Kapitel 14 ❀ le long de la rivière


RAFAEL

Natürlich war alles unvernünftig, die Situation surreal, die Idee waghalsig. Und doch hatten wir es geschafft.

Aliénor, ihre Hofdame Liliette von Habsburg und ich waren unbemerkt aus dem Palast entkommen und hatten uns anschließend von der dazugehörigen Gartenfläche Versailles' entfernt, um nun den kleinen Fluss hinunter aus dem Örtchen zu reiten.
Hier in dem kleinen, entlegenen Wäldchen schien Aliénor voll und ganz aufzugehen. Obwohl ich vor meiner Anstellung im kaiserlichen Palast oft Zeit in der Natur verbracht hatte, genoss ich es, sie frei und unbeschwert zu sehen, da ich wusste, dass sie es hier - alleine und ohne ein nerviges Hofzeremoniell - am liebsten hatte.

„Ich weiß nicht, wie lange ich schon nicht mehr ausgeritten bin", schwärmte sie und gab ihrem Pferd César einen Kuss zwischen die Ohren.
Schmunzelnd ritt ich ihr hinterher. Man konnte ihr ansehen, wie sehr sie es genoss, mal wieder etwas Verbotenes zu unternehmen.

Zwar konnte ich sie nicht vor den Augen ihrer Hofdame in den Armen halten; empfand ich die Zeit mit ihr jedoch trotzdem als Geschenk.

Ich konnte mir kaum noch vorstellen, dass ich mir damals immer versucht hatte einzureden, dass ich sie nicht mehr lieben würde und nur für meine Zwecke benutzen wollte.
Hier bei ihr zu sein, bewies mir jedoch, dass es nicht so war und auch niemals so sein könnte. Ich konnte sie nicht hassen, egal, wie sehr sie mein Herz gebrochen hatte.

„Majestät, seid vorsichtig!", mischte sich Hofdame Liliette sich mit klarem Entsetzen in der Stimme ein und riss mich somit aus meinen Gedanken, als Aliénor auf einen toten Baumstamm losritt, um über diesen zu springen.
Sie schien sich gar nicht aufhalten zu wollen und sprang wie eine Göttin darüber.

„Ja!", lachte sie wie ein kleines Mädchen auf und strich sich ihre losen, blonden Strähnen aus dem Gesicht. „Das war toll, Ihr solltet das auch mal probieren, Liliette!"

Da ich sie verträumt anzulächeln schien, erwiderte sie meine Geste augenblicklich. Ein unsichtbares Band schien uns beide zu verbinden.

Es war nicht so, dass mir über die Gefahr, dass für unsere Beziehung vor allem mein Kopf rollen könnte, nicht bewusst war. Ebenso war mir klar, dass meine Entscheidung, mich ebenso auf diese Affäre einzulassen, unverantwortlich gegenüber Aliénor war.
Wenn ich sie an den Abend dieses Maskenballs zudem geschwängert hatte, wäre dies hundertprozentig eine Blamage - obwohl es eigentlich schon immer ein Traum von mir gewesen war, ein Kind mit Aliénor zu bekommen.

Solange niemand von uns erfuhr, war jedoch vorerst die Situation geregelt. Möglicherweise würde sich unsere Affäre auch irgendwann von alleine auflösen, wenn wir beide bemerkten, dass diese Hin-und-Her zu keinem Ergebnis führte. Oder wir blieben für eine Ewigkeit heimliche Geliebte, da wir es beide nicht ertragen konnten, ohne den anderen zu sein.

„Nein. Vielen Dank, Majestät, aber ich reite drumherum", entgegnete Liliette höflich und zog ihre Zügel an. Ich hingegen tat es Aliénor in ihrem Sprung nach, woraufhin sie mich mit „Das sah tatsächlich sehr gut aus, Álvarez" komplimentierte.

„Niemand springt so gut wie Ihr, Majestät", entgegnete ich frech schmunzelnd, bevor Liliette uns mit ihrem Pferd erreichte.

Es ging weiter bis zu einem kleinen Bach, der aus dem breiten Fluss entstanden war. Das Plätschern war kombiniert mit den Vögeln, die über unseren Köpfen zwitscherten, wundervoll anzuhören. Am liebsten hätte ich Aliénor in den Arm genommen und mich mit ihr ans Ufer gesetzt, um unsere Füße im Wasser zu kühlen und Witze zu reißen.
Im Großen und Ganzen war es schlichtweg ein traumhafter Frühlingstag.

~*~

ALIÉNOR

Entgeistert starrte ich in Louis-Antoines Gesicht.
Ein Suchtrupp bestehend aus über zwanzig Männern hatte er ausschwärmen lassen, um mich zu suchen.

Kurz nachdem wir uns an dem kleinen Bach niedergelassen hatte und sogar Liliette etwas lockerer geworden war, da sie durch ihre spanische Herkunft eine große Bindung zu Rafael entdeckt hatte, waren wir in eine Kutsche gesteckt worden und unverzüglich zurück zum Palast gefahren.

„Das ist unverantwortlich", sprach Louis-Antoine kühl und doch etwas angespannt, ehe er sich an Rafael wandte: „Álvarez. Mir ist klar, dass Sie die Befehle der Kaiserin entgegennehmen müssen, jedoch möchte ich in Zukunft, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Die Kaiserin verlässt diese Anlage nicht ohne mein Einverständnis."

Am liebsten hätte ich laut aufgelacht. „Wie bitte?", sagte ich ohne jegliches Achten der Etikette: „Du sperrst mich hier ein?"

„Und Ihr, Mademoiselle Liliette: Für Euch gilt dasselbe. Die Kaiserin bleibt hier, verstanden?", überging er meine Frage. War dieser kleiner Ausflug denn so schlimm, dass er zu solchen Maßnahmen greifen musste? Wahrscheinlich war das wieder Tante Marie-Thérèse' Idee gewesen.

„Sehr wohl, Euer Majestät."
Liliette versank in einem Hofknicks. Ihre Zusage nahm ich ihr nicht übel. Antoine war nunmal der Kaiser und hatte immer das letzte Worte - zumindest was Befehle für seine Untertanen anging. Ich war aber keine Untertanin, ich war seine Frau und eine savoyische Prinzessin!

„Nun gut, Sie dürfen gehen."
Rafael und Liliette verließen mit einem letzten Blick zu mir den Raum. Ich war so in Rage, dass ich die Besorgnis in den Augen meiner Affäre nicht bemerkte.

Kaum dass die Tür hinter ihnen beiden geschlossen worden war, begann Louis-Antoine mir seine Intention zu erklären: „Ich sperre dich nicht ein, Aliénor. Aber es ist eine gefährliche Zeit momentan. Zudem kannst du nicht einfach in der Weltgeschichte herumreiten... du hast Pflichten als Kaiserin, die du zu erledigen hast."

„Trotzdem kann ich doch etwas Privatsphäre haben! Zudem habe ich Ra- Álvarez bei mir", erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Álvarez ist sowieso in letzter Zeit viel zu oft in deiner Nähe", bemerkte er misstrauisch.

„Wir sind gute Bekannte", sagte ich schlicht, und war überrascht, dass es mir so einfach fiel, ihm direkt ins Gesicht zu lügen. „Zudem habe ich ihn nunmal von all meinen Wachen am liebsten. Er ist nicht so unterkühlt wie die anderen."

„Die anderen Wachen machen ihre Arbeit richtig. Ich hätte ihn niemals einstellen sollen...", überlegte Louis-Antoine laut und drehte sich zu seinem Schreibtisch.

„Du willst ihn entlassen?", fragte ich nach und hoffte, dass meine Stimme nicht allzu verzweifelt klang. Was war nur aus mir geworden...

„Nein. Dies würde ich am liebsten. Wenn ihr euch jedoch versteht... zudem kann ich nachvollziehen, dass du es gerade nicht so leicht hast..."

Er streckte seine Hand nach meiner Wange aus. „Ich verstehe, dass es dir schwerfällt, dass du nicht hinaus darfst, viel lernen musst, ich wenig Zeit für dich habe und sowieso die Angelegenheit mit deiner Schwester... da lasse ich Álvarez hier... wenn es dich glücklich macht..."

Irritiert runzelte ich die Stirn. „Was ist mit Brienne?" Durch die Erwähnung meiner Schwester vergaß ich ganz, wie liebevoll er mir entgegengekommen war.
„Weißt du es nicht?", entgegnete Louis-Antoine ernst. Langsam begann ich mit dem Kopf zu schütteln und schaute zu ihm auf. Seine Augen sahen mich leer an.

„Aliénor... Marie Brienne ist schwer erkrankt. Sie hat Lungenkrebs."






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Übersetzungen

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( TITEL ) Am Fluss entlang


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