Kapitel 34 ❀ un cœur brisé
ALIÉNOR
Er war tot.
Heiße Tränen kullerten über meine Wangen, kaum, dass ich in meinem Bett aufgewacht war und mich an jedes Wort, was in dem Brief stand, haargenau erinnert hatte.
Rafael war tot. Alles Leben war aus ihm gewichen, nachdem er verfolgt, aufgespürt und grausam niedergemetzelt worden war. Die Worte des Schreibens hatten sich in mein Gehirn eingebrannt.
Es konnte - es durfte nicht wahr sein. Mein Magen schien sich umzudrehen, wenn ich daran dachte, wie sie ihn umgebracht und Leid zugefügt haben mussten. Eine gähnende Leere machte sich in mir breit, während mir zeitgleich schlecht wurde.
Keuchend setzte ich erneut zum Weinen an und vergrub mein Gesicht in meiner Bettdecke.
Wieso er? Wieso ausgerechnet er?
„Rafael", schrie ich mit heiserer Stimme und erneut überkam mich eine Welle von Traurigkeit, als ich an sein Lächeln, seine leidenschaftliche und zugleich liebevolle Art, seine Stimme dachte.
Niemals wieder würde ich das mehr zu Gesicht bekommen, niemals wieder wieder würde ich in seinen Armen liegen und mit ihm reden können.
Die Erkenntnis überkam mich wie eine Flut.
Es war, als hätte ich erst jetzt bemerkt, wie sehr ich ihn eigentlich liebte. Wir hätten uns ein so wundervolles Leben aufbauen können. Ich hätte für uns kämpfen müssen... für unsere Freiheit und Liebe. Stattdessen stieg ich in das Bett des Verlobten meiner Schwester.
Ich war mir sicher, dass meinen Leidensschrei das ganze Schloss mitbekommen haben musste; doch das war mir egal. Er war fort. Achtlos in irgendeinen Misthaufen geworfen worden, währenddessen ich mich vor Lust unter Louis-Antoine gewölbt hatte.
Ich glaubte stets, ich sei etwas besseres, und doch verdiente ich Simón keineswegs. Und nun hatte ich ihn wahrscheinlich noch in den Tod gestürzt...
„Aliénor, ma belle", vernahm ich die sanfte Stimme meiner Mutter, die zugleich ihr Buch zur Seite legte und ihre Hand mit der meinen umschloss.
„Maman... ich... er-", begann ich stotternd und blickte nun auch zu meinem Vater, der mit einem betrübten Ausdruck im Gesicht hinter seiner Gattin aufgetaucht war. Sie beiden waren mir nah, jedoch erschien es mir, als wären sie Meilen von mir entfernt.
„Shhh..." Sanft strich sie mir eine Strähne aus dem Gesicht. Schweißperlen hatten sich auf meiner Stirn gebildet, und ich glaubte, aufgrund meiner Aufregung noch gleich einem Fieber zu erliegen.
Meine Augen schnellten durch den Raum, sodass ich ebenso Tante Marie-Thérèse und Louis-Antoine im Hintergrund bemerkte. Meine Fingernägel bohrten sich in das Lacken meines Himmelbettes.
„Maman... Papa..." Ich riss meine Augen auf, ehe ich zu den beiden hinüber nickte, um ihnen zu signalisieren, dass ich sie nicht sehen wollte. Gerade die Madame würde mich doch bloß niedermachen; den Kaiser konnte ich nicht mehr ansehen.
„Die Madame war schon ganz krank vor Sorge. Sogar der Kaiser hat seine Arbeit unterbrochen, als er davon hörte, dass du zusammengebrochen seist", erklärte mir meine Mutter mit sanfter Stimme und ich erkannte an ihren Augen, wie viel Mitleid sie mir entgegenbrachte.
LOUIS - ANTOINE
Aliénor so schwach und am Ende ihrer Kräfte zu sehen, brach mir förmlich mein Herz. Wie sehr ich sie auch wollte, hätte ich niemals gewollt, dass ihr Freund auf diese Art und Weise seine Augen schließen musste. Ich selbst bedauerte seinen Tod zutiefst. Er war mir ein guter Soldat, Diplomat und freundlicher Kumpane gewesen.
Ihr Blick traf den meinen, ehe sie hilflos zu ihren Eltern hinauf sah, um mit ihnen zu sprechen. Ich erkannte selbst von meiner Position aus, dass ihre Augen geschwollen waren und buchstäblich unter Wasser standen.
„Du wusstest von dieser Affäre, non?", sprach meine Mutter leise zu mir, sodass Aliénor und ihre Eltern es nicht hören konnte. Dabei unterdrückte sie jedoch nicht die Abneigung, die sie dieser Tatsache entgegenbrachte, in ihrer Stimme. Allgemein sah ich nicht ein Fünkchen von Mitleid in ihren Augen, was mich - obwohl ich es mir doch hätte denken können - stark schockierte.
Aliénor gehörte schließlich zur Familie, und auch, wenn sie ihre Beziehung nicht guthieß, musste sie doch wenigstens nachvollziehen können, dass sie durch den Verlust eines geliebten Menschen vollkommen traumatisiert sein musste.
„Er lebt nicht mehr, Mutter. Niemand wird davon je erfahren. Weshalb schenken Sie ihr nicht zumindest jetzt etwas Mitleid? Ihr Ansehen ist unbefleckt, was wollen Sie mehr?"
„Unbefleckt?", wiederholte sie entrüstet. „Das wüsste ich aber. Sie ist ein naives Kleinkind. Sie kann gar nicht wissen, was Liebe ist. Ich kann dich nicht verstehen. Habe ich dir nicht gelehrt, auch in manchen Situationen hart durchgreifen zu müssen? Weshalb hast du diese Beziehung durchgehen lassen?"
„Für meine Gemahlin", erwiderte ich stumpf, während mein Blick nach wie vor auf Aliénor gerichtet war, die mit ihren Eltern und ihrem Leid zu ringen schien, dass ich glaubte, jeder müsse hören können, wie mein Herz zerbrach.
Dies war mein Beweis dafür, dass ich niemals für sie den Mann verkörpern konnte, der Álvarez für sie gewesen war. Obwohl er von uns gegangen war, hatte er gewonnen.
„Und wer soll das sein?", fauchte sie leise. Ich blickte zu ihr hinunter. „Es ist Marie Brienne", antwortete ich daraufhin und sah anschließend zur bemalten Decke, die ein Meer aus Blumen zeigte. „Wer sollte es sonst sein?"
„Aber... ich will nicht...", hörte ich Aliénor nun etwas lauter hervor pressen, und ich sah, wie sie flehend und erzürnt zugleich ihre Eltern anblickte. „Alle sollen mich in Ruhe lassen!"
Schweigend sah ich zu, wie Marie-Louise von Österreich und Louis II. von Savoyen-Piemont sich leise zankten, ehe Aliénors Vater die Oberhand ergriff. Er wandte sich zu uns beiden, sprach mit fester Stimme: „Ich bedauere, Euer Majestät... Eure kaiserliche Hoheit... meine Tochter ist geschwächt. Sie will allein sein."
„Aber wir können diese Angelegenheit-", sagte meine Mutter empört, bevor ich sie unterbrach: „Madame und ich werden uns zurückziehen. Wir verstehen selbstverständlich die Wünsche der Prinzessin."
Ich deutete eine Verbeugung erst in die Richtung des Herzogs und dann in Aliénors an, bevor ich mich zu meiner nach wie vor entsetzten Mutter wandte.
Dessen Lippen hatten sich zu einem schmalen Strich verzogen. Anschließend klappte sie ihren Fächer zusammen und schritt erhobenen Hauptes davon.
Ein letztes Mal drehte ich mich zu der Familie. „Falls Ihr einen Arzt benötigt, Cousine, steht Euch mein Hofarzt augenblicklich zur Verfügung", sprach ich zu ihr. Diese sah mich bloß gekränkt an, nickte erschöpft und sah dann fort.
„Ich werde Euch niemals verzeihen", keuchte sie schließlich hervor. Entgeistert blickte das Herzogspaar seine Tochter an und ich merkte, wie ein mulmiges Gefühl in mir aufstieg.
Zu allem Überfluss konnte ich sie nicht fragen, weshalb sie so eine Einstellung zu mir hegte.
Glaubte sie, ich hätte ihn absichtlich nach Spanien geschickt, obwohl mir die Gefahr bewusst war? Glaubte sie, ich hätte ihn ermorden lassen? Unterstellte sie mir tatsächlich den Mord an ihrem Geliebten - auch wenn dies nur indirekt der Fall sein sollte?
„Aber, Aliénor..." Selbst der Herzog war erschüttert über diese Aussage; doch ich konnte dazu nichts erwidern.
Was hatte ich auch erwartet? Dass sie mir um den Hals fallen und mich heiraten wollen würde? Sie war am Boden zerstört, geschwächt und hasste mich.
So wandte ich mich schließlich von ihr ab und verließ ihr Gästezimmer.
~*~
ALIÉNOR
Über den Tag lag ich nur noch im Bett. Der Hofarzt hatte mir angeordnet, dass ich mich auszuruhen hatte. Ich war durch Fieber, Schwindel und Übelkeit ans Bett gefesselt, doch um ehrlich zu sein, auch sehr froh darüber.
Bis auf Brienne hatte ich niemanden zu mir vorgelassen. Mir war es schwer gefallen, meiner älteren Schwester in die Augen zu sehen. „Wenigstens bist du glücklich" hatte ich zuletzt zu ihr gesagt und hatte sie in eine lange Umarmung gezogen. Tatsächlich war das die Hauptsache.
Meine Schwester war trotz ihrer strengen Art ein herzensguter Mensch und verdiente es nicht, ihren Traum nicht Wirklichkeit werden zu lassen.
Es war mir unbekannt, ob ich noch einmal vor meiner Abreise nach Hause mit Louis-Antoine sprechen würde. Ich hielt es jedoch für notwendig - aber nur, um ihm zu sagen, dass unsere gemeinsame Nacht niemals ans Licht kommen sollte. Hingegen aber fürchtete ich mich auch, meiner Gefühle gar nicht mehr Herr sein zu können, und nachher noch über ihn voller Zorn herzufallen.
Denn wenn ich nur an Rafaels Berührungen und dieses Gefühl dachte, was ich nur in seiner Gegenwart verspürte, stieg dieser Zorn in mir auf. Seine letzten Worte hörte ich immer noch in meinen Ohren. Sie ließen mich immer und immer wieder aufschluchzen.
Sein Tod hatte mir so sehr zugesetzt, dass ich glaubte, nie wieder glücklich werden zu können. Mein Herz war gebrochen und niemand würde es je wieder heilen können.
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Ein gebrochenes Herz
( ma belle ) → Meine Schöne
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