1. Kapitel
Heute ist der Tag. Heute ist mein erster Schultag. Manchmal frage ich mich, ob es nicht ein bisschen traurig ist, dass ich in meinen 16 Lebensjahren noch kein einziges Mal eine Schule besucht habe. Aber zu meiner Verteidigung: Ich hatte bis jetzt immer Privatunterricht. Oft alleine, manchmal aber auch mit meiner 3 Jahre jüngeren Schwester.
Allerdings ist mein letzter Lehrer momentan im Krankenhaus wegen eines Autounfalls. Und da hab ich vorgeschlagen, dass ich ja auch in eine normale Schule gehen könnte. Im Moment bin ich gerade auf dem besten Weg, diese Entscheidung zu bereuen. Generell war es mehr eine Impulsentscheidung als wirklich überdacht...
Erster schlechter Punkt: Ich muss zwei ganze Stunden früher Aufstehen! Wer hat sich bitteschön überlegt, dass es schon um 8:00 Uhr anfängt und nicht eine Stunde später, wie sonst bei mir zu Hause immer? Zweiter Punkt auf meiner Liste: Der Schulweg. Bisher musste ich einfach 20 Treppenstufen runter gehen und war da. Jetzt sitze ich schon seit 10 Minuten im Bus und kriege Kopfschmerzen von dem ganzen Lärm.
Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass es so eng sein wird. Generell fahre ich nur mit dem Auto oder höchstens mit der Bahn, wenn es nicht anders geht. Wie soll ich mir dieses Gedrängel jeden Tag zumuten? Wie schaffen das die anderen? Ich wünsche mir nichts mehr, als meine damalige Entscheidung zu ändern. Während ich einen Blick auf die Anzeige werfe, erkenne ich, dass es nur noch eine einzige Station ist. Die erste gute Nachricht heute.
Kaum hält der Bus, werde ich von der Menge rausgepresst. Alle latschen auf meine weißen Sneaker und rammen mir ihre spitzen Knochen in den Körper. Als es mich dann auch noch fast hinlegt will ich einfach nur noch die Flucht ergreifen. Gedanklich bin ich schon wieder bei meinem alten Lehrer, der mich niemals berührt hat.
Ich würde jetzt nicht sagen, ich hätte Angst vor Berührungen... Wobei, eigentlich schon. Genießen tue ich es auf jeden Fall nicht. Nur in den Umarmungen meiner Dads fühle ich mich wohl. Meine Adoptiveltern sind die einzigen, die mich ohne Erlaubnis anfassen dürfen. Freunde hatte ich bisher auch nicht, da ich einfach keine Möglichkeit hatte, neue Leute kennenzulernen.
Ich schaue mich um und erkenne, dass die meisten Schüler schon weit vor mir sind. Ich sollte mich auch mal auf den weg machen. Gesagt, getan. Gemütlich laufe ich los, sowas wie Zeitdruck kenne ich nicht. Schließlich fängt der Unterricht erst an, wenn ich da bin.
Eigentlich ist diese Schule echt schön. Ziemlich modern mit vielen Glasfronten. Es gibt 5 große Gebäude, die kreisförmig zueinander stehen, sodass in der Mitte ein runder Platz entsteht. Vermutlich der Pausenhof.
Überall sind Bäume und Blumen gepflanzt, die dem modernen Look ein bisschen widersprechen. Macht es aber irgendwie noch schöner. Alle anderen Schüler sind in den Gebäudekomplex mir gegenüber gelaufen. Wahrscheinlich das Hauptgebäude, wo die meisten Klassenzimmer sind. Ob ich da auch das Sekretariat finde? Just try it!
Ich ziehe die schwere Glastür auf und staune erstmal über den Anblick, der sich mir freigibt. Auch drinnen ist alles sehr schlicht und modern gehalten. Was mich aber am meisten Schockt, sind diese vielen wild herumwuselnden Teenager. Und ich dachte, das im Bus wären schon viele...
Ich gehe ein paar Schritte in die Aula rein und werde fast umgerannt. Können die nicht besser aufpassen? Ich schaue mich fragend um, versuche irgendwelche Ausschilderungen zu erkennen. "Entschuldigung, aber bist du neu?" Zuerst fühle ich mich gar nicht angesprochen, aber als ein Junge mir direkt in die Augen schaut, komme ich doch drauf, dass er mich gemeint hat.
"Ähm ja? So auffällig?" Er lacht. Ein schönes herzliches Lachen, bei dem man Automatisch mitgrinsen muss. "Ziemlich. Soll ich dich zum Sekretariat bringen, du wirkst echt verloren." Er hat diese offene Art, welche ich gleich sympathisch finde. "Klar gerne."
Auf dem Weg versucht er unsere Konversation am Leben zu behalten, damit nicht diese peinliche Stille entsteht. "Ich hab vergessen mich vorzustellen. Ich bin Chan und 17 Jahre alt. Meine Kindheit hab ich ich in Australien verbracht, bin dann aber wegen der Arbeit meiner Eltern umgezogen." Noch ein Aussi? Ich dachte ich wäre allein. "Oha, ich komme auch aus Australien." Wir unterhalten uns noch ein bisschen weiter über mein Heimatland, zu Hause kann ich das schließlich mit keinem machen. Alle wurden in Korea geboren.
"Wir sind da, viel Glück-" Er stutzt. "Du hast mir deinen Namen immer noch nicht verraten." Sein Ton klingt leicht anklagend. Ich antworte ihm schnell, da ich nicht will, dass es irgendwie verärgert wird. "Felix"
"Okay, dann viel Spaß hier auf der neuen Schule, Felix!" Er winkt mir noch kurz zu und verschwindet dann. Ich will gerade um die Kurve gehen, als jemand volle Kanne in mich reinläuft. Durch den Schwung werde ich zu Boden gerissen und finde mich zwischen vielen Heften und losen Blättern wieder.
Genervt reibe ich mir meine schmerzende Stirn. Wieso sind die Leute hier so respektlos? Ich schaue auf und meine Augen treffen die von dem schönsten Jungen, den ich je gesehen hab. Also, abgesehen von mir. "Warum hast du keine Augen im Kopf?" Wie bitte? Hatte ich mich verhört?
Ich stehe schwungvoll auf und schaue den anderen abschätzend an. "Willst du mich verarschen? Du bist in mich reingerannt. Aber an Stelle mir hoch zu helfen und dich zu entschuldigen, beleidigst du mich lieber? Hackts bei dir?" Völlig unbeeindruckt von meinen Worten sieht er mich an. "Du erwartest von mir, Hwang Hyunjin, eine Entschuldigung? Ich glaube eher du bist verrückt." Und nur weil du mir jetzt deinen Namen gesagt hast, soll ich jetzt klein bei geben, oder was?
"Heb lieber meine Bücher auf, ich komm sonst noch zu spät." Jetzt reichts aber. "Nur weil ich neu bin, können mich nicht alle wie ein Nichts oder einen Arbeiter behandeln. Heb deine Bücher gefälligst selbst auf, ich mach's nicht!" Und damit will ich gerade verschwinden, als er mich am Arm packt und zurück reißt.
"Du bist also neu, deswegen verhältst du dich so unwissend. Dann werde ich dich mal aufklären. Hör gut zu, ich werde mich nicht wiederholen." Ich gebe einen Fick auf seine Aufklärungen! "Ich bin hier in dieser Schule der Boss, wenn du dich mir entgegenstellst, werde ich dich fertigmachen. Tu also lieber das, was ich dir sage."
"Sollte das irgendwie dominant sein? War es auf jeden Fall nicht. Arbeite noch mal ein wenig an deiner Stimme, die klingt leicht lächerlich. Irgendwie so hoch und mädchenhaft, auf jeden Fall kein bisschen einschüchternd." Ich konnte die Wut in seinen Augen aufblitzen sehen, wahrscheinlich war ich der erste, der ihm jemals widersprochen hatte. Aber mache ich gerne, Schätzchen.
"Als ob du in der Position wärst, etwas über MEINE Stimme zu sagen!" Er will es, er bekommt es. "Also ich finde schon, klar kann sich jeder seine Meinung selbst bilden, aber bislang war es zu 100% immer die Gleiche." Ich weiß, dass meine tiefe Stimme meine Geheimwaffe ist, und ich setzte sie nur zu gerne jetzt gegen ihn ein.
Sichtlich geschockt schaute er mich an. Ja, nicht jeder kommt auf meine Stimme klar... "Ich würde sagen dieser Punkt geht an mich, und lass mich jetzt los. Du stinkst!" Eigentlich ist das gelogen, er riecht sogar ziemlich gut... Aber wir wollen sein Ego ja nicht noch mehr füttern.
"Du bist so eine kleine-" Bevor er seinen Satz zu Ende sprechen kann, halte ich ihm den Mund zu. "Es ist mir scheiß egal, was du von mir hältst. Ich find ja auch, du bist ne arrogante Bitch, aber das interessiert dich schließlich genauso wenig. Also lass mich einfach los." Jetzt hatte ich ihn eindeutig sauer gemacht...
"Entschuldige dich sofort!" Ich schüttle gehässig den Kopf. "Du erwartest von mir, Lee Felix eine Entschuldigung? Ich glaube du bist verrückt.", zitiere ich ihn. Sprachlos starrt er mich an. "Komm schon. Ich dachte du bist so großartig... Aber wenn du nicht einmal kontern kannst, macht es überhaupt keinen Spaß."
Vielleicht sollte ich doch aufhören, seine Halsschlagader ist nun ungesund deutlich an seinem Hals zu erkennen. "Niemand, erlaubt es sich, so mit mir zu sprechen. Aber anscheinend bist du bei deinem Sturz auf den Kopf gefallen und kannst nicht mehr klar denken. Aus Mitleid gebe ich dir noch eine letzte Chance. Also, wenn du nach meinen Regeln Spielst, lass ich dich in Ruhe. Oder zumindest meistens."
Will er etwa jetzt schon aufgeben? "Und was sind das für Spielregeln?" Das letzte Wort betone ich extra deutlich. Damit er merkt, was ich davon halte. "Treat me like a princess, or I'll treat you like an enemy!" Lieber sterbe ich, als das ich ihn wie eine Prinzessin behandle!
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Das Bild oben zeigt Felix, wie er in dieser Geschichte aussehen wird.
In den nächsten Kapiteln werden auch die anderen Charaktere noch vorgestellt
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