Kapitel 32 ❀ encore des roses
MARIE BRIENNE
Es war ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass der Boden unter den eigenen Füßen nicht knarzen und man somit keine verdächtigten Geräusche verursachen konnte. In meinem neuen Zuhause sollte sowieso schon bald jeder Raum nur noch mit hochwertigen Fliesen ausgelegt sein. Der Palast von Versailles war die Definition von Ästhetik, Ordnung, Kunst und Reichtum.
Ich konnte den Erfolg und mein Ansehen schon beinahe riechen. Zwar hatte mich es mein Herz und meine Familie gekostet zu gehen, doch dafür würde ich nicht so wie jede andere Prinzessin vergessen werden. Als Kaiserin vergisst niemand die eigene Person.
Selbstverständlich würde ich mich aus der Politik heraushalten, Louis-Antoine machen lassen und ihm Kinder gebären, um eine vorbildliche Ehefrau zu sein.
Aufmerksam blickte ich um die Ecke, um mich zu vergewissern, dass mich auch auf meinen letzten Schritten zu meinem Gemach gar niemand erwischte, wie ich mich um halb 4 morgens in den Gängen aufhielt.
Das Licht des Mondes warf einen langen Schatten durch die großen Fenster und erleuchtete somit auch meine Wenigkeit, als ich vorsichtig die Türklinke hinunter drückte, um durch den Nebeneingang mein Gästezimmer zu betreten.
Erleichtert atmete ich auf, als ich die Tür sicher wieder hinter mir geschlossen hatte, um gleich darauf vor Schreck zusammenzufahren.
Meine Mutter saß mit verschränkten Armen in einem kleinen Sessel nicht weit von mir. Schluckend presste ich die Lippen aufeinander, ehe ich wieder begann, Haltung zu bewahren.
„Es gibt nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest", begann ich schließlich und nachdem Maman mich ohne jede Begeisterung angeschaut hatte.
Ich befreite mich aus meinem Morgenmantel und legte ihn über ein Tischchen, sodass irgendeine Bedienstete ihn später aufhängen konnte. Darunter trug ich noch mein Festtagskleid zur Feier meiner Verlobung.
„Was wolltest du dann im Dienertrakt?", säuselte sie eher ängstlich, als vorwurfsvoll, sodass ich meinen Blick erneut auf sie richtete.
„Wie kommst du darauf, dass ich im Dienertrakt war?", wollte ich wissen, bevor ich begann ,mich aus meinem Oberkleid zu schälen. Da ich das allein jedoch nie so gut hinbekommen hatte wie meine jüngere Schwester, stand Maman schon automatisch auf, um es mir zu öffnen.
„Ich habe dich aus dem Fenster beobachtet. Deine hellblonden Haare sind so unverkennbar wie meine und Aliénors. Jedoch trug sie gestern ein blutrotes Kleid, welches ich sicherlich im Licht der Laterne, die du trugst, erkannt hätte", erwiderte sie und hatte mich einige Sekunden später aus dem Fetzen befreit, sodass sie sich an mein Korsett machen konnte.
„Es war nichts", entgegnete ich abweisend. „Nichts, worüber du dir irgendwelche Gedanken machen müsstest. Ich habe mich bloß von jemandem verabschiedet."
Ich ignorierte den Schmerz in meinem Herzen und befreite meine Haare eigenständig von all den mit hellblauen Edelsteinen besetzten Spangen und Sternen.
~*~
LOUIS - ANTOINE
Es war früh am Morgen, als ich meine Augen aufschlug. Mein Arm war immer noch um meine Cousine geschlungen, dessen hellblonde, feine Strähnen an ihrer Stirn klebten. Ihr Mund war leicht geöffnet und sie atmete entspannt aus. Ich musste schmunzeln. Selbst mit den unordentlichsten Haaren Frankreichs würde sie nach wie vor das hübscheste Mädchen, das mir je begegnet war, verkörpern.
Normalerweise hätte ich wie immer nach dem Aufwachen die Federdecke zurückgeworfen, um mich zu recken und auf die Fensterbank zu stützen. Als ich jedoch bemerkte, wie ihre Lider ebenso aufflatterten, schloss ich meine Augen wieder, sodass sie nicht merkte, dass ich sie beobachtete.
Ein niedliches Gähnen vernahmen meine Ohren und nach einer Stille, in der ich hätte schwören können, dass ihre Augen auf mir gelegen haben mussten, verließ ein Seufzer ihre Lippen.
Ich spürte, wie sie meinen Arm von sich fort drückte und sich erhob, sodass ich mir erlaubte, einmal kurz ihre in meinen Augen makellose Hinterseite anzusehen. Sie begab sich in Richtung des Fensters, um so den Palastgarten zu inspizieren.
Ihr Blick fiel auf rote Rosen, die in einer Vase auf dem Fensterbrett aus Marmor standen und sie strich nachdenklich mit ihren schmalen Fingern über die Blütenblätter.
Anschließend sah sie an ihrem nackten Körper hinunter. Erleichtert, dass sie immer noch nicht bemerkt haben zu schien, dass ich schon längst wach war, entdeckte ich jedoch auch, wie unglücklich sie aussah. Wenn nicht, hätte ich gesagt, dass ihre Augen sogar etwas Angst und Enttäuschung widerspiegelten.
Ihre Lippen bebten etwas, jedoch verließ diese kein Wort.
Anschließend war sie mit einigen Schritten im Bad angekommen und schloss sich dort ein. Erst jetzt konnte ich mich aufsetzen.
Sie schien eindeutig nicht erfreut über ihre letzte Nacht zu sein. Theoretisch hätte ich dies jedoch auch wissen müssen. Es schien mir das beste zu sein, ihr etwas Zeit für sich zu lassen. So stieg ich aus dem Himmelbett, ehe ich meine Kleidungsstücke einsammelte und mir das nötigste überzog. Mit einem letzten Blick in Richtung des Badezimmers verschwand ich dann letztendlich aus ihrem Gemach.
~*~
ALIÉNOR
Meine Finger strichen behutsam über die dunkelroten Blütenblätter der Rosen, die im Garten der Kaiserfamilie blühten und ich seufzte. Den ganzen Tag lang war ich hier draußen gewesen und hatte nur das nötigste geredet.
Wie so oft, wenn ich Zeit brauchte, um nachzudenken, hielt ich mich in der Natur auf. Nur so konnte ich meine Gedanken ordnen.
Mir war nicht bekannt, was Louis-Antoine wohl geglaubt haben musste, als er sich allein in meinem Bett wiedergefunden hatte. Normalerweise verließ man ja auch nicht das eigene Bett, während der fremde Bettgenosse neben einem verweilte.
Doch nachdem ich mich einige Zeit im Spiegel angestarrt hatte und schließlich aus dem Bad fertig frisiert gekommen war, war er fort gewesen. Selbstverständlich schob ich ihm keinerlei Schuld in die Schuhe. Ich war glücklich - irgendwie, auch wenn dieser Charakterzug nicht zu mir passte.
Den Gedanke, zwei Personen, die ich liebte, zu verletzen, indem ich mich der Lust hingab, hätte ich vor einigen Tagen wahrscheinlich noch lauthals lachend von mir abgewiesen. Prinzessin Aliénor tat so etwas nicht. Sie legte Wert auf Ehrlichkeit - sollte sie zu Louis-Antoine dann nicht auch versuchen ehrlich zu sein?
Ich fühlte mich nicht wie eine Dirne oder Ähnliches. Schließlich hatte ich es selbst gewollt, selbst bestimmt und mich ihm nicht unterworfen. Doch... passte etwas nicht zusammen. Diese Situation konnte so nicht in diese Welt, in der wir lebten, passen.
„Salut."
Ich zuckte zusammen und drehte mich von den zierlichen Pflanzen fort, um geradewegs dem Kaiser von Frankreich in die Augen zu sehen. Er stand gegen eine graue Marmorsäule gelehnt und zog ohne zu Lächeln seinen rechten Mundwinkel in die Höhe.
Ich hatte ihn seit dem Mittagsmahl nicht mehr angetroffen. Dort hatten wir uns kurzzeitig angesehen, ein Hauch eines Lächelns hatte sogar auf unseren Lippen gelegen.
„Was macht Ihr hier?", fragte ich bloß stumpf, auf seine informale Anrede nicht eingehend. Wir sollten uns nicht länger daran gewöhnen, uns zu duzen. Ich trat einen Schritt von den roten Blumen zurück und wandte meinen Blick ab, als würde ich mich schämen. Dabei gab es keinen Grund dafür.
„Ich... habe Euch von meinem Büro aus gesehen, und gemerkt, dass Ihr schon so lange hier verweiltet. Und ich hoffte auf ein Gespräch mit Euch", erklärte er, selbst wohl etwas nervös, obwohl er versuchte, Blickkontakt mit mir aufzubauen.
„Ihr solltet Eure Zeit nicht so viel mit mir verplempern. Brienne erzählte schon oft, wie wenig Zeit Ihr habt", säuselte ich nachdenklich, meinen Blick erneut auf die Rosen gerichtet, die so unbeschwert gen Sonne blühten.
„Es ist wahr, dass es etwas sehr rares für mich ist... aber ich habe immer etwas freie Zeit... für Euch zumindest", fügte er etwas schneller seine letzten drei Worte hinzu, doch ich seufzte bloß verbittert leise auf. Seine Worte taten mir gut und lasteten zugleich auf mir.
„Darf ich Euch eine Frage stellen?", entgegnete ich plötzlich und sah ihn direkt an. „Eine Frage bloß... und Ihr dürft mir eine stellen." Ein trauriges Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, als er zu seinen Füßen hinabsah. „Ich hätte genau eine Frage an Euch, aber ich denke, es ist mir unmöglich, sie zu stellen."
Als er dies sagte, konnte ich mir schon in etwa denken, wie die Frage lauten würde. Sie wäre so ähnlich wie die meine. Jedoch fürchtete ich mich davor, sie zu beantworten. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich sie trotzdem gestellt bekommen würde.
„So stellt sie mir. Scheut Euch nicht."
Er musterte mich, als glaubte er, sich verhört zu haben. Innerlich schien er wohl abzuwägen, ob er es wirklich tun sollte. Dabei war seine Frage doch berechtigt, wenn er mir seine Liebe gestand, ich aber stumm blieb.
Räuspernd stellte er sich aufrecht hin. „Dann möchte ich sie Euch stellen... nur bitte ich Euch, ehrlich zu mir zu sein." Ich nickte, obwohl ich merkte, dass mir flau im Magen wurde. Ihr müsst ehrlich miteinander sein, sagte ich mir. Lügen haben euch zwei nicht weitergebracht.
„Gut...", begann er und atmete tief ein, ehe er mich fest ansah. „Könntet Ihr Euch vorstellen, an meiner Seite zu leben? Und das nicht als meine heimliche Partnerin, sondern als meine Gemahlin... als die zukünftige Kaiserin von Frankreich."
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Schon wieder Rosen
( Salut ) → Hallo [unter Freunden]
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