Kapitel 58

Die Dunkelheit schmiegte sich an mich wie ein alter Freund. Wollte mich nicht verlassen. Ließ mich nicht im Stich.
Die schwarze Dunkelheit fühlte sich so vertraut an. So bekannt.
Ich verlor mich in ihr. Alles war vergessen.
In dem Moment gab es nur noch die Dunkelheit und mich. Wir würden uns niemals im Stich lassen.
Das schwarz wirkte so hell. Ließ irgenwie alles strahlen. Erhellen.
Vielleicht kam es mir auch nur so vor, doch in dem Moment hatte ich das Gefühl, dass wir beste Freunde waren. Immerhin wurde ich von ihr immer herzlichst begrüßt. Sie wollte mich nie gehen lassen. Sie fing mich immer auf. Ließ mich nicht fallen.

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,,Jetzt sag mir, wo ist die andere?" Meine Mutter. Sie klang so kalt wie eh und je. So ausdruckslos. Desinteressiert.
Ich stellte sie mir bildlich vor.
Wie ihre langen blonden Haare zu einem Dutt gebunden waren. Ihre blauen Augen einem das Blut in den gefrieren ließen. Ihr hinterlistiges, keinesfalls glückliches oder freundliches, Lächeln einem vor Augen führte, dass sie irre war.

,,Unten. Im Keller. Sie sagt die ganze Zeit, dass es uns noch leid tun würde."

,,Lächerlich." Abschätzend hatte meine Mutter gelacht.
Langsam. Ganz langsam öffnete ich ein Auge und spähte nach ihnen.

,,Sieh mal einer an. Unsere kleine Eisprinzessin ist wach." Sie kam auf mich zu. Wie ein Löwe auf seine Beute. Gefährlich schritt sie zu mir herüber. Ihr Anblick schockierte mich.
Ihre Haare waren nicht lang, sondern kurz. Lediglich bis zum Kinn. Es war ungewohnt sie so zu sehen. Man sah ihr an, dass es nicht einfach gewesen war. Dass sie ihr Element oft hatte benutzen müssen.
Welches sie wohl hatte?

,,Gut geschlafen?" Mein Vater war direkt hinter ihr. Er lächelte nicht. Nein, tatsächlich sah er traurig aus. Seine Geisichtszüge waren in sich gefallen.

Das warst du

,,Was wollt ihr von mir?" Ich versuchte aufzustehen und mich meiner Mutter gegenüber zu stellen.
Es ging nicht.
Sie hatten mich an einen Stuhl gefesselt.
Wie letztes Mal.

,,Was wir von dir wollen? Wir sind ja wohl nicht diejenigen, die gekommen sind, oder?" Siegessicher grinste sie. Ich bekam eine Gänsehaut.

,,Was wollt ihr?" Ich musste mich wiederholen. Sie durfte nicht sehen, dass ich Angst hatte, sonst wäre ich aufgeschmissen.

,,Die Frage ist wohl eher, was ihr von uns wollt." Mittlerweile stand sie vor mir. Ihre Hand berührte meine Wange. Dann zog sie sie zurück. Und klatschte sie mit voller Wucht wieder auf meine Wange.

Autsch!

,,Hilflos." Sie umkreiste mich.
Wollte mich provozieren.
Ihr Ziel war gleich erreicht.

,,Einsam." Mein Geduldsfaden würde bald reißen.

,,Nutzlos." Er war gerissen. Die Seile auch. Ich stand ihr gegenüber.
Kurz wanderte ein geschockter Ausdruck über ihr Gesicht, doch verschwand dieser sofort wieder.

Ich hatte meine Hand erhoben. War bereit ihr das anzutun, was sie mir antat.

Einen kleinen Moment zögerte ich.

,,Angst?" Solches Verhalten war einfach nur.... widerlich.

,,Ich will lediglich nicht so wie du sein." Ich ließ meine Hand wieder fallen.

,,Und genau das wird der Grund für deinen Tod sein."

,,Dann wird er das halt. Ich werde niemals so wie du."

,,Und was, wenn genau dieser Teil in dir steckt?" Ich schaute sie sprachlos an. War nicht in der Lage zu reden.

,,Wie... wie meinst du das?"
Zitternd hatte ich diese Frage gestellt.
Sie hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Und das wusste sie.

,,Du weißt es."
Ich wollte es von ihr hören. Denn innerlich hoffte ich, dass es nicht wahr war.

,,Sag's mir. Ich will es hören." Es war nur ein Hauchen. Ein Flüstern.
Doch anstatt meiner Mutter antwortete mein Vater.

,,Hörst du ständig diese Stimme in deinem Kopf, die dich zwingt bestimmte Dinge zu tun?"

,,Ja."

,,Hast du schon Halluzinationen gehabt? Konntest du Dinge sehen, die sonst keiner gesehen hat?" Ich musste an die Situation auf dem Dach denken. Frau Coopbeer hatte gesagt, dass dort niemand war, obwohl ich sie gesehen hatte.

,,Ja."

,,Hat sich diese Stimme am Anfang wie dein Freund benommen und sich dann ganz anders verhalten?"

,,Ja." Schmerzvoll verzog ich mein Gesicht.

,,Versucht sie dich runterzuziehen? Dir an allem die Schuld zu geben?"

,,Ja." Meine Stimme wurde leiser. Hilfloser.

,,Kann diese Stimme deine Macht auch kontrollieren?"

,,Ja." Mein Herz zog sich immer mehr zusammen.

,,Habe ich was vergessen?" Er blickte mich an. Seine grünen Augen wirkten leer. Er sah abgemagert aus.

,,Ja. Es ist nicht nur eine Stimme. Sondern Tausende." Ich ließ mich wieder auf den Stuhl fallen. War viel zu überfordert.

,,Tausende?"

,,Ja." Meine Stimme wurde immer kraftloser. Verlor an Mut.

,,Das.. wie kann das sein?" Er schaute zu meiner Mutter. Sie schaute mich nachdenklich an.

,,Das ist so, weil du dazu in der Lage bist die Welt zu zerstören. Das wollen sie erreichen. Sie wissen, was du erreichen kannst. Sie wollen dich dazu bringen."
Aufeinmal erschien fast alles logisch.

,,Warum machen sie das nicht selbst? Ich meine, sie können meine Kräfte doch leiten."

,,Sie können nur einen kleinen Teil leiten. Und der reicht nun mal nicht aus, um ihr Ziel zu erreichen."
Meine Welt zerbrach.
Doch eine Frage hatte ich noch.

,,Kann ich ganz kurz mit ..... meinem... Vater allein reden?"

,,Nur zu." Sie verschwand.
Warum wirkte sie plötzlich wieder so harmlos?

,,Ich weiß, was du fragen willst. Diese Stimme, bei dir Stimmen, wird weitervererbt an die Erstgeborenen. Die Erstgeborenen haben immer Kräfte, deswegen ist diese Stimme immer bei Ihnen. Um sich sicher sein zu können, dass sie auch eine Chance haben ihr Ziel zu erreichen.
Deine Mutter hat diese Stimme auch in ihrem Kopf. Sie hat sie dazu überredet so zu sein.
Doch ich gebe nicht auf! Meine Königin ist noch tief in ihr drin. Sie lebt noch! Das weiß ich!" Auch er ließ sich nun erschöpft zurückfallen.

,,Das... erklärt alles." Schonwieder nur ein Hauchen. Schmerzvolles Flüstern.

,,Und was ist das Ziel von ihrer Stimme?"

Er zögerte. Tränen traten ihm in die Augen.

,,Dich... dazu zu bringen, so wie sie zu sein. Du sollst dich ihr anschließen."

,,Woher weißt du das?" Ich wurde kurz misstrauisch. Mein Herz schmerzte erneut. Tränen liefen über meine Wange.

,,Sie hat es mir erzählt. Vorhin." Auch seine Stimme klang zerstört. Er schaute mich an.

,,Aylin, du musst hier weg. Ich bekomm das hin. Nur du, du musst hier weg. Ich habe es gesehen. Du hattest vorhin noch Lebensfreude in deinen Augen. Sie glitzerten. Jetzt nicht mehr. Aylin, renn weg. Es ist das Beste für dich!"

Er lügt

,,Nicht ohne Ariana!"

,,Nimm sie mit." Und aufeinmal hatte ich das Gefühl noch etwas erfüllen zu müssen. Immerhin wurde ich doch nur deshalb geboren. War nur deswegen in dieser Situation.

,,Was ist mit dem Krieg?"

,,Deine Mutter ist der Krieg."

,,Wann soll er enden?"

,,Nie."

,,Heute."

,,Du darfst sie nicht umbringen. Meine Königin steckt doch noch in ihr!"

,,Bist du dir sicher?" Er schaute mich verletzt an.

,,Nein. Aber.... bitte."

,,Was ist dir lieber? Ihr Tod oder der von Hunderten?" Er schluchzte. Schloss schmerzvoll seine Augen und schaute mich an. Nun verlor er nicht nur eine Träne.

Seine nächsten Worte zerstörten ihn endgültig. Doch es musste sein. Das sah er selbst ein.

,,Ihr Tod."

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