16. Kapitel

Das schrille Geräusch meines nervigen Weckers riss mich brutal aus meinen schönen Träumen. Genervt schalte ich ihn aus, alles ohne meine Augen aufzumachen. Eigentlich voll scheiße, dass ich jetzt gerade geweckt wurde. In meinem Traum waren Hyunjin und ich fast so was wie Freunde. Wir hatten zusammen gelacht und einen Film angeschaut. Nichts spannendes, aber dennoch angenehm beizuwohnen.

Ich wollte die Decke von mir schieben, doch ein Gewicht auf meiner rechten Seite hinderte mich daran. Ich öffnete unüberlegt meine Augen und schloss sie sofort wieder. Das helle Sonnenlicht brannte in meinen Augen as fuck. Mit Tränen in den Augenwinkeln startete ich einen zweiten Versuch. Warum war ich gestern Abend überhaupt so dämlich gewesen und hatte vergessen, meine Vorhänge zuzuziehen?

Ich sah verschwommen mein Zimmer, alles sah so aus wie immer. Wobei, seit wann hatte ich so einen braunen Hoodie, wie der, der gerade auf meiner Stuhllehne hang? Und wem gehörte die Hose da, denn mir garantiert nicht? Ich zuckte zusammen, als sich plötzlich was neben mir bewegte. Ruckartig schnellte mein Kopf zu dem etwas unter der anderen Hälfte meiner Bettdecke. Schreiend sprang ich aus dem warmen Bett und nahm mir das erst beste, was als Waffe taugen konnte und in meiner Reichweite lag. In dem Fall eine leere Wasserflasche aus Glas.

"Mein Gott Yeji, was schreist du so? Und warum ist es so verfickt hell?" Ich traute meinen Ohren nicht, als mein Gehirn der Stimme ein Gesicht zuordnen konnte. "H-hyunjin?" Es dauerte exakt zwei Sekunden bis eben genannter kerzengerade zwischen meinen Kissen und Decken saß. Geschockt starrten wir uns gegenseitig an, bis mir alle Erinnerungen an gestern Abend kamen. Das was ich für einen Traum gehalten hatte, war Realität!

In den paar Minuten Halbschlaf zwischen dem geweckt werden und vollständigem aufwachen funktionierte mein Gehirn noch nicht so ganz. Doch durch den Schock kam alles auf einmal zurück...

*Flashback*

Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich das nächste mal die Augen öffnete sah ich gerade noch den Abspann von Mulan. "Hey Dornröschen, auch endlich mal wach?" Ich blickte in die Richtung aus der die Stimme kam, und zwar oben.

Während ich geschlafen hatte, musste ich immer weiter runter auf Hyunjins Schoß gerutscht sein, denn mein Kopf befand sich jetzt genau auf seinen muskulösen Oberschenkeln. Und holy shit, warum waren die so durchtrainiert?
"Äh, was?" Durch meine Schwärmerei hatte ich nicht mitbekommen, was er gesagt hatte. Mit einem leichten Schmunzeln stellte er seine Frage noch einmal. "Hast du gut geschlfen?" Ich nickte einfach. Erst jetzt verstand mein Kopf in welcher Position wir hier gerade lagen. Mein Hinterkopf rieb die ganze Zeit an seinem Schwanz während ich von unten seine Jaw-line bestaunen konnte.
Ich räusperte mich laut und versteckte meine roten Wangen, indem ich sie mit den Händen abdeckte. Mühsam richtete ich mich auf und traute mich nicht, seinem Blick zu begegnen. "Hey Baby, alles okay?" So hatte er mich schon vorher genannt, doch die Reaktion war immer noch die selbe wie beim ersten Mal...
"Ja, ich fühl mich nur schlecht, dass ich eingeschlafen bin. Ich bin ein schlechter Gastgeber." Das war zumindest ein Teil der Wahrheit. "Achso, wenn es nur das ist. Jin kam vorhin noch mal vorbei und hat mit Popcorn mitgebracht. Und da du geschlafen hast, konnte ich alles alleine Essen!" Er grinste mich fies an.
"Was!? Du hast mir nichts über gelassen? Ich will aber auch."
"Tja, Pech gehabt. Ich bin sowieso nicht gut im Teilen. Eher hätte ich alles in den ersten Sekunden gebunkert oder heruntergeschlungen. Du hättest so oder so nix abbekommen", stellte er mir klar. "DU bist in MEINEM Haus. Vielleicht wäre es dort dann doch angebracht, neue Fähigkeiten zu lernen. Vor allem, da Teilen sehr wichtig ist." Ich klang wie San, der mich früher immer gezwungen hatte, mit Liv mein Spielzeug zu teilen.
Da er nicht so aussah, als würde er mir noch antworten wollen, wechselte ich einfach das Thema. Beleidigt war ich aber trotzdem noch. "Wie spät ist es eigentlich?" Er stellte sein Handy an und sah überrascht auf den Bildschirm. "Einfach schon halb eins. Ich sollte wirklich nach Hause. Wie schnell einfach die Zeit vergangen ist..."
Wenn der jetzt wirklich dachte, ich ließ ihn zu ihm, dann kannte er mich schlecht. "Nein." "Nein?" "Nein." "Was heißt hier Nein? Du hast es mir versprochen!", beendete er unsere Ein-Wort-Diskussion. "Da wusste ich auch noch nicht, dass es dann so spät wird. Du schläfst heute Nacht einfach bei mir und morgen gehen wir dann zusammen zur Schule. Schreib noch schnell deiner Schwester, damit sie sich keine Sorgen macht und dann komm ins Bett. Ich bin müde."
Doch Hyunjin schüttelte vehement den Kopf. "Für dich mag das so einfach klingen, aber ich weiß, dass ich auf jeden Fall gehen werde!"

*Flashback Ende*

Dadurch, dass er jetzt noch hier war, wusste ich, dass ich die Argumentation gewonnen hatte. "Ich- Du- Äh." Bitte einen Preis für den Sinnvollsten Satz des Jahres! "Oh my gosh, meine Mutter wird mich killen!" Er raufte sich die Haare und sah mich aus Panik geweiteten Augen an. "Es tut mir leid, dass ich dich gestern Abend dazu gedrängt habe, zu bleiben. Ich will nicht, dass du Ärger bekommst." Mit reuevollen Augen blickte ich zu ihm runter. Als er mein Unwohlsein bemerkte schlug er sofort einen anderen Tonfall an.

"Alles gut. Ich hätte so oder so Ärger bekommen. Außerdem ist es viel schöner neben dir aufzuwachen, als durch das Geschreie der eigenen Mutter. Wobei du ja auch gequietscht hast. Wie ein Mädchen!" Ey, jetzt fing er schon wieder an mich zu Beleidigen. Doch aus einem mir unklaren Grund störte es mich nicht mehr so sehr wie noch vor ein paar Tagen. "Selber Mädchen. Ich meine, wer hat hier bitteschön die schulterlangen Haare mit Zöpfchen?" Siegessicher sah ich ihn an.

"Wir beide." Seine Antwort war so trocken, dass ich fast auflachen musste. "Seit wann habe ich denn-", wollte ich mich rechtfertigen, doch er war schneller. "Mir war gestern beim Film langweilig und weil du eingeschlafen bist, wollte ich schauen, ob ich noch Flechten kann. Yeji hat es mir mal vor zehn Jahren oder so beigebracht." Fassungslos starrte ich den Älteren an, bis ich zu meinem am nächst gelegenen Spiegel eilte.

Und tatsächlich. Es waren etwa 15 kleine, aufwendig aussehende flechtstreifen über meinen ganzen Kopf verteilt. Und es sah verdammt gut aus. Es machte voll mit meinen blauen Haaren und ließ mich leicht süß aussehen. Doch niemals durfte er erfahren, dass ich sie cool fand. "Ihh, tu die wieder raus. Ich will die nicht!" "Nö." Mal wieder ganz hilfreich unterwegs, was Hwang? Aber mir solls Recht sein."

"Du kannst ins Bad und dich dort umziehen. Zum Duschen haben wir leider keine Zeit mehr, aber was solls? Stinken tust du eh immer und ich trag einfach ein bisschen mehr Deo auf als sonst." Eingeschnappt griff er nach seinen Klamotten, bis ihm was einfiel. "Äh, hast du zufällig noch ne zweite Schuluniform? Ich bin gestern mit meiner Alltagskleidung zu dir gekommen." Stimmt, hatte ich total vergessen.

"Ich bin ein bisschen kleiner als du, aber vielleicht passt sie dir ja trotzdem?" Ich griff nach meiner Ersatzkleidung und gab sie ihm. Während er im Bad verschwand zog ich mich auch schnell um. Aber nicht schnell genug, denn als er wieder reinkam stand ich noch oberkörperdrei im Raum. Durch das zischende Geräusch, welches er von sich gab, drehte ich mich um und bot ihm ohne nachzudenken eine noch bessere Aussicht.

Sein Blick schweifte über meinen entblößten Körper und blieben bei meinem Sixpack und der ausgeprägten V-line hängen. Die ganze Situation war mir so unangenehm, dass ich mich schnell wieder wegdrehte und das Oberteil anzog. Erst danach wand ich mich mit glühenden Wangen zu ihm. "Und, passt es?" Er schüttelte den Kopf. Hatte seine Stimme anscheinend noch nicht wiedergefunden. Ich schmunzelte leicht bei dem Gedanken, wie sehr mein Anblick ihn beeinflusst haben muss.

"Ähm nein. Beim besten Willen nicht. Hast du vielleicht eine schwarze Basic-Hose, welche dir leicht zu groß ist? Und ein schwarzes T-Shirt? Der Blazer passt zum Glück." Dass hatte ich mir schon gedacht, da die Ärmel für mich ein bisschen zu lang waren. "Warte, ich schaue mal." Nachdem ich die von ihm gewünschten Klamotten aus meinem Schrank gezogen hatte, verschwand er wieder. Nur um kurz darauf mit perfekt anliegenden Klamotten vor mir zu stehen.

"Du siehst... gut aus." Es war das erste mal, dass ich mich traute, ihm ein Kompliment so ins Gesicht zu sagen. Da ich Angst vor seiner Antwort hatte, redete ich schnell weiter. "Jin hat bestimmt Frühstück vorbereitet, doch wir können nur was auf die Hand mitnehmen. Mit ein bisschen Glück fährt er uns, sodass wir uns die Busfahrt sparen können." Er stimmte meiner Idee zu. Und da heute wieder der hübsche Postbote namens Namjoon die Post gebracht hatte war Jin auch gut gelaunt, weshalb er unsere Forderung annahm. Ich glaubte ja schon länger, dass Jin mindestens einen Crush auf den Postboten hatte, doch er wollte sich noch nicht dazu äußern...

Hyunjin und ich saßen zusammen auf der Rückbank, während ich immer Jins neugierige Blicke durch den Rückspiegel spüren konnte. Kurz bevor wir zur Schule abbogen, lehnte sich Hyunjin nochmal ganz nah an mich, um in mein Ohr flüstern zu können. Seine Nähe und der nach Minze riechende Atem machten mich verrückt und bei seinen nächsten Wörtern konnte ich fast sehen, wie mein Herz aus meiner Brust sprang. "Heute Morgen hast du mir keine Zeit gelassen, dir zu antworten. Aber ich finde du siehst auch verdammt gut aus. Wie du so oberkörperfrei vor mir standest... Ich hätte echt nicht gedacht, dass sich unter so einem zierlichen Körper sowas verstecken kann."

Ich war nicht fähig zu antworten. Ich meine, was hätte ich denn auch sinnvolles sagen können? Doch als seine Hand dann von meiner Taille weiter über meinen Bauch fuhr, spannte ich mich unwillkürlich an. Ein bisschen flirten war okay, aber ging das nicht nun doch etwas zu weit?

Jin rettete mich glücklicherweise aus dieser unangenehmen Situation. "Hey ihr Turteltauben, wir sind da. Macht von mir aus in der Abstellkammer rum, aber nicht direkt vor meinen Augen. Felix ist doch mein innocent Baby..." Dass ich schon lange nicht mehr so unschuldig war, musste ihm ja keiner sagen.

Ich stieß Hyunjin fast von mir, um so schnell wie möglich aus dem Auto zu kommen. Ich bedankte mich noch bei meine Fahrer, bevor ich die Tür mit leicht zu viel Schwung zuschmiss. Hyunjin war währenddessen zu meiner Seite gelaufen und griff wieder wie selbstverständlich meine Hüfte. "Wollen wir los, sonst kommen wir noch zu spät?" Ich atmete einmal tief durch, um den Hurrikane von Gefühlen zu unterdrücken. Als ich mich für stabil genug hielt drehte ich mich zu ihm und antwortete indem ich ihn einfach loszog. Worte waren ja schließlich sowieso überbewertet.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top