Kapitel 26 ❀ dans le château


ALIÉNOR

„Ihr schon wieder", stellte ich leise fest, damit uns die ein paar Meter von uns entfernten Soldaten nicht hören konnten. Louis-Antoine musterte mich etwas, sah sich ebenso um und kam daraufhin auf mich zu. Mit verschränkten Armen ließ ich zu, dass er mir wieder so nahe kam. Jedoch nur, um ihm zu kennzeichnen, dass mir diese Nähe nichts ausmachte, und dass er meine Gefühle nicht in der Art, in der er sie gerne hätte, beeinflussen konnte.

„Ich habe Euch bereits erklärt, was meine Absichten sind", sagte ich mit fester Stimme und funkelte ihn an, obwohl mir mein Herz fast bis zum Hals pochte. „Ihr seid für mich nur ein Verwandter - mehr nicht."

„Ihr habt mir Eure Einstellung zu mir bereits unterbreitet, also weiß ich über sie Bescheid", entgegnete er, doch ich konnte in seinem Blick erkennen, dass ihm meine Aussage erneut einen Stich ins Herz versetzen musste. „Ich wollte bloß nach Euch sehen. Vielleicht benötigt Ihr Hilfe oder jemanden, der die Wasserkörbe trägt."

Ich presste die Lippen aufeinander. Unwissend, ob ich ihm glauben sollte oder nicht, reagierte ich auf seine letzten Worte eher weniger erfreut: „Ich denke nicht, dass der Kaiser von Frankreich so etwas tun sollte. Und ich denke ebenso nicht, dass Ihr es auch wirklich tun wollt. Versucht nicht ständig, mich in Gespräche zu verwickeln."

Ich hob den schweren Korb an und platzierte ihn an meiner Taille, während ich ihn mit meinem linken Arm daran drückte. „Zudem habe ich auch genug Kraft, ihn selbst zu tragen. Ich brauche keine Hilfe, Dankeschön."



LOUIS - ANTOINE

Mit diesen Worten hob sie ihr Kinn an und machte sich auf, zu gehen. „Ich weiß ganz genau, wie Ihr empfindet", rief ich ihr hinterher, ohne jedoch draufgängerisch dabei zu klingen. Meine Stimmlage war ruhig und selbstsicher, und es war mir in diesem Moment egal, ob irgendwelche Soldaten meine Worte hören konnten. Meiner Meinung nach lag ich in Recht, konnte es ihr wiederum aber nicht verübeln, sich selbst nicht sicher zu sein.

„Ich bin nicht nur Euer Cousin oder der Verlobte Eurer Schwester für Euch. Also braucht Ihr nicht länger so grob zu mir sein."

Sie hielt kurz inne und wandte ihren Blick erneut zu mir, entschied sich dann aber doch, einfach weiter zu gehen. Ehe ich es mir versah, war sie hinter der Kutsche verschwunden.
Seufzend schloss ich meine Augen und lehnte meinen Kopf etwas verärgert gegen die Kutschwand. Ich hatte ihr Gesichtsausdruck nicht erkennen können.

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Nach weiteren vier Stunden kamen unsere Kutschen in Versailles an. Es ruckelte kurz, als Marie Briennes und meine Kutsche über die Pflastersteine durch das Eingangstor des Palastes, der schon seit über zweihundert Jahren in dem Besitz meiner Familie, dem Haus Bourbon war, fuhren.
Schmunzelnd beobachtete ich, wie meine Cousine neben mir entzückt ihr baldiges neues Zuhause betrachtete.

Sie war eigentlich eine nette und hübsche Persönlichkeit, wenn sie auch etwas langweilig und kühl war.

Doch ich wusste nicht, wie ich ihr erklären sollte, dass ich sie einfach nicht heiraten konnte. Auch vor der Reaktion meiner Mutter fürchte ich mich um ehrlich zu sein etwas, da ich ihren Ratschlägen noch nie widersprochen hatte.
Jedoch ging es in diesem Fall immer noch meine zukünftige Frau und somit sollte ich, der nebenbei noch der mächtigste Mann im Land war, doch schließlich entscheiden können, wen ich heiraten würde.

Zwingen wollte ich Aliénor ebenso aber auch nicht. Sie liebte ihrer Schwester und auch mir war bewusst, dass es für die beiden einen Bruch bedeuten würde, wenn ich plötzlich die jüngere Schwester heiraten wollte. Ebenso begehrte sie höchstwahrscheinlich immer noch meinen Soldaten.

Eifersüchtig beobachtete ich später, nachdem wir alle bereits meinen Palast betreten hatten, wie Aliénor ebenfalls begeistert von den unendlich erscheinenden Gängen, den riesengroßen Fenstern und der teuren, prachtvoll ausgestatteten Sälen, sich ständig in der Nähe von dem Soldat Álvarez aufhielt.

Ich hatte bereits überlegt, ihre Eltern darüber zu unterrichten, mit wem ihre Tochter heimlich eine Beziehung führte.
Doch kam es mir gleichzeitig als eine Art Verrat vor, mich noch weiter in ihre Angelegenheiten einzumischen. Zudem hatte ich mich bereits sehr unbeliebt bei ihr gemacht. Möglicherweise kam es ihr auch irgendwann in den Sinn, dass es besser für sie beide war, wenn sie es schnellstmöglich beendeten.

Irgendwann musste ich mich nämlich gezwungen sehen, etwas dagegen zu unternehmen. Nicht alle Gesetze lagen in meiner Hand, und ich konnte auch nicht eine Ausnahme machen, weil sie meine Cousine war.



ALIÉNOR

Versailles war wie ein wahr gewordener Traum.
Der Palast war so groß, dass unser kleines Schloss bestimmt vierzig Mal hineingepasst hätte. Später, als ich in meinem mir zugeordneten Zimmer angekommen war, staunte ich auch hier nicht schlecht. Die Möblierung und Dekoration bestand aus den luxuriösesten und seltensten Stoffen, Hölzern und Kostbarkeiten. An den Kunstwerke hier hätte ich mich sicherlich jahrelang sattsehen können.

Jedoch war nicht nur der ganze Prunk für mich ausschlaggebend, sondern auch die Geschichte, die dieser Ort prägte. Wie viel war hier geschehen... Bälle, Attentate und Geburten berühmter Menschen hatten in diesen Mauern stattgefunden. Liebende hatten sich hier gefunden - waren hier auseinander gegangen.

Meine erste Trauer aufgrund der Abreise schien verflogen. Tatsächlich glaubte ich, dass sich alles wieder zum Guten wenden könnte.

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Die Sonne war bereits untergegangen und nach dem späten Abendessen, bei dem es die teuersten Delikatessen Europas gegeben hatte, hatte ich mich in mein Gästezimmer zurückgezogen.

Seufzend betrat ich den großen Balkon und betrachtete den großen, wenn auch kahlen Garten des Palastes, auf den ich glücklicherweise einen Ausblick hatte. Meine Gedanken schweiften zurück zu Louis-Antoines Worten, die mich erst viel beschäftigt hatten, bevor ich mich dazu gezwungen hatte, sie zu vergessen.

Es war besser für alle, allgemein alles zu vergessen.

Ich nickte langsam, als ich mir diesen Satz immer wieder durch den Kopf gehen ließ. Es klopfte an meiner Tür. Lächelnd stellte ich fest, dass es sich um Rafael handelte, der ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, die Tür schloss und mich umarmte. „Guten Abend, Aliénor. Du hast mir gefehlt."

„Aber wir waren doch die ganze Zeit zusammen", kicherte ich und drückte ihn sanft von mir weg, nachdem wir unsere Lippen miteinander versiegelt hatten, damit ich ihm in die Augen sehen konnte.

„Du erschienst mir immer so abwesend", teilte er mir seufzend mit. „Aber nun habe ich das Gefühl, dass du glücklicher bist. Ich wünschte, wir beide könnten bis an unser Lebensende zusammen sein."

„Warum sagst du das denn?", wollte ich lachend von ihm wissen, verstummte dann aber mit der Zeit, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Möglicherweise bekam er die Andeutungen des Kaisers nicht mehr aus seinen Gedanken, und ihm war immer mehr bewusst geworden, dass wir nicht ewig zusammen sein konnten.

In diesem Moment tat er mir einfach nur leid. Er verdiente es nicht, dass ich zu einem anderen Mann hingezogen fühlte. Und dabei trug er mich auf Händen und konnte mir so viel geben: Leidenschaft, Freiheit, Spaß am Leben.

„Lass uns nicht daran denken", hauchte ich liebevoll und sah ihn aufmunternd an. „Wir haben uns zwei in diesem Moment und das ist das wichtigste, n'est-ce pas?"

Wir leben im Jetzt - wir denken nicht an morgen", zitierte er die Worte, die er mir damals immer ins Ohr geflüstert hatte, wenn ich Angst hatte, man könne uns erwischen. Doch trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ihn diese Tatsache nicht mehr länger beruhigte.

Er schlang seine Arme um meinen Körper, ehe ich meinen meinen Kopf auf seine Schulter legte. Die Sterne funkelten über unseren Köpfen und wir lauschten dem Plätschern des großen Springbrunnens, der in der Mitte der Anlage stand.

Nach einiger Zeit, in der wir beide die Nähe des jeweils anderen genossen hatten, ergriff Rafael das Wort:
„Es gibt noch etwas, was ich dir sagen muss."






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Übersetzungen

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( TITEL ) Im Schloss

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