Kapitel 17 ❀ anxieux, -se


LOUIS - ANTOINE

„Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?"
Nervös über meinen Schreibtisch gebeugt, zog ich meine Augenbrauen in die Höhe, als meine Mutter mein Büro betrat.

„Sie ist nach wie vor nicht ansprechbar", entgegnete sie mit einem kühlen Unterton in der Stimme und schloss eigenständig die Tür hinter sich. „Und das nun schon seit mehreren Stunden. Sie atmet und ihr Herzschlag scheint auch stabil zu sein."

„Was sagt der Arzt? Ist er inzwischen eingetroffen?", wollte ich ungeduldig wissen.

„Monsieur Larrey ist gerade angekommen. Feststellen konnte er jedoch noch nichts."
Verärgert drehte ich mich zu Aliénors Porträt um. Warum musste der Hofarzt ausgerechnet heute außerhalb der Hauptstadt unterwegs gewesen sein? Ich hatte immense Angst bezüglich Aliénors Gesundheit und ärgerte mich, sie nicht früher darauf angesprochen zu haben, dass sie an dem gestrigen Abend betrübt dreinblickte.

Sie war einfach in meinen Armen weggekippt. Alle Anwesenden - ich eingeschlossen - hatten erst geglaubt, dass ein Attentat verübt worden wäre. Doch sie war bloß bewusstlos gewesen, wies keine Verletzungen auf und atmete noch. Daraufhin hatte ich sie in die Höhe gehoben und persönlich in meinen Armen zu ihrem Schlafgemach getragen.

Wenn ich nicht jeden Morgen bereits um fünf Uhr in der Früh in meinem Arbeitszimmer anwesend sein müsste, wäre ich natürlich an ihrer Seite geblieben. Aber erneut machte mir meine Position als Kaiser einen Strich durch die Rechnung.

„Was glauben Sie, was mit ihr geschehen ist?", stellte ich schließlich die Frage in den Raum, da ich meine Ungeduld kaum zähmen konnte.

„Das kann alles sein", säuselte meine Mutter erschöpft. Ich merkte schon, dass die ganze Angelegenheit wieder zu viel für sie war. Wahrscheinlich bekam sie bald schon wieder Migräne aufgrund dieses Skandals.
„Von Kreislaufbeschwerden und Unterzuckerung bis einer Lungenentzünd-"

Es klopfte wie wild an der Tür zu meinem Büro, sodass meine Mutter einen empörten Laut ausstieß. „Herein", sagte ich mit klarer Stimme. Ein Bote stürmte hinein, verbeugte sich schnell, ehe er, ohne aufgefordert worden zu sein, begann zu reden: „Majestät. Die Kaiserin... sie ist aufgewacht. Monsieur Larrey hat sich bereits ein Bild davon gemacht, was Ihrer Majestät fehlt. Er sucht das Gespräch mit Euch."

Ohne den Boten oder meine Mutter weiter zu beachten, verließ ich schnellen Schrittes den Raum, schritt durch meine anderen Gemächer bis ich den kleinen, privaten Gang zwischen unseren Gemächern erreichte. Dort begann ich schließlich zu rennen, bis ich in dem Salon vor ihrem Wohnzimmer, welches wiederum an ihr Schlafgemach grenzte, ankam.

Dort hatte sich bereits eine große Menschenmenge versammelt. Aliénors Bruder Charles, ihre Freundin Florentina und einige Hofdamen spekulierten aufgeregt, was mit ihrer Kaiserin geschehen sein könnte.
Sie alle verstummten augenblicklich und treten ehrfürchtig zur Seite, ehe ich stumm an ihnen vorbei schritt. Kurz streifte mein Blick den Soldaten Álvarez, der neben dem Eingang platziert worden war, ehe ich mit zusammengepresstes Lippen eintrat.

Monsieur Larrey erhob und verbeugte sich. „Majestät...", begann er höflich. Mein Blick galt jedoch nur meiner Gemahlin. Kaum hatten sich die Türen hinter mir geschlossen, stürzte ich nahezu zu ihrem Himmelbett. Sie sah so müde und erschöpft aus, dass ich Angst hatte, sie loszulassen.

„Louis-Antoine...", hauchte sie unmittelbar, nachdem ich sie erreicht hatte. „Antoine... ich..."

„Was fehlt dir?", wollte ich mit behutsamer Stimme wissen. Beschämt wandte sie ihren Blick ab, sodass mein Herz noch stärker vor Besorgnis gegen meinen Brustkorb klopfte. Irritiert blickte ich zu Monsieur Larrey.

„Euer Majestät", setzte der allseits berühmte Arzt nun erneut an. „Die Kaiserin erwartet ein Kind."

Für einen kurzen Moment versagte mein Atem, ehe ich meine Augen sanft auf meine Liebe richtete. „Wirklich? Oh, Aliénor."

Am liebsten hätte ich sie in meine Arme gezogen und sie gedrückt; doch stattdessen umschloss ich bloß meine Hände mit Ihren und verteilte so viele Küsse wie ich konnte in ihrem Gesicht. Meine Stimmung hob sich augenblicklich. Der Gedanke, dass sie und ich ein Kind bekommen würden, zauberte mir von einer Sekunde zur anderen ein Lächeln in Gesicht, sodass es mir nichts ausmachte, wie schamlos ich mich vor dem Arzt verhielt.
Welche Augenfarbe es wohl haben würde? Würde es vielleicht so aussehen wie Aliénor? Mit kleinen, hellblonden Löckchen?

Schwach schmunzelte sie. Wahrscheinlich war sie noch sehr erschöpft.
„Ich überbringe den anderen Mitgliedern des Hofes die freudige Nachricht, wenn Ihr es wünscht, Majestäten", unterbrach der Hofarzt meinen Glücksmoment. Ich nickte. „Aber lassen Sie mich und die Kaiserin vorerst alleine."

„Wenn Ihr gestattet."
Monsieur Larrey schloss die Tür hinter sich. Dann wandte ich mich zurück zu Aliénor. „Ich kann es nicht glauben... wir haben es so oft versucht und jetzt... endlich..." Zärtlich strich ich über ihre weiche Wange. Ihr Lächeln blieb konstant, und sie schloss zufrieden die Augen, ehe sie ihren Kopf anwinkelte.

„Ja... es ist wundervoll...", hauchte sie, doch irgendetwas in ihrer Stimme verriet mir, dass sie ihre Worte nicht ganz ernst meinte.


~*~

ALIÉNOR

Das zarte Gras kitzelte meine Fingerkuppen.
Der Besuch bei meiner Großtante Marie Antoinette, die etwas abseits von dem großen Palast von Versailles in einem kleinen Lustschloss namens Petit Trianon wohnte, war recht lange ausgefallen.
Jedoch hatte ich es mir nicht nehmen lassen, trotz meines Zusammenbruchs vor zwei Tagen den längeren Weg durch den Palastgarten auf mich zu nehmen. Meine Leibgarde hielt sich auf Abstand, und ich hatte mich inzwischen an sie gewöhnt.

Bloß Marie Antoinette schien etwas genervt von ihnen zu sein. „Unnötig, wenn du mich fragst. Unnötig, unnötig. Hier in den Gärten ist noch nie etwas geschehen... Wachen sind an jeder Ecke zu finden. Man könnte dir zumindest eine weibliche Begleitung mitschicken. Aber nein, man verlangt von dir, dass du dich stets von irgendwelchen Herren beobachtet fühlen musst", hatte sie sich beschwert.

Sie schob die Schuld wieder auf ihre Tochter Marie-Thérèse, mit der sie sich bekanntlich ja nicht verstand.

Mir war es selbstverständlich nicht unangenehm, da mich nur die Augen betrachteten, die ich gerne auf mir spürte. Bloß seitdem ich erfahren hatte, dass ich guter Hoffnung war, hatte ich noch kein Wort mit Rafael wechseln können.

Aber wie sollte ich mich auch verhalten? Ich war Schwanger, unwissend von wem und lebte nach wie vor zudem mit der Lüge, nichts von Rafael zu wollen.

Ich war zu zwiespältig. Auch wenn mein schlechtes Gewissen gegenüber Louis-Antoine seit der Nachricht, dass ich bald schon einer kleine Prinzessin oder vorzugsweise einem Dauphin das Leben schenken würde, zunehmend stärker geworden war, wusste ich nicht, wie ich es angehen sollte, ihn darüber aufzuklären, was eigentlich Sache war. Oder sollte ich es überhaupt tun?

Das Wetter am heutigen Tag war tatsächlich nicht so schön, wie ich es erwartet hatte. Eine dicke Wolkendecke ließ nur selten Licht die Erde ertasten und die meisten Vögel hatten sich wohl schon in ihren Nester versteckt.

Erst nach einiger Zeit verging die Lust, auf der Wiese umherzugehen, und ich steuerte den Gehweg an, um aus weiter Ferne eine Person auf der Terrasse erblicken zu können.

Unweigerlich verkrampfte ich mich etwas, als ich erkannte, dass es sich um Louis-Antoine handelte, der dort anscheinend auf meine Wenigkeit wartete.
Je näher ich kam, desto besser konnte ich das schwache, aber liebevolle Lächeln sehen, das seine Lippen zierte. Als ich letztendlich bei ihm angekommen war, bot er mir seine Hand an, sodass ich diese entgegennehmen konnte. Rafaels Blick spürte ich im Nacken.

„Ich bin hier, weil ich mit dir reden muss", erklärte mein Gemahl mir, kaum dass wir uns begrüßt hatten. „Vielleicht verwenden wir einfach den anliegenden Wintergarten."

Er nickte zu dem Plätzchen hinüber. Mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch sagte ich zu, und folgte ihm schließlich in den angenehm warmen Bereich, in dem man sich ganz allein ausruhen und unterhalten konnte. Louis-Antoine schickte meine Wachen hinfort.

Da keine Angestellten anwesend waren, zog er mir einen Sessel zurück, ehe er sich gegenüber von mir niederließ. Tatsächlich betete ich, dass mein Atem nicht zu unregelmäßig und flach verlief.

Was hatte er nun mit mir zu besprechen? Obwohl er nicht wütend zu sein schien, nahm meine Angst sogleich wieder zu.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Befriedigung
( Dauphin ) Titel des französischen
Thronfolgers [wörtl.: Delfin]

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