Kapitel 07 ❀ gueule de bois royale
ALIÉNOR
Ein dumpfes Pochen drang an mein Ohr, sodass ich aus meinem Tiefschlaf aufschreckte. „Euer Majestät! Euer Majestät, geht es Euch gut?"
Verschlafen öffnete ich meine Augen und schaute mich um. Ich lag in meinem seidenen Himmelbett, welches sich in meinem Schlafgemach befand - keine Frage. Aber wie war ich hier hergekommen? Und wieso war ich ganz alleine hier? Sonst waren um diese Zeit meine Dienstmädchen, Diener oder meine Hofdamen schon längst anwesend...
Gähnend rieb ich mir den Kopf und blinzelte schlaftrunken. Erneut rief die Person nach mir, sodass ein Seufzer meine Lippen verließ.
„Mir geht es gut. Vielen Dank, Comtesse", antwortete ich müde, ehe ich die Luft anhielt, als ich an mir hinuntersah. Ich trug nicht wie gewohnt mein Nachtgewand, sondern war vom Hals bis zu den Knien vollkommen nackt. Erschrocken stellte ich wenig später fest, dass ich nach wie vor meine Strumpfhose und hochhackigen Tanzschuhe trug.
Plötzlich schienen sich meine vagen Erinnerungen zu vervollständigen. Der Maskenball, die Unmengen an Alkohol und ein unbekannter Mann am Buffet, da mich indirekt davon abgehalten hatte, so viel Kuchen zu essen, dass ich mich am Ende noch übergeben hätte.
Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass auch meine Frisur noch wie am gestrigen Abend saß, ich war geschminkt - wenn auch mein Lippenstift stark verschmiert war - und ich trug meine Perlenkette kombiniert mit den wertvollen Ohrringen.
Auf dem Boden entdeckte ich mein Abendkleid mit dem dazugehörigen Unterteil und mein Korsett; einige Kissen fanden sich wild verstreut entweder auf oder um das Bett herum wieder, und meine Seidendecke hing unordentlich zur Hälfte auf dem Boden.
Ich schlug mir die Hand vor den Mund und realisierte langsam, was geschehen sein musste.
Ich hatte höchstwahrscheinlich Louis-Antoine mit diesem mysteriösen Mann betrogen, an den ich mich kaum erinnern konnte. Ich. Hatte. Antoine. Betrogen.
Der gesamte Abend, nachdem ich den Ballsaal kurzzeitig verlassen hatte, war wie aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ich wusste nicht, was schlimmer war: Dass ich die Liebe, die Louis-Antoine und mich verband, verraten hatte, oder dass ich Geschlechtsverkehr mit einem fremden Mann gehabt hatte.
Wenn er... es getan hatte, war ich möglicherweise bald eine Mutt- Nein, ich traute mich nicht, daran zu denken, geschweige denn mir die Situation auch nur im geringsten auszumalen. Als Kaiserin konnte ich mir so etwas nicht erlauben... man würde mich hinausschmeißen und Schlimmeres: Antoine würde es das Herz brechen...
Mir wurde augenblicklich schlecht und schwindelig zugleich.
„Majestät, Eure verehrte Mutter Marie-Louise und Eure Schwester Marie Brienne von Savoyen-Piemont sind soeben eingetroffen. Es wird langsam Zeit, Euch herzurichten", sprach die Gräfin und klopfte erneut einige Male an meine Tür, was mich schließlich vollkommen in die Realität zurückholte.
„Oh...", meinte ich daraufhin bloß, ehe ich begann, hektisch meine Kleidungsstücke vom Parkett aufzusammeln und sie mir vor die Brust presste, aus Angst, sie könnte eintreten. „Wartet, ich komme sofort, m-meine Hofdamen helfen mir bereits."
„Seid Ihr sicher, dass Ihr keine Hilfe benötigt?", wollte sie erneut wissen, und Besorgnis schwang in ihrer Stimme mit. Ob sie wohl wusste, dass ich log?
„Nein, nein, Sie können gehen, Comtesse", rief ich höflich und schaute mich keuchend um. Ich musste mich schnellstmöglich umziehen.
„Wie Ihr wünscht, Majestät."
Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus, als ich hörte, wie sie sich hinfort bewegte, und drückte schließlich die Tür zu meinem Bad auf. Achtlos warf mein hochwertiges Kleid hin und schloss sorgfältig ab.
So schwindelig wie mir war, glitt ich mit dem Rücken an der Tür hinunter und merkte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten.
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Viel zu spät kam ich bei dem Empfang meiner Mutter und meiner Schwester in einem Salon, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, an.
Tante Marie-Thérèse war erneut kurz vor einem Nervenzusammenbruch, Louis-Antoine musterte mich besorgt, meine Hofdamen warfen mir nur Blicke der Verwirrung zu und meine Mutter war außer sich vor Freude.
Auch ich war glücklich, sie wieder in die Arme schließen zu können - konnte den Gedanken an die letzte Nacht, an die ich mich jedoch nach wie vor nicht erinnern konnte, jedoch nicht loswerden.
Brienne erschien ebenfalls erfreut über das Treffen zu sein. Nur ihre Anspannung war ebenso bemerkbar. Mit Louis-Antoine wechselte sie nur die nötigsten Worte, Liliette warf sie einen abwertenden Blick zu (die Arme wirkte sehr bedrückt, da sie meiner älteren Schwester ein aufrichtiges Lächeln geschenkt hatte) und von Tante Marie-Thérèse wurde sie wie immer ganz herzlich begrüßt.
„So reizend wie eh und je", komplimentierte sie zufrieden ihre Nichte und gab ihr links und rechts einen Wangenkuss.
„Ich danke Euch, Tante", entgegnete nun auch Brienne lächelnd. Etwas irritiert stellte ich fest, dass ihr Gesichtsausdruck, den sie der Madame schenkte, von mehr Freude strotzte als den, den ich erhalten hatte. „Wie laufen die Geschäfte?"
Wieso habe ich mich bloß darauf eingelassen? Eins steht fest: Nie wieder besuche ich so eine Feier, kam es mir in den Sinn, als die üblichen höflichen Gespräche begannen.
„Die Lage ist zugespitzt. Diese ungebildeten Spanier erobern immer mehr Teile unseres schönen Navarras...", erklärte die Madame bekümmert. „Jedoch reden wir nicht so viel von Krieg und Verderben. Das ist des Kaisers Aufgabe, nicht wahr, Louis-Antoine?"
Ist mein betrunkenes Ich wirklich so gefühlskalt, dass es ihren geliebten Gemahl betrügen kann?
Anscheinend schon.
„Sagen wir es so, Mutter: Die Spanier bringen Krieg und Verderben. Nicht wir Franzosen", erwiderte mein Gemahl, worauf die Drei herzlich lachten. Ich bemerkte nicht, dass meine Mutter mir einen Blick von der Seite zuwarf.
Was ist, wenn ich wirklich bald ein Kind gebäre? Ein Kind, dessen Vater ich nicht kenne... dessen Vater sonst-wer sein könnte...
„Wie recht Ihr habt", mischte sich das erste Mal meine Schwester ein. Daraufhin folgte sogar ein vollständiger Satz aus ihrem Mund: „Aber wie ich immer sage: Auch in den schwierigsten Momenten, hat unser Kaiser immer einen Lacher parat."
Es wäre ein Bastard. Ich würde einen Bastard gebären. Es wäre ein Skandal. Antoine würde mich hassen. Alle würden mich hassen und für ewig verdammen. Und mein Kind ebenfalls...
„Ma belle, geht es dir gut?" Die Stimme meiner Mutter holte mich aus meinen Gedanken zurück. Sie schien mal wieder sofort verstanden zu haben, dass etwas mit mir nicht stimmte. „Du bist ganz bleich."
„Was sagtest du, Maman...? Ob es mir gut geht?"
Ich warf einen Blick zu Louis-Antoine und mein Herz rutschte mir in die Hose.
Es würde ihm das Herz brechen...
„Um ehrlich zu sein... nicht so wirklich. Ich glaube, ich habe mir gestern auf den Festlichkeiten etwas den Magen verdorben." Ich blickte zu meiner älteren Schwester, die mich misstrauisch beäugte.
„Entschuldigt mich." Ein letztes Mal lächelte ich in die Runde, ehe ich mich von der Gesellschaft abwand und zu der Haupttüt schritt, die mir bereits von zwei Dienern geöffnet wurde. Meine persönliche Leibgarde, die mir schon, seitdem ich heute morgen meine Gemächer verlassen hatte, auf den Fersen war, folgte mir automatisch.
Auch diese Sache verstand ich nicht ganz. Wie konnte es sein, dass mich dieser mysteriöse Unbekannte, während ich ständig von Wachen verfolgt wurde, trotzdem unbemerkt in mein Zimmer schmuggeln und dort mit mir schlafen hatte können?
Auf dem Gang begann ich schließlich zu rennen. Ich rannte und rannte. Es war mir völlig egal, dass meine Wachen - wahrscheinlich vollkommen verdutzt, dass ich so augenblicklich zulegte - mir hinterher riefen und schließlich auch nachkamen. Durch die Waffen, die sie bei sich trugen, waren sie jedoch um einiges langsamer, und so hörte ich erst auf zu laufen, als ich auf eine der Terrassen des Palastes ankam und hinaus auf die Wiese in eines der kleinen, künstlich angelegten Wäldchen stolperte.
Als ich mir schließlich sicher war, dass ich meine Leibgarde abgehängt hatte und mich keine Wache und kein Bediensteter mehr sehen konnte, begann ich meinen Tränen freien Lauf zu lassen und sackte mitten auf einer Wiese voller Blumen zusammen.
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Hättet ihr damit gerechnet?
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Übersetzungen
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( TITEL ) → Kaiserlicher Kater
( Ma belle ) → Meine Schöne
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