Kapitel 06 ❀ comte de grado
LOUIS - ANTOINE
„Gibt es ein Problem?", fragte mich die blonde Schönheit vor mir höflich und musterte mich darauf. Ich brauchte etwas, um aus meiner Starre, die aufgrund der tausend Gedanken, die durch meinen Kopf gejagten, entstanden war.
„Nein, nein", erwiderte ich und verbeugte mich erneut. „Ich habe jetzt erst realisiert, dass ich eine Prinzessin des höchstes Adels angesprochen habe, es tut mir aufrichtig leid, falls ich Euch belästigt habe, Hoheit."
Da es sich nun schon um die dritte Entschuldigung handelte, die ich ihr gegenüber ausgesprochen hatte, legte sie kopfschüttelnd den Kopf schief und lächelte: „Ich glaube, ich muss Euch jetzt bei meinem Vater anklagen, Monsieur."
„Weil ich Euch belästigte?"
„Weil Sie sich schon so oft bei mir entschuldigt haben, obwohl ich Ihnen bereits sagte, dass ich Ihnen nicht böse bin", erwiderte sie und legte lachend den Kopf schief. Für einige Zeit sah ich sie fasziniert an, bevor ich langsam auch in ihr Gelächter, das so rein und ehrlich, aber keinesfalls nervtötend klang, einstieg.
Dass dieses Mädchen vor mir, tatsächlich meine Cousine Aliénor verkörperte, hatte mich ziemlich überrascht. Sie war damals noch so klein und unscheinbar gewesen. Und nun war sie zu einer wahren Schönheit geworden.
Doch abgesehen von ihrer Aufmachung existierte doch noch etwas, was mich so zu ihr zog. Ich hatte erst einige Worte mit ihr gesprochen und schon sah ich die Eigenschaften an ihr, die ich wohl bei keiner Prinzessin ihres Standes finden konnte: Ehrlichkeit, Natürlichkeit, Mut und Eigenständigkeit.
Doch wie sollte ich mich vorstellen? Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich der Kaiser war, und mich erst gefreut hatte, dass Louis II. ihr Vater war, da ich sie für einen kurzen Moment für ihre ältere Schwester gehalten hatte und glücklich gewesen war, mich mit einem Mädchen zu verloben, dass mir auf den ersten Blick zusagte.
Doch sie war nunmal nicht die Frau, die mich in Valençay erwarten würde. Vielleicht war es besser, ihr erstmal nicht die Wahrheit zu sagen.
Schließlich fand ich sie äußerst reizend und wollte nicht, dass sie mich für das aufgeblasenes Muttersöhnen hielt, für das mich alle hielten.
Sobald wir uns wiedersahen, würde sie eh wissen, wer ich war. Und wie ich sie einschätzte, würde sie sie meine kleine Lüge auch nicht als schlimm betrachten.
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„Ich bin Comte Lorenzo de Grado", erwiderte ich schließlich und hoffte, dass es nicht allzu ungläubig klang.
„Ich will nicht unhöflich sein, aber ich glaube, noch nie davon gehört zu haben", entgegnete sie nach kurzer Stille und fragte interessiert: „Wo liegt denn Grado?"
„Grado liegt östlich von... der Toskana in Ostitalien, Eure Hoheit. Ich bin zur Feier Ihrer Schwester, der Prinzessin Marie Brienne hier", antwortete ich, ehe ich kurz über die Mähne meines Pferdes strich.
„Ach, Ihr seid auch morgen Abend auf dem Ball?", fragte sie und ihre hellblauen Augen sahen mich überrascht an, sodass mir ganz unbehaglich wurde. Wie konnte man nur so vollkommen aussehen? Ich sollte wirklich nicht so lange ihre Erscheinung studieren... schließlich war sie doch erst 16 Jahre in etwa alt.
„So ist es, Euer Hoheit", beantwortete ich ihre Frage. „Das freut mich aber", lächelte sie, ehe sie kurz inne hielt und sich die Hand vor den Mund schlug.
„Alles in Ordnung, Prinzessin?", wollte ich besorgt wissen und ritt etwas näher an sie heran. „Geht es Euch nicht gut?"
„Nein, mir geht es gut, Monsieur. Nur ist mir aufgefallen, dass ich viel zu lange schon fort bin. Nicht, dass meine Familie sich noch Sorgen macht...", erwiderte sie hektisch und seufzte. „Es tut mir leid. Ich muss jetzt zurück zum Schloss."
Ich bemerkte, dass ich unruhig wurde. Sie wollte fort? Mir kam es zwei zwei Minuten vor, in denen wir uns unterhalten hatten. „Wartet, Prinzessin!", rief ich, als sie schon die Zügel ihres Schimmels fasste. „Wann kann ich Euch wieder sehen?"
„Morgen Abend, auf dem Ball", erwiderte sie, ehe sich ihr Pferd aufbäumte, um los zu galoppieren.
„Nicht früher?", rief ich ihr leicht verzweifelt nach, unwissend warum ich das überhaupt tat, worauf sie stoppte und mir einen Blick über die Schulter zu warf. Einige hellblonden Strähnen wehten in ihr makelloses Gesicht und ich atmete tief durch, sodass ich mich nicht in ihrem Blick verfang. „Hättet Ihr nicht Lust auf einen kleinen Waldspaziergang mit mir, Hoheit?"
Sie schien gar nicht lange zu überlegen. „Natürlich, sehr gerne", meinte sie eifrig lächelnd, was mich ebenfalls lächeln ließ. „Dann heute Nachmittag, wieder genau hier?", fragte ich sie, ehe ich ebenfalls die Zügel in die Hand nahm. „Genau hier."
„Findet Ihr den Weg denn auch hierhin zurück?", rief ich ihr hinterher. „Sogar im Schlaf würde ich ihn wiederfinden", meinte meine Cousine, bevor sie zum Abschied winkend hinter dem nächsten Baum verschwand.
~*~
ALIÉNOR
„Du hast dich mit einem dir unbekannten Mann unterhalten?", wiederholte Brienne entsetzt, nachdem ich mich wieder zurück in mein Zimmer geschlichen hatte. „Erst verschwindest du von meiner Feier und dann triffst du dich mit einem Fremden, der wer-weiß-was vorgehabt haben könnte?"
„Genau und ich werde es wieder tun", meinte ich lächelnd und nahm schweren Ohrringe ab. „Du - was? Aliénor, du bist eine Prinzessin. Du kannst dich doch nicht einfach mit wildfremden Männern unterhalten und meinen Geburtstag sausen lassen!", seufzte sie.
„Er ist ja kein Fremder. Ich habe ihn ja schon kennengelernt. Zudem ist er ein Comte und unglaublich höflich", erwiderte ich schwärmerisch und ließ mich in meinen purpur Sessel fallen, ehe ich seufzte.
„Ein Comte? Ob das wohl stimmt...", meinte sie misstrauisch und strich sich eine Sträne hinters Ohr. „Aliénor, stell' dir vor, er ist gar kein Comte und gibt sich nur als einer aus."
„Natürlich ist er ein Comte. Er sah sehr gepflegt und gut aus, war freundlich und wusste von deiner Geburtstagsfeier. Außerdem kommt er morgen dorthin", erwiderte ich trotzig und verschwand im Bad um mir dieses unbequeme Kleid auszuziehen. Brienne, die immer noch krank war vor Sorge war, lief mir hinterher.
„Vielleicht hat er ja einen echten Comte überfallen, dessen Kleidung genommen und sie anschließend angezogen", meinte sie, als sie auch im Bad angekommen war.
„Genau, bestimmt", bemerkte ich seufzend. Sie machte sich einfach zu viele Sorgen. „Wer weiß? Ein Comte reitet einfach so durch den Wald... ohne Begleitung..."
„Tu' ich doch auch", entgegnete ich genervt zurück, während ich mich in mein Lieblingskleid, das rosafarbene mit den weißen Stickereien, zwängte.
„Ja, Aliénor, jedoch bist du ja auch noch ein Kind. Und wenn er ja aus Italien kommt, müsste er doch eigentlich mit Akzent gesprochen haben... zudem kann ich mich nicht erinnern, dass wir einen italienischen Grafen eingeladen haben...", überlegte sie laut.
Ich erstarrte. Er hatte keinen Akzent gehabt, als er Französisch sprach. Möglicherweise war er aber auch in Frankreich aufgewachsen und hatte die Grafschaft vor kurzem geerbt. Ich durfte gar nicht so viel nachdenken. Ich würde mich mit ihm treffen und Punkt. „Ach komm', Brienne."
„Aliénor, es tut mir leid, aber ich muss das Maman und Papa berichten. Sie werden so denken wie ich. Außerdem kannst du heute Nachmittag nicht weg. Der Kaiser kommt mit seiner Familie. Du musst dich fertig machen." Mit einem letzten ernsten Blick verschwand sie.
„Wo willst du hin?", fragte ich leicht verwirrt. „Ich werde dich einschließen."
„Du - wie bitte?", antwortete ich entsetzt und strauchelte ihr mit meinem halbangezogenem Kleid hinterher. „Du, kannst doch nicht-"
„Und wie ich das kann", erwiderte sie streng, bevor sie die Tür schloss. Ich hörte ein Klicken, das mir versicherte, dass sie es wirklich getan hatte. Sie hatte mich einfach eingeschlossen.
„Brienne, lass das! Bitte mach wieder auf!" Ich begann gegen die Tür zu hämmern. „Aliénor, es ist das beste für dich, ich meine es doch nur gut", seufzte sie und ich hörte, wie sie mit ihren hochhackigen Schuhen den Flur verließ.
Das konnte sie doch nicht machen! Diese Charakterzüge verstand ich wieder nicht bei meiner Schwester. Wie sehr ich sie doch liebte, konnte ich nicht nachvollziehen, warum sie mir das antat.
Hielt sie mich für so naiv, dass ich jemand traf, der sich suspekter nicht verhalten könnte?
Ein Blick auf meine silberfarbene Taschenuhr verriet mir, dass es schon in einer halben Stunde 14 Uhr war. Verzweifelt schaute ich mich um.
Ich musste hier raus, doch nur wie?
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Graf von Grado
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