Kapitel 15 ❀ conversations secrètes


ALIÉNOR

Louis-Antoine.
Mir entging nicht, wie seine dunklen Augen für einen kurzen Moment aufblitzten, als sein Blick über meine offenen Haare zu meinen Lippen wanderte. Ein nicht identifizierbares Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, als ich schon automatisch einen Schritt zurücksetzte, um ihm nicht mehr so nahe sein zu müssen.

Zugleich war ich so überrascht und irritiert von seinem plötzlichen Auftauchen, dass mir jedes Wort im Halse stecken blieb. Mein Herz pochte gegen meine Brustkorb und meine Knie schien augenblicklich in seiner Gegenwart weich zu werden.
Gott, bin ich eine Memme, dachte ich mir verärgert und folgte Louis-Antoines Blick, der sich angespannt auf die Wachen, die etwa zehn Meter von uns entfernt standen, gerichtet hatte.

Ich zuckte zusammen, als er sich auf einmal erneut zu mir wandte. „Ihr habt meine Frage wohl nicht gehört... Was sucht ihr hier, Hoheit?", wollte er mit leiser, wenn auch scharfer Stimme wissen.

Er hielt mich nicht fest, drückte mich nicht gegen die Wand oder versperrte mir gar den Weg. Doch fühlte ich mich, als würde er mich in dieser kleinen Nische einkesseln.

Wahrscheinlich wusste er ganz genau, was ich hier trieb. Ob er mir gefolgt war? Möglicherweise spionierte er mir ja schon länger hinterher... was für ein Kaiser tat das denn bitte persönlich?
Da ich spürte, dass ich ihm durch diese Tatsache überlegen war, sprach ich schließlich meine Vermutung aus: „Spioniert Ihr mir nun auch noch hinterher?"

„Ihr weicht meiner Frage aus", stellte er fest und zog seine Mundwinkel in die Höhe, wenn ich auch im Schein des Mondes, der durch das Fenster neben uns fiel, den Ernst in seinem Gesichtsausdruck feststellen konnte.
„Ich glaube, dass wir beide ganz genau wissen, dass Ihr nicht reinzufällig heute Nacht hier unterwegs seid."

Mühsam unterdrückte ich ein Schlucken, doch entschied mich trotz der Risikos dazu, weiterhin so zu tun, als wenn ich einen ganz normalen Nachtspaziergang im Palast unternahm.

So spiegelte ich seinen Gesichtsausdruck, indem ich ebenso ein Lächeln aufsetzte.
„Und selbst wenn es so wäre, Majestät... was geht es Euch an, wenn ich hier nachts herumgehe? Wir wissen doch beide auch ganz genau, dass ich immer für mich selbst entscheide, was ich tue. Ich lasse mir nicht in meine Vorhaben pfuschen und noch weniger lasse ich mich zu Dingen... zwingen."

Die Anspielung auf unsere heimliche Affäre im letzten Sommer, in der ich ihm stets weisgemacht hatte, eine freie Person zu sein, die nicht sein Eigentum war, ließ ihn wahrscheinlich innerlich nahezu zur Weißglut bringen, da ich ihn an unsere Nacht miteinander erinnerte.

„Fein", hauchte ich schließlich, und er sah mich wie gebannt an. „Denn zwingen lasse ich mich niemals."

Noch ehe er etwas hatte erwidern können, hatte ich damals meine Lippen auf die seinen gedrückt. Sicherlich dachte Louis-Antoine daran zurück - er musste es einfach tun. Doch selbstverständlich ließ er sich von außen nichts davon anmerken.

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Es herrschte kurze Stille, in der wir uns bloß amüsiert anfunkelten, bevor Louis-Antoine die Stimme senkte und mich plötzlich am Handgelenk packte: „Nun gut, dann geht, Prinzessin. Aber lasst Euch gesagt sein... wenn ich Euch in Zukunft noch einmal hier herumschleichen sehe, überlege ich mir vielleicht, Euch ein paar neue Leibwachen zuzuordnen oder Eurem Freund möglicherweise ein neues Zuhause zu geben."

Mein Brustkorb hob und senkte sich und ich musste mich wirklich zurückhalten, ihm nicht an die Gurgel zu springen. Wie ich ihn hasste. Wie ich dafür hasste, dass er mich so gut kannte. Wie ich ihn dafür hasste, dass er mich trotz alledem faszinierte.

„Meine Vermutung, dass Ihr verrückt seid, hat sich also nach wie vor für wahr erwiesen", bemerkte ich mit knirschenden Zähnen und wandte desinteressiert meinen Blick ab.
„Euer Heiratsantrag war schon aus der Luft gegriffen... doch nun seid Ihr wohl noch besitzergreifender als damals."

„Besitzergreifend? Ich warne Euch nur als Mitglied Eurer Familie und als Kaiser von Frankreich vor Euren Dummheiten!", zischte er, bevor er mit einem Ruck mein Handgelenk losließ.

„Ihr seid so besessen von dieser dämlichen Idee, mit mir zusammen zu sein! Ihr ließt Rafael nur verhaften, da Ihr der Meinung seid, dass - wenn Ihr mich nicht haben könnt - es niemand darf!", sprach ich endlich aus, was ich ihm die ganze Zeit hatte ins Gesicht sagen wollen. „Sehe ich für Euch aus wie ein Preis, den es zu gewinnen gibt?"

Wie erwartet, weiteten sich Louis-Antoines Augen kurz, bevor er sich schnell wieder fasste: „Könntet Ihr Euch bloß selbst reden hören... Es ist süß, wie viel Ihr interpretiert. Doch versucht gar nicht erst, mich von meiner Meinung abzubringen. Vor mir und dem Gesetz ist er ein Verbrecher."

Stumm presste ich die Lippen aufeinander. Obwohl ich wusste, dass er log, verärgerten mich seine Worte.

Und dabei sollte es mir nichts ausmachen, dass er mich - nicht so wie damals - als naiv und kindisch betitelte und abstritt, überhaupt Gefühle für jemanden wie mich entwickeln zu können.
Seine letzten Worte sollten meine negative Einstellung ihm gegenüber eigentlich noch weiter untermauern... doch wo blieben diese Empfindungen des Hasses?

„Ich glaube, wir haben uns vorläufig dann nichts mehr zu sagen", wisperte ich bemüht deutlich und hob stolz mein Kinn an, ehe ich mich einen Bogen um ihm machte und mit wehendem Haar davonschritt.

~*~

RAFAEL

Bittere Kälte umgab mich in meiner Zelle an jenem frühen Januarmorgen, als ich durch ein wildes Rütteln an meinem Oberkörper aus meinem traumlosen Schlaf geholt wurde.
Müde blinzelte ich, und brauchte etwas Zeit, bis sich meine Augen an die Helligkeit, die von einer Laterne stammte, gewöhnt hatten. Ich erkannte eine dunkle Gestalt im Schein der Kerze und fuhr erschrocken hoch, ehe ich unmittelbar aufkeuchte.

Ebenso wurde meine Zelle durch den silbernen Mond, durch die Gitterstäbe des kleinen Fensters erleuchtet. Die Person stand regungslos einige Meter vor mir.

Ich wusste nicht recht, was ich tun oder sagen sollte. Ein Blick zum Ausgang verriet mir, dass dieser wie immer von zwei Wachen bewacht wurde. Also konnte sich die mir unbekannte Gestalt keineswegs unbefugt Zugang beschafft haben.

„W-Wer seid Ihr?", presste ich schließlich hervor, als sich das Schweigen zog, und versuchte dabei möglichst mutig zu klingen.

„Das spielt keine Rolle", gab die Kapuzengestalt mit einer rauchigen Stimme, die mir keineswegs auch nur im geringsten bekannt war, von sich.

„Und was wollt Ihr?", fragte ich erneut ausweichend und hoffte, dass die Person das Zittern meines Körpers nicht als Angst aufgriff.

„Euch helfen."
Verdattert zog ich aufgrund dieser sehr skurrilen Antwort meine Stirn kraus. „Falls Ihr mich wirklich hier 'raus holen wollt... - Findet Ihr nicht, dass es keine so gute Idee ist, mir von irgendwelchen Plänen zu berichten, wenn alle Zellen hier bewacht werden?"

„Die Wachen gehören zu mir, habt keine Angst", gab sie zu verstehen. Ich hatte aufgrund der Haltung und Statur der Statur einfach beschlossen, die vermummte Gestalt für eine Sie zu halten.

„Heute Abend, Álvarez", fuhr sie daraufhin fort, da ich nichts erwiderte. „Wird Prinzessin Aliénor abreisen, um ihre restliche Familie in Savoyen-Piemont zu besuchen. Heute Nachmittag wird der gesamte Hof - eingeschlossen seiner Majestät und den kaiserlichen Hoheiten - bei ihrer Verabschiedung dabei sein. Niemand wird bemerken, dass eine andere Kutsche am Eingang zum östlichen Teil der Gartenanlage eingespannt wird."

Selbst wenn ich verstand, was die fremde Gestalt versuchte, mir zu erklären, war ich nach wie vor verwirrt.
Zwar hörte sich die Idee für mich schlüssig an; doch wieso half man mir zu entkommen? Vor allem - was hatte diese Person davon?

Tausend Fragen schwirrten in meinem Kopf herum, doch sie schien sich über meine Unklarheit bewusst zu sein: „Wir wollen Ihnen bloß helfen, Álvarez. Sie sitzen zu unrecht hier in dieser Zelle - also lassen Sie uns nur machen. Bald werden Sie sich in den Armen ihrer Liebsten wiederfinden."

Mit diesen Worten wandte sich die Vermummte von mir ab und ging zu der Gefängnistür, die die beiden Wachen für sie öffneten.
Dann drehte sie sich ein letztes Mal zu mir um, dass mir noch einmal ein Schauer über den Rücken lief.
„Also... worauf warten Sie, Álvarez?"






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Übersetzungen

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( TITEL ) Geheime Gespräche

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