Kapitel 25 ❀ injuste
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───── neutral observer ─────
Es war mitten in der Nacht. Kälte und Stille umgab den kaiserlichen Palast von Versailles, der am Wochenende um diese Uhrzeit sonst immer von dem üblichen Lichtern und Geräuschen der weltberühmten Feierlichkeiten schon von Weitem zu vernehmen war.
Die Nachricht, dass die Schwester der Kaiserin, die ehemalige Verlobte des Kaisers, aufgrund ihrer Krankheit nach Monaten der Qualen die Augen geschlossen hatte, war - wie schon damals die Nachricht von Frankreichs Niederlage vor etwa drei Wochen - wie ein Lauffeuer umgegangen. Schweigeminuten wurden eingelegt, Gebete ausgesprochen und Messen gehalten, auch wenn wenige ihren Tod überhaupt bedauerten.
Trotzdem gab es einige wenige Personen, die diese Nachricht selbst noch in dieser kalten Winternacht mehr mitnahm, als gedacht. Zwei von ihnen standen nebeneinander in der weitläufigen Gartenanlage von Versailles. Feine Fußspuren im Schnee verrieten, dass sie hier waren.
Stumm schauten sie in den Nachthimmel, der durch einige Sterne am Himmel beleuchtet wurde. Sie konnten ihren Atem vor ihren Gesichtern sehen und warteten auf die dritte Person im Bunde.
Leise schniefte die eine Gestalt und tupfte sich ihre Augen mit einem Spitzentaschentuch ab, woraufhin die andere zu ihr herabsah. „Dich nimmt ihr Tod immer noch täglich ziemlich viel mit, n'est-ce pas?"
Die kleinere Person gluckste auf. „Ziemlich viel? Nicht annähernd beschreibt dies meinen Schmerz."
Erneut schwiegen die beiden sich an, bis die dritte Person einige Minuten später endlich hinzustieß und das Warten auflöste. Es war nach wie vor bitterkalt, jedoch hielt dies die zwei Frauen und den einen Mann nicht davon ab, weiter in die Nacht zu sehen. Alle Drei waren in Schwarz gekleidet und hatten ansonsten in ihrem Alltag ebenso nichts miteinander zu tun.
Sn diesem weiteren Tag der Trauer hatten sie jedoch Eines gemeinsam: Ihre Herzen waren gebrochen und von Hass und Rachelust getränkt.
Ohne jegliche Begrüßung stellte sich die größere Frau neben den Mann und eröffnete die Konversation: „Ich wusste, dass ihr kommen würdet."
~*~
─── zwei
Tage später
ALIÉNOR
Stumm drückte ich den frischen Blumenstrauß, den ich mit meinen Händen umklammert hatte, an meine Lippen und legte ihn anschließend auf die kalte Steinplatte, bevor ich einen Schritt zurücktrat. Die hellblauen Tulpen schmückten den so kahlen Ort etwas und brachten Farbe in die farblose Stätte.
Louis-Antoine, der mir zugesehen hatte, zog mich in seine Arme, woraufhin ich leise begann zu weinen.
Nur einige Kerzen erleuchteten die kalte Gruft der savoyischen Herzogsfamilie. Hier lagen hunderte von Särgen meiner Verwandten väterlicherseits. Sie wurden hier in mehreren Räumen aufbewahrt, weshalb der ganze Ort in ein etwas grusliges Licht getaucht wurde.
„Es ist so ungerecht", krächzte ich hervor. Meine Stimme hallte leicht durch die Wände der Gruft wieder. „Sie war noch so jung... 22 Jahre alt wäre sie dieses Jahr geworden..."
„Ich weiß", stimmte mir Louis-Antoine sanft zu. „Niemand hat es verdient, an einer Krankheit zu sterben, gegen die man keine Chance hat zu überleben."
„Sie wirkte immer so kaltherzig, so emotionslos. Wenn sie lachte, schien sie nicht wirklich zu lachen... ihre Tränen wirkten nie echt zu sein, wenn etwas Trauriges geschah. A-Aber auch sie hatte ein Herz", sagte ich mit klarer Stimme und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Sie hat anders geliebt, als wir es kennen... s-sie war bloß so frustriert... wurde verlassen, ersetzt... sie hat so viel verloren... nicht zuletzt durch mich."
„Shhh", versuchte er mich zu beruhigen. „Ich weiß, was du mir sagen willst. Sie war eine zerrüttete Frau... ihr Körper und ihre Seele waren erschöpft, sodass sie leicht angreifbar für den Krebs war. Wir wussten alle, dass es geschehen würde."
Er deutete auf ihren Sarg, ehe ich erneut in seine warmen, braunen Augen, die mich traurig und doch irgendwie aufmunternd anschauten, blickte. „Ja, das wussten wir... trotz alledem habe ich nie aufgehört zu hoffen, nie aufgehört sie zu lieben..."
Erneut schniefte ich, legte meinen Kopf auf seine Schulter, ehe ich einen Seufzer ausstieß. „Ich wünschte, ich könnte ihr dies alles sagen... ich hätte sie viel öfter besuchen, mit ihr reden sollen... ich-"
„Jetzt hör' mir mal zu, Aliénor", fiel mir mein Gemahl mit ernster Stimme ins Wort und legte seine Hände auf meinen Schultern ab.
„Deine ältere Schwester wird genauso wie dein Vater immer ein Teil deines Lebens bleiben. Sie wird auf dich herabsehen und verstehen, wie sehr du sie geliebt hast. Es ist nichts vorbei... irgendwann werdet ihr wieder vereint sein. Aber Tag und Nacht nur daran zu denken, was passiert wäre, wenn du Dies und Jenes getan oder gesagt hättest, wird dich auch nicht besser fühlen lassen, Aliénor. Denk immer daran: Du bist nicht alleine und manchmal gibt es solche Momente im Leben eines Menschens - auch in dem einer Kaiserin."
Erfasst und berührt aufgrund seine Worte nickte ich. „Danke. Danke für deine aufmunternden Worte. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich täte."
Erneut umarmte ich ihn und ein leichtes Lächeln legte sich sogar auf meine Lippen, während ich seinen vertrauten Geruch einsog und unsere Finger ineinander verschränkte. „Lass uns wieder zurück an die frische Luft gehen."
Ich warf einen letzten Blick auf den Sarg meiner älteren Schwester, ließ unsere die bedeutendsten und schönsten Momente meines Lebens mit ihr an meiner Seite Revue passieren.
MARIE BRIENNE
Prinzessin von Savoyen - Piemont
* 03. 08 . 1798
† 11 . 02 . 1820
Es war alles zu früh passiert. Jedoch konnte man das Geschehene nicht rückgängig machen.
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Oben angekommen schritten wir über den für uns ausgerollten Teppich hin zu der Kutsche. Liliette saß in dieser und wartete mit Marguerite im Arm, während sie die kleine Prinzessin an ihrer Wange kitzelte.
„Oh... Aliénor, Majestät. Ihr seid schon zurück", stellte die Spanierin fest und senkte höflich den Blick, als sie mir unsere Tochter reichte, die ich vorsichtig entgegen nahm.
„Ja, das sind wir. Ach, und Liliette? Wärt Ihr so freundlich und könntet dem Kutscher sagen, dass wir kurzfristig nach Marseille, an die Küste, fahren werden? Der Kaiser und ich wollen mit der kleinen Prinzessin unsere letzten freien Tage in unserer Sommerresidenz Longchamp verbringen."
Verträumt schaute ich zu meinem Gemahl, woraufhin Liliette nickte. „Selbstverständlich."
Nachdem sie aus dem Kutsche verschwunden war, drehte ich meinen Kopf einmal nach rechts und anschließend nach links. „Weißt du... es ist nach wie vor eigenartig, dass meine persönliche Leibgarde mich nicht mehr verfolgt. Diese paar Wachen reichen jedoch voll und ganz aus."
Verschmilzt grinste er. „Drei Soldaten waren auch etwas übertrieben. Deshalb beschloss ich ja, nur Álvarez bei dir zu lassen."
Er nickte Rafael zu, der sich höflich lächelnd verbeugte, bevor dieser wieder seine normale Stellung hinter der Kutsche einnahm. Seine Gegenwart verursachte nicht selten noch einige Stiche in meinem Herzen. Jedoch hatte ich gelernt, diese von Tag zu Tag besser zu unterdrücken.
Louis-Antoine hatte ich bereits von meinen Besserungen berichtet. Er hatte Rafael jedoch größtenteils in meiner Gegenwart zugelassen, da wir beide uns gut verstanden und er wusste, dass dieser niemals zulassen könnte, dass mir etwas zustieß.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob der Spanier immer noch in mich verliebt war. Es war jedoch sicher, dass es zwischen Rafael und mir vorbei war.
Verlegen schmunzelte ich. „Ich weiß nach wie vor nicht, wie ich dir dafür danken soll..."
„Vielleicht so." Er beugte sich lächelnd zu mir vor, ehe er mir einen sanften Kuss auf die Lippen drückte, woraufhin meine Augen zufielen und ich diese Geste zufrieden erwiderte. Wir hatten lange gebraucht, bis wir miteinander wieder intim werden konnten.
Er hatte mir Zeit gegeben, und inzwischen war ich glücklich, dass sich die Situation entspannt hatte. Wir verhielten uns nahezu wie ein frisch zusammengekommenes Pärchen, was sich begann, aufeinander abzustimmen.
Marguerite stieß in meinen Armen einen leicht ungeduldig klingenden Laut aus. „Sie ist eifersüchtig", stellte Louis-Antoine scherzend fest. „Und dabei verbringst du so viel Zeit mit ihr."
Heiter lachte ich auf, bevor ich die Kleine aufsetzte, sodass sich ihr Gesichtsausdruck augenblicklich wieder veränderte. Zufrieden klimperte sie mit ihren blonden Wimpern. Sie hatte meine hellblauen Augen in den letzten Monaten behalten. Ebenso waren ihre dunkelblonden, wuseligen Haare, die sie von ihrem Vater vererbt bekommen hatte, noch fülliger als zuvor.
„Schau mal", meinte dieser schließlich und deutete aus dem Fenster, um mich auf die Gänseblümchen aufmerksam zu machen, die bereits am Wegesrand wuchsen. „Die wollte sie uns wohl zeigen."
Schmunzelnd schaute ich von den kleinen Blümchen zu Marguerite herab, die mich erneut mit großen Augen ansah, so wie sie es immer tat, wenn sie interessiert ihre Eltern oder die Welt um sich herum musterte.
Mein Herz wurde mir bei ihrem Anblick ganz warm. Antoine strich zärtlich über ihr Gesicht.
Selbst wenn ich vor einigen Minuten nicht geglaubt hätte, nach dem Tod meiner Schwester je wieder glücklich werden zu können, hatte ich mich erneut getäuscht.
Ich hatte zwei wundervolle Freunde, einen Mann, den ich dieses Mal nun wirklich begann von Herzen zu lieben und - nicht zu vergessen - meine kleine Tochter, meine Marguerite. Oder um sie anders zu nennen: Unser Geschenk des Himmels.
Und ich würde alles in meiner Macht stehende tun, dass sie erfahren würde, was Liebe bedeutete und sie stets - in guten und in schlechten Tagen - daran erinnern, dass jemand sie liebte.
Meine Augen huschten erneut hinaus zu den zarten Blümchen, die wild hier und da wucherten, und ich legte meinen Kopf auf Louis-Antoines Schulter ab, ehe ich unsere Tochter ansah. Marguerites Augen strahlten großen Interesse und Empathie an ihrer Umwelt aus. Man sah ihr förmlich an, dass sie uns am liebsten alles mögliche gefragt hätte, wenn sie nur sprechen könnte.
Schmunzelnd gab ich ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Könntest du sie kurz halten?"
„Natürlich, aber-"
Kaum hatte Antoine Marguerite in die Arme genommen, hatte ich die Tür aufgestoßen und war nach draußen auf die Wiese gestiegen. Ich beugte mich zu den kleinen, zarten Pflanzen hinunter und pflückte vorsichtig eine Blume, ehe ich mich erhob und zurück in die Kutsche stieg.
Er schaute mir nachdenklich zu und reichte mir Marguerite erneut. Ich platzierte die kleine Prinzessin auf meinem Schoß und befestigte das Gänseblümchen in ihren braunen Löckchen. Ihr schien ihr neuer, romantischer Haarschmuck zu gefallen, denn sie gab ein freudiges Geräusch von sich. Verträumt schaute ich sie an.
Ja, der Name passte wirklich gut zu ihr.
LA FIN
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Irgendwie geht das mit den letzten Kapiteln wieder so unglaublich schnell... und auch dieses Mal geht die Widmung wieder an jeden einzelnen von euch. Jeden „Ghostreader" und Voter. (:
Dieses Mal hat es meiner Meinung nach mit den Blumen zum Schluss nicht so gut gepasst, aber naja haha. Zumindest habe ich durch eure Motivation das Buch zu Ende bringen können. ^^
Ich hoffe, ihr hattet alle viel Spaß, anstatt von Brienne ein bisschen aus Liliettes Sicht und etwas von Aliénors Problemen am Hof zu lesen.
Ich habe versucht, die Probleme der Mädchen alle möglichst realistisch darzustellen.
Sonst danke ich euch wirklich für euren ganzen Support <3
- Was denkt ihr über das „Treffen" der drei Unbekannten? Was hat es damit auf sich? Vermutungen gerne in die Kommentare
- Antoines und Aliénors Meinung zu Brienne: Was denkt ihr? Eine gefühlskalter Teufel oder doch missverstanden?
- Wer von euch hätte eigentlich gedacht, dass die „Princess of Daisies" Aliénors Tochter sein würde?
Gab es irgendjemanden?
- MEINUNGEN ZUM ENDE?
- MEINUNGEN ZUM GESAMTEN BUCH?
TEIL 4 - JA ODER NEIN ?
( dieses Mal wäre es tatsächlich
der letzte Part )
ೃ࿔*:・ 𝐋𝐎𝐓𝐒 𝐎𝐅 𝐋𝐎𝐕𝐄 ୭̥⋆*。
࿐໋
©𝐒𝐂𝐅𝐓𝐕𝐈𝐍𝐓𝐀𝐐𝐄
2018
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