006 | Louis
Louis' P.o.V
Ich musste unbedingt mit Liam sprechen. Er hatte Harrys Akte ja bereits gelesen. Er musste dann über alles Bescheid wissen.
Wenn das alles seine Opfer waren, dann waren das nicht gerade wenig. Natürlich ist selbst das Leben eines einzelnen Menschen kostbar. Und auch nur eins zu beenden ist nicht zu entschuldigen. Aber umso mehr ich darüber nachdachte, umso mehr Verabscheute ich Harrys Berührungen.
Mir war immer noch unglaublich schlecht. Und ich befürchtete, dass das auch noch eine Weile so bleiben würde. Ich fühlte mich dreckig.
In Gedanken versunken ging ich erstmal an die frische Luft. Das Gute an dem Pausenraum war, dass es dort einen kleinen angrenzende Balkon gab. Schließlich konnte man nicht einfach so wieder aus diesem Gebäude raus, wenn man mal an die frische Luft musste. Vor allem nicht um eine zu rauchen. Und danach war mir jetzt.
Ich holte die Zigarettenschachtel aus meiner hinteren linken Hosentasche, nahm eine Zigarette hinaus und zündete diese an. Ich schloss meine Augen kurz und genoss das Gefühl. Es war befreiend. Ich war Gelegenheitsraucher. Und bei solchen Situationen, wo ich überhaupt nicht wusste was ich denken soll, brauche ich das.
Zugegebener Maßen hatte ich mir den Job selbst ausgesucht. Jedoch erschien mir Harry nicht wie ein Serienkiller. Ich dachte wirklich, dass ich einmal in meinem Leben Glück gehabt hätte. Das die Menschen hier nicht nur einer alten Dame die Handtasche geklaut hatten war mir bewusst.
Das es Kindermörder gab wusste ich auch. Aber so viele Kinder? Oder war es gemischt? Frauen, Männer und Kinder? Mein Magen zog sich zusammen. Damit konfrontiert zu werden war irgendwie schlimmer, als es nur in Akten zu lesen. Es war nicht mal schlimm das ich es wusste. Was es schlimm machte, war das ich Gefallen an Harry fand.
Ich dachte daran was bei den Duschen passiert war.
Ich zog erneut an der Zigarette. Vielleicht waren es auch gar nicht seine Opfer und er tätowierte sich einfach gerne Vornamen auf den Rücken. Jeder hatte ja seine Vorlieben.
Ich drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und schritt wieder hinein. Hinter mir schloss ich die Tür. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich auch bald Feierabend haben würde. Zum Glück. Denn das ganze Laufen beanspruchte mein Knie doch ein wenig mehr als gedacht.
Ich hatte mir mein Knie schlimm bei einem Fußballspiel in meiner Jugend verletzt. Das war jetzt schon über 10 Jahre her, dennoch schmerzte es oft so wie in den ersten Wochen.
Ich machte mich daran Liam zu finden. Nach dem ich einen der Kollegen gefragt hatte wo er den sein könnte, hatte ich Liam schnell gefunden.
Ich klopfte an die Tür und trat langsam ein.
"Ach hey Louis", er lächelte und schaute mich fragend an. "Wie kann ich dir helfen?" Er stand vom Schreibtisch auf und lächelte.
"Hey, mhm.. Dürfte ich mal einen Blick in Harry Styles' Akte werfen?"
"Nein tut mir leid. Nur der Direktor, Krankenstation und ich sind dazu befugt. Die Daten sind zum einen persönlich und zum anderen, wenn was weiter getragen wird ist es für den Häftling nicht immer das Beste. Viele nutzten die Informationen aus. Es gab schon genügen Schlägereien und leider auch Tote. Manche Straftaten sind selbst unter Häftlingen absolut tabu. Das lassen sie diejenigen dann auch gerne spüren."
"So wie Kindesmord...", murmelte ich leise und setzte mich auf einen der Stühle.
Liam schaute überrascht auf. "Woher..?" Er tat es mir gleich und setzte sich ebenfalls wieder hin.
Und damit hatte er sich verraten.
Es stimmte also wirklich was der andere gesagt hatte. Mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen. Ich hätte nicht gedacht, dass mir noch schlechter werden konnte. Ich fühlte mich jetzt nicht nur dreckig, sondern auch ekelig. Ich musste dringen nach Hause und mir diese schlechten Gefühlen abwaschen.
"Louis, woher weißt du das?" Liam schaute mich gespannt an.
"Einer der Wärter bei der Essensausgabe", ich schaute zu Liam. Seine Mine versteinerte sich schlagartig. "Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut."
Plötzlich ging der Alarm los. Ich zuckte zusammen und hielt mir meine Ohren zu. Es war ohrenbetäubend.
Liam seufze und richtete sich auf. "Ein Notfall. Wir sollten los." Liam und ich liefen mit schnellen Schritten zum Überwachungsraum. Dort angekommen, waren auch ein paar andere Beamten dazu gekommen.
"Notfall in Zelle 017", dröhnte es durch die Sprechanlage.
Liam schaute kurz zu mir. "Das ist Styles' Zelle." Die anderen taten direkt so, als hätten sie nichts gehört. Vermutlich wollten sie nicht mit Harrys Wutanfällen Bekanntschaft machen.
Liam tippte mich an. "Anscheinen hält es keiner für Nötig nachzuschauen." Liam wendete sich an das Pult mit den Monitoren. Die Kamera von der Zelle war jedoch ausgeschaltet.
"Liam? Warum ist die Kamera aus?"
"ich weiß es nicht, aber ich hoffe das die nur defekt ist."
Ich brauchte noch einen Moment, denn mein Knie schmerzte. Liam trat aus dem Raum hinaus und lief erneut los. Augenrollend folgte ich ihm. jedoch etwas langsamer als zuvor. Vor der Zelle blieb ich schwer atmend stehen.
Die Tür war bloß angelegt.
Verwundert zog ich meine Augenbrauen zusammen. Ich war mir sicher, dass ich sie abgeschlossen hatte. Ich erinnerte mich daran, dass ich Harry die Ketten abnahm und danach die Tür abschloss. Ja, ich war mir ganz sicher.
Langsam drückte ich die Tür mit einer Hand auf und was ich dann sah verschlug mir vollkommen die Sprache. Geschockt schaute ich auf den Körper, welcher zuckend und nach Luft ringend zu meinen Füßen lag. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich war vollkommen gelähmt.
"Louis, was ist denn los? Louis?" Liam drückte sich an mir vorbei. Er blickte auf den Körper hinab. Anders als ich verfiel er in keine Starre.
Ich brauchte jedoch einen weiteren Moment bis ich aus meiner Starre erwachte. Harry lag blutend auf den Boden und rang nach Luft. Sein Blick war vollkommen leer.
Konnte man das Gerechtigkeit nennen?
"Criminals do not die by the hands of the law. They die by the hands of other men."
― George Bernard Shaw
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993 Wörter 14/05/2020
Dieses Kapitel widme ich aftermath_28
: ) xx
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