Kapitel 04 ❀ la garde-robe


ALIÉNOR

Meine Hofdamen erschienen wie immer pünktlich um Sechs in der Früh in meinem Ankleidezimmer um mich, während meine Zofen mich einkleideten, zu unterhalten.

Morgen Abend schon würde ich im Spiegelsaal stehen, um meine Mutter und meine Schwester Brienne zu empfangen, da jene uns für einige Tage besuchen wollten. Ich war etwas zu aufgeregt, da die ehemalige Verlobte meines Gatten in meiner Gegenwart nach wie vor ziemlich angespannt war. Wir hatten uns im letztem Jahr an Weihnachten das letzte mal gesehen hatten.
Ich wusste ebenso nicht recht, wie ich mich verhalten sollte, da sie kaum noch nicht mir sprach, geschweige denn mir ein Lächeln schenkte.

Ähnlich fühlte ich mich bei dem täglichen Klatsch und Tratsch mit meinen Freundinnen an dem heutigen Morgen. Sie schwärmten bereits von den drei Soldaten und tauschten sich wild über die neusten Neuigkeiten aus.

„Also ich muss sagen, dass dieser Álvarez definitiv mein Favorit ist", teilte uns Charlotte mit, während sie einige meiner Haarspangen sortierte. „Er wirkt sehr maskulin, findet ihr nicht?"

„Unterkühlt trifft es wohl eher", meinte Perenelle darauf und tunkte den Pinsel erneut in die Farbe für meine Lippen. Sie schminkte mich gerne, obwohl sie es eigentlich nicht machen musste. „Alexandre Chambrelain - der mit den Locken - kommt mir etwas sympathischer vor."

„Dass Ihr ihn gut-aussehender findet, war mir von Anfang an klar", entgegnete ich amüsiert.

Liliette, die am Fenster verweilte, war hingegen die ganze Zeit über still. Sie wusste im Gegensatz zu den anderen, dass mir einer der Soldaten keineswegs fremd war, und hatte mir einmal einen besorgten Blick zugeworfen, als Charlotte erneut begonnen hatte, über Rafael zu reden.

„Jetzt hört mal auf mit dem Geschnatter!", ermahnte sie Henriette, die mit mehreren Kleidern beladen aus meiner Ankleide zurückkam und neben uns halt machte.
„Diese Herren sind dafür da, dass Ihre Majestät rund um die Uhr geschützt wird, nicht, dass Ihr euren Spaß mit ihnen haben könnt!"

„Man darf doch schwärmen", verteidigte sich Perenelle seufzend. Henriette jedoch überging ihre Aussage: „Welches von diesen Kleidern wünscht Ihr zu tragen?"

Ich entschied mich für ein hellgrünes Kleid mit Perlen, woraufhin die Engländerin einer meiner Zofen das besagte Kleid in die Hand drückte. Zuletzt wurde meine Frisur mit einigen Spangen hier und da befestigt und man ging sicher, dass mein Korsett auch an keiner Stelle zu locker war.

Als ich mich erhob, taten die Vier es mir gleich.
Schließlich sprach ich dann jedoch das aus, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte: „Álvarez und ich waren ein Liebespaar."

Ihre Mienen ließen mich daraus schließen, dass sie glaubten, ich sei verrückt oder sie hätten sich gar verhört. „Ihr sprecht doch wohl nicht etwa dem Soldaten...", wollte Charlotte dumpf wissen.
„Natürlich meint die Kaiserin den Soldaten!", meckerte Perenelle und wandte sich zurück an mich. „Also ist es keine Ironie oder gar ein Scherz?"

Seufzend schüttelte ich mit dem Kopf. Für einige Zeit herrschte vollkommene Stille, ehe schon ein Sturm von Fragen auf mich zukam.

„Wann war das, Majestät?" - „Wie lange wart Ihr mit ihm zusammen?" - „Weiß der Kaiser davon?" - „Wo traft Ihr ihn das erste Mal?"

„Bitte!", unterbrach Liliette den Fragenhagel. „Ich kann Euch später davon erzählen, wenn es Ihrer Majestät recht ist." Etwas verängstigt darüber, so ein Machtwort gesprochen zu haben, sah die Spanierin etwas hilfesuchend zu mir hinüber.

„Selbstverständlich", stimmte ich meiner Hofdame augenblicklich zu. Keine Geheimnisse mehr. Es wusste sowieso jedermann bei Hofe, dass Rafael und ich zusammen und sogar verlobt gewesen waren - was ich nach wie vor zu spüren bekam.

Neugierige und schiefe Blicke waren bei mir aufgrund meiner alten Beziehung gang und gebe. Seitdem ich Kaiserin von Frankreich war, sah man es als besonders schlimm an, eine solche Vergangenheit aufweisen zu können. Weitere Faktoren, weshalb ich unbeliebt war, waren, dass ich in den Augen mancher als nur Halbfranzösin und Halbösterreicherin nicht dazu geeignet sei, den Staat zu präsentieren, und dass ich meiner Schwester ihren Posten gestohlen hatte.

„Ihr wusstet davon?", wollte Charlotte perplex wissen, obwohl ich bei ihr am ehesten erwartet hätte, dass sie es wusste. Die Deutsche war schließlich eine nicht weit entfernte Verwandte von mir.

„Ich verrate nur so viel: Seit über einem Jahr leben wir getrennt voneinander. Er wollte unsere Beziehung nicht länger fortführen, da ich Gefühle für Antoi- für Seine Majestät entwickelt hatte. Seitdem haben wir uns auch nicht mehr gesehen, geschweige denn miteinander gesprochen", erklärte ich bemüht ruhig.

„Ihr könnt ja das Gespräch mit ihm suchen", forderte mich Charlotte auf, die wohl doch nicht mehr so interessiert an Rafael zu sein schien, denn sie lächelte mir aufmunternd zu.

Henriette machte ihre Vorschläge jedoch mit einem Mal zu Nichte: „Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Sie ist die Kaiserin! Ihre Majestät kann sich nicht mit Ihren ehemaligen Freunden unterhalten, die... - Moment! - er ist ein Soldat...", realisierte sie. „... und Ihr wart eine Prinzessin..."

„Bitte, schweigt!", unterbrach ich unsere Konversation um Rafael und ein Seufzer verließ meine Lippen, als Perenelle und Charlotte ebenso die Münder aufmachten.
„Falls Ihr etwas wissen möchtet, fragt Liliette. Bitte lasst mich mit diesem Thema bloß zufrieden."



LOUIS - ANTOINE

„Ich finde das ungeheuerlich, was du dort zulässt, Louis-Antoine." Meine Mutter saß gegenüber von mir an meinem Schreibtisch, wo normalerweise nur Staatsmänner oder Diplomaten Platz nahmen. Das geschah aus dem Grund, dass ich noch nicht die Entlassung Álvarez' angeordnet hatte - und es vorerst auch nicht vorhatte.

„Weshalb? Machen Sie sich Sorgen um ihr Ansehen?", entgegnete ich überrascht, doch konnte dies selber kaum glauben.

„Nicht nur um ihr Ansehen, um das unserer Familie, um deines, um das unseres Hauses, unseres Landes, Louis-Antoine!", erläuterte sie schweratmend. Direkt konnte ihr ich ansehen, wie sehr sich sich zusammenreißen musste, mir vor Wut nicht an die Gurgel zu springen.

„Ich vertraue Aliénor. Solange die beiden keinen Kontakt miteinander pflegen, der sich auf mehr als zwei-drei Worte beschränkt, wird auch niemand unser Ansehen in den Dreck ziehen", versuchte ich sie davon zu überzeugen, Ruhe zu bewahren.
Tatsächlich sah meiner Mutter in jeder Situation nur das schlimmste. Ihren Pessimismus konnte wahrscheinlich keine Person in ganz Europa übertreffen.

„Und ich denke realistisch", verneinte sie meinen Gedanken. „Deine Gemahlin hat ihren damaligen Freund mit dir betrogen. Wieso sollte sie es nicht andersrum auch machen?"

Mein Kinn spannte sich an. „Ich verbiete Ihnen, Mutter, so über Aliénor zu sprechen."
Jedoch konnte ich nicht verhindern, dass mir unwohl bei dem Gedanken daran wurde, dass sie dies tatsächlich tun würde. Kannte ich sie nach zwei Jahren inzwischen denn so gut, dass ich mir sicher sein konnte, dass sie mir treu blieb?




ALIÉNOR

Eine Viertelstunde später war ich vollständig angekleidet. Ich trug das hellgrüne Kleid mit einer Perlenkette und Perlenohrringen, teuren Samtschuhen kombiniert mit einer komplizierten Flechtfrisur.

Seit meiner Anweisung war es stiller um meine Hofdamen geworden, und ich hoffte, dass meine Freundinnen meine Aufforderung akzeptieren würden. Etwas hatte ich das Gefühl verspürt, dass Perenelle und gerade Charlotte etwas enttäuscht gewesen waren, dass ich nicht unbedingt mit meiner ersten großen Liebe sprechen wollte. Aber Henriette und Liliette hatten recht: Ich war nun keine unwichtige Prinzessin mehr.

Meinen Hofdamen voran wollten wir uns zum Frühstück aufmachen, doch die Tür wurde unmittelbar geöffnet und ein Diener trat herein.
„Eure persönliche Wache, Álvarez, bittet um eine Audienz bei Euch, Majestät."






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Übersetzungen

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( TITEL ) Die Garderobe

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