das Herz. "Komm wir setzten uns." Während wir uns hinsetzten ließ ich ihn keine Sekunde los. Als wir auf dem Bett saßen wollte ich etwas Abstand zu Harry einnehmen, damit er sich nicht zu bedrängt fühlte. Harry wollte aber nicht loslassen. Er hielt meine Hand fest umklammert und Tränen liefen unaufhörlich seine Wangen hinunter.

Ich schaffte es meine Hände aus Harrys zu lösen und wischte ihm die Tränen weg. "Du bist mir wirklich wichtig Harry. Sonst würde ich nicht hier sitzen und dich davon überzeugen wollen."

Harry nickte kaum merklich und schloss seine Augen. "Ich kann trotzdem nicht. Es geht nicht." Seufzend griff nach dem Tablett. "Wie wäre es, wenn du jetzt erstmal etwas isst und dir eine Pause gönnst." Aufmunternd lächelte ich ihm zu und strich ein letztes Mal über seine noch nasse Wange. "Ich weiß, dass man sich das Vertrauen verdient. Doch ich habe nichts getan was dir irgendwie schaden könnte. Und das werde ich in Zukunft auch nicht. Niemals."

"Weißt du wie oft ich das gehört habe?" Harry durchbrach die Stille und schaute mich ernst an und das war wieder der Moment wo ich ihn verlor. Er verschwand wieder vollkommen hinter einer seiner vielen Mauern und griff nach dem Teller und begann zu essen. Ich wusste ehrlich gesagt nicht was ich wirklich darauf antworten sollte und überlegte wie ich die ganze Sache angehen konnte.

Doch Harry übernahm es und stellte die nächste Frage. "Du hast dem Direktor nichts erzählt?" Überrasch, dass er darüber reden wollte nickte ich. "Ich habe ihn nichts erzählt. Nichts von dem was du mir gesagt hast. Er weiß nicht, dass dein Stiefvater der Richter damals war. Auch weiß er nicht was du für Charlotte getan hast. Ich habe ihm lediglich die Akte vorlegt und die Aufnahme von Liam abgespielt. Die Akte war ja nun wirklich nicht gut angefertigt und das hat er auf dem ersten Blick erkannt."

Harry nickte langsam und stellte den leeren Teller auf das Tablett zurück und stellte dieses dann auf den Boden. "Und jetzt möchte er mit mir reden?" Ich war immer noch mehr als überrascht, dass Harry so gefasst war. Weshalb ich mich jeden Moment auf einen Anfall gefasst machte. Um Harrys Frage zu beantworten nickte ich. "Ja, er möchte das. Nicht wegen Liam, dass ist geklärt. Die Aufnahme war zwar nicht verwendbar, aber seine Urkunden und Zeugnisse wurden von einem Fachmann gestern begutachtet und die Ergebnisse sprachen für sich. Nur wegen der Akte brauchen wir dich. Ohne deine Aussage können wir nirgendwo ansetzten. Die Anträge sind fertig, dennoch fehlst du." Ich schaute auf und sah direkt in Harrys Augen. Das grün in ihnen stach hervor, da seine Augen vom Weinen noch leicht gerötet waren. Dies so zu sehen versetzte mir einen erneuten Stich in meiner Brust.

"Das geht nicht."

"Was hindert dich so sehr daran, dass du dein ganzes Leben lieber hier verbringst als dort draußen?"

Harry spannte sich an und seine Miene verfinsterte sich, doch seine Stimme blieb gefasst. "Du weißt gar nichts Louis. Überhaupt nichts." So langsam fiel mir nichts mehr ein, was ich noch sagen könnte. Ich wusste es einfach nicht. Wie sollte ich Harry zeigen, dass ich es ernst meine, dass ich ihn nicht verarsche? Wie sollte ich jemanden, der in seinem ganzen Leben nur verletzt und vermutlich nur ausgenutzt worden war erklären, dass er stark sein sollte?

Frustriert darüber strich ich mir durch die Haare und schloss für einen Moment meine Augen. Ich musste nachdenken. Noch mehr als ich es momentan eh schon tat und mein Kopf fühlte sich an als würde er platzen. Es war als wäre Harry ein Kind, das sich immer hinter einer Mauer versteckte. Manchmal wenn er sauer war, kam er hervor, doch wenn er traurig war verschwand er wieder dahinter. Und irgendetwas musste es doch geben, dass er nicht direkt wieder dahinter verschwand, sondern vor seiner Mauer blieb.

Ich schreckte auf, als Harrys Hand vor meinem Gesicht herumfuchtelte. "Du solltest jetzt gehen. Ich möchte Ruhe haben." Resigniert nickte ich und stand auf. "Ich schaue nochmal gegen Schichtende vorbei." Ich nahm das Tablett und verließ die Zelle. Ich brachte es zurück und setzte mich in den Pausenraum, dort stellte ich mich seufzend vor die Kaffeemaschine und machte mir erstmal eine große Tasse.

"Hey du bist doch dieser Tomlinson, oder?" Überrascht drehte ich mich zu dem Mann um und schaute in blaue Augen. "Und du bist?" Fragend zog ich eine Augenbraue hoch. Er kam mir bekannt vor, doch richtig zuordnen konnte ich es nicht.

"Ich bin Niall. Niall Horan", grinste er und hielt mir seine Hand hin, welche ich lächelnd schüttelte. "Louis Tomlinson." Niall grinste weiterhin und machte sich nach mir ebenfalls eine Tasse Kaffee. "Wie kommst das wir uns erst jetzt hier treffen? Bist du noch nicht so lange hier?" Ich setzte mich auf einen der Stühle und Niall nahm mir gegenüber Platz.

"Ich bin tatsächlich erst wenige Wochen, aufgrund einer Versetzung hier." Niall nahm einen Schluck von seinen Kaffee und sah mich fragend an. "Was hast du denn? Ich habe es mit meinen Knien. Es ist total schrecklich. Es ist besser als im Außeneinsatz, aber wenn man hier seinen Häftlingen hinterherrennen muss, ist es auch nicht gerade besser. Es ist regelrecht zum kotzen." Während Niall immer weiter erzählte trank ich meinen Kaffee. Er war wirklich jemand der sich gerne reden hörte. Ich hatte gar keine Zeit irgendetwas darauf zu erwidern. Ich vergaß vollkommen die Zeit und erschrak als ich auf meine Armbanduhr schaute.

"Ach Mist, ich habe noch einen Termin. Tut mir leid ich muss los, ist aber schon dich kennengelernt zu haben." Niall nickte nur und murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte. Er schien auf einmal ziemlich traurig zu sein. "Wir können uns doch Montag wieder zur Mittagspause hier treffen. Morgen habe ich frei." Daraufhin lächelte er glücklich und nickte.

"Bis Montag Louis." Ich nickte nur, stellte meine Tasse weg und lief zu Herrn Walker ins Büro. "Ah Herr Tomlinson, konnten sie bereits mit Styles reden?" Bedrückt schüttelte ich den Kopf. "Nein, leider nicht. Er vertraut niemanden."

Herr Walker nickte nur und widmete sich wieder den Unterlagen, welche seinen ganzen Schreibtisch einnahmen. "Melden sie sich dann bitte erst wieder, wenn er reden möchte. Solange machen sie einfach ihre Arbeit weiter." Langsam nickte ich und trat aus dem Büro hinaus. Lustlos lehnte ich mich gegen die Wand. Doch all das brachte einfach nichts. Schlecht gelaunt ging ich die restlichen Stunden bis zum Feierabend meinen Aufgaben nach. So wie ich es Harry versprochen hatte schaute ich kurz vor Dienstschluss bei ihm vorbei. Ich öffnete gerade die Zelle ein Stück und hielt in meiner Bewegung inne als ich Harrys Stimme vernahm. Er sang leise vor sich hin, welches mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Es schien ihm also wieder besser zu gehen.

Bevor ich die Tür weiter öffnete klopfte ich laut an, weswegen Harrys Stimme erstarb.

"Ich wollte mich nur verabschieden. Ich habe das Wochenende über frei, ich bin erst am Montag wieder da."

Harry schaute mich mit großen Augen an und begann seinen Kopf zu schütteln.

"Lass mich nicht alleine hier."

Von dem ganzen hin und her murrte ich leise und trat in die Zelle. All das führte doch zu nichts. Allerdings versuchte ich es noch ein letztes Mal. "Harry-" Ich schloss die Zellentür hinter mir und atmete tief durch. "Ich weiß das es alles unglaublich schwer für dich sein muss. Die Dinge, die du durchlebt hast, waren bestimmt mehr als nur grauenvoll. Wenn du es schaffst Herrn Walker das zu erzählen, was du schon mir gesagt hast, dann reicht das. Damit können wir dann arbeiten. Wenn es zu einem Prozess kommen sollte, dann wirst du dort vermutlich auch sprechen müssen." Ich beobachtete seine Reaktionen, da er aber sich nicht regte setzte ich fort. "Ich habe es dir bereits gesagt und ich werde es so lange tun bis du mir glaubst. Ich helfe dir Harry, denn du bist mir wichtig und wir schaffen das. Gemeinsam." 

Harry nickte leicht.

"O-Okay."

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1816 Wörter 09/08/2020


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