Kapitel 2
Ding Dang Dong ertönte die Schulglocke und verkündete somit den Unterrichtsschluss. Endlich war Englisch vorbei. Ich hatte jetzt Pause, also ging ich an meinen gewöhnlichen Platz, den ich in der Pause hatte.
Die Toilette.
Ich wusste, dass es armselig war, aber nirgendwo sonst hatte ich meine Ruhe.
Nirgendwo sonst war ich vor Lisa und ihren Freunden geschützt.
Ich setzte mich also in eine Kabine und aß die Brezel, die ich mir schnell auf dem Schulweg beim Bäcker geholt hatte. Dabei las ich mir wie immer die Sprüche, die an die Wände geschrieben wurden, durch. Eigentlich sollte ich sie schon längst auswendig können, jedoch kamen oft genug neue dazu.
Als der Gong ertönte, wusste ich, dass die Pause vorbei war. Da heute Freitag war, hatte ich nur 6 Stunden Unterricht. Also keine Mittagspause. Gut so. Jetzt war Mathe an der Reihe. Wieder ein Fach, in welchem ich nicht wahrgenommen wurde. Und während ich langsam aus der Kabine verschwand, war mir aufgefallen, dass ich in keinem Fach wirklich wahrgenommen wurde. Zumindest nicht im positiven Sinne.
Schweratmend war ich die vielen Treppen bis zum dritten Stockwerk hochgelaufen. Bis zum Matheraum. Bis ich das Gesicht meines Lehrers erblickte. Dieses gehässige Gesicht, das mich schon jetzt genervt anschaute, brannte sich in meinen Kopf.
Mit dem Kopf nach unten gerichtet, lief ich in das Klassenzimmer und ging zu meinem Platz, der sich in der hintersten Ecke und somit letzten Reihe befand.
Nach einigen Minuten, in denen ich nur auf den langweiligen braunen Tisch geschaut hatte, fing der Unterricht an. Fing meine Horror-Stunde an, in der ich mehrmals grundlos angemeckert wurde und in der sogar mein Lehrer mich mehrmals beleidigt hatte.
,,Würdest du wohl zu hören, Aylin? Sonst wirst du ja noch dümmer, als du es jetzt schon bist!"
Dass es mir langsam immer mehr wehtat, versuchte ich zu verbergen.
Versuchte den heimlichen Schmerz, der mit jedem Tag stärker wurde, zu verstecken.
***************
Schulschluss.
Endlich.
Ich drängte mich durch den grauen Schulflur, der viel zu trostlos wirkte als es für eine Schule üblich war. Mit lautem Gemurmel und zwischendurch kleinen Protesten wurden alle zum Ausgang gedrängt. Wie ein Strom.
Ein Strom, der einen auch unfreiwillig mitzog und erst am Ziel die Kontrolle löste. Erleichtert atmeten diejenigen auf, die an erster Stelle des Stroms waren, und somit als Erste draußen waren. Am Ziel.
In Gedanken versunken, ließ ich mich von diesem Strom mitziehen. Zumindest bis ich nach vorne geschubst wurde und hinfiel. Verwirrt versuchte ich schnell aufzustehen, bevor noch irgendwer auf mich treten würde.
Nicht wirklich flink rappelte ich mich also auf.
Versuchte allmählich wieder in diesen Strom zu gelangen und sah noch Lisas glückliches Gesicht, hörte noch ein letztes Mal ihre Lache, bevor sie die Tür nach draußen verschwand.
Keine Ahnung, wofür das jetzt war.
Draußen angekommen bemerkte ich, dass der Schulhof schon fast leer war. Die wenigen Schüler und Schülerinnen, die nach mir aus dem Schulgebäude verschwanden, verließen blitzschnell den Hof.
Und auch ich wollte gerade das Gelände verlassen, zum Heim zurückkehren, als ich leises Gequengel hörte.
Desinteressiert ging ich weiter, zumindest bis das Geschreie lauter wurde. Bis ich merkte, dass diese Schreie aus einem Gebüsch kamen.
Minimal überrascht merkte ich, dass es die anderen nicht zu interessieren schien. Dass auch sie weitergingen. Und obwohl ich das auch hätte machen können, näherte ich mich dem kleinen grünen Gebüsch.
Ein Baby.
Ein Baby lag im Gebüsch.
Eigentlich sollte es mich nicht interessieren. Ich kannte dieses Kind nicht einmal.
Doch was machte ein Baby in einem Gebüsch?
Ich ging ans Gebüsch heran und traute meinen Augen nicht, als ich sah, wie es dem Baby ging. Es sah einfach nur schrecklich aus, hatte lumpige Kleidung an und ein dreckiges Gesicht. Ich schaute mich um und suchte nach einer Person, die vielleicht ein Baby vermissen könnte. Niemand. Weder war wer auf dem Schulhof zu sehen, noch auf dem Weg, der unter der Schule verlief.
Ich hob den Korb, in welchem das Baby lag, auf. Dann bemerkte ich, dass ein Zettel auf dem Boden lag.
Das Baby muss ins Kinderheim!
Aha. Es musste also ins Kinderheim. Und wieso brachte man das Kind dann nicht selbst ins Kinderheim, sondern stellte es ins Gebüsch? Eigentlich hätte ich gehen können. Hätte rücksichtslos sein können.
So wie die Welt es mit mir war. So wie ich auch behandelt wurde.
Aber aus welchem Grund auch immer erinnerte mich das Baby an mich.
Hilflos. Allein gelassen.
Niemanden zu haben ist hart. Ich wusste, wie sich dieses kleine Baby fühlen mochte. Ich wusste, wie hilflos und allein man sich fühlte.
Sowas ist nicht einfach.
Sowas wollte ich nicht. Weder für mich, noch für ein kleines Kind, das noch möglich war zu retten.
Und so verließ ich das Gelände. Mit einem Korb in der Hand, aus dem langsam immer leisere Schreie kamen.
Mit Tränen in den Augen lief ich ins Waisenheim.
Mit Erinnerungen, die mich geprägt hatten und schwer zu verdrängen waren.
Heyy
Hoffe euch gefällt das Kapitel.
Hab da eine Frage: Sind die Kapitel von der Länge her ok?
Byee :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top