Kapitel 10 ❀ ruiné pour toujours


ALIÉNOR

„N-Nein", hauchte ich unmittelbar, kaum dass ich mir über die Bedeutung seiner Worte bewusst geworden war, während ich an die abgetragene Holzwand starte. „Sie lügen mich an."
Sonderlich überzeugend klang meine Feststellung jedoch nicht - es war eher ein verzweifelter Hilferuf ins Nichts.

„Ich schätze nicht, Majestät", antwortete er daraufhin. Ich konnte den Trotz in der Stimme herausfiltern, sodass mir augenblicklich schlecht wurde.

„Wie können Sie nur?", wollte ich verdattert von ihm wissen. „Wissen Sie eigentlich, wo Sie hinein geraten sind? Sie haben die Kaiserin von Frankreich... während sie nicht in der Lage war, vernünftig zu handeln..."

Ich brach ab und fasste mir panisch an die Brust. Es war eine Blamage. Ich hatte meine große Liebe, meinen Gemahl, meinen Partner, den Kaiser von Frankreich mit meinem ehemaligen Geliebten betrogen. Nun war es voll und ganz mit mir vorbei. Ich war ruiniert.

„Es erscheint mir, als wenn Ihr nicht sonderlich erfreut darüber seid, dass ich es war."

Perplex und abwertend zugleich blickte ich endlich in seine Augen. Was glaubte er? Dass ich ihm entzückt über diese Nachricht in die Arme springen würde? Hatte das Klima in seiner Heimat seine Gehirnzellen verbrannt? Mir wurde plötzlich bewusst, dass das, was er getan hatte, einem Gesetzesbruch gleichkam und man ihn dafür hinrichten lassen könnte. Er hatte mich ausgenutzt - war ihm das vollkommen egal?

„Dies war ein schwerwiegender Fehler, Álvarez", sagte ich langsam und ging einen Schritt auf ihn zu. „Verlassen. Sie. Den. Raum."

„Ich schätze, ich habe Euch nicht ganz...", begann er, doch ich unterbrach ihn mit knirschenden Zähnen: „Lassen Sie mich unverzüglich allein!"

Er setzte erneut an, verstummte jedoch schließlich. Anscheinend schien er zu verstehen. Von seiner anfänglichen guten Laune war nichts mehr übrig. Doch das machte mir herzlich wenig aus. Daraufhin verbeugte er sich ein letztes Mal und verließ den Raum, ohne mir den Rücken zuzuwenden.

Als er schließlich außer Hörweite war, stützte ich mich auf der rustikalen Kommode ab und atmete unmittelbar aus, um mich zu beruhigen.

Nein, ich würde nicht weinen. Ich war eine savoyische Prinzessin, die Kaiserin von Frankreich. Ich hatte eine Vorbildfunktion und musste stark bleiben. Noch weniger würde ich auch nur in Erwägung ziehen, dass ich nur mit Rafael geschlafen hatte, da er es war.
Wahrscheinlich hätte ich in meinem Zustand mit jeden attraktiven Mann geflirtet. Bloß hatte ich feststellen müssen, dass ich mich erneut von einem Mann hatte beeinflussen lassen.

Oft hatten irgendwelche Männer mein Leben versucht zu bestimmen. Nicht selten war ich dadurch mit einem Tränen überströmten Gesicht in meinem Zimmer gelandet.

Doch nun verfügte ich über ein anderes Leben und war allen Leuten meines Standes überlegen.
Ich würde die Sache vernünftig und ruhig angehen. Und niemand würde mir je wieder so viel Leid zufügen können wie damals.

~*~

Einige Stunden später erst hatte ich die kleine Hütte verlassen. Die Sonne war nahezu untergegangen, als ich auf dem Weg in den Nordflügel war, um mit Louis-Antoine mein Problem anzusprechen.
Ich hatte gemischte Gefühle bezüglich des Gesprächs vor einigen Stunden. Zudem hatte ich im tiefsten Inneren große Angst vor Antoines Reaktion; wiederum war ich mir aber auch sicher, dass er mich grundlegend verstehen und wir zusammen eine Lösung finden würden.

Ich wurde etwas langsamer, als ich auf dem Gang in einer Nische meine ältere Schwester mit einem Herzog entdeckte. Sie tuschelten miteinander, blickten auf und verstummten augenblicklich, als ich sie passierte. Der Mann verbeugte sich und ich nickte Brienne zu, konnte mir aber kein Lächeln abgewinnen.

Ein Seufzer verließ etwas später meine Lippen. Ich hatte Mitleid mit meiner Schwester, mit der mich damals stets ein starkes Band der Zuneigung und des Vertrauens verbunden hatte.

Sie war seit der Auflösung ihrer Verlobung nach wie vor nicht verheiratet. Geschweige denn war sie jemanden versprochen. Stets mied sie Kontakt mit Männern, falls die Gefahr befand, dass dieser auf eine romantische Beziehung hinauslaufen könnte.

An dem Eingang zu meinen Gemächern angekommen, standen wie auch sonst zwei meiner zusätzlichen Wachen vor der goldenen Tür. Rafael war zum Glück nirgends zu sehen. Kurz hielt ich inne, als ich die besagte Tür öffnen wollte, da ich Stimmen aus dem Inneren vernahm.

„Erzählt mir etwas über Ihre Majestät, die Kaiserin, und Ihrem verehrten Gemahl, meinen Sohn. Wie läuft es in letzter Zeit?" Unverkennbar war es die Stimme der Madame von Frankreich, meiner Tante Marie-Thérèse. Ich ließ die Tür einen Spalt breit offen, um zu lauschen.

Entsetzt musste ich feststellen, dass einige meiner Hofdamen sich mit meiner Tante unterhielten. „Sie teilen das Ehebett selten miteinander", sprach Henriette höflich. „Sowieso verbringen sie sehr wenig Zeit zusammen."

„Hat die Kaiserin denn irgendetwas dazu gesagt, weshalb sie Ihre Majestät meidet?", wollte die Madame weiterhin wissen. „Nein, Eure Kaiserliche Hoheit", entgegnete nun Perenelle. „Sie redet selten mit uns darüber."

Empört schnappte ich leise nach Luft. Ich hatte ihnen doch berichtet, dass Louis-Antoine schlichtweg über wenig Freizeit verfügte und wir zwei deshalb selbstverständlich nicht viele Dinge deshalb miteinander unternehmen konnten. Hatten sie etwa Angst, Madame Marie-Thérèse würde dies nicht als Erklärung sehen, weil es sich um ihren Sohn handelte, und die Fehler bekanntlich bei mir zu finden waren?

„Na, Bravo", bemerkte sie ungeduldig. „Seit fast 250 Jahren regiert unsere Familie nun dieses Land. Wie soll die Dynastie vernünftig fortgeführt werden, wenn kein Thronfolger geboren wird?"

Die Madame schien wenig über die derzeitige Situation begeistert zu sein, weshalb Charlotte schnell einsprang: „Wir vermuten, dass es an dem Soldaten Álvarez liegt, Kaiserliche Hoheit."

„Ja", stimmte nun auch Henriette zu. „Anfangs wollte die Kaiserin uns wenig von ihm berichten. Manchmal jedoch neigt sie dazu, nur von ihrer Vergangenheit mit ihm zu berichten und über die Gefühle, die sie beide verbanden."

„Ach, ist das so?", entgegnete sie interessiert, und ich konnte ihr das Grinsen geradezu ansehen. „Die Kaiserin ließ mich wissen, dass von ihm keine Gefahr auszugehen schien und die Angelegenheit zwischen den beiden voll und ganz aus der Welt geschafft sei."

„Da muss ich Euch leider enttäuschen, Hoheit", sagte Perenelle mit einem entschuldigenden Unterton in der Stimme und meine Augen weiteten sich. Wie konnte sie so etwas nur sagen? Warum taten sie das alles?
„Heute haben wir die beiden beobachtet. Ihre Majestät und der Soldat sind alleine in den Garten verschwunden."

„Könnt Ihr das ebenso bestätigen, Prinzessin Liliette?", stellte nun meine Tante der Hofdame, die bis jetzt noch nichts zu der Konversation beigetragen hatte, ihre Frage.

„Ich habe nichts dergleichen bemerkt oder gesehen", sprach sie schlicht. Innerlich dankte ich ihr dafür. Trotz alledem war meine Enttäuschung und die Wut, die ich meinen anderen Hofdamen entgegenbrachte, nicht in Worte zu fassen. Ich hatte immer geglaubt, dass sie meine Freundinnen seien... wie lange ging diese Spionagearbeit für Tante Marie-Thérèse nun schon so?

Entschlossen, die Sache klarzustellen, drückte ich die Türklinke hinunter. Ohne angeklopft zu haben, wollte ich eintreten, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte, die mich in meiner Bewegung erstarren ließ.






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Übersetzungen

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( TITEL ) Ruiniert für immer

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