Kapitel 02 ❀ m'est égal
LOUIS - ANTOINE
„Findet Ihr, ich sollte lieber mein hellblaues oder mein dunkelblaues Gewand an Eurem Geburtstag tragen?"
Seufzend schaute ich von meinen Unterlagen auf in das Gesicht meiner Verlobten Marie Brienne, die wie so oft schon an diesem Tag in mein Büro spaziert war, um mich mit Fragen über meinen Geburtstag, der in einigen Tagen stattfinden sollte, zu löchern.
„Entscheidet Ihr es - Ihr sehnt in beiden Kleidern sehr schön aus", antwortete ich schlicht auf ihre Frage und widmete meine Aufmerksamkeit wieder meinen Listen, Briefen und Bewerbungen.
An ihrer Miene, die sie schwer überspielen konnte, erkannte ich, dass sie mit dieser Antwort ganz und gar nicht zufrieden war. Mit einer Handbewegung ließ sie die Soldaten, welche an den Türen standen, abtreten, dass wir alleine waren. Stumm ging sie um meinen Schreibtisch herum und musterte mich. „Was ist los mit Euch? Ihr erscheint mir so, als würdet Ihr Euch gar nicht freuen."
„Natürlich freue ich mich", meinte ich darauf, gab mir aber nicht sonderlich viel Mühe, dabei glücklich zu klingen. Ich rieb mir für kurze Zeit die Augen, ehe ich schmunzelnd zu ihr hochblickte.
Ihr Gesichtsausdruck hatte sich immer noch nicht verändert, und zeigte mir, dass sie mir nach wie vor nicht glaubte.
„Louis", sprach sie mich bei dem ersten Teil meines Doppelnamens an, den ansonsten nur einige Familienmitglieder verwendeten. Sie tat das stets, um eine Bindung zwischen uns beiden vorzutäuschen, obwohl wir beide im Endeffekt doch wussten, dass diese nicht existierte.
„Versteht doch... Bald schon ist Euer Geburtstag. Alle möglichen Staatsmänner und Adeligen kommen, um diesem beizuwohnen. Ich möchte alles genau planen, sodass Ihr Euch wohl fühlt", seufzte sie und stellte sich hinter mich, um ihre Arme um meinen Oberkörper zu schlingen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit, das verstärkt wurde, als sie kleine Küsse sie in meiner Halsbeuge verteilte.
„Marie Brienne, ich bitte Euch, das zu unterlassen. Nicht hier", wimmelte ich sie ab.
Tatsächlich kam sie meiner Bitte nach und richtete sich wieder auf. „Selbstverständlich. Wir sind ja noch nicht vermählt, das sollte mir bewusst sein."
Mit funkelnden Augen drehte sie sich um, ehe sie mit wehenden Haaren davon schritt. „Ihr müsst bloß verstehen", rief ich ihr noch hinterher, ehe sie die vergoldete Türklinke hinunter drücken konnte. „Dass mein Büro nicht gerade dafür geeignet ist."
Mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen drehte sie sich zu mir um. „Ich weiß ganz genau, dass es dafür geeignet wäre, würdet Ihr mich begehren." Resigniert senkte sie ihren Blick, wobei ich aber nicht ganz glauben wollte, dass es sie tatsächlich verletzte.
Ich öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Was sollte ich großartig darauf antworten? Schließlich war die Verlobung ein Werk unserer Mütter gewesen, sodass dies lange noch nicht bedeutete, dass ich sie liebte.
Selbstverständlich mussten wir uns irgendwann einmal um einen Thronfolger kümmern, aber bis dahin war noch lange Zeit. Ich brauchte erst einmal Zeit, mich an meine Verlobte zu gewöhnen, ehe ich sie ehelichte und sie ein Kind von mir bekam.
Seufzend blickte ich also an die kunstvoll bemalte Decke meines Büro, bevor ich vernahm, wie eine Tür sich schloss. Marie Brienne war gegangen.
~*~
ALIÉNOR
Am nächsten Abend saßen wir alle gemeinsam an dem langen Ebenholztisch im Speisesaal und nahmen ein verzügliches Mahl, das aus Hummer mit Salat, Knoblauchsauce und Kartoffeln mit Butter bestand, zu uns.
Der große, festlich geschmückte Weihnachtsbaum stand immer noch nebenan im Wohntrakt und funkelte im Licht der Kerzen. Wir waren alle so verliebt in die Weihnachtszeit, dass wir selbst Wochen nach dem Heiligen Abend unser geschmücktes Heim so bewahrt hatten.
Als meine Mutter mit einem Messer leicht gegen ihr Weinglas tippte, verstummten nach und nach unsere Gespräche zu Tisch und wir widmeten Maman unsere Aufmerksamkeit.
„Ich habe eine Überraschung für Euch", verkündete sie freudestrahlend. „Bald werden wir unsere Brienne wiedersehen."
„Brienne kommt uns besuchen?", wollte Charles mit einer überraschten Miene wissen, während eine kleine Fete bei meinen jüngeren Geschwistern ausbrach.
„Brienne kommt! Brienne kommt!", riefen sie alle durcheinander und meine zwei Jahre alte Schwester Mariechen niedlich lachte auf, wobei sie ihren Brokkoli vom Tisch warf und unseren Butler Alexandre entsetzt aufkeuchen ließ.
„Ruhe, bitte", rief meine Mutter einmal quer über den Tisch. Das ganze Szenario erinnerte mich an den letzten Sommer, in dem wir ebenfalls nach der Nachricht, dass meine ältere Schwester die zukünftige Kaiserin Frankreichs werden sollte, vollkommen aus dem Häuschen gewesen waren. „Nicht kommt Brienne uns besuchen, sondern wir besuchen Brienne."
Einige Zeit lang herrschte Stille, bevor jedermann zu realisieren schien, was dies bedeutete. „Das heißt, dass wir nach Versailles fahren, juhu!", jubelten meine Zwillingsbrüder begeistert, bis Maman die zwei unterbrach: „Das gilt nicht für alle!"
Nun war es mucksmäuschenstill. Ich sah meinen jüngeren Geschwister geradezu an, wie sehr sie an den Lippen meiner Mutter hingen, und hofften, mitkommen zu dürfen.
„Laurent und Louis", sprach sie die beiden an. Meine 12-jährigen Zwillingsbrüder grinsten breit. „Ja?"
„Ihr bleibt hier." Augenblicklich fielen deren Mundwinkel hinunter, ehe sie schon zum Protest ansetzten, den meine Mutter aber sofort streng unterbrach: „Ihr zwei habt in der letzten Woche unsere Bibliothek vollständig verwüstet, und seid nachts heimlich in die Küche eingebrochen. Nicht unbedingt etwas, das richtige Prinzen in eurem Alter tun."
Die beiden senkten tatsächlich beschämt ihre Köpfe. Mamans Machtwort war unumgänglich.
„Pauline und Mariechen dürfen dafür selbstverständlich mitkommen. Die zwei verhalten sich schon wie richtige Prinzessinen", lächelte sie und strich über den Kopf ihrer Jüngsten, die erneut süß aufquiekte.
„Und Louis, du bleibst hier und passt auf unsere Bengel auf und-", fuhr sie weiter fort, ehe Papa sie unterbrach: „Wirklich? Ich muss nicht mitkommen? Ich muss nicht zu deiner langweiligen Cousine Marie-Thérèse und in dieser Spießer-Behausung übernachten? Marie, ich liebe, liebe, liebe dich!"
Mein Vater schenkte meiner Mutter einen schnellen, liebevollen Kuss, sodass ich schmunzeln musste. Die jüngeren zu Tisch quittierten ihren kleinen Liebesakt jedoch mit Ihhhs und Uahhhs.
„Louis!", erwiderte sie mit scharfer Stimme, doch ihre Wangen verfärbten sich trotz alledem rötlich, bevor sie durchatmete und die weiteren Namen nannte: „Und Flora, Charles und Aliénor kommen selbstverständlich ebenfalls mit."
„Das ist wundervoll!", bemerkte die Italienerin zufrieden. „Ich wollte schon immer einmal Versailles besuchen." Ihr Ehemann stimmte ihr ebenso träumerisch zu.
„Und was ist mit dir, ma fille?", fragte Papa besorgt an mich gewandt, da ich noch gar nichts gesagt hatte. „Doch, natürlich, klar", entgegnete ich lächelnd. „Ich habe sie nur schon so lange nicht mehr gesehen, dass ich es gerade kaum glauben kann, sie wieder in die Arme zu schließen."
Tatsächlich schlug mein Herz schon vor Aufregung, bei dem Gedanken daran, Brienne endlich wiederzusehen. Ich liebte sie, und unsere Beziehung war immer unglaublich innig gewesen. Zwar bedeutete unser Wiedersehen auch, erneut in der Spießer-Behausung - wie sie Papa nannte - übernachten und die Strenge des Hofes achten musste, aber so wie ich mir keine großen Sorgen darum machte, machte ich sie mir auch nicht, was meinen Schwager anging.
Zwischen Louis-Antoine und mir war es vorbei. Es war schön gewesen, ihn in dieser Nacht zu lieben, gemeinsame Zukunft hätte jedoch bloß Probleme mit sich gebracht.
Sowieso hegte ich so gut wie keine Gefühle mehr für ihn. Mir würde es nicht ausmachen, die beiden als Pärchen zu sehen, und mich mit ihm zu unterhalten.
Da war ich mir sicher.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → (Das ist) mir egal
( ma fille ) → Meine Tochter / Mein Mädchen
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